Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
24. Mai 1990

Die Wesensverwandlung von Brot und Wein

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Durch das Wort der Wandlung wird die Wirklichkeit des Leibes und des Blutes unseres Herrn Jesus Christus herbeigeführt. Das ist ja das Wesen der Sakramente, daß sie das wirken, was sie bezeichnen. Sakramente sind nicht inhaltslose oder wirkungslose Zeichen, sondern mächtige, inhaltsreiche, gefüllte Zeichen. Der Priester, der die Wandlungsworte spricht, ist für das Zustandekommen der Wirklichkeit von Leib und Blut des Herrn unentbehrlich. Er ist Werkzeugursache in der Hand Gottes. Aber die Wirkung der Wesensverwandlung bleibt eine Tat Gottes. Gott ist der Erst- und Hauptursächliche dabei, der Priester ist nur der Zweitursächliche, er ist die Werkzeugursache für die primäre Wirkursache, die Gott selber ist. Das, was in der heiligen Wandlung geschieht, nennen wir mit dem lateinischen Ausdruck Transsubstantiation. Das kann man etwa übersetzen mit „Wesensverwandlung“. So hat das Konzil von Trient diesen einzigartigen Vorgang genannt. Das Konzil hat damals erklärt: „Da aber Christus, unser Erlöser, von dem, was er unter der Gestalt des Brotes darreichte, aussagte, es sei wirklich sein Leib, so war es stets Überzeugung in der Kirche Gottes, und diese heilige Kirchenversammlung erklärt aufs neue: Durch die Weihe von Brot und Wein vollzieht sich die Wandlung der ganzen Brotsubstanz in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Weinsubstanz in die Substanz seines Blutes. Und diese Wandlung ist von der katholischen Kirche zutreffend und im eigentlichen Sinne Wesensverwandlung, Transsubstantiation, genannt worden.“

Diese Erklärung war dem Konzil von Trient so wichtig, daß es noch eigens einen Lehrsatz hinzugefügt hat, der lautet: „Wer sagt, im hochheiligen Sakrament der Eucharistie bleibe die Substanz von Brot und Wein zugleich mit dem Leib und Blut unseres Herrn Christus bestehen, und wer jene wunderbare und einzigartige Wandlung der ganzen Brotsubstanz in den Leib und der ganzen Weinsubstanz in das Blut leugnet, wobei nur die Gestalten von Brot und Wein bleiben, diese Wandlung nennt die katholische Kirche sehr treffend „Wesensverwandlung“, „Transsubstantiation“, der sei ausgeschlossen.“ Die Wesensverwandlung ist der Weg, wie die Wirklichkeit des Leibes und Blutes Christi zustandekommt. Die Wesensverwandlung ist nicht das Sakrament, sondern sie ist die Weise, wie das sakramentale Zeichen den Leib und das Blut Jesu Christi wirkt. Für diese Wesensverwandlung gebraucht das Konzil von Trient die Ausdrücke „Substanz“ und „Akzidenzien“. Sie stammen aus der Philosophie des griechischen Philosophen Aristoteles. Aber das Konzil von Trient hat nicht die Philosophie des Aristoteles definiert, sondern was damit gemeint ist. Die Aussage des Konzils von Trient ist unabhängig von dieser Philosophie. Das Konzil hat sich nur der Begriffe bedient, um etwas auszusagen, was auch ohne diese Begriffe Wirklichkeit hat. Die Philosophie des Aristoteles ist der Sprachleib, das Sprachkleid für das, was das Konzil von Trient aussagen will.

