Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
29. August 2004

Immer und überall Gott danken

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Es gibt ein Sprichwort, das lautet: „Dankbarkeit ist dünn gesät.“ Wer von uns hätte nicht die Wahrheit dieses Sprichwortes in seinem Leben erfahren! Dankbarkeit ist dünn gesät. Das gilt schon im alltäglichen Leben der Menschen untereinander. Dankbare Menschen sind selten. Ein flüchtiges Dankeswort ist kein angemessener Ausdruck für eine große empfangene Wohltat. Goethe hat einmal das schöne Wort gesprochen: „Undank ist eine Art Schwäche. Ich habe nie einen tüchtigen Menschen gefunden, der undankbar gewesen wäre.“ Dankbarkeit ist ein Zeichen echten Edelmutes eines feinen Herzens. Wer dankbar ist, ist demütig, denn er gibt zu, dass er anderen etwas, viel, manchmal alles verdankt. Der Dankbare ist wahrhaftig. Er gibt zu, dass er nicht alles selbst geschaffen und erreicht hat, dass andere ihm geholfen haben, dass er von der Güte, von der Nachsicht seiner Mitmenschen lebt. Aber Dankbarkeit ist dünn gesät.

Das zeigt die Lesung des heutigen Evangeliums. Da waren zehn Männer, die an der schrecklichsten Krankheit erkrankt waren, die es damals gab, am Aussatz. Das war nicht nur eine Krankheit, die ein ständiges, langsames Siechtum mit sich brachte, sondern auch zur Ausstoßung aus der übrigen Bevölkerung führte. Die Aussätzigen mussten sich absondern. Das war noch in unserem Mittelalter so. Vor den Toren der Stadt standen die Leprosorien, also die Stätten, wo die Aussätzigen hausten und betreut oder auch nicht betreut wurden. Um so größer muß der Jubel und das Entzücken dieser Männer gewesen sein, als Jesus sie heilte. Mit seinem Machtwort hat er sie von der Geißel des Aussatzes befreit. Sie sahen, wie der Körper im Nu gesund wurde, und sie eilten zu den Priestern, die die Heilung festzustellen hatten. Das war nämlich die Aufgabe der Priester, zu bestätigen, dass der Aussatz gewichen war. Aber dann trägt sich das Beschämende und Befremdliche zu: Von den zehn Männern kommt nur einer zurück. Über der Heilung vergessen sie den, der sie geheilt hat. Nur einer gibt Gott die Ehre und bedankt sich bei dem Wundertäter Jesus, und das ist ein Fremdling, keiner von den Juden, sondern einer von dem von den Juden gemiedenen Volk der Samaritaner.

Ich weiß nicht, ob wir uns sehr entrüsten sollen über das Verhalten dieser neun Aussätzigen. Denn wenn wir in unser eigenes Leben schauen, dann müssen wir Gewissenserforschung halten und fragen: Sind wir dankbare Menschen? Sagen wir Gott und den Menschen Dank, denen wir so viel verdanken? Und sagen wir nicht bloß Dank, sondern sind wir auch bleibend dankbar? Das Lateinische hat zwei Ausdrücke für Dank sagen und dankbar sein, und mit Recht, denn der Dank soll nicht nur mit Worten abgegolten werden, er soll eine bleibende Haltung in uns sein, dass wir uns stets der Dankbarkeit, der Pflicht zur Dankbarkeit erinnern gegenüber Menschen und gegenüber Gott, und dass wir uns auch durch keine Undankbarkeit davon abhalten lassen, anderen Gutes zu tun. Von der heiligen Katharina von Siena wird folgende glaubwürdige Geschichte erzählt: Sie verpflegte eine krebskranke Frau. Als Dank erhielt sie von der Frau Schimpfworte und Verdächtigungen. Die Mutter Katharinas war empört und entrüstet und wollte sie davon abhalten, weiterhin diese Frau zu versorgen. Aber Katharina antwortete: „Glaubst du, dass es unserem Heiland recht ist, wenn wir gute Werke unterlassen, nur weil wir Undank erfahren? Hat der Herr, als er die Schmähworte des jüdischen Volkes am Kreuze hörte, deswegen sein Erlösungswerk aufgegeben?“ Undank darf uns nicht davon abhalten, weiterhin Werke des Wohltuns anderen zu schenken.

Vor allem aber muß natürlich unser Dank Gott gelten, und zwar für alle natürlichen und für alle übernatürlichen Gaben. Wir sehen es oft als selbstverständlich an, dass die Sonne scheint und dass der Regen fällt, und wir wissen doch, dass es nicht selbstverständlich ist. Wir müssen doch die Tiefdruckgebiete herbeibeten, wenn es lange nicht geregnet hat, und wir müssen doch um trockene Witterung flehen, wenn der allzu viele Regen unsere Ernte zu vernichten droht. Es ist doch nicht selbstverständlich, dass die Sonne zur rechten Zeit scheint und der Regen zur rechten Zeit fällt, dass der Frühling holdselig kommt und der Sommer mit der Fülle seiner Glut und der Herbst mit dem Reichtum seiner Ernte. Das ist nicht selbstverständlich; dafür muß man danken. Und erst recht müssen wir danken, wenn wir in unser Leben schauen. Wieviel hat Gott uns in diesem Leben an Gaben geschenkt! Wie viele unverdiente Wohltaten haben wir von ihm empfangen! Daß wir gesund waren oder gesund geworden sind, dass wir auskömmliches Einkommen hatten, mit dem wir unser Leben fristen konnten, dass wir ein Dach über dem Kopfe hatten, das ist alles nicht selbstverständlich, denn viele, unzählige Menschen müssen all das entbehren. Und was uns selbstverständlich vorkommt, das ist von Gott uns gewährt, und dafür müssen wir danken.

Über jeden von uns sind Stunden gekommen, wo er sich gesagt hat: Ich kann es nicht mehr schaffen, ich bringe es nicht mehr fertig, ich kann es nicht mehr ertragen, es wächst mir über den Kopf. Und dann haben wir es doch geschafft, und dann haben wir es doch ertragen. Da war Gott im Spiele, und dafür müssen wir danken, danken für alle natürlichen Gaben. Jeder, dem es schlecht geht, alle, die wir mit Mängeln behaftet treffen, Blinde, Lahme, Kranke sind eine Mahnung für uns zum Danken. Alban Stolz, der schwäbische Dichter, hat einmal geschrieben: „Gott hat die Lahmen, die Blinden und die Kranken deswegen uns vor Augen gestellt, damit wir an ihnen uns der Gaben erinnern, die er uns geschenkt hat.“ Dankbarkeit ist also Pflicht gegen Gott für alle natürlichen Gaben.

Sie ist aber auch Pflicht für alle übernatürlichen Gaben. Gott hat uns, indem er seinen Sohn sandte, erlöst. Er hat uns von der Schuld frei gemacht; er hat uns von der ewigen Verdammnis befreit. Dafür müssen wir danken. „Ich danke dir, Herr Jesus Christ, dass du für mich gestorben bist. Ach, laß dein Blut und deine Pein, an mir doch nicht verloren sein!“ Dieses schöne Gebet, das wir als Kinder gelernt haben, sollten wir oft sprechen. „Ich danke dir, Herr Jesus Christ, dass du für mich gestorben bist“ und dann freilich auch gleich die Bitte: „Ach, laß dein Blut und deine Pein, an mir doch nicht verloren sein!“ Danken müssen wir, dass wir den Weg zur einen, wahren, heiligen, katholischen Kirche gefunden haben. Es ist ein Glück, katholisch zu sein. Es ist ein Glück, dieser Kirche anzugehören. Im Lied haben wir es oft gesungen: „Fest soll mein Taufbund immer stehen, ich will die Kirche hören. Sie soll mich allzeit gläubig sehen und folgsam ihren Lehren. Dank – Dank! – sei dem Herrn, der mich aus Gnad’ in seine Kirch’ berufen hat. Nie will ich von ihr weichen!“

