Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
12. November 2017

Feinde des Kreuzes Christi

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Ich habe euch schon oft gesagt, was ich jetzt unter Tränen wiederhole. Viele wandeln als Feinde des Kreuzes Christi. Ihr Ende ist Verderben, ihr Gott ist der Bauch, ihr Ruhm besteht in ihrer Schande, ihr Sinnen geht auf das Irdische.“ Was ist unter dem Kreuze Christi zu verstehen, von dem in diesem Text der Apostel Paulus spricht? Kreuz ist bei Paulus prägnanter Kurzausdruck für das im Tode Christi bewirkte Heil. Er lebt davon, dass er das volle Maß der von Christus erduldeten Schmach und Entäußerung und Erniedrigung hervorhebt, die bei den Gläubigen Heiligung, Gerechtigkeit und Versöhnung bewirkt hat. Das Kreuz Christi ist die Tatsache, dass der gottgesandte Messias und LOGOS Gottes den qualvollen und schändlichen Tod an einem Holzbalken gestorben ist und dadurch Genugtuung für die Schuld der Menschen geleistet hat. Die Predigt vom Kreuz, also die Heilspredigt, ist für die Heiden Narrheit, für die Juden lästerliche Herausforderung. Nur die Gläubigen vermögen, in der scheinbaren Torheit die heilschaffende Weisheit Gottes zu erkennen und in der scheinbaren Schwäche die gewaltige Macht Gottes. Er hat durch Christi Kreuz Gerechtigkeit, Heiligung und Versöhnung bewirkt. Die Botschaft vom Kreuz ist nur denen, die verloren gehen, Torheit, denen aber, die gerettet werden, ist sie Gottes Kraft. Und darum sagt Paulus: „Ich rühme mich im Kreuz.“

„Viele wandeln als Feinde des Kreuzes“, schreibt Paulus. Feinde sind Menschen, die gegen einen anderen oder viele andere und gegen eine Idee oder gegen eine Lehre auftreten, sie bekämpfen, ja, sie zu vernichten suchen. Es waren Feinde, die Christus ans Kreuz gebracht haben. Sie bekämpften seine Lehre und seinen Anspruch, der gottgesandte Messias, der einzigartige Sohn des himmlischen Vaters zu sein. Nun macht Paulus andere Feinde aus, Feinde des Kreuzes Christi, also des Heilswerkes Gottes im Leben und Sterben seines eingeborenen Sohnes, und zwar unter den Christen. Viele wandeln als Feinde des Kreuzes Christi. Christen sollten freie Freunde Jesu, Liebhaber Jesu sein. „Er hat mich geliebt und sich für mich hingegeben“, schreibt Paulus im Brief an die Galater. Es gibt aber unter den Christen Feinde des Kreuzes Christi. Wer ist das? Es sind jene, die die Botschaft vom heilbringenden Kreuz verkehren. Christi Botschaft, Christi Kreuz verlangt von den Jüngern, ihr Fleisch mit seinen Begierden und Leidenschaften zu kreuzigen. Davon wollen die Genussmenschen in Korinth und Rom nichts wissen. Sie lassen ihre Begierden und ihre Leidenschaften sich ausleben, und der ist ein Feind Christi, wer den Begierden nachgibt, wer seine Leidenschaften auslebt. Christus starb, um uns vom Fluch der Sünde zu erlösen. Das Sündentreiben dulden, heißt, Christi Sterben Hohnsprechen. Paulus redet nicht von Ausnahmen, von seltenen Fällen, „viele“ sagt er, also zahlreiche wandeln als Feinde des Kreuzes; es sind die Genussmenschen in den christlichen Gemeinden. Er geht gegen jene Christen an, die das Recht des Sinnengenusses als etwas Ungefährliches zugestehen. Solche gab es in Korinth wie in Rom.

Die Genussmenschen haben einen Gegenstand, dem sie zugehören und den sie verehren. Sie haben einen Gott, aber dieser Gott ist der Bauch; damit ist der Unterleib angesprochen. Der Unterleib ist die Stätte der sinnlichen Genüsse, also der Esslust und der Geschlechtslust. Die Feinde des Kreuzes Christi dienen diesem Gott. Wodurch? Durch ihre Begierden. Ihr Kult ist die Befriedigung der fleischlichen, sinnlichen, libidinösen Begierden, und deswegen denken sie nur an das Erdhafte. Sie sollten nach dem Himmel streben, sie sollten suchen, was droben ist, aber nein, ihr Trachten geht auf das Irdische. Der Bauch als Gott übt seine Herrschaft aus einmal durch den Missbrauch der Geschlechtskraft. Die Geschlechtskraft, der Geschlechtstrieb mit seiner Lust ist vom Schöpfer zu ernstem erhabenem Zweck in die Menschennatur gelegt worden. Die Art soll erhalten werden, die Kinder sollen in der Familie von den durch rechtmäßige Ehe verbundenen Eltern erzogen werden. Wer sich diesem Zweck entzieht, macht den Bauch zu seinem Gott. Die Sünde der Unkeuschheit besteht im ungeordneten Streben nach Geschlechtslust. Das Gebot Gottes ist eindeutig. Jede außerhalb der Ehe direkt gewollte geschlechtliche Lust ist Sünde. Und jede Handlung, die objektiv und subjektiv geeignet ist, heftige sexuelle Erregung und damit die nächste Gefahr der geschlechtlichen Lust herbeizuführen, ist Sünde. Der Bauch als Gott ist ein tyrannisches Wesen. Die ungeordnete Geschlechtslust wird der Vorherrschaft der Vernunft im Menschen am gefährlichsten. Der heilige Thomas schreibt: „absorbetur“, die Vernunft wird von dieser Lust verschlungen. Der heilige Augustinus sagt: „submersio“, die Vernunft wird untergetaucht von der Lust. Um den Trieb zu befriedigen, vergessen die Menschen Familie und Stellung, Ehre, Ansehen und Vermögen. Soeben muss sich ein französischer Minister rechtfertigen, weil er nach Thailand gefahren ist und sich dort mit Strichjungen abgegeben hat. Der Trieb ist mit der Befriedigung nicht gesättigt. Kaum eine Sünde, meine lieben Freunde, reizt so sehr zur Wiederholung und zur Abwechslung wie die Sünde der Unkeuschheit. Und vor allem: der Trieb verlangt immer stärkere Dosen; die Libido ist unersättlich. „Usu crescit, numquam satiatur“, schreibt der heilige Hieronymus: durch den Gebrauch wächst sie, sie wird niemals satt – Usu crescit, numquam satiatur.

Der Bauch übt sodann seine Herrschaft aus durch Unmäßigkeit, durch Missbrauch der Nahrungsaufnahme. Die Unmäßigkeit besteht im ungeordneten Begehren nach Speise und Trank, in der Maßlosigkeit, im epikureischen, im sybaritischen Genuss. Die ungeordnete Neigung nach Speise und Trank wird auch als Gaumenlust oder Schwelgerei bezeichnet. Die Gaumenlust ist sündhaft, weil sie das Ziel der Aufnahme von Speise und Trank in die Ergötzung verlegt. Sich zu ernähren, ist sittliche Pflicht. Wir müssen das leibliche Leben, die Gesundheit, die Arbeitskraft erhalten. Adolf Kolping, der Gesellenvater, hat einmal zu seinen Gesellen gesagt: „Man isst und trinkt zur Zeit und zur Notdurft, nicht zum Zeitvertreib, dazu sind Gottes Gaben zu kostbar, und der Mensch ist zu gut dazu.“ So Adolf Kolping. Wir sollen das zu uns nehmen, was das Bedürfnis der Natur verlangt, nicht aber was die Esslust uns eingibt. Die sittliche Tugend der Mäßigkeit verlangt die Beherrschung des inneren Begehrens. Das sinnliche, leibliche Leben muss sich dem Geiste unterordnen. Die Gaumenlust gehört zu den Haupt- und Wurzelsünden, d.h. sie zieht weitere Sünden nach sich. Sie nährt die anderen sinnlichen Lüste und wird zum Anlass zur mancherlei Sünde. Der Leiter des Priesterseminars in München sagte uns im Jahre 1948: „Man ist nicht nur auf einem Gebiete unenthaltsam“ – man ist nicht nur auf einem Gebiete unenthaltsam, d.h. die Unenthaltsamkeit breitet sich aus über die ganze Seele, ergreift auch andere Gebiete. Er hat damit nur wiederholt, was im Buch von der „Nachfolge Christi“ steht: „Zügele die Gaumenlust und du wirst jede andere fleischliche Neigung leichter bezwingen.“ Die Unmäßigkeit hat schlimme Folgen. Sie schädigt und zerrüttet die leibliche und geistige Kraft, sie steigert die Konkupiszenz, sie ertötet schließlich den Sinn für das Höhere. Unmäßiges Trinken verleitet zur Geschwätzigkeit, zu verwerflichen Unterhaltungen, zu ungehörigem Betragen. Durch Unmäßigkeit werden zweckwidrig Güter zerstört. Die Unmäßigkeit kann schweren Schaden für die Seele herbeiführen, die Vernachlässigung strenger Pflichten mit sich bringen, das Versinken ins Materielle einleiten. Tierisches Genießen verletzt die Menschenwürde und die sittliche Freiheit. Von Goethe stammt das Wort: „Genießen macht gemein.“ Der Kampf gegen die sinnliche Lust dient der wahren Befreiung der Seele. Die Verleugnung des alten sinnlichen Menschen führt zur Wiedergeburt des neuen gottförmigen Menschen.

