Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. August 1997

Maria, Allmacht auf Knien

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Aufnahme Mariens in den Himmel Versammelte!

Außenstehende mögen sich wundern, daß wir heute den Tod einer Frau feiern. Wir aber sind über diese Feier keineswegs verwundert, denn wir wissen, was wir tun. Das Wort vom Heimgang Mariens, wie das gläubige Volk den Inhalt des heutigen Festes nennt, sagt uns, warum und in welcher Weise wir diesen Tod feiern. Die Gottesmutter hat wie alle Menschen auf Erden keine Heimat gehabt. Deswegen spricht man von ihrem Heimgang. Sie war auf Erden nicht zuhause, sondern auf Erden war sie eine Pilgerin wie wir.

Maria ist die Mutter des Gottessohnes. Eine Mutter ist dort daheim, wo ihr Kind ist. Dieses Gotteskind aber lebt seit der Auferstehung und Himmelfahrt in der Herrlichkeit des Vaters. Dahin zieht es Maria, dahin ist sie nach ihrem Tode gewandert. Sie hat ihre Heimat bei Gott gefunden, weil dort ihr Kind herrscht.

Nun können wir uns nicht vergleichen mit Maria und ihrer Gottesmutterschaft. Aber gewiß wie ihre Gottesmutterschaft ist unsere Gotteskindschaft. Wir sind Kinder des Vaters im Himmel; und ein Kind ist da zu Hause, wo sein Vater ist. So geht auch unsere Sehnsucht nach dem Himmel, so warten auch wir auf unseren Heimgang in die Herrlichkeit des Vaters, so sind auch wir Pilger, die unterwegs sind in die ewige Heimat. Pilger müssen bestimmte Regeln der Pilgerschaft beobachten. Sie dürfen sich auf ihrem Wege nicht aufhalten, sie müssen immer weitergehen, so lange, bis sie am Ziel der Pilgerschaft angekommen sind. „Die Welt ist eine Brücke; geh hinüber, aber baue nicht dein Haus auf ihr!“ mahnt ein versprengtes Jesuswort, das nicht in den Evangelien steht. Wir sind Pilger und müssen deswegen immer weitergehen, dürfen uns nicht an die Erde klammern, an ihre Schätze und ihre Lust, sondern müssen das Ziel, das ewige Ziel vor Augen haben. Wir sind jenseitsgerichtete Menschen. Wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern suchen die zukünftige.

Maria ist durch den Tod in die ewige Herrlichkeit eingegangen. Sie hat sich ihr ganzes Leben auf diesen Heimgang vorbereitet. Wodurch? Durch ihren Glauben. Maria ist die Erstgläubige, die vorbildlich Glaubende; sie ist die, die gepriesen wird: „Selig, die du geglaubt hast!“ Also der Glaube ist es, der die Vorbereitung auf die Aufnahme in die Seligkeit gewährleistet. Der Glaube ist es, und deswegen, meine lieben Freunde, können wir nicht eindringlich genug immer dazu aufrufen, den Glauben festzuhalten, sich im Glauben nicht erschüttern zu lassen. Soeben ist in dritter Auflage das Buch des Jesuitenprofessors Rupert Lay erschienen: „Nachkirchliches Christentum – Die sterbende Kirche und der lebende Jesus“. Dieses Buch ist eine Ansammlung von zerstörerischen Ansichten über die heilige Religion, und das von einem Manne, der Jesuit ist und jahrzehntelang Theologiestudierende in Frankfurt/St. Georgen ausgebildet hat. Am Glauben hängt alles. Wenn der Glaube fällt, stürzt alles andere hinterher. Ohne den Glauben besteht auch die Sittlichkeit nicht, ja sie ist ein Bestandteil des Glaubens. Wir glauben nicht nur Wahrheiten, die das Jenseits und Gott betreffen, wir glauben auch Wahrheiten, die das Diesseits und uns angehen, nämlich die Wahrheiten, die unser sittliches Leben bestimmen und regeln sollen. Wenn wir Maria nachfolgen, dann müssen wir im Glauben wandeln, am Glauben festhalten, aus dem Glauben und nach dem Glauben leben.

Maria wirkt im Himmel weiter. Sie hat auf Erden das größte Werk verrichtet, das ein Mensch verrichten kann, nämlich sie war „selige Pforte dem Worte“, wie wir im Kirchenlied singen. Sie hat den menschgewordenen Gottessohn in ihrem Schoß getragen, geboren, gepflegt und gehegt; sie war an seiner Seite, als er seine Seele dem Vater im Himmel übergab. Aber ihr Wirken ist mit ihrem Sterben nicht beendet. Ihr Wirken hat größere Dimensionen angenommen, seitdem sie in die Herrlichkeit des himmlischen Vaters aufgenommen ist. Maria wird die „Allmacht auf Knien“ genannt, d.h. ihre Fürbitte vermag viel bei Gott, und deswegen strömen ihr unzählige Ave Maria zu, deswegen werden ihr unzählige Rosenkranzgebete geweiht, deswegen begeben sich so viele Menschen auf Pilgerschaft zu ihren Heiligtümern auf Erden. Wir wissen, daß Maria am Erlösungswerk ihres Sohnes teilgenommen hat und bis heute teilnimmt. Sie ist beteiligt an der Heimholung der Welt zu Gott, und jeder, der sich an diesem Werk beteiligen will und muß aufgrund seiner Taufe und seiner Firmung oder gar aufgrund seiner Priesterweihe, der muß dies an der Hand Mariens tun. Man kann nicht sicherer in der Verfolgung der Ziele Gottes und Jesu Christi vorangehen als an der Hand Mariens. So soll dieser heutige Tag unsere Entschlossenheit erneuern, mit Maria das irdische Leben zu bewältigen, mit Maria die Aufgabe im Reiche Gottes, die uns gestellt ist, in Angriff zu nehmen und durchzuhalten. Wir wollen auch unsere Nöte und unsere Klagen in ihre Hände legen. „Drückt dich ein Leid und Weh, zur Mutter geh!“ Das soll uns im Herzen klingen, und das wollen wir immer neu bewähren. Wir dürfen sicher sein, daß in irgendeiner Weise, die Gottes Vorsehung bestimmt, alle Gebete erhört werden. Alle Gebete, die secundum rationem salutis gesprochen werden, die also nach dem Heilsplane Gottes und nach der Gesinnung Jesu vorgebracht werden, werden in irgendeiner Weise erhört, nicht immer, wie wir es uns denken, aber stets so, wie Gott es will.

Und so wollen wir heute an diesem großen, an diesem größten Festtag Mariens die ergreifenden, jahrhundertealten Verse erneuern, welche die Pilger in Altötting tausend und tausendfach sprechen: „Hilf, Maria, hilf doch mir! Ein armer Sünder kommt zu dir. Im Leben und im Sterben laß uns nicht verderben! Laß uns in keiner Todsünd’ sterben! Steh uns bei im letzten Streit, o Mutter der Barmherzigkeit!“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt