Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
2. Sep­tem­ber 1990

Die Heils­not­wen­dig­keit des Opfer­mahls

Im Namen des Vaters und des Soh­nes und des Hei­li­gen Geis­tes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Über vier Monate sind es jetzt her, seit­dem wir begon­nen haben, Sonn­tag für Sonn­tag über das eucha­ris­ti­sche Opfersa­kra­ment nach­zu­den­ken. Von vie­len Sei­ten haben wir ver­sucht, in das Geheim­nis der Eucha­ris­tie ein­zu­drin­gen. Wir haben erkannt, daß die Eucha­ris­tie ihren Aus­gangs­punkt nimmt im Abend­mahls­saal, wo der Herr das vor­weg­nahm, was wenige Stun­den spä­ter am Kreuze sich ereig­nen sollte, näm­lich das Opfer für das Heil der Mensch­heit. Als Gedächt­nis sei­ner Lei­den hat er das eucha­ris­ti­sche Opfersa­kra­ment ein­ge­setzt. In der hei­li­gen Messe, die ein katho­li­scher Pries­ter fei­ert, wird das Kreu­zes­op­fer gegen­wär­tig gesetzt in sakra­men­ta­ler Gestalt. Die Eucha­ris­tie ist die Epi­pha­nie, die sakra­men­tale Epi­pha­nie von Gol­go­tha.

So haben wir erkannt, und die­ses Gesche­hen fin­det seine Voll­endung in der Teil­nahme am Opfer­mahl. Die hei­lige Kom­mu­nion ist der Abschluß des Opfers, not­wen­dig immer für den, der das Opfer als Reprä­sen­tant Christi voll­zieht, für den Pries­ter, wün­schens­wert, ja drin­gend gewünscht für alle Gläu­bi­gen, die am hei­li­gen Opfer teil­neh­men.

Es bleibt uns heute zu klä­ren, wel­che Heils­not­wen­dig­keit die Kom­mu­nion besitzt. Der Herr hat ja die Sei­nen ver­pflich­tet, sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trin­ken. Als seine Zuhö­rer an der Ver­si­che­rung, daß sein Leib und sein Blut Leben ver­mit­teln, Zwei­fel äußer­ten, da sagte er: „Wenn ihr das Fleisch des Men­schen­soh­nes nicht essen und sein Blut nicht trin­ken wer­det, dann habt ihr das Leben nicht in euch.“ Er hat also ein­dring­lich dar­auf hin­ge­wie­sen, daß wir an sei­nem Flei­sche und Blute auch in der Weise der sakra­men­ta­len Kom­mu­nion teil­ha­ben sol­len.

So haben es auch die Chris­ten getan. Es war am Anfang des Chris­ten­tums üblich, daß alle Teil­neh­mer an der hei­li­gen Messe auch die Kom­mu­nion emp­fin­gen. Aber bald erkannte man, daß Teil­nahme am Opfer und Teil­nahme am Opfer­mahl zwei ver­schie­dene Dinge sind, daß zur Teil­nahme am Opfer­mahl eben eine beson­dere Zurüs­tung not­wen­dig ist. Das hat ja schon der Apos­tel Pau­lus an den Korin­thern gerügt, daß viele von ihnen am Opfer­mahl teil­neh­men, obwohl ihre Selbst­sucht und ihr Eigen­nutz ihnen eigent­lich den Weg dazu ver­stel­len müß­ten.

Das hei­lige Opfer wurde ursprüng­lich nur am Sonn­tag gefei­ert. All­mäh­lich bür­gerte sich die häu­fi­gere Opfer­feier ein, vor allem in Nord­afrika, und zur Zeit von Cyprian war bereits das täg­li­che Opfer in Nord­afrika üblich. Cyprian mahnte die Chris­ten, täg­lich zu kom­mu­ni­zie­ren, damit sie in der Ver­fol­gung beste­hen könn­ten. Auch der hei­lige Augus­ti­nus riet zum täg­li­chen Emp­fang der hei­li­gen Eucha­ris­tie, ebenso der hei­lige Basi­lius in Klein­asien. Er schrieb: „Es ist nütz­lich und schön, täg­lich zu kom­mu­ni­zie­ren. Wir aller­dings“ – also die Chris­ten in Klein­asien – „kom­mu­ni­zie­ren vier­mal in der Woche, am Sonn­tag, am Mitt­woch, am Frei­tag und am Sams­tag.“ Aus dem 4. Jahr­hun­dert stam­men dann die ers­ten Kla­gen, daß Gläu­bige zwar am hei­li­gen Opfer teil­neh­men, aber der hei­li­gen Kom­mu­nion fern­blei­ben. „Umsonst ist das täg­li­che Opfer, umsonst ste­hen wir am Altar“, klagte der hei­lige Chrys­ost­o­mus, der Patri­arch von Kon­stan­ti­no­pel, „nie­mand kommt, um zu kom­mu­ni­zie­ren.“ Er erwähnte, daß es Gläu­bige gibt, die nicht ein­mal die ein­ma­lige Kom­mu­nion im Jahre hal­ten. Wie konnte es dazu kom­men? Es waren ver­schie­dene Gründe, die zur Ent­hal­tung von der Kom­mu­nion führ­ten. Ein­mal sicher die Lau­heit, die durch das Ein­strö­men gro­ßer Mas­sen von Men­schen in die Kir­che geför­dert wurde. Es war nicht mehr allent­hal­ben ein Lie­bes-Chris­ten­tum, wie es in der Ver­fol­gungs­zeit war. Dazu kam die Aus­wir­kung der aria­ni­schen Wir­ren. Im Kampfe um die Gott­heit Jesu wurde diese stark, viel­leicht über­stark, betont, so daß seine Mensch­heit in den Hin­ter­grund trat. Das hatte zur Folge, daß Liebe und Ver­trauen, wie sie dem Men­schen Jesu gebüh­ren, zurück­ge­drängt wur­den durch Scheu und Furcht. Es ist also durch­aus wahr­schein­lich, daß die aria­ni­schen Wir­ren mit­schuld sind an dem Rück­gang der hei­li­gen Kom­mu­nion. Der hei­lige Beda, der 730 gestor­ben ist, schreibt, daß es sel­ten ist, daß jemand häu­fig kom­mu­ni­ziert, daß sich die meis­ten Chris­ten mit der drei­ma­li­gen Kom­mu­nion im Jahre begnü­gen, näm­lich Weih­nach­ten, Erschei­nung des Herrn und Ostern. Ein Jahr­hun­dert spä­ter berich­tet uns Walah­fried Strabo, daß es Leute gibt, die in jeder hei­li­gen Messe kom­mu­ni­zie­ren wol­len, also auch, wenn sie mehr­mals am Tage die hei­lige Messe mit­fei­ern. Doch das scheint eine sel­tene Aus­nahme gewe­sen zu sein. Kon­zils­be­stim­mun­gen setz­ten fest: Der­je­nige kann nicht mehr als Katho­lik betrach­tet wer­den, der nicht wenigs­tens drei­mal im Jahre die Kom­mu­nion emp­fängt, näm­lich Weih­nach­ten, Ostern und Pfings­ten. Aber die Scheu wirkte nach. Die gro­ßen Scho­las­ti­ker, die gro­ßen Theo­lo­gen des Hoch­mit­tel­al­ters, hiel­ten sich an ein Wort des Gen­na­dius von Mar­seille, der im Jahre 496 gestor­ben ist. Die­ser hatte geschrie­ben: „Die häu­fige Kom­mu­nion will ich weder tadeln noch loben.“ Und so haben Albert der Große, ein Hei­li­ger, Bona­ven­tura, ein Hei­li­ger, Alex­an­der von Hales, ein gro­ßer Theo­loge, die häu­fige Kom­mu­nion nur jenen zuge­ste­hen wol­len, die dadurch in der Liebe zu Chris­tus wach­sen. Und das sind nach ihrer Mei­nung nur wenige. Der hei­lige Bona­ven­tura gestat­tete als Ordens­ge­ne­ral des Fran­zis­ka­ner­or­dens den Lai­en­brü­dern nur ungern die ein­ma­lige Kom­mu­nion in der Woche. In den Frau­en­or­den war es nicht anders. Die Kla­ris­sen, ein Zweig des Fran­zis­ka­ner­or­dens, kom­mu­ni­zier­ten sechs­mal im Jahr, die Bir­git­tin­nen fünf­mal im Jahr.

