Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
23. Juli 1989

Jesus, der Gesandte Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Man kann den Prinzen Eugen von Savoyen von verschiedenen Seiten betrachten. Man kann sein Privatleben untersuchen, er war ja ein zölibatär lebender Mann, der in echter Treue zu diesem Lebensstand sein Leben verbracht hat. Er war ein frommer, gläubiger Katholik. Er war ein dem Hause Habsburg gewissenhaft ergebener Offizier. Er war ein großer, ein gewaltiger Feldherr, dem wir die Siege über die Türken, die Befreiung eines großen Teiles des Abendlandes von der Herrschaft der Mohammedaner zu danken haben. Er war auch ein bedeutender Gelehrter, der in seinen Schlössern wunderbare Bibliotheken angelegt hat. Prinz Eugen war schließlich ein bedeutender Staatsmann. Er die Geschicke Österreichs in seiner Zeit auch als Politiker maßgebend mitgelenkt. Also von vielen Seiten kann man dieses Leben anschauen.

Erst recht ist es bei unserem Herrn und Heiland Jesus Christus so. Sein Leben ist so reich, ist von einer solchen Fülle, daß man die verschiedensten Bezeichnungen wählen muß, um es einigermaßen zu begreifen. Wir geben uns seit mehreren Monaten Mühe, Jesus Christus aus den Bezeichnungen, die ihm gegeben wurden oder die er selbst gewählt hat, zu erkennen. Wir haben gesehen, er ist der Messias – Christus –, er ist der Sohn Gottes, er ist der Menschensohn, der Heiland. Jesus Christus ist aber auch der vom Himmel Gekommene, der den Menschen die Wahrheit Gottes bringt.

So sieht ihn vor allem der Evangelist Johannes. Johannes stellt uns Jesus – nicht etwa im Gegensatz, sondern in der Ergänzung zu dem, was die Synoptiker, die ersten drei Evangelisten, und was Paulus uns berichten – vorzugsweise als den Offenbarer Gottes vor. Jesus ist der Gesandte Gottes. 25 mal in seinem Evangelium spricht Jesus von Gott als dem, „der mich gesandt hat“. Gott ist der, „der mich gesandt hat“, im Munde Jesu. Und Jesus selbst bezeichnet sich als den, den er gesandt hat. Er ist der Gesandte Gottes. Wir stellen angesichts dieses sprachlichen Befundes zwei Fragen, nämlich

1. Wozu war er gesandt?

2. Woher war er gesandt?

Erstens: Wozu war Jesus gesandt? Darauf gibt der Heiland im Johannesevangelium an vielen Stellen die Antwort. „Dazu bin ich in die Welt gekommen, daß ich der Welt Zeugnis von der Wahrheit gebe.“ In dem feierlichen Augenblick vor dem Hohenpriester, vor dem Hohen Rat, da sagt er: „Dazu bin ich geboren und in die Welt gekommen, daß ich von der Wahrheit Zeugnis gebe.“ Und welches ist die Wahrheit? Die Wahrheit besteht darin, daß die Menschen Gott erkennen. Er deckt ihnen also Gott auf, er macht ihnen Gott kund, er zeigt ihnen Gott.

Ja, ist das denn notwendig? O ja, weil die Menschen zwar auch durch natürliche Anstrengungen erkennen können, daß es einen Gott gibt, aber das wahre, innere Wesen Gottes vermögen sie durch eigenes Nachdenken nicht zu ergründen. Gott muß selbst einen Gesandten schicken, damit das wirkliche, innere Wesen Gottes den Menschen kund wird. Und diese Aufgabe hat Jesus auf sich genommen. Dazu ist er gekommen, daß er den Menschen den Vater kundmacht. An vielen Stellen des Evangeliums heißt es: Dazu bin ich gekommen, daß ich die Menschen dazu führe, daß sie den Vater im Himmel erkennen.

Erkennen bedeutet natürlich nicht bloß, daß sie um ihn wissen, sondern daß sie ihn auch anerkennen, daß sie sich unter seine Autorität beugen, daß sie seinen Willen tun. Denn nur dann bewirkt die Erkenntnis Gemeinschaft mit Gott. Also Erkenntnis wohl, aber nicht bloße Verstandeserkenntnis, sondern auch willentliche Bejahung; und beides zusammen, Erkenntnis Gottes und Anschluß an Gottes Gebote, führt zur Gemeinschaft mit Gott. Nur der findet die Gemeinschaft mit Gott, der Gott anerkennt, wie ihn Jesus kündet, und der an Jesus als seinen Gesandten glaubt. Das stellt nämlich der Herr immer zusammen, „daß sie dich erkennen und den, den du gesandt hast.“ Man hat Gott nicht, wenn man nicht den Gesandten hat. Man hat Gott nicht, wenn man nicht Jesus hat. Es genügt nicht, einem irgendwie gearteten Gottesverständnis, was auch andere verbreitet haben, anzuhängen, sondern man muß das Verständnis haben, das Jesus bringt, und man muß gleichzeitig mit Gott Jesus als den Gesandten Gottes anerkennen.

Wegen der Offenbarung, die Jesus bringt, nennt er sich das Licht der Welt. Das Licht erleuchtet, das Licht wärmt, das Licht erhellt, und Jesus als das Licht erleuchtet jeden Menschen, der in diese Welt kommt, indem er die Möglichkeit verschafft, daß jeder den Vater erkennt, dadurch die Gemeinschaft mit Gott erhält und das ewige Leben gewinnt. Und so sagt auch der Herr tatsächlich: „Das ist das ewige Leben, daß sie dich erkennen und den, den du gesandt hast.“ Also das ist die logische Kette, meine lieben Freunde: Jesus kündet vom Vater und weist sich als den Gesandten aus. Die Menschen sollen den Vater erkennen und anerkennen, ihm gehorchen und seinen Gesandten Jesus in der Weise, die ihm zukommt, ehren. Dadurch gewinnen sie die Gemeinschaft mit dem Vater, das, was wir Gnade nennen, und wer in der Gemeinschaft ausharrt, der empfängt das ewige Leben.

Da sieht man, daß die Bedeutung Jesu jeden anderen, der im Namen Gottes aufgetreten ist, weit, weit überragt. Jesus -  und Jesus allein – ist es, der zum Vater führt. „Ich bin die Tür, und wer durch mich eintritt, wird gerettet werden.“ Es gibt nur eine Tür, und die ist er. Also nicht durch Seitentüren, die etwa Mohammed oder Buddha eröffnen, kommt man zu Gott, sondern nur durch die Tür, die Jesus Christus heißt. Dazu ist er geboren und in die Welt gekommen, daß er von der Wahrheit Gottes, von der offenbaren Wirklichkeit Gottes, Zeugnis gibt. Das ist der große Vorteil, den wir gegenüber anderen Gottgläubigen haben, meine lieben Freunde, daß wir den wahren und lebendigen Gott erkennen. Irgendwie an Gott glauben auch viele andere Menschen, nicht wahr, Mohammedaner und Shintoisten und was es für Religionen gibt. Aber es kommt nicht nur darauf an, daß man irgendwie an Gott glaubt, sondern daß man so an Gott glaubt, wie er wirklich ist, daß man so an Gott glaubt, wie er angebetet und geglaubt werden will! Und das allein vermittelt uns Jesus Christus.

Dazu also ist der Herr in die Welt gekommen. Und woher ist er gekommen? Das ist die zweite Frage. Ja, die beiden Fragen hängen nämlich innig zusammen. Er kann die wahre Erkenntnis Gottes bringen, weil er von Gott kommt. Und zwar nicht in dem Sinne, wie auch andere beansprucht haben, von Gott beauftragt zu sein, von Gott geschickt worden zu sein. Das haben viele behauptet. Von den Propheten trifft es auch zu. Die Propheten sind von Gott erweckt worden. Aber das sind alles Menschen. Das sind alles bloße Menschen, die Gott durch innere oder äußere Erlebnisse für irgendeinen Dienst am Heil der Menschen bestimmt hat. Er, Jesus Christus, kommt vom Herzen des Vaters, er ist der Eingeborene, der am Herzen des Vaters ruht. Er ist der Präexistente, d.h. derjenige, der schon gelebt hat, bevor er eine irdische Natur angenommen hat. Er ist derjenige, der von der Ewigkeit kommt als des ewigen Vaters ewiger Sohn. „Gott hat niemand geschaut,“ sagt er, „außer der Sohn.“ Er kommt aus der Welt Gottes selber, und das ist eben die Einzigartigkeit des Christentums, meine lieben Freunde, daß wir wissen und bekennen: Gott ist einmal über diese Erde gewandelt. Gott hat nicht bloß gewirkt, hat nicht nur mit seiner Kraft eingegriffen, hat nicht nur die Geschicke der Menschen gelenkt, nein, es hat einmal einen Menschen gegeben, der war Gott. Wenn man diesem Menschen die Hand gegeben hat, dann hat man sie Gott gegeben. Wenn man diesen Menschen hat sprechen hören, dann hat man Gott sprechen hören. Und deswegen reden wir heute noch von einem „heiligen Lande“, nämlich jenem Lande, dessen Erde einmal von den Füßen des Heilandes begangen worden ist.

Also das ist der Grund, warum Jesus die wahre Erkenntnis von Gott bringen kann, weil er vom Vater selbst belehrt ist, weil er am Herzen des Vaters geruht hat, weil er von Gott ausgegangen ist. Seine Sendung ist nicht von der Art, wie die Propheten und die Apostel sie gehabt haben, sie sind ja auch gesandt worden. Aber sie sind nicht gesandt worden vom Herzen des Vaters. Sie sind nicht gesandt worden als Teilhaber an der Wirklichkeit Gottes, aus der unmittelbarenbaus Nähe Gottes selbst, sondern sie sind als Menschen erweckt worden und haben einen Auftrag bekommen, und den haben sie, so gut sie es vermochten, erfüllt. Aber Jesus ist der Gesandte, der von Ewigkeit her in Gott lebt und deswegen Kunde vom Vater bringen kann.

Wenn man also Jesus begegnet, dann begegnet man Gott. Und das sagt der Herr offensichtlich: „Wer mich sieht, sieht den Vater.“ „Meine Worte sind nicht meine Worte, sondern dessen, der mich gesandt hat.“ Wer mich sieht, sieht den Vater, weil Gott in ihm Gestalt geworden ist, weil Gott eine menschliche Natur angenommen hat und in dieser menschlichen Natur über die Gefilde von Palästina gewandelt ist. Das ist der christliche Glaube.

Also Jesus nicht, wie die Falschlehrer sagen, ein „Sachwalter Gottes“, Jesus nicht ein begnadeter Mensch, in dem die Liebe und die Hingabe an Gott Gestalt geworden ist, nein, Jesus derjenige, in dem Gott selbst in Person sichtbar und hörbar und greifbar auf Erden gewandelt ist.

Das ist die Botschaft des Johannesevangeliums. Wozu ist Gott auf Erden erschienen? Wozu ist Jesus Christus gesandt worden? Er ist gesandt worden, daß wir die Erkenntnis von Gott haben, dadurch die Gemeinschaft mit Gott gewinnen und in dieser Gemeinschaft das ewige Leben erben. Woher ist er gesandt worden? Er ist gesandt worden aus der göttlichen Welt, aus der Wirklichkeit Gottes. Er ist Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott, den wir lieben, den wir verehren, den wir anbeten, vor dem wir unser Knie beugen und auf den wir unser ganzes Vertrauen setzen im Leben und im Sterben.

Amen.

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