Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
19. April 1987

Verteidigung des Osterglaubens (Teil 1)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Osterfreude Versammelte!

Am dritten Tage ist Jesus von Nazareth von seinem Tode auferstanden. Das ist das Zentraldogma des Christentums. Die Apostel haben keine Wahrheit des christlichen Glaubens so entschieden hervorgehoben wie diese. Am dritten Tage nach seinem Tode ist Christus lebend vom Tod erstanden. Das ist der Hauptinhalt der Botschaft des Paulus, das ist der Inhalt der Petruspredigt, ja das zu verkündigen ist die Aufgabe des Apostels. Als es darum ging, für den Verräter Judas Ersatz zu schaffen, da mußte jemand gewählt werden, der Zeuge der Auferstehung Christi sein konnte. Denn das ist der Beruf der Apostel.

Die Auferstehung Jesu ist auch in unserer Zeit das Grunddogma unseres Glaubens. Es gilt heute wie gestern, was Paulus im 1. Korintherbrief schreibt: „Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist nichtig euer Glaube, dann ist eitel unsere Predigt, dann seid ihr noch in eueren Sünden.“ An der Auferstehung hängt buchstäblich der gesamte christliche Glaube. Diese Erkenntnis haben auch die Feinde des Christentums immer gehabt. Wenn es gelingt, die Auferstehung zu Fall zu bringen, dann fällt das ganze Christentum hinterher. Und so haben sie sich von Anfang an bemüht, die Auferstehung, den Auferstehungsglauben aus den Angeln zu heben.

Es sind vor allem fünf Versuche, mit denen die Feinde des Christentums – und solche Feinde gibt es auch unter den sogenannten christlichen Theologen! – unseren Glauben vernichten wollen. Der erste Versuch besteht darin, daß man wagt – und diese Theorie kommt von dem evangelischen Theologen David Friedrich Strauß, der im vorigen Jahrhundert in Tübingen lebte, die Entstehung des Osterglaubens folgendermaßen zu erklären: Die Jünger hatten, subjektiv ehrlich, Visionen, und diese Visionen haben sie zum Anlaß genommen, die Behauptung aufzustellen: Jesus ist auferstanden vom Tod! In Wirklichkeit ist er nicht auferstanden, sein Leib ist nach wie vor tot, aber in der Sehnsucht ihres Herzens haben die Jünger, haben die Apostel subjektive Visionen zum Anlaß genommen, die Mär – denn so muß man diese Kunde ja erklären – die Mär auszugeben: Jesus ist vom Tod erstanden.

Was ist auf diesen Angriff gegen die Auferstehung und gegen den Auferstehungsglauben zu sagen? Die Aufstellung von Strauß, die ja von vielen nachgesprochen wurde, verkennt vollständig die Psychologie der Jünger. Sie haben die Auferstehung nicht erwartet, sie haben sich den wahren Erscheinungen des Auferstandenen nicht sofort ergeben, sondern sie waren zweifelnd und unsicher. Sie sind durch die Auferstehungserscheinungen bezwungen worden, überwältigt worden. Die Wirklichkeit, die von außen auf sie eindrang, nicht die Sehnsucht, die im Inneren lebte, hat sie zum Auferstehungsglauben geführt.

