Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
14. April 1991

Der Grund unserer Osterfreude

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

 

Geliebte im Herrn!

Wir sprechen von der Osterfreude, und diese Osterfreude drückt sich aus in den vielen Rufen des Alleluja, mit denen das Osterfest reich bestückt ist. Welches ist denn der Grund für die Osterfreude? Warum freuen wir uns an Ostern? Es sind zwei Gründe, die diese Freude hervortreiben. Der erste betrifft Christus, der zweite geht uns an.

Wir freuen uns erstens, weil Christus den Sieg errungen hat. Er war auf Erden geschmäht und geschändet, als ein Verbrecher verurteilt, am Kreuze noch gelästert worden. Jetzt endlich kommt die Gerechtigkeit hervor. Jetzt zeigt der Vater, daß dieser Ausgestoßene derjenige ist, dem er die Sünden der anderen aufgeladen hat. Jetzt wird Christus gerechtfertigt, jetzt zeigt es sich, daß er nicht ein vom Vater Verlassener, sondern ein vom Vater Angenommener ist, daß der himmlische Vater sich zu seinem Sohne Christus bekennt. Deswegen heben die Apostel so oft hervor: Christus ist vom Vater auferweckt worden. Sie sagen häufiger, er ist auferweckt worden, als er ist auferstanden. Sie sagen das mit Absicht, denn sie wollen damit bekunden, daß der Vater im Himmel das Ja zu diesem Leben gesprochen hat, daß er also nicht gescheitert ist, daß er nicht von Gott aufgegeben worden ist, daß er nicht ein Sünder und Lästerer war, wie seine Feinde behaupteten, sondern daß er der getreue Bote, der getreue Sendling des Vaters war, daß er der Sohn war, der geliebte Sohn, zu dem sich der Vater in seiner Auferstehung bekannte. Jetzt hat er die Himmelsherrlichkeit gewonnen, die auf Erden in ihm zumeist verborgen war. Gelegentlich kam sie heraus. Da blitzte sie gleichsam auf bei seinen Wundern, wenn er dem Meere gebot und wenn er das Wasser in Wein verwandelte und wenn er über das Meer schritt. Da zeigte sich etwas von seiner Gottesherrlichkeit. Aber das war immer nur für Augenblicke. Oder auf dem Berge Tabor, wo er verklärt wurde, wo sein Antlitz leuchtete wie die Sonne und seine Kleider glänten wie das Licht. Diese Verborgenheit ist jetzt aufgehoben. Jetzt ist die Herrlichkeit durchgedrungen; jetzt hat er den Leib, der ihm eigentlich angemessen ist, nämlich den verklärten, den vom Heiligen Geist durchwirkten, den geistig gewordenen Leib. Wir freuen uns also, weil Christus zum Ziel gelangt ist, weil unser Heiland, mit dem wir Mitleid hatten, als er gegeißelt und mit Dornen gekrönt wurde, daß unser Heiland nun glänzend gerechtfertigt ist und in die Herrlichkeit des Vaters eingegangen ist.

Wir freuen uns aber zweitens auch deswegen, weil er uns vorausgegangen ist. Alles, was Christus tut, alles, was an ihm geschieht, das geschieht für uns. Alles, was an ihm gewirkt wird, hat Bedeutung für uns. Er ist keine Privatperson, er ist eine amtliche Person. Einmal hat schon ein Mensch in Repräsentanz für andere gehandelt, das war der erste Mensch, das war Adam. Er hat seine ganze nachfolgende Menschheit in das Verderben hineingerissen. Jetzt kommt der neue Adam. Er reißt nicht ins Verderben, er führt in die Herrlichkeit hinein. Christus ist der neue Adam, der die Menschheit in jenen Zustand führen soll, den er selbst erlangt hat.

Die Erlösung hat Christus bewirkt durch Tod und Auferstehung. Tod und Auferstehung bilden ein unzerreißbares Ganzes. Wenn er nur gestorben wäre, dann wüßten wir nicht, daß sein Tod ein Heilstod ist, dann könnte man auch sagen wie Walter Kapser: Sein Tod ist die Konsequenz seines Lebens. „Ja“, habe ich Walter Kasper entgegengehalten, „für Karl Gördeler war der Tod auch die Konsequenz seines Lebens, aber deswegen war es kein Heilstod.“ Daß Christi Tod ein Heilstod, ein Erlösungstod für andere war, das sieht man erst an seiner Auferstehung. Die Auferstehung ist das Amen zu der Heilskraft des Todes Christi. So sieht es die Heilige Schrift, so hebt es die Liturgie der Kirche hervor. Im Römerbrief schreibt der Apostel Paulus: „Er ist dahingegeben worden um unserer Sünden willen und auferstanden um unserer Rechtfertigung willen.“ Also: Die Hingabe, der Tod, geschah, damit die Sünden getilgt würden. Die Auferstehung geschah, damit wir gerechtfertigt würden. Der Tod ist die eine Seite, die Auferstehung ist die andere Seite ein und derselben heilschaffenden Wirklichkeit. Vergebung der Sünden und Begnadigung mit neuem Leben, das sind die zwei Seiten ein und derselben Medaille. Und die Kirche sagt es in der Liturgie, in der Präfation, in der Präfation von Ostern: „Durch sein Sterben hat er unseren Tod vernichtet, durch sein Auferstehen hat er uns neues Leben erworben.“ Also: Tod und Auferstehung sind untrennbar miteinander verbunden.

Die Verbindung von Christi Tod und Auferstehung und uns muß nun hergestellt werden. Zunächst einmal sind ja die Auferstehungskräfte in ihm und nur in ihm. Ja, wie kommen wir an diese Auferstehungskräfte heran? Wir gewinnen Anteil an den Auferstehungskräften Christi, wenn wir in Glaube und Taufe uns mit ihm verbinden. Durch Glaube und Taufe werden wir in seine Machtsphäre, in die Wirksphäre seiner Auferstehungskräfte hineingezogen. Diese Hineinziehung ist noch verborgen, aber sie wird sich einmal offenbaren. Es werden uns jetzt Auferstehungskeime eingesetzt, und diese Auferstehungskeime werden sich einmal entfalten. Der heilige Paulus nimmt die Auferstehung, die uns verheißen ist, als so gewiß, daß er sagt: „Wir sind schon auferstanden.“ An mehreren Stellen seiner Briefe heißt es: „Ihr seid schon auferweckt worden.“ Da könnte man denken: Ja, ist das nicht ein Widerspruch: Ihr seid schon auferweckt worden, und dann: Wir sollen die Auferstehung erwarten, nämlich am Ende der Tage, am Jüngsten Tage, wenn der Herr kommt, zu richten die Lebenden und die Toten? Ist das nicht ein Widerspruch? Die scheinbare Widersprüchlichkeit der beiden Aussagen löst sich darin, daß man sagen kann: Die Auferstehung ist eine Wirklichkeit in uns; wir sind mit Auferstehungskräften bedacht, aber ihre volle Entfaltung, ihre letzte Auswirkung, ihren größten Triumph erleben diese Auferstehungskräfte erst in der leiblichen Auferstehung der Toten. Erst dann wird es sich zeigen, daß Christus der Urheber des Lebens ist, wie er in der Apostelgeschichte genannt wird. Da hält nämlich Petrus den Juden entgegen: „Ihr habt den Urheber des Lebens getötet.“ Urheber des Lebens ist er, auch für uns. Wenn wir die großen, die gewaltigen, die manchmal unfaßlichen Verheißungen hören, die unser Glaube uns macht, da kann manchmal ein leiser Zweifel uns überfallen. Stimmt das alles so? Wird sich das alles so ereignen? Dieser Zweifel kann uns bis aufs Sterbebett begleiten. Als meine Mutter auf dem Sterbebett lag, da fragte sie: „Ja, das ist aber doch nur eine Hoffnung, daß wir weiterleben?“ Ich sagte: „Mutter, es gibt einen Anker der Hoffnung, und dieser Anker der Hoffnung ist der auferstandene Christus.“ Jawohl, das ewige Leben wäre nur eine Idee oder nur eine vage Aussicht, wenn wir nicht einen Beweis hätten, daß es weitergeht, und dieser Beweis ist der auferstandene Heiland. So können wir also aufkommende Zweifel zurückdrängen, ja niederkämpfen, indem wir uns an unseren Herrn und Heiland, den auferstandenen, den verklärten Herrn, halten. An ihm sieht man, was Erlösung ist. Wenn man gefragt wird: Was ist Erlösung?, kann man kurz sagen: Erlösung ist der auferstandene Heiland.

Die Auferstehung Christi und die Auferstehung der Toten sind voneinander getrennt wie der Morgen und der Abend des Ostertages. Aber die Auferstehung Christi und die Auferstehung der Toten gehören auch zusammen wie der Grundstein und der Schlußstein eines Domes.

Amen.

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