Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
7. Juni 1987

Pfingsten – der Heilige Geist

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Pfingstfreide Versammelte!

Der Heilige Geist ist wahrer Gott vom wahren Gott. Das ist der erste Satz, den wir heute bedenken wollen. Der Heilige Geist teilt die Gaben aus, die Christus am Kreuze verdient hat. Das ist der zweite Satz, mit dem wir uns beschäftigen wollen. Ohne die Gaben des Heiligen Geistes können wir die ewige Seligkeit nicht erlangen. Das ist der dritte Satz unserer heutigen Überlegung.

Der Heilige Geist ist wahrer Gott vom wahren Gott. Das ist das Geheimnis der christlichen Offenbarung, daß Gott nicht eine einsame, starre Größe ist, sondern daß in ihm Leben pulsiert, ja dreifach persönliches Leben. Die Theologie hat diese Wahrheit, die der Menschheit durch Christus gebracht wurde, immer neu zu bedenken und zu durchdringen versucht. Sie hat – vor allem Augustinus – die sogenannte psychologische Trinitätslehre entwickelt. Psychologisch heißt diese Trinitätslehre deswegen, weil das Verhältnis der drei göttlichen Personen zueinander mit Kategorien des menschlichen Seelenlebens beschrieben wird. Der Vater ist die erste Person, der Sohn die zweite, der Heilige Geist die dritte. Das besagt nicht eine zeitliche Verschiebung oder Abhängigkeit. Alle drei göttlichen Personen sind ewig, gleich ewig, ohne Anfang. Aber der Vater ist ursprungslos. Er hat den Ursprung in sich selbst, deswegen nennt man ihn die erste Person. Der Sohn geht vom Vater hervor durch Zeugung. Das ist natürlich nicht biologisch gemeint, sondern bildhaft, analog, vom Empfangen des göttlichen Wesens, und deswegen heißt der Sohn die zweite Person. Der Heilige Geist geht vom Vater und vom Sohne aus durch Hauchung, deswegen sagen wir „Pneuma“, das ist das griechische Wort für „Heiliger Geist“ und bedeutet eigentlich „Hauch“, und deswegen nennen wir den Heiligen Geist die dritte Person.

Wenn der Vater sich selbst erkennt – und hier setzt dann die psychologische Trinitätslehre an –, wenn er gleichsam ein Bild von sich erzeugt und hervorbringt, dann ist der Sohn vorhanden. Und wenn Vater und Sohn sich gegenseitig lieben, wenn der Sohn sich in Liebe zurückwendet zum Vater, dann ist der Atem dieser Liebe der Heilige Geist.

Gewiß, meine lieben Freunde, das sind Bilder, das sind Gleichnisse. Wir sehen hier eben im Spiegel, wie in einem Rätsel. Anders können wir von Gott nicht sprechen, als indem wir eben menschliche Begriffe auf ihn übertragen, wobei wir wissen, daß diese Begriffe ähnlich, aber noch mehr unähnlich auf Gott zutreffen.

Der Heilige Geist ist also gleicher Gott, wie das Konzil von Konstantinopel vom Jahre 381 gegen die Irrlehre des Mazedonius erklärt hat. Er ist ewig, allgegenwärtig, allwissend, allmächtig. Er heißt der Heilige Geist, weil Gott durch ihn seine Heiligkeit offenbart. Er ist gleichen Wesens wie der Vater und der Sohn, so wie der Dunst, der vom Wasser aufsteigt, gleichen Wesens mit dem Wasser ist. Der Herr spricht vom Heiligen Geist als dem „Finger Gottes“. „Wenn ich durch den Finger Gottes die Dämonen austreibe, dann ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“ „Finger Gottes“ heißt der Heilige Geist, weil Vater und Sohn durch ihn mit uns in Berührung treten.

Das also, meine lieben Freunde, ist der erste Satz: Der Heilige Geist ist gleicher Gott, gleich ewig, gleich unvergänglich, gleich unveränderlich wie der Vater und der Sohn. Nun der zweite Satz: Der Heilige Geist teilt die Gnaden aus, die Christus uns am Kreuze verdient hat. Er schafft also nichts Neues, sondern er verteilt nur die Geschenke, die Christus uns erworben hat. So wie der Regen nichts Neues schafft, sondern den Samen, der im Erdreich ruht, nur befeuchtet und zum Keimen bringt, so ähnlich-unähnlich ist es mit der Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Wenn man die Menschen fragt: „Ja, was sind denn Gnaden?“, dann erfährt man, manchmal sogar von Theologiestudenten, keine sachgerechte Antwort. Gnade ist eine Wohltat, die jemandem unverdient geschenkt wird. Wir unterscheiden bei den Wohltaten natürliche und übernatürliche. Natürliche Wohltaten sind jene, die dem irdischen Leben dienen. Übernatürliche Wohltaten, das sind die eigentlichen Gnaden, sind jene, die dem göttlichen Leben in uns, die dem ewigen Leben dienen, also z.B. die Sündenvergebung, Einsprechungen, besondere Führungen und ein besonderer Schutz durch den Heiligen Geist, die Gaben des Heiligen Geistes. Das sind Gnaden, d. h. Wohltaten, innere Gaben, die uns Gott zu unserem Heile erweist und die wir nicht verdient haben, die uns also gratis, aus freiem Schenkungswillen des Herrn gegeben werden.