Was ist mit „Substanz“ und „Akzidenzien“ gemeint? Substanz ist der Träger der Erscheinungen, der Kraftpunkt, aus dem die äußeren Tätigkeiten hervorgehen. Substanz ist das Grundsein eines Dinges, der Grundbestand, das Wesen eines Dinges, der verborgene Wesenskern, um den sich dann Erscheinungsformen und Tätigkeiten gleichsam ranken. Und diese Erscheinungsformen und Tätigkeiten nennt man Akzidenzien. Es ist also grundwesentlich zu unterscheiden zwischen Substanz und Akzidenzien. Von der Substanz wird gesagt, daß sie verwandelt wird. Daß diese Unterscheidung rechtmäßig ist, daß sie immer gültig ist und daß sie nicht etwa mit der aristotelischen Naturphilosophie zusammenbricht, das ist sehr leicht zu erkennen. Wenn ich einen Freund habe, dann vermag ich bei diesem Freund sein Wesen und seine Erscheinungsform zu unterscheiden. Daß er so und so gekleidet ist, daß er gesund oder erkrankt ist, daß er heilig oder unheilig ist, daß er warm oder kalt ist, das sind Erscheinungsformen. Aber sie fallen nicht mit seinem Wesen zusammen, denn sonst müßte er sich ja fortwährend in seinem Wesen ändern, wenn sich die Erscheinungsformen wandeln. Nein, ich kann unterscheiden meinen Freund und seine wechselnden Erscheinungsformen. Wenn wir an das Element des Wassers denken, so wissen wir, daß das Wasser uns in verschiedenen Zuständen gegenübertreten kann, flüssig, fest als Eis oder gasförmig als Wasserdampf. Aber immer ist es Wasser. Das Wesen des Wassers bleibt in allen diesen Zuständen dasselbe. Ähnlich-unähnlich ist es auch bei dem Vorgang, den wir in der heiligen Eucharistie vor uns haben, bei der Wesensverwandlung. Das, was den Erscheinungsformen vorausliegt, den Erscheinungsformen von Brot und Wein, das, was der verborgene Wesenskern dieser Materie ist, das wird verwandelt. Von dem sagt das Konzil von Trient und mit ihm die ganze kirchliche Überlieferung: Der allmächtige Gott wandelt den Wesenskern von Brot und Wein in den Wesenskern von Leib und Blut Christi um.

Diese Lehre war selbstverständlich, wie jede hochstehende Lehre des Christentums, angefochten. Luther z. B. lehrte eine Konsubstantiation, d. h. nach ihm ist sowohl die Substanz des Brotes als auch die Substanz des Leibes Christi anwesend. Sie sind zusammen gegenwärtig im eucharistischen Sakramente. Als dagegen Einwände erhoben wurden, hat er dann die Ubiqitätslehre aufgestellt, d. h. der Leib Christi sei überall gegenwärtig. Dagegen hat aber Calvin lebhaften Widerspruch erhoben. Ein anderer protestantischer Theologe, Osiander, lehrte die Impanation, die Einbrotung. Er meinte, so wie der Logos mit dem Jesus von Nazareth verbunden ist, so ähnlich sei es bei der Eucharistie. Und so sind noch viele andere Lehren, falsche Lehren, aufgestellt worden, gegen die sich die Kirche zur Wehr gesetzt hat. Angesichts dieser verwirrenden Vielfalt kann man nicht sagen: Diese Erklärungen sind doch eigentlich genauso möglich wie die, welche die katholische Kirche gibt. Nein! Das ist ja der Grund, meine lieben Freunde, warum wir in der katholischen Kirche sind, weil das die Kirche ist, die mit unfehlbarer Sicherheit, vom Geist geleitet, Erklärungen gibt, welche die Wahrheit enthalten. Nicht menschliche Fündlein werden da ausgebreitet, sondern da erklärt sich Christus selber durch seinen Geist. Das ist der Grund, warum es eine katholische Kirche gibt, und das ist der Grund, warum wir in ihr bleiben.

Die Gefahren für die eucharistische Wirklichkeit sind immer zwei: entweder daß man sie naturalistisch vergröbert, oder daß man sie symbolistisch verflüchtigt. Naturalistisch vergröbert derjenige die Eucharistie, der meint, Christus sei in seiner natürlichen Gestalt in der Eucharistie gegenwärtig. Nein, er ist in sakramentaler Gestalt gegenwärtig. Und symbolistisch verflüchtigt die Eucharistie, wer sagt, da sei nur eine Kraft oder ein Zeichen von Jesus gegenwärtig. In Holland sind in jüngster Zeit falsche Lehrer aufgestanden, die den Begriff der Transsubstantiation ersetzt haben durch die Begriffe Transfinalisation und Transsignifikation. Transfinalisation heißt, das Brot bekommt einen anderen Zweck; Transsignifikation heißt, das Brot bekommt eine andere Bedeutung. Sie vergleichen das z. B. mit einem Stück Stoff. Da ist ein Tuch, das der Weber hergestellt hat, und aus diesem Tuch macht man jetzt eine Fahne. Das Tuch bleibt Tuch, aber es hat jetzt eine andere Bedeutung, denn die Fahne ist das Zeichen für einen Staat oder für einen Verein oder für eine Bruderschaft.

