Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. Mai 1989

Zuverlässigkeit der Evangelien

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

An den vergangenen Sonntagen haben wir uns bemüht, die Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit der neutestamentlichen Schriftsteller uns vor Augen zu führen. An dieser Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit hängt unser Glaube, und wir haben Anlaß, diese Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit zu prüfen und uns ihrer zu versichern. Am heutigen Pfingstmontag möchte ich vier Gründe namhaft machen, die für die Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit der neutestamentlichen Schriftsteller sprechen.

Der erste Grund ist darin gelegen, daß sie die höchsten Motive hatten, um wahrhaftig zu sein und zuverlässig zu berichten. Die Evangelisten Johannes und Lukas und der Apostel Paulus haben Stellen in ihren Schriften, in denen sie eigens auf die Wahrhaftigkeit ihres Zeugnisses Bezug nehmen. Der Evangelist Lukas etwa schreibt am Beginn seines Evangeliums: „Ich habe mich entschlossen, allem von den ersten Anfängen an sorgfältig nachzugehen und es der Reihe nach aufzuschreiben, damit du dich von der Zuverlässigkeit der Lehren, über die du unterwiesen worden bist, überzeugen kannst.“ Also, er will seinen Leser – das ist der Theophilus, ein offenbar hochgestellter Mann –, davon überzeugen, daß in dem Evangelium, das er verfaßt hat, Wahres und Zuverlässiges berichtet wird.

Der Evangelist Johannes tut es desgleichen. Er versichert am Ende seines Evangeliums, daß, was hier aufgeschrieben steht, wahrhaftig ist. Nur deswegen kann er die Leser auffordern, zu glauben, daß Jesus der Messias, der Sohn Gottes ist. An einer früheren Stelle, nämlich bei der Kreuzigung Jesu, sagt er ausdrücklich: „Der dies gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahrhaftig. Er weiß, daß er die Wahrheit sagt, damit auch ihr glaubet.“

Und wo der Apostel Paulus die Erscheinungen des Auferstandenen aufzählt, bemerkt er: „Ich habe euch nichts anderes übergeben, als was ich selbst überkommen habe.“ Er hat nichts hinzugefügt, er hat auch nichts erfunden, sondern er hat das Zeugnis derer, die Augen- und Ohrenzeugen des Lebens, Wirkens und Sterbens, aber auch des Auferstehens Jesu waren, wiedergegeben. Die neutestamentlichen Schriftsteller hatten die höchsten Motive, wahrhaftig zu sein; denn sie wußten: An unserer Wahrhaftigkeit hängt unser Heil. Wir werden verdammt werden, wenn wir nicht treu und zuverlässig berichten, was wir erlebt und überkommen haben. Sie hatten die höchsten Motive, zuverlässig zu sein und glaubwürdig zu berichten.

An zweiter Stelle ist darauf hinzuweisen, daß die Evangelisten sorgfältig unterscheiden, wenn sie eine Beispielerzählung Jesu vorführen oder wenn sie von seinen Taten und Worten reden. Sie haben deutlich auseinandergehalten die vom Herrn als Gleichnisse erfundenen Erzählungen und die von ihm gewirkten Geschehnisse. Im Markusevangelium zum Beispiel ist fast das ganze 4. Kapitel Gleichnissen des Herrn vorbehalten. Das sind Erzählungen belehrender Art. Die darin geschilderten Vorgänge haben sich nicht real im Leben des Herrn zugetragen. „Er fing an, sie zu lehren,“ sagt der Evangelist am Anfang des Kapitels, also nicht zu tun, nicht zu wirken, sondern zu lehren. Er lehrte sie vieles in Gleichnissen. Wo dagegen Handlungen, Machttaten,Wirkungen der gewaltigen Persönlichkeit Jesu berichtet werden, da verwendet der Evangelist sofort einen anderen Stil, denn jetzt geht es um Geschehnisse, die sich in der realen Außenwelt zugetragen haben. „Am Abend jenes Tages sagte er zu ihnen: 'Laßt uns hinüberfahren an das andere Ufer!' Sie kamen über den See. Als Jesus über den See gefahren war, versammelten sich viele Leute um ihn. Von da ging er weg.“ Da wird etwas berichtet von tatsächlichen Geschehnissen.

Die Evangelisten waren also keine unkritischen Naiven, die Erzählungen und Berichte vermengt oder verwechselt haben. Sie wußten genau zu unterscheiden, was erfundene Gleichniserzählung und was wirkliches Geschehnis war.

An dritter Stelle muß man darauf hinweisen, daß die neutestamentlichen Schriften in einer Zeit entstanden, als viele Augen- und Ohrenzeugen des Lebens Jesu noch lebten. Sie waren Zeitgenossen der neutestamentlichen Schriften. Sie konnten sie lesen, und sie konnten feststellen, das stimmt oder das stimmt nicht. Und was wäre mit diesen Schriften geschehen, wenn durchschlagende Beweise gegen ihre Zuverlässigkeit vorgebracht worden wären? Man hätte sie als Lügengewebe entlarvt. An einer Stelle wird von dem Apostel Paulus sogar erwähnt, daß viele Zeugen noch leben, nämlich da, wo er die Erscheinungen des Auferstandenen aufzählt. „Hierauf ist er mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal erschienen,“ -  fünfhundert! – „von denen die Mehrzahl jetzt noch am Leben ist.“ Aha, man kann also hingehen, man kann sie fragen, und dann müssen sie entweder bestätigen oder dementieren. Der Apostel ist sich sicher, daß sie nur bestätigen können, was sie selbst erlebt haben.

Ein vierter Beweis für die Zuverlässigkeit läßt sich führen aus der jüdischen Anschauung vom Messias. Die Juden erwarteten einen Messias, aber dieser Messias war natürlich nichts anderes als ein besonders hervorragender, von Gott mit hohen Gaben ausgerüsteter Mensch. Es wäre für jüdisches Denken unvollziehbar gewesen, daß ein Messias göttliche Würde haben könnte. Das wäre ihnen als Blasphemie, als Gotteslästerung erschienen. Wenn also jetzt einer kam und beanspruchte, der Messias zu sein, und zwar der Messias als metaphysischer Gottessohn, dann mußten zwei Dinge notwendig geschehen, nämlich

1. mußte der Betreffende in seinem Selbstbewußtsein und in seinen Äußerungen sich als den göttlichen Messias bekennen, und

2. mußte er diesen Anspruch durch ungeheuere Taten, die als Siege Gottes selbst zu gelten hatten, beweisen.

Eben das, meine lieben Freunde, ist die Botschaft des Neuen Testamentes. Jesus hat einen Anspruch erhoben wie vor ihm und nach ihm kein Mensch. „Ich und der Vater sind eins!“ „Glaubst du nicht, Philippus, daß der Vater in mir ist, und daß ich im Vater bin? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Diesen ungeheueren Anspruch hat Jesus erhoben. Wenn er nicht in der Luft hängen sollte, wenn er nicht als Erzeugnis eines Größenwahnsinnigen gelten wollte, dann mußte er ihn beweisen. Und wie anders konnte er ihn beweisen, als daß er Taten setzte, wie sie allein einem göttlichen Messias angemessen sind; indem er Kranke heilte, Besessene reinigte, indem er Tote erweckte und die Natur unter sein Kommando beugte. All das hat Jesus getan. Nur so konnten die Evangelisten und die Jünger zum Glauben an die Gottheit Jesu geführt werden. Aber weil diese Dinge tatsächlich geschehen sind, weil dieser Anspruch erhoben wurde und weil die Wunder diesen Anspruch beglaubigt haben, deswegen besteht kein Zweifel, daß alle neutestamentlichen Schriftsteller Jesus als den menschgewordenen Gottessohn, als den metaphysischen Gottessohn, anbeteten.

Das, meine lieben Freunde, sind einige Hinweise darauf, daß wir uns von mißratenen Aufstellungen unserer Zeitgenossen nicht irremachen lassen dürfen. Wir wollen festhalten am Zeugnis der Evangelisten und der Apostel. Wir wollen festhalten, daß Jesus wahrhaftig der menschgewordene Gott ist, der Wohltaten spendend und Wunder wirkend über diese Erde schritt, und daß er hingegangen ist, um seinen Geist zu senden und uns eine Wohnung zu bereiten, auf daß wir in ewiger Seligkeit mit ihm uns freuen können.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt