Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. Mai 2007

Zeugnis geben in Wort und Tat

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der heutigen Meßfeier versetzt uns die Kirche in jene Seelenstimmung, welche die Jüngergemeinde hatte, als sie nach der Himmelfahrt Jesu im Saale zu Jerusalem versammelt war. Sie waren voll Freude über die glorreiche Heimkehr Jesu zum Vater, aber auch gleichzeitig voll Sehnsucht. Sie harrten nämlich des verheißenen Geistes und gedachten der Worte, die der Herr in der unvergesslichen Abschiedsstunde im Abendmahlssaal über das Wirken des Heiligen Geistes und über ihre eigene Aufgabe gesprochen hatte. Die Kirche will gleiche Gesinnung und gleiche Gedanken in uns wecken. Und so heißt es am Eingang der heiligen Messe: „Ich suche dein Antlitz, o Herr, dir sagt mein Herz: Ich suche dein Antlitz.“ Und im Zwischengesang, da gedenken wir der Verheißung Christi: „Ich lasse euch nicht als Waisen zurück.“ Das heißt: Ich werde euch den Geist, den Geist der Wahrheit, senden. In der Epistel werden wir aufgefordert zu beten, zu beten um die Herabkunft des Heiligen Geistes: „Seid klug und wachsam im Gebete.“ Aber der Gipfel dieser Aussagen wird im Evangelium erstiegen, wo es dann über das Wirken des Heiligen Geistes und über die Jüngeraufgabe und das Jüngerschicksal geht. „Wenn der Tröster kommt, den ich euch senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, so wird er Zeugnis von mir ablegen.“ Der Geist wirkt. Der Geist ist lebendig. Im Glaubensbekenntnis bekennen wir ihn ja als den „Lebensspender“, den vivificans. Er ist der Lebendigmacher. Er selbst ist lebendig, und er macht lebendig. Er ist voll unendlicher Kraft, denn er ist Gott.

Der Geist wirkt in der Schöpfung. Wir lesen ja schon in den ersten Zeilen der Heiligen Schrift, dass der Geist über den Wassern schwebte. Das ist ein Ausdruck dafür, dass die Kraft Gottes die Schöpfung hervorgebracht hat durch den Heiligen Geist. Er wirkt auch heute in der Natur. Wir schauen aus nach den Tiefdruckgebieten; aber es ist einer, der die Tiefdruckgebiete lenkt, und es ist einer, der auf unsere Gebete hört, wenn wir um Regen bitten. Die Tiefdruckgebiete gehören und gehorchen dem Heiligen Geist. Er lenkt auch die Geschichte, die Geschicke der Völker. Er ist wirksam im Wechsel der Geschehnisse. Der Heilige Geist lenkt die Pläne und die Taten der Mächte. Oft sind unsere Augen gehalten, und wir begreifen es nicht. Aber einmal wird uns die volle Sicht auf sein Wirken in der Geschichte gewährt werden. Vor allem aber wirkt der Heilige Geist in den Menschen, in den Seelen der Menschen. Er wirkt in den Menschen, und er wirkt durch die Menschen. Er bedient sich der Menschen als Werkzeug seiner Pläne.

Er wirkt in der Einzelseele durch seine Gnade, durch seine Anregungen, durch seine Einsprechungen. Man muss nur auf das leise Wehen des Geistes in der eigenen Brust hören und auf das Gezischel der Welt nicht achten, dann vernimmt man die Sprache des Heiligen Geistes. Er wirkt durch das Lehramt der Kirche. Meine lieben Freunde, ich muss Ihnen ein Bekenntnis ablegen: Ich bin noch nie irre geworden am Lehramt der Kirche, im Gegenteil. Für mich war immer die Unbeugsamkeit dieses Lehramtes ein Beweis für die Kraft und die Macht des Heiligen Geistes. Er fordert uns auf, Zeugnis von Gott abzulegen. „Auch ihr werdet von mir Zeugnis ablegen.“ Das gilt zunächst für die Apostel, aber auch für ihre Nachfolger und für alle Jünger Jesu. Sie sind aufgefordert, Zeugnis von Jesus abzulegen. Das Zeugnis ist immer ein doppeltes. Es geschieht einmal durch das Wort.

Wir sollten das Zeugnis durch das Wort nicht verachten. Es ist bedeutsam, ja, es ist unentbehrlich. Ein offenes, charaktervolles, mutiges Christenwort, ein starkes, mannhaftes Bekenntnis zu Jesus und seiner Kirche kann viel Segen stiften. Ein solches Wort kann Schwache stärken, Gebeugte aufrichten, Schwankende befestigen, Trostlose trösten. Soeben, meine Freunde, haben wir mit Freude erlebt, wie der Nachfolger des heiligen Petrus, unser lieber Papst Benedikt, ein Zeugnis für Jesus abgelegt hat in seinem Buche „Jesus von Nazareth“. Da bekennt er seinen Glauben an Christus als den wesenhaften Gottessohn, als den metaphysischen Gottessohn, nicht als den „Sachwalter Gottes“, wie Hans Küng sagt. Nein, nein, als den wesenhaften Gottessohn, als den auf Erden erschienenen Gott. Er verdünnt nicht den Glauben, sondern er bekennt ihn.

Auch wir müssen Zeugnis von Christus ablegen. Gewiß, auch im Kirchenraum, aber nicht nur im Kirchenraum. Wir müssen Zeugnis geben auch in der Öffentlichkeit, im Gespräch mit den Nachbarn, im Verein, in den Parlamenten. Ja, ich meine, es gilt das Wort, das einmal Julius Langbehn gesprochen hat: „Heute muss man das Evangelium auf dem Markte verkünden.“ Ja, buchstäblich, auf dem Markte. Aber wer tut denn das? Ich kenne einen einzigen, der es getan hat, der das Evangelium auf dem Markte, im Lokschuppen und vor dem Rathaus verkündet hat, nämlich den schlesischen Jesuitenpater Johannes Leppich. Die Älteren von Ihnen haben ihn vielleicht noch erlebt. Ich habe ihn mehrfach sprechen hören in der Öffentlichkeit. Im Talar stand er auf einem Volkswagen, und kraftvoll und mutig hat er vor Tausenden von Menschen das Evangelium verkündet. Er wandte sich an alle, die Christen und die Nichtchristen, die Zweifelnden und die Schwankenden, die Freunde und die Feinde; „ihr, meine kommunistischen Freunde“, sagte er mehrmals. Das war ein Mann, der wahrhaftig das Evangelium auf dem Markte verkündet hat, entflammt und wortgewaltig. Er sprach vor Gläubigen und Ungläubigen, furchtlos und kraftvoll. Und sie hörten ihm zu. Aber er ist einsam geblieben; er hat keine Nachfolger gefunden. In unserer Kirche ist zuviel Leisetreterei, zuviel Ängstlichkeit, zuviel Feigheit. Die Menschen scheuen den Kampf, die Auseinandersetzung, den Konflikt; aber damit muss ein Zeuge rechnen.

Als Paulus in Rom in Gefangenschaft saß, kamen Juden zu ihm und sagten: „Von der christlichen Sekte ist uns bekannt, dass sie überall Widerspruch finden.“ „Von der christlichen Sekte“, so sagten sie, „ist uns bekannt, dass sie überall Widerspruch finden.“ So ist es gewesen, und so ist es geblieben. Auch heute findet unser Glaube Widerspruch, denn er ist unbequem. Und alles, was unbequem ist, das findet Widerspruch. Deswegen müssen wir Zeugnis geben. Wenn die Feinde der Kirche wachen, dürfen die Freunde der Kirche nicht schlafen. Wenn die Feinde der Kirche reden, dürfen die Freunde der Kirche nicht schweigen. Wenn die Feinde zum Kampfe rüsten, müssen die Freunde der Kirche das Schwert des Geistes aus der Scheide ziehen. Zeugnis ablegen durch das Wort, durch die freimütige Rede, durch das offene Bekenntnis.