Tja, wenn das so wäre, meine lieben Freunde, dann wäre das Geheimnis natürlich gelöst, nicht wahr? Das ist ein typischer Versuch, das göttliche Geheimnis durch billige Verstandeserkenntnis zu ersetzen. Durch solche Mätzchen wird die Eucharistie in ihrem Wesenskern verändert. Das ist nichts Neues. Im 11. Jahrhundert, meine lieben Christen, trat ein Mann namens Berengar auf. Er war Theologe in Tours in Frankreich und lehnte die Unterscheidung zwischen Wesen und Erscheinungsweise ab. Da sich die Erscheinungsweise von Brot und Wein durch die Wandlungsworte nicht ändert, ändert sich nach ihm auch das Wesen nicht. Und so kam Berengar dazu, die Eucharistie in ihrem Wesenskern zu entleeren. Das ist ein Vorläufer der heutigen Transfinalisations- und Transsignifikationslehre. Man hat den Berengar seines Irrtums überführt, und er hat dann ein Glaubensbekenntnis angenommen und beschworen, das folgendermaßen lautet: „Ich, Berengar, glaube von Herzen und bekenne mit dem Mund, daß das Brot und der Wein, die auf dem Altare liegen, durch das Geheimnis des heiligen Gebets und durch die Worte unseres Erlösers wesentlich gewandelt werden in das wahre, eigentliche, lebensspendende Fleisch und Blut unseres Herrn Jesus Christus. Und nach der Weihe sind sie der wahre Leib Christi, der aus der Jungfrau geboren wurde, der geopfert für das Heil der Welt am Kreuze hing, und der zur Rechten des Vaters sitzt, und das wahre Blut Christi, das aus seiner Seite floß, nicht nur in Zeichen und in der Wirksamkeit des Sakramentes, sondern in seiner eigentlichen Natur und in seiner wahren Wesenheit.“

Das war im 11. Jahrhundert. Das Dogma von der Transsubstantiation ist so alt wie die Kirche. Es ist enthalten in den Worten Jesu: „Das ist mein Leib. Das ist mein Blut.“ Es hat sich dann nur entfaltet. Wir können schon in den ersten Jahrhunderten Theologen nachweisen, die diese Entfaltung vorgenommen haben, auch wenn das Wort erst verhältnismäßig spät erscheint. Die Sache ist uralt. Zum Beispiel ist sie ganz klar ausgesprochen beim heiligen Ambrosius, also im 4. Jahrhundert. Das Wort selbst wurde feierlich sanktioniert vom IV. Laterankonzil im Jahre 1215. Diese Kirchenversammlung hat zum erstenmal in einer offiziellen kirchlichen Lehrverlautbarung dieses Wort gebraucht, nämlich: „Sein Leib und Blut ist im Sakrament des Altares unter den Gestalten von Brot und Wein wahrhaft enthalten, nachdem durch Gottes Macht das Brot in den Leib und der Wein in das Blut wesensverwandelt sind.“ Das also ist die wahre Wirklichkeit des eucharistischen Opfersakramentes, die Transsubstantiation, und wir müssen uns mit allen unseren Kräften dagegen stemmen, daß dieses Wort, wie es modernistische Theologen wollen, eliminiert wird. Ohne dieses Wort steht nicht der katholische Glaube an den vollen Inhalt des eucharistischen Opfersakramentes. Dieses Wort ist schlechthin unersetzbar. Wir haben keinen unbeschränkten Vorrat an Worten, mit denen wir eine gemeinte Wirklichkeit ausdrücken können. Und es ist bisher niemand auf den Plan getreten, der ein besseres, ein besser geeignetes Wort an die Stelle des Begriffes Transsubstantiation hätte setzen können.

Ich weiß, meine lieben Freunde, daß diese Wirklichkeit der Wesensverwandlung ein undurchdringliches Geheimnis ist. Es macht mir persönlich keine Schwierigkeiten, daran zu glauben. Wenn Gott ins Spiel kommt, der unermeßliche, der unbegreifliche Gott, der in unzugänglichem Lichte wohnt, dann soll das, was er tut, dem Menschen begreifbar sein? Ich würde eher annehmen, daß es nicht von Gott stammt, wenn es begreifbar wäre. Nein, meine lieben Freunde, hier haben wir ein Denkmal seiner Liebe vor uns, seiner Allmacht und seiner Weisheit. Das mag für manchen ein Ärgernis sein und eine Beschwerde, aber im Glauben an seine Allmacht, an seine Weisheit und an seine Liebe, dürfen, ja können wir festhalten daran: Wenn der Herr sagt, das ist mein Leib, das ist mein Blut, dann ist es wirklich sein Leib, dann ist es wirklich sein Blut, kraft seiner Allmacht gewirkt, dann geschieht die Wesensverwandlung, an der der Inhalt des eucharistischen Opfersakramentes hängt. Daran wollen wir glauben, bis er kommt und uns die Schleier von den Augen nimmt.

Amen.

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