Wir können uns schon auf Erden einen Begriff machen von den Gnaden. Wir haben ja den Ausdruck auch auf Erden. Wenn ein Staatspräsident einem verurteilten Verbrecher die Strafe nachläßt, dann sagen wir: Er begnadigt ihn. Von Kaiser Joseph von Österreich wird erzählt, daß er einmal auf der Straße einen Knaben traf, der weinte. Er fragte ihn, warum er weine. Der Knabe sagte: „Ich sollte den Arzt zu meiner kranken Mutter holen, aber der will nicht kommen, bevor ich ihm nicht einen Gulden gebe, und den habe ich nicht.“ Da schenkte der Kaiser dem Knaben den Gulden. Er begab sich zu der kranken Mutter und wies ihr einen Kassenzettel über 50 Dukaten, damals eine sehr große Summe, an. Das war eine Gnade, die der Kaiser dieser armen Frau und ihrem Knaben erwies.

Ähnlich-unähnlich sind die Gnaden, die Gott uns schenkt, die der Heilige Geist austeilt. Es sind jene Gnaden, die Christus uns am Kreuze verdient hat. Denn das Kreuz, das Leiden und der Tod des Herrn sind die Verdienstursache für alle Gnaden. Alle Gnaden sind Gnaden des Kreuzes, und dem Heiligen Geist werden sie als dem Finger Gottes übergeben, damit er sie uns austeilt.

Nun der dritte Satz: Ohne die Gnaden, die der Heilige Geist uns mitteilt, können wir die ewige Seligkeit nicht erreichen. Das hat der Herr selbst gesagt. „Wer nicht wiedergeboren wird aus dem Wasser und dem Heiligen Geiste, kann das Reich Gottes nicht erlangen.“ Also: Wir brauchen den Heiligen Geist. Er muß zu uns kommen, er muß uns beschenken, er muß in uns Wohnung nehmen, er muß in uns zelten wie in einem Tempel. Daß wir der Gnade des Heiligen Geistes bedürfen, läßt sich an Bildern klar machen. Wenn ein Knabe von einem hohen Baume die Früchte pflücken will, dann weiß er ganz genau, der Vater muß ihm helfen, damit er an die Früchte herankommt. Wenn wir weit entfernte Gegenstände sehen wollen, müssen wir ein Fernrohr ansetzen. Wenn wir schwere Lasten bewegen wollen, benötigen wir einen Hebel. Das sind Bilder und Gleichnisse für das, was der Heilige Geist mit unseren natürlichen Kräften tut. Aus bloß natürlichen Kräften, nur mit dem Verstand und dem Willen, die uns in der Natur des Menschen mitgegeben sind, vermögen wir die Seligkeit nicht zu gewinnen. Der Heilige Geist muß unsere Kräfte ergänzen, erheben, er muß den Verstand durchfeuern, den Willen durchleuchten, damit wir fähig werden, die ewige Seligkeit zu ergreifen. Ohne die Kraft des Heiligen Geistes vermag niemand übernatürlich Gutes zu tun, vermag niemand Heilsverdienste zu erwerben. Nur wer in der Gnade, d. h. im Heiligen Geiste lebt, ist imstande, durch das Tun des Guten das ewige Heil, soweit es auf den Menschen ankommt, zu verdienen.

Auch das läßt sich klarmachen. Der Mond ist dunkel, wenn die Sonne ihn nicht bescheint. Ohne Licht kann niemand arbeiten, jeder benötigt für seine Arbeit das Licht. So brauchen wir das Gnadenlicht, um heilsverdienstlich zu arbeiten. Der Körper ist tot, starr und unbeweglich ohne die Seele. So muß unsere Seele, so muß die natürliche Kraft der Seele ergänzt und erhoben werden durch die Gnade des Heiligen Geistes.

Freilich, meine lieben Freunde, ist es nicht so, daß der Heilige Geist allein wirkt. Der Mensch und der Heilige Geist wirken zusammen. So wie der Mensch aus sich allein nichts kann, so ist auch der Heilige Geist ohnmächtig, wenn der Mensch nicht will. Das ist die Erklärung dafür, warum so viele Gnaden des Heiligen Geistes wirkungslos bleiben. Sie kommen nicht an. Sie erreichen den Empfänger nicht, weil die Seele gefüllt ist mit tausend Wünschen, mit tausend Lastern, mit tausend Unruhen. Es ist kein Raum für das Wirken des Heiligen Geistes, es ist kein Platz für ihn. Es ist alles schon besetzt. Und so ist selbst der Heilige Geist, der allmächtige Gott, ja so muß ich sagen: ohnmächitig, wenn der Mensch nicht will. Aber wenn er will, dann vermag er in der Kraft des Heiligen Geistes Großes zu wirken.

Heiliger Geist und Mensch wirken zusammen. Es ist ähnlich-unähnlich, wie wenn ein Lehrer einem Schüler die Hand führt. Beide schreiben, der Schüler und der Lehrer, aber der Lehrer führt eben die Hand des Schülers.

Aus eigener Kraft haben die Apostel nichts vermocht, aus eigener Kraft war David ohnmächtig, aus eigener Kraft war Josef schwach, aber die Kraft des Heiligen Geistes hat sie gestärkt und erhoben.

Wie oft höre ich, meine lieben Freunde, wenn an die Menschen sittliche Forderungen gestellt werden: Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht! Dagegen sagt der heilige Aopstel Paulus: „Ich kann alles in dem, der mich stärkt.“ Und der, der mich stärkt, ist der Heilige Geist.

Komm, o Geist der Heiligkeit aus des Himmels Herrlichkeit! Sende deines Lichtes Strahl! Vater aller Armen du, aller Herzen Licht und Ruh', komm mit deiner Gaben Zahl!

Amen.

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