Der hei­lige Tho­mas frei­lich, unser größ­ter Theo­loge, hatte eine davon abwei­chende Mei­nung. Er sagte: „Wenn man das Sakra­ment in sich betrach­tet, dann ist es eine Nah­rung und muß des­we­gen so oft wie mög­lich genos­sen wer­den. Wenn man es frei­lich vom Emp­fän­ger her betrach­tet, muß man beden­ken, daß die­ser vor­be­rei­tet sein muß; und wenn er nicht vor­be­rei­tet ist, muß er sich ent­hal­ten.“ Er bringt auch noch einen ande­ren Beweis­gang. Er sagt: „Man muß zur Eucha­ris­tie hin­zu­tre­ten mit Ehr­furcht. Ehr­furcht ist eine Mischung von Liebe und Furcht. Aus der Liebe kommt die Sehn­sucht, das Sakra­ment zu emp­fan­gen; aus der Furcht kommt die Scheu, sich daran zu ver­sün­di­gen. So muß ein jeder zuse­hen, wie er zuge­rüs­tet ist, ob er die­ses Sakra­ment emp­fan­gen kann oder nicht.“ Er greift auch noch ein schö­nes bib­li­sches Bei­spiel auf. Er sagt: „Zwei Leute haben sich ganz ver­schie­den ver­hal­ten und doch den Herrn in ihrer Weise geehrt, näm­lich Zachäus, der Zöll­ner, und der Haupt­mann von Kapharnaum. Zachäus, der Zöll­ner, nahm den Herrn treu­lich in sein Haus auf, der Haupt­mann von Kapharnaum dage­gen sagte: 'Herr, ich bin nicht wür­dig, daß du ein­gehst unter mein Dach.'„ So, sagt er, muß ein jeder für sich selbst ver­ant­wort­lich ent­schei­den, ob er die Kom­mu­nion emp­fängt oder nicht.

Das IV. Later­an­kon­zil vom Jahre 1215 hat ver­ord­net, was heute noch gilt, daß jeder, der zu den Jah­ren der Unter­schei­dung gekom­men ist, wenigs­tens ein­mal im Jahre die Kom­mu­nion emp­fan­gen muß. Das Kon­zil von Tri­ent hat emp­foh­len, in jeder hei­li­gen Messe zu kom­mu­ni­zie­ren, also in einer voll­ende­ten Weise am Meß­op­fer teil­zu­neh­men. Und in der Fol­ge­zeit ist auch die häu­fige Kom­mu­nion zahl­rei­cher gewor­den. Wir wis­sen z.B. von Karl V., dem gro­ßen, gläu­bi­gen Kai­ser, daß er im Schmal­kal­di­schen Kriege jeden Tag die Kom­mu­nion emp­fing. Aber es kam dann auch eine Gegen­be­we­gung auf in Frank­reich, die soge­nann­ten Jan­se­nis­ten. Der Theo­loge Arnauld schrieb ein Buch mit dem Titel „Sur la fréquante com­mu­nion“ (Über die häu­fige Kom­mu­nion). In die­sem Buch stellt er zwei Grund­sätze auf:

1. Nie­mand, der nicht für seine Tod­sün­den eine lange und gebüh­rende Buße getan hat, darf zur Kom­mu­nion zuge­las­sen wer­den.

2. Jeder, der nicht von rei­ner Got­tes­liebe erfüllt ist und das Ver­lan­gen hat, Gott in allem zu gefal­len, darf, ja muß von der Kom­mu­nion fern­ge­hal­ten wer­den.

Diese bei­den Sätze wur­den aber vom höchs­ten Lehr­amt der Kir­che bean­stan­det. Papst Alex­an­der VIII. hat diese bei­den Sätze ver­wor­fen. Er sagte, das ist zu rigo­ris­tisch, zu streng, damit wird man dem eucha­ris­ti­schen Opfersa­kra­ment, der hei­li­gen Kom­mu­nion nicht gerecht. Das sind über­trie­bene Anfor­de­run­gen. End­gül­tig wurde diese Kon­tro­verse, die aus ehren­wer­ten Grün­den ent­stan­den ist, erst gelöst durch den hei­li­gen Papst Pius X. Er hat im Jahre 1910 die Kom­mu­ni­onde­krete erlas­sen. Diese Kom­mu­ni­onde­krete laden alle Gläu­bi­gen ein, häu­fig, ja täg­lich zu kom­mu­ni­zie­ren, wenn sie zwei Bedin­gun­gen erfül­len:

1. Sie müs­sen frei von einer Tod­sünde sein.

2. Sie müs­sen mit rech­ter Absicht, also ohne welt­li­che Beweg­gründe, viel­mehr aus geist­li­chen Moti­ven zur hei­li­gen Kom­mu­nion hin­zu­tre­ten. Wer diese bei­den Bedin­gun­gen erfüllt, der kann, ja der soll täg­lich zur hei­li­gen Kom­mu­nion gehen.