In der jüngsten Zeit hat man diese Visionshypothese zu erweitern versucht, indem man das Unbewußte heranzieht. Ja, das Bewußtsein, so sagt man, das sträubt sich gegen die Auferstehung, aber das Unbewußte, das treibt eben eine solche Sehnsucht hervor. Auch diese Erklärung ist unmöglich, denn was das Unbewußte zu erzeugen imstande ist, das muß irgendwie in der Seele eine Entsprechung haben, das muß irgendwie in der Seele, im Seelen- und im Geistesleben angelegt sein. Aber es kann nicht etwas, was völlig fremd und ganz unerwartet und überhaupt nicht entsprechend ist, durch eine unbewußte Regung, durch ein unbewußtes Innewerden hervorgebracht werden. Daß ein Gott, der Mensch geworden ist, seine menschliche Natur in die himmlische Existenzweise mitnimmt, das war galiläischen Fischern so fremd wie nur irgend möglich, das hätte ihr Unbewußtes niemals hervorbringen, niemals erzeugen können. Es muß dabei bleiben: Die Visionshypothese scheitert an psychologischen Unmöglichkeiten. Sie ist eine vorgefaßte Meinung, nämlich vorgefaßt insofern, als dahinter die Meinung steht, eine Auferstehung könne nicht geschehen. Diese Meinung hat der Apostel Paulus schon im 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes abgefertigt: „Wie könnt ihr sagen, Tote stehen nicht auf, wenn Christus auferstanden ist?“ Dann ist das also doch einmal passiert, dann ist doch dieser allgemeine Satz nicht mehr gültig: Tote stehen nicht auf. Es gibt einen Auferstandenen.

Eine zweite Hypothese, die von einem evangelischen Gelehrten namens Reimarus stammt, im Jahre 1778 zum erstenmal aufgestellt, vertritt die Ansicht, die Jünger seien gekommen und hätten den Leichnam Jesu gestohlen. Dann hätten sie das leere Grab vorgewiesen und gesagt: Seht, er ist auferstanden. Das ist die Diebstahlhypothese. Diese Hypothese ist ja nichts anderes als die Aufnahme dessen, was die Juden, die jüdische Obrigkeit, behauptet haben. Sie haben den Wächtern Geld gegeben: „Sagt, die Jünger sind gekommen und haben ihn gestohlen!“ „Schlafende Wächter,“ dieses Wort ist von Augustinus, „schlafende Wächter rufen sie als Zeugen an!“ Wie können Leute gleichzeitig schlafen und bezeugen, etwas gesehen zu haben? Aber diese Hypothese steht bis heute im jüdischen Thalmud. Sie scheitert an der Redlichkeit der Jünger. Die Jünger haben die Auferstehung nicht erwartet, sondern sie sind von ihr betroffen gemacht worden. Sie haben die Ankündigung der Auferstehung überhört, die Jesus ihnen gemacht hatte. Es war nichts in ihnen, was sie hätte aufnehmen können. Und deswegen ist es ausgeschlossen, daß sie zu einer derartig schäbigen Tat ihre Zuflucht genommen hätten. Der heilige Chrysostomus sagte einmal zu diesem Punkte: „Als Jesus lebendig war, da sind sie vor der Gefahr geflohen; als er tot war, haben sie die Gefahr aufgesucht und sind in den Tod gegangen für ihn. Wie soll das möglich sein ohne die wirkliche Auferstehung? Die dem Lebenden nicht die Treue gehalten haben, wie sollten sie dem Toten die Treue halten, wenn er nicht lebendig geworden wäre?“ Die Diebstahlhypothese ist denn auch zu primitiv, als daß sie ernsthaft heute noch vertreten würde.

Aber ihr kommt eine dritte an die Seite, die sagt: Nicht die Jünger, sondern Joseph von Arimathäa oder sonst jemand vom Hohen Rat hat den Leichnam Jesu beiseite geschafft, und diese Tatsache haben die Jünger dann benutzt, um auszusagen: Der Verstorbene, der Verblutete ist auferstanden und wieder lebendig geworden. Diese Hypothese scheitert an einer einfachen Überlegung. Wenn die Apostel gegen die Wirklichkeit die Auferstehung Jesu verkündet hätten, dann hätten ja diejenigen, die den Leichnam Jesu beiseite geschafft haben, jederzeit sagen können: Hier ist er ja! Sie hätten sagen können: Wir haben ihn ja, seht ihn euch an, hier ist er ja! Sie hätten doch nicht geschwiegen zu einer solchen Verkündigung, weder Joseph von Arimathäa oder Mitglieder des Hohen Rates oder wer immer es gewesen sein soll.

Die religionsgeschichtliche Schule der evangelischen Theologie greift deswegen zu einer vierten Hypothese, und das ist die Hypothese, die man die religionswissenschaftliche nennt. Sie verweist darauf, daß es in den Religionen des Orients den Mythos vom sterbenden und auferstandenen Gott gibt. Von Osiris und anderen Göttern nehmen ihre Anhänger an, daß sie sterben und wieder auferstehen, und das Christentum sei von dieser Vorstellung eben beeinflußt worden, es habe sie übernommen, es habe sie übertragen auf den Jesus von Nazareth.

Gegen diese Hypothese sind zwei Einwände zu machen. Erstens: Der Glaube an die Auferstehung Jesu stammt aus der Urgemeinde, aus der Jerusalemer Urgemeinde. Als die Urgemeinde mit diesen Aufstellungen der orientalischen Religionen in Berührung kam, war der Glaube längst fertig. Also diese Einordnung ist später als der Glaube an die Auferstehung Jesu. Eine Beeinflussung konnte deswegen nicht mehr erfolgen, weil der Glaube an die Auferstehung Jesu schon vorhanden war. Der zweite Einwand lautet, daß diese orientalischen Religionen vom Sterben und Auferstehen ihrer Götter nichts anderes sind als die Personifikation von Naturgeschehen, denn diese Götter sterben jedes Jahr und stehen jedes Jahr auf. Da sieht man, es ist der Kreislauf der Natur, die eben im Winter erstorben zu sein scheint und im Frühling wieder zu erwachen beginnt. Kein Mensch, kein Anhänger dieser Religionen glaubte an ein persönliches Sterben und Auferstehen, aber der Glaube der Christenheit richtet sich auf ein einmaliges, nicht sich ständig wiederholendes, geschichtliches Ereignis. Einmal ist der Jesus von Nazareth auferstanden, einmal und für immer!

Nun bleibt uns noch die fünfte Hypothese zu erwähnen, der fünfte Einwand gegen die Auferstehung. Er weist darauf hin, daß zwischen den Auferstehungsberichten der Evangelien Unterschiede bestehen. Diese Unterschiede beziehen sich auf verschiedene Gegenstände, zunächst einmal auf den Ort. Der Evangelist Lukas berichtet von Erscheinungen nur in Jerusalem, die anderen Evangelisten, also Markus, Matthäus und Johannes, berichten von Erscheinungen auch in Galiläa. Es gibt also offensichtlich einen Typ Jerusalemer Überlieferung und einen Typ Jerusalem-Galiläischer Überlieferung. Dann verweist man auf die Frauen am Grabe. Da sind Unterschiede unter den Evangelisten, nämlich bei Markus und Lukas sind es drei Frauen, bei Matthäus sind es zwei und bei Johannes ist es nur eine. Dann erinnert man an die Unterschiede zwischen den einzelnen Erscheinungen. Einmal erscheint Jesus ganz pneumatisch-geistlich, das andere Mal wieder bezeugt er seinen Leib, ißt mit den Jüngern und nimmt von dem Fisch. So sagt man: Da sieht man die Unterschiede, das sind Unstimmigkeiten, das verrät die Unsicherheit und die Künstlichkeit dieser Konstruktion.

Was ist zu diesen Aufstellungen zu sagen? Meine lieben Freunde, erstens ist dazu zu bemerken: Evangelisten haben keine Vollständigkeitsversprechen abgegeben. Sie haben das berichtet, was ihnen ihre Gewährsleute zugetragen haben, aber kein Evangelist berichtet alles. Wenn sie nur voneinander abgeschrieben hätten, dann hätten wir ja vier Evangelien, die nur bestimmte Stadien des Abschreibens voneinander wären. Nein, jeder Evangelist ist ein eigener, selbständiger Schriftsteller, verwertet die Informationen, die ihm zugegangen sind und hat sein unverkennbares schriftstellerisches Eigenmaß. Die Evangelisten haben keine Vollständigkeit angestrebt.

Zweitens muß man sagen: Gerade die Unausgeglichenheit der Berichte sichert ihnen Ursprünglichkeit zu. Sie sind eben nicht überarbeitet worden, man hat sie nicht harmonisiert, sondern man hat sie so stehen lassen, wie die Zeugen es berichtet haben. Und das spricht für die Ehrlichkeit der Berichterstattung. In der damaligen Zeit, in dieser Zeit der Erregung ging natürlich die Stimmung unter den Menschen hoch, und jeder berichtete das, was ihm widerfahren war. Ein Ausgleich zwischen den Berichten war nicht beabsichtigt und ist auch nachträglich nie erfolgt. Gerade diese mangelnde Überarbeitung zeigt, daß man hier Geschichte berichtet hat und nicht Legenden. Das Dritte ist zu sagen bezüglich der Dürftigkeit der Berichte. Sie malen das nicht aus, was sie mitteilen, sie phantasieren nicht, sie erfinden nicht. Wenn Sie einmal nachlesen wollen, wie ein Bericht aussieht, der erfunden ist, dann müssen Sie die apokryphen, d.h. die von der Kirche verworfenen sogenannten Evangelien lesen, etwa das Hebräerevangelium oder das Petrusevangelium oder die altslawischen Übersetzungen des jüdischen Krieges von Flavius Josephus. Da wird im totalen Unterschied von den Evangelien die Auferstehung Jesu selbst beschrieben. Keiner der Evangelisten beschreibt die Auferstehung, denn keiner war Zeuge derselben. Sie haben nur den Auferstandenen gesehen, die Auferstehung selber ist ohne Zeugen geblieben. Wer daher jetzt etwas über die Auferstehung aussagt, der kann nur ein Erfinder sein.

Alle diese Tatsachen sichern den Evangelien die volle geschichtliche Wahrheit. Worin sie übereinstimmen, das ist absolut gesichert. Man muß ja doch als Schriftsteller nicht über alles berichten, was geschehen ist, man hat Interessen. Man hat z.B. Interesse an der Frau von Magdala, Maria Magdalena. Sie ist ja nun eine besonders wichtige Persönlichkeit der Urkirche gewesen. So hat man eben die anderen Frauen, die Salome usw. beiseite gelassen, aber das ist doch kein Betrug, das macht doch jeder Schriftsteller. Jeder Schriftsteller kann das berichten, worauf es ihm ankommt, ohne daß er das andere leugnet. Das sind aber keine Widersprüche, sondern das ist schriftstellerische Eigenart.

Worauf es ankommt, darin stimmen alle überein – daß Jesus auferstanden ist, daß er wahrhaft erschienen ist, daß Gott diese Auferstehung bewirkt hat, daß diese Auferstehung das Amen Gottes zu dem Leben des Messias ist, daß der Heiland den Seinen leibhaftig erschienen ist, daß er zu ihnen gesprochen hat, daß er ihnen Belehrungen gegeben hat. Das alles ist völlig eindeutig und vollkommen übereinstimmend in allen Evangelien berichtet.

Ich habe heute, meine lieben Freunde, diese fünf Angriffe auf die Auferstehung Ihnen unterbreitet, denn ich weiß, wie in manchen Christen Unsicherheit und Zweifel wohnen. Sie werden ja auch häufig genährt durch ungläubige Theologen, die die Zweifel in die Herzen der Menschen säen. Ich stünde nicht hier, meine lieben Freunde, wenn ich nicht zuinnerst von der Wahrheit der Auferstehung, von der Wahrheit der leibhaftigen Auferstehung unseres Heilandes überzeugt wäre.

„Das Grab ist leer, der Held erwacht, der Heiland ist erstanden. Da sieht man seiner Gottheit Macht, sie macht den Tod zuschanden.“

Amen.

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