Der Bauch übt seine Herrschaft der Unmäßigkeit aus vor allem auch durch Trunkenheit. Wir wissen, die Aufnahme von Flüssigkeit ist lebensnotwendig; man soll sogar viel trinken. Aber es kommt darauf an, welche Flüssigkeit man aufnimmt. Die Gefahren erheben sich bei Getränken, die Alkohol enthalten. Die Aufnahme alkoholischer Getränke wirkt in kleinen Mengen anregend, in größeren berauschend. Alkohol wirkt spezifisch auf das zentrale Nervensystem, besonders auf das Großhirn. So werden die Koordination der Muskelbewegungen gestört und die psychischen Abläufe nicht mehr hinreichend kontrolliert. Alkohol enthemmt, die Selbstkritik geht verloren, der Gebrauch der Vernunft wird gestört, Organe können erkranken und Versuchungen zunehmen. Der Trunkenheit macht sich schuldig, wer das Recht des Genusses missbraucht und aus ungezügelter Begierde sich durch alkoholische Getränke oder Drogen freiwillig des Vernunftgebrauches beraubt, kraft dessen er gut und böse unterscheiden kann. Durch beständiges oder vermehrtes periodisches Trinken von Alkohol kann es zur Trunksucht kommen. Der Trunksüchtige wird zum Sklaven der Spirituosen. Diese Leidenschaft wirkt verheerend. Ich habe in meiner Jugend Männer und Frauen kennengelernt, die zur Trunksucht gekommen waren, die die Familie zerstörten, die den Beruf verloren, die den Frieden zerbrachen, die den Kindern ein abschreckendes Beispiel gaben, die das Eheleben verwüsteten. In den letzten Tagen ging die Nachricht durch die Presse: Die britische Sängerin Amy Winehouse ist mit 27 Jahren am Alkohol gestorben. Bei ihrem Tode fand man im Blut 4,16 Promille Alkohol; 4,16 Promille Alkohol im Blut von Amy Winehouse.

Von dem heidnischen Dichter Terenz stammt das Wort: „Sine Cerere et Baccho friget Venus.“ Was bedeutet das? Ceres ist die heidnische Göttin der Fruchtbarkeit, Bacchus ist der heidnische Gott des Weines, Venus ist die heidnische Göttin der Liebeslust. Also: Ohne Ceres und Bacchus ist Venus kalt, d.h. die Begierde nach Geschlechtslust bedarf, um entflammt zu werden, des Essens und Trinken, und zwar regelmäßig des reichlichen Essens und Trinkens. Nach Gelagen kommt es häufig zu Orgien. Die Deutschen haben im letzten Weltkrieg fast 900 Tage die große Stadt St. Petersburg (damals Leningrad) belagert. Die Stadt wurde dem Hunger preisgegeben, es sind Hunderttausende hungers gestorben. Der Bericht, den ich gelesen habe, führt aus: Es gab in dieser Zeit fast überhaupt keine geschlechtliche Betätigung mehr. Ein Beweis dafür, wie sehr zu ihr notwendig ist das Essen und Trinken, und zwar das reichliche, genussvolle Essen und Trinken.

Man sollte meinen, meine lieben Freunde, dass Menschen, die sich gegen den geordneten Gebrauch der geschlechtlichen Ausstattung und gegen die Regeln der Beherrschung in der Aufnahme von Speise und Trank verfehlen, ihre Schwächen bedauern. Weit gefehlt. Die Feinde des Kreuzes Christi schämen sich nicht ihrer Schwäche, sie verwünschen nicht das Geschehene, sie rühmen sich ihrer vielmehr ihrer Begierden, ihrer Erfolge. In diesen Tagen ist der Gründer der Zeitschrift „PLAYBOY“ gestorben, Hugh Hefner. Dieser Mann rühmte sich, er habe in seinem Leben 1000 Liebschaften unterhalten – 1000 unzüchtige Verhältnisse; er rühmte sich. Lebemänner brüsten sich mit den vielen Frauen, mit denen sie Unzucht getrieben haben. Aber der Ruhm, der auf dem Dienst am Bauche gründet, der Ruhm ist in Wahrheit eine Schande. Er erhebt den Menschen nicht, er erniedrigt ihn. Der Ruhm des Genussmenschen ist das, was ihn in Wahrheit nur schändet. „Viele, meine Brüder, wandeln als Feinde des Kreuzes Christi. Ihr Ende ist Verderben, ihr Gott ist der Bauch, ihr Ruhm besteht in ihrer Schande.“ Es kann nicht anders sein: „Täuschet euch nicht“, schreibt Paulus an die Galater, „weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Weichlinge, weder Knabenschänder noch Diebe, weder Habsüchtige noch Trunkenbolde werden das Reich Gottes erben.“

Amen.

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