Die hei­lige Kom­mu­nion ist heils­not­we­nig, aber nicht in dem Sinne, daß sie abso­lut und in jedem Falle zum Heil not­wen­dig wäre. Die Taufe und der Glaube sind abso­lut heils­not­wen­dig, die hei­lige Kom­mu­nion ist in einem beding­ten Sinne heils­not­wen­dig, weil sie näm­lich das gött­li­che Leben nährt, weil sie zum Wachs­tum des gött­li­chen Lebens bei­trägt. Wer also aus Nach­läs­sig­keit die hei­lige Kom­mu­nion ver­mei­det, wer über lange Zeit nicht oder über­haupt nicht kom­mu­ni­ziert, der gefähr­det sein Heil. Des­we­gen muß die hei­lige Kom­mu­nion, muß auch die öftere Kom­mu­nion gewünscht, ein­ge­schärft, ange­ra­ten wer­den.

Zwei Extreme sind zu ver­mei­den, meine lie­ben Chris­ten, das unter­schieds­lose Kom­mu­ni­zie­ren und die über­große Furcht vor einer unwür­di­gen Kom­mu­nion. Das unter­schieds­lose Kom­mu­ni­zie­ren ist heute, wie Sie wis­sen, im Schwange. Das sind die Ver­hal­tens­wei­sen, von denen der Apos­tel Pau­lus sagt, daß man den Leib des Herrn nicht unter­schei­det – näm­lich von gewöhn­li­cher Speise. Das unter­schieds­lose Kom­mu­ni­zie­ren hat Per­so­nen ergrif­fen, die kom­mu­ni­o­nun­wür­dig sind. Man darf nicht mit einer Tod­sünde auf der Seele kom­mu­ni­zie­ren, man darf nicht kom­mu­ni­zie­ren, wenn man reue­los in einem Zustand lebt, der schwer sünd­haft ist, also wenn man bei­spiels­weise in einer ungül­ti­gen Ehe lebt und sich wie Ehe­leute ver­hält. Für sol­che wirkt die Kom­mu­nion nicht das Heil, son­dern das Unheil. Die­sen Men­schen muß man sagen: Ihr eßt und trinkt euch das Gericht!

Auf der ande­ren Seite darf man ängst­li­chen, über­ängst­li­chen, skru­pu­lö­sen Men­schen auch nicht ver­heh­len: Die Kom­mu­nion ist Speise, sie ist Nah­rung, sie ist Arz­nei, und sie ist Hilfe gegen die täg­li­chen Feh­ler. Wir alle wis­sen, wie es in uns tobt, was im Kopf und im Her­zen für Gedan­ken auf­kom­men und daß da oft ein wir­res Durch­ein­an­der ist. Da brau­chen wir diese Speise, um stark zu sein im inne­ren Kampfe, um den Ver­su­chun­gen zu weh­ren, um den Ver­lockun­gen zu wider­ste­hen. Wir sol­len also täg­lich genie­ßen, was täg­lich not­wen­dig ist, um unser geist­li­ches Leben zu kräf­ti­gen und vor dem Unter­gang zu bewah­ren.

Die hei­lige Messe, die wir hier fei­ern, meine lie­ben Freunde, zeigt auch an die­ser Stelle den fei­nen Unter­schied zwi­schen Teil­nahme am Opfer und Betei­li­gung an der Kom­mu­nion. Wenn Sie der hei­li­gen Messe mit Bewußt­sein fol­gen, stel­len Sie fest, daß zwei­mal ein Sün­den­be­kennt­nis gespro­chen wird, am Anfang, damit man wür­dig ist, am Meß­op­fer teil­zu­neh­men, und noch ein­mal vor der Kom­mu­nion, damit man wür­dig wird, an der Kom­mu­nion teil­zu­neh­men. Das sind zwei ver­schie­dene Dinge, Teil­nahme am Meß­op­fer und Teil­nahme an der Kom­mu­nion. Es ist also nicht so, wie man­che Lit­ur­gi­ker mei­nen, daß das über­flüs­sig sei. Das ist höchst sinn­voll, das ist sehr ange­bracht, noch ein­mal vor der Kom­mu­nion um die Befrei­ung von Sün­den und Sün­dennei­gung zu bit­ten.

Das schönste Gebet, das alles in sich schließt, spricht der Pries­ter und, wie ich hoffe, auch viele Gläu­bige, unmit­tel­bar vor der Kom­mu­nion, näm­lich: „Der Genuß dei­nes Lei­bes, Herr Jesus Chris­tus, den ich Unwür­di­ger zu emp­fan­gen wage, gerei­che mir nicht zum Gerichte und zur Ver­damm­nis, son­dern durch deine Güte zum Schutz für Leib und Seele und zu mei­ner Hei­lung! Der du lebst und herr­schest mit Gott dem Vater in der Ein­heit des Hei­li­gen Geis­tes, Gott von Ewig­keit zu Ewig­keit!“

Amen.

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