Die zweite Weise, Zeugnis abzulegen, ist die Tat, das Leben. Unser Verhalten muss Kunde geben von der Lehre Christi und Christi Geist. Die Leute müssen an uns ablesen können, was Christus will. Unser Leben muss ein eindeutiges, durch die Tat bewährtes Bekenntnis des Glaubens sein. Nicht so sehr durch Predigten, sondern durch ein wahrhaftes, beispielhaftes Christenleben sind die größten Eroberungen für Christus gemacht worden. Die tiefste Werbekraft des Christentums ist das Leben nach den Geboten, zugleich auch der stärkste Schutz gegen die Feinde. Die praktische Lebensführung gibt Zeugnis, ist ein überzeugender Beweis für die Wahrheit und die göttliche Lehre Christi. Man kann, meine Freunde, andere nur zu dem bekehren, was man ihnen selber vorlebt. Jede Weltbekehrung muss mit der Selbstbekehrung beginnen. Wer selber nicht im Lichte wandelt, kann andere nicht zum Lichte führen. „Was nicht aus deinem Herzen stammt, das dringt auch nicht zum Herzen. Das Licht, das dir im Auge flammt, es leuchtet sehr und zündet mehr als hunderttausend Kerzen.“

Ich brauche die Gebote Gottes nicht aufzuzählen; die kennen Sie. Aber es gibt heute besondere Punkte, an denen das Lebenszeugnis offenbar werden muss. Ich nenne zwei Punkte. Wenn ich in eine Pfarrei komme, und man sagt mir: Das ist eine lebendige Pfarrei, dann stelle ich zwei Fragen: 1. Wie viele Beichten habt ihr am Samstag? 2. Wie viele Kinder pro Familie habt ihr? Wenn ich diese Fragen zufriedenstellend beantwortet finde, dann bin ich beruhigt.

Wer die Jüngeraufgabe treu erfüllt, muss darauf gefasst sein, dass ihn auch das Jüngerschicksal trifft, von dem Jesus spricht, nämlich Haß und Verfolgung. Das haben die ersten Jünger, die Apostel, an sich erfahren, das haben viele Jünger zu allen Zeiten der Kirchengeschichte erlebt. Jesus weist auf den tieferen Grund dieser Tatsache hin: „Das werden sie auch antun, weil sie weder den Vater noch mich kennen.“ Also einer der Gründe, vielleicht der Hauptgrund für die Verfolgung ist religiöse Unwissenheit, Unkenntnis vom wahren Wesen und Wert des Christentums. Schon in der Frühzeit wurden die Christen der schändlichsten Verbrechen verdächtigt. Die Christen blieben dem Staatskult fern, sie hatten einen bildlosen Gottesglauben. So zieh man sie des Atheismus. Ja, ja, die Christen wurden des Atheismus angeklagt. Ihr Abendmahl und ihre Agapefeiern wurden als thyesteische Mahlzeiten ausgegeben. Das heißt, man behauptete, wenn die Christen zusammenkommen, schlachten sie kleine Kinder und essen sie. Weitere Verleumdungen waren Aberglaube, Sonnenanbetung, Eselskult, Haß gegen das Menschengeschlecht. Man machte die Christen verantwortlich für Seuchen, für Überschwemmungen, für Brände. Wie bald hat sich an den Christen das Wort des Herrn erfüllt: „Es kommt die Stunde, da jeder, der euch tötet, Gott einen Dienst zu erweisen glaubt.“ Und das ist in der Folgezeit so geblieben. Der heilige Augustinus schreibt einmal: „Es war mir lange Zeit rätselhaft, warum der Priesterhaß so allgemein ist. Wir haben niemand Unrecht getan, niemand beleidigt, kein fremdes Gut geraubt, sondern wir weihen unser ganzes Dasein dem Wohl der menschlichen Gesellschaft. Warum behandelt man uns dann so lieblos, dass man kaum ein Gespräch führt, ohne dabei einen Bischof oder Geistlichen anzugreifen? Dieses Rätsel aber fand ich gelöst in der Vorhersagung Jesu: Dies werden sie auch antun, weil sie weder den Vater noch mich kennen.“ Also die Gegnerschaft, die Feindschaft, der Haß vieler Menschen gegen das Christentum ist auf Unkenntnis zurückzuführen. Die wirkliche Lehre der Kirche ist ihnen unbekannt. Sie nähren sich von Zerrbildern des christlichen Glaubens und der christlichen Sittenlehre. Deswegen gilt ihnen das Wort des Herrn: „Vater, verzeih ihnen, sie wissen nicht, was sie tun.“

Freilich, und das muss ich auch sagen, gibt es auch Feindschaft gegen das Christentum, weil man es kennt, weil man es nur zu gut kennt, weil man nichts von ihm wissen will. Man will nichts wissen von Enthaltsamkeit und Keuschheit; man wehrt sich gegen Anbetung und Dienst Gottes; man will nichts hören von Sünde und Strafe. Das war auch schon wieder am Anfang so. Als Paulus vor dem römischen Statthalter Felix von der Gerechtigkeit, von der Enthaltsamkeit und vom Gerichte sprach, da erschrak Felix und sagte: „Für diesmal magst du gehen, zu gelegener Zeit will ich dich rufen.“ Und so ist es auch heute geblieben, meine lieben Freunde. Schauen Sie nach Brüssel, schauen Sie auf das Europäische Parlament in Straßburg, und Sie werden sehen: Der schwarze Mann für die Mehrzahl der Liberalen, der Grünen und der Sozialisten ist die katholische Kirche. Sie wollen nichts hören von der Verkündigung der Gebote der geschlechtlichen Sittlichkeit durch diese Kirche. Sie behandeln überzeugte katholische Christen wie Aussätzige. Der gläubige italienische Kandidat Buttiglione musste, schmählich abgewiesen, fernbleiben dem Amt, das ihm zugedacht war, weil er katholisch ist! Ich mag kein Europa, das die katholische Kirche ächtet! Ich mag kein Europa, das Jesus verbannt! Ich mag kein Europa, das sich auf seine christlichen Wurzeln nicht mehr besinnen will!

Gott lässt zu, dass die Kirche geschmäht, befehdet und verfolgt wird. Das ist eines der Geheimnisse des göttlichen Heilsplanes, dass die Braut Christi auch die Wundmale Christi tragen soll. Meisterschicksal und Jüngerschicksal sind miteinander verbunden. Christus selbst hat darauf hingewiesen: „Wenn die Welt euch haßt, so wisset, mich hat sie vor euch gehasst! Der Knecht ist nicht mehr als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, werden sie auch euch verfolgen.“ Die Geschichte lässt uns den Sinn dieses göttlichen Ratschlusses ahnen. Sie zeigt, dass die Kirche solche Verfolgungen braucht, um ihre göttliche Kraft zu offenbaren. Sie braucht diese Verfolgungen, um ihre göttlicher Kraft zu offenbaren. Mohammed hat seine Herrschaft gegründet, indem er mordete. Christus, indem er sich morden ließ. Mohammed hat Mittel und Wege gewählt, um nach menschlicher Weise zu siegen. Christus, um nach menschlicher Art zu unterliegen. Wenn trotzdem der Mohammedanismus gesiegt hat in vielen Ländern, so beweist das nur, dass das Christentum ohne höhere Kräfte hätte unterliegen müssen. Die Zeiten der schwersten Verfolgungen sind immer Zeiten eines inneren Aufstiegs der Kirche gewesen. Martyrerzeiten, Bekennerzeiten sind Zeiten großer Heiliger, Erntezeiten mit vollen Garben, Saatzeiten mit neuem, fruchtbarem Samen. Der Geist der Wahrheit ist eben kein Geist der satten Ruhe, er ist der Geist heiligen Kampfes. Nur im Kampfe erstarken Glaubensmut und Glaubenstreue. Wir sind berufen, meine Freunde, an diesem Kampfe teilzunehmen, nicht mit äußeren Waffen, sondern mit den Waffen der Treue, der Opferbereitschaft, des Gebetes und der Liebe, mit der Kraft eines reinen, beispielhaften und deshalb überzeugenden Christenlebens. Wir sollen, nein, wir müssen das Wort erfüllen: „Auch ihr sollt Zeugnis von mir geben!“

Amen.

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