Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. Oktober 2009

Sich bekehren in der Furcht des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Sie alle kennen die Geschichte von den beiden Räubern, die mit unserem Herrn und Heiland gekreuzigt wurden. Einer von den Missetätern, die mit Jesus gehenkt wurden, lästerte ihn: „Bist du nicht der Messias? Rette dich und uns!“ Der andere aber schalt ihn und sprach: „Fürchtest auch du Gott nicht, da du die gleiche Strafe empfangen hast? Wir werden allerdings mit Recht bestraft, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind. Dieser aber hat nichts Unrechtes getan.“ Und er sagte: „Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ Und Jesus sprach zu ihm: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.“

Geheimnis der Bosheit. Der linke Schächer hat sich nicht bekehrt, obwohl er eine einmalige Chance hatte. Selbst dem Tod geweiht, spottet er noch den Heiland aus, der neben ihm am Kreuze hängt. Wahrhaftig, man könnte denken, dass in den letzten Augenblicken vor dem Sterben der Mensch etwas anderes im Sinn hat als Spott über einen anderen, zumal wenn er auch dem Tode geweiht ist. Der Schächer war nicht dumm. Er wußte, wen er neben sich hatte. Er wußte wenigstens, was er vorgab zu sein. „Bist du nicht der Messias?“ sagte er höhnend und fügte hinzu: „Rette dich selbst und uns!“ Er glaubte nicht an Jesus; er hielt ihn für einen Narren. Kann einer in der Stunde des Todes so hart und verblendet sein? Öffnet ihm nicht der nahe Tod die Augen, dass man mehr sieht als die anderen? Beim rechten Schächer war dies der Fall, beim linken nicht. Er konnte seinen Weg nicht ändern, er war festgefahren; sein Herz hatte eine derartige Härte und Bosheit erreicht, dass selbst die Gnade sie nicht auflösen konnte. Nehmen wir an, es wäre keine Sünde gewesen, dass er an Jesus nicht glauben konnte. Da hätte er wenigstens den Menschen, den Leidensgenossen, respektieren müssen, der neben ihm hing, und hätte nicht lästern dürfen.

Was heißt das für uns? Wir dürfen unsere Bekehrung nicht leichtfertig aufschieben. Wir dürfen nicht sagen: Erst will ich das Leben genießen. Wenn ich alt bin, ist immer noch Zeit, mich Gott zuzuwenden. Später, wenn die Triebe zur Ruhe gekommen sind, kann ich mich bekehren, da werde ich ruhig und ausgeglichen meinen Lebensabend verbringen. Dann werde ich Gott die Ehre geben. Meine Freunde, darauf ist zweierlei zu erwidern. Erstens wissen wir nicht, ob uns noch soviel Zeit geschenkt wird, dass wir jenes Alter erreichen, wo man Gott näher kommt. Auf keinen Fall dürfen wir daraufhin sündigen. Aber etwas anderes ist noch viel wichtiger, nämlich: Wir wissen nicht, ob wir nicht schon vor diesem Alter einen Zustand der Seele erreicht haben, einen Grad der Verhärtung und Verstockung, den keine Gnade mehr überwinden kann. Die totale Wendung zu Gott verlangt eine Kraftanstrengung. Wie sollen wir sie am Ende noch leisten können, wenn unsere Kräfte verbraucht sind, wenn wir vielleicht die Alzheimer Krankheit haben und dement sind? Wir sind dann das weltliche und oberflächliche Leben so gewohnt, dass wir zu keinem Aufbruch mehr kommen. Man sollte meinen, das Sterben würde die Menschen wachrütteln, es hätte eine erschütternde und aufrüttelnde Kraft. Aber wer viele Menschen hat sterben sehen, weiß, dass das nicht so ist. Sie gehen hinüber, ohne richtig zu sich selbst gekommen zu sein. Sie bleiben so liegen, wie der Baum gefallen ist. Sie haben nicht mehr die Kraft, sich Gott zuzuwenden. Das Animalische in ihrem Leben war so stark und das Geistige so schwach, dass auch das Sterben entsprechend ist.

Es mußte einmal einer sterben. Was ich jetzt erzähle, ist eine wahre Geschichte. Es mußte einmal einer sterben. Man fragte ihn, ob er noch einen Wunsch habe. Ja, er hatte einen Wunsch: Er möchte noch ein Stück Leberwurst essen. Der  Franziskaner Gereon Goldmann war während des Krieges Sanitäter. Er hat viele Kameraden sterben sehen. Einem bot er die heilige Kommunion an. Er lehnte ab. „Aber eine Zigarette kannst du mir noch geben“, sagte er. Das geistliche Leben will gelernt und geübt sein, sonst ist es schwer, mit einem Schlage hineinzukommen. Wir leugnen nicht, dass es möglich ist. Wir sehen es ja an dem Bösewicht, der zur Rechten des Herrn hing. Er konnte sich im letzten Augenblick bekehren. Wir sehen aber auch die Schwierigkeit bei seinem Kollegen. Er brachte es nicht mehr zustande. So ergeht die Mahnung an uns, die Bekehrung nicht aufzuschieben. Sie ergeht an die Gesunden und an die Jungen, die unbeschwert dahinleben und die Lösung der großen Probleme hinausschieben. Wenn wir wissen, wie schwer es ist heimzufinden, dann dürfen wir nicht zögern, dann dürfen wir die Möglichkeit der Heimkehr nicht verscherzen. Wir erleben am rechten Schächer das Wunder der Gnade. Wie ist es möglich gewesen? Das ist ein Geheimnis. Wir dürfen es weniger ihm als der Gnade zuschreiben, wenn er mit dieser Entschlossenheit und Innigkeit Jesus fand. Ihm ward es gegeben, und er hat es ergriffen.

Was sehen wir bei der Bekehrung des Missetäters, und was können wir daraus lernen? Betrachten wir das erste Wort, das wir von ihm wissen. Er sagte zu seinem Kollegen, der Jesus verspottete: „Fürchtest auch du Gott nicht, obwohl du die gleiche Strafe erleidest?“ Das Unglück, das über ihn gekommen war, hat er als Strafe begriffen, als Strafe für seine Missetaten. Er sah darin die Hand Gottes, und er begann Gott zu fürchten. Da erfüllte sich das alte Wort: „Der Anfang der Weisheit ist die Furcht Gottes.“ Gottesfurcht ist der Anfang der Weisheit. Gott war ihm irgendwie zeitlebens präsent geblieben. Im Hintergrund des Lebens hatte immer Gott gestanden, und der Missetäter war ihm nur ausgewichen. Aber er hatte Gott immer in der Nähe gewußt.

Man kann Gottesfurcht haben, ohne die Konsequenzen daraus zu ziehen, und das ist schlimm. Aber manche verbannen Gott völlig aus ihrem Leben. Sie wollen ihn nicht mehr, und sie fühlen ihn nicht mehr. Es gibt ungeheure Fernen, die auch Gott nicht mehr überbrücken kann. Man kann sein Herz mit Eis panzern, um Gott nicht mehr zu fühlen. Das ist die Verlorenheit, das ist die Hölle! Gottesfurcht heißt, dass wir noch Kontakt mit ihm haben, dass wir im Grunde an ihn glauben.

Und da sehen wir noch etwas anderes an dem bekehrten Schächer, nämlich wir sehen seine soziale Einstellung. Der rechte hatte ein echtes Mitgefühl mit Jesus. Er sah das Leid des anderen und war des Mitleides fähig. Der zweite dagegen dachte nur an sich und seine Rettung. Angenommen, Jesus hätte ihn befreit, er hätte den Vorteil angenommen und wäre davongegangen, ohne sein Leben zu ändern. Konsequenzen hätte er keine gezogen. Er wäre kein anderer Mensch geworden. Er war ganz egozentrisch eingestellt. Er hatte den Blick für den anderen, die Fähigkeit des Mitleids verloren.

Wir können das gleiche zum Maßstab unserer Gottesnähe oder unserer Gottesferne nehmen. Je mehr Liebe und Hilfsbereitschaft wir für den Nächsten haben, um so näher sind wir Gott. Wenn uns der andere kalt läßt, wenn wir keinen Finger mehr für ihn rühren, dann schaut es schlimm um uns aus, dann marschieren wir geradewegs der Hölle zu. Der Teufel ist der reine Egoist, und in die Hölle kommen diejenigen, die seines Geistes sind.

Die volle Bekehrung des rechten Schächers erfolgte sturzartig. Er sah auf einmal, dass er mit Recht die Strafe empfing. Er sah sich am Ende eines schrecklichen Weges, und er wehrte sich nicht dagegen. Er sagte nicht zu Jesus: „Hol mich herab und laß mich davonlaufen!“ Das irdische Leben war für ihn abgeschlossen. Er wußte, er wird in der Hölle begraben. Aber er hatte noch eine kleine Bitte vorzubringen, er wollte ein Gedenken. Er wußte: Der in der Mitte, der kommt nicht in die Hölle, und er soll an ihn denken, und das soll ein Trost sein. Er wußte nicht, um was er bat, meine lieben Freunde, er wußte es nicht. Wenn Jesus an einen denkt, dann ist man gerettet! Wie furchtbar einfach war doch die Bekehrung und diese wunderbare Antwort Jesu: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!“ Ich weiß nicht, warum er sagte „im Paradiese“, denn wer mit ihm ist, der ist im Paradiese. Jesus verlangte nicht mehr. Die paar Worte des Schächers hatten genügt: er war gerettet. Wie herrlich wurde doch das Sterben dieses Räubers! Wir müssen ihn beneiden um dieses Wort und um diese Verheißung, die keinem von uns zuteil wird. Wir werden im letzten Augenblick noch zittern und ungewiß sein, was mit uns geschieht. Wir haben keine absolute Heilsgewißheit.

Als meine Mutter, meine leibliche Mutter, zum Sterben kam, da fragte sie: „Wird Gott mich annehmen? Wird Gott mich annehmen?“ Wir sehen so oft Bilder mit den drei Kreuzen. Wir schauen gewöhnlich nur auf das Kreuz in der Mitte. Bedenken wir, dass die beiden anderen Kreuze der Platz für uns selber sind! Jeder von uns ist an das Kreuz seines Lebens und seines Todes geschlagen. Es hängt von uns ab, ob wir dem linken oder dem rechten Schächer ähnlich hinübergehen.

Amen.

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