Danken müssen wir für die heilige Taufe, in der uns die Erlösung zugewendet wurde. Danken müssen wir für den Glauben, denn der Glaube gibt uns Orientierung. Was sind wir glücklich, meine lieben Freunde, dass wir wissen, wozu unser Leben dient, wohin wir gehen und woher wir kommen und was wir zu tun haben. Wie sind wir glücklich, dass wir den Glauben haben. Und wie sind wir glücklich, dass wir die Gebote haben. Sie sind keine Last, sie sind Wegweiser, und Wegweiser schätzt man und achtet man, und für Wegweiser ist man dankbar. Ich erinnere mich, wie es im Mai 1945 in meiner Heimat aussah. Da waren die deutschen Wegweiser entfernt und russische Wegweiser, also in kyrillischer Sprache aufgestellt. Aber da ich das Kyrillische Alphabet – Gott sei gedankt – beherrschte, konnte ich mich an den russischen Wegweisern orientieren und den Weg in die Heimat zurückfinden. Ähnlich-unähnlich ist es mit den Geboten. Das sind die Wegweiser auf unserem Weg zum Himmel. Dafür müssen wir dankbar sein.

Und was soll ich sagen von der heiligen Beichte, dem großen Versöhnungsgeschenk des Herrn? Was soll ich sagen von der heiligen Messe, diesem wunderbaren Geschehen, in dem das Kreuzesopfer Jesu lebendig wird? Was soll ich sagen von der heiligen Kommunion, in der der Herr uns sich selber schenkt? „Gott wird klein, sinkt dir ein, Menschenherz heißt sein Schrein. Hier wird neu die erste Liebe. Gott küsst brennender Liebe das Geschöpf, das er ersann, Kindlein sein, das ihm entrann“, so hat ein im Ersten Weltkrieg gefallener junger Mann gedichtet. Wir müssen dankbar sein für alle Gnaden, die uns Gott im Laufe unseres Lebens zugewendet hat, dass wir uns aus der Sünde erhoben haben, dass wir den Weg zurück gefunden haben. Dieser Dank wird uns von der Kirche angemahnt. In jeder heiligen Messe ergeht der Ruf: „Laßt uns danken dem Herrn, unserm Gott. Denn es ist wahrhaft würdig und recht, billig und heilsam, Gott immer und überall zu danken.“ Immer und überall! Also auch für das Leid, also auch für die Undankbarkeit, also auch für die Kreuze. Immer und überall sollen wir Gott danken.

Die Heiligen haben um diese Pflicht des Dankes gewusst. Der große Bischof Johannes Chrysostomus wurde seines Bischofsamtes entkleidet. Man hat ihn in die Verbannung geschickt und von einem Verbannungsort zu einem anderen geschleppt. Auf dem Wege zu diesem zweiten noch unwirtlicheren Verbannungsort kam er zum Sterben. Seine letzten Worte waren: „Dank sei Gott für alles.“ Für alles! Dank sei Gott für alles. So wollen auch wir unsere Dankbarkeit Gott ausdrücken. Wir wollen ihm Dank sagen, nicht nur mit dem schönen Wort: „Dank sei Gott“ oder „Gott sei Dank“, nein, sondern auch durch unser ganzes Verhalten. Das soll ein Dankeslied, ein Dankesgesang auf den Geber aller Gaben sein. Dank sei Gott, der uns so viele natürliche und übernatürliche Gaben geschenkt hat, der uns geführt hat und der uns nicht verlassen wird, bis wir einmal in die ewige Dankfeier des Himmels eingehen dürfen.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt