Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. Oktober 2017

Die Geladenen waren der Einladung nicht wert

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Evangelium der heutigen heiligen Messe erzählt der Herr ein Gleichnis: Ein hoher Mann lädt zu einem Festmahl ein, aber die Gäste kommen nicht. Die Einladung steht, aber die Geladenen lehnen sie ab. Das Gleichnis ist ein Bild, ein Bild für das Verhältnis Gottes zur Menschheit. Der Herr im Gleichnis ist Gott, und die Geladenen sind die Menschen. Man kann in einem richtigen Sinne sagen, dass Gott das Heil anbietet. Gott zwingt die Menschen nicht. Er hat den Menschen frei geschaffen und respektiert seine Freiheit. Er lädt ein, aber man muss dazu sagen: Gottes Angebote sind verpflichtend. Es ist nicht in das Belieben des Menschen gestellt, ob er sie annimmt oder nicht; wer sie abweist, macht sich schuldig. Das Angebot Gottes geschieht grundlegend durch das Leben und die Verkündigung des Messias. Er hat zur Umkehr gerufen, er hat zum Anschluss an seine Person aufgefordert, er hat zum Hören seiner Botschaft eingeladen. „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wandelt nicht in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Zur Verbreitung seines Angebotes hat sich der Herr Helfer erwählt: seine Jünger, seine Apostel. Er sandte sie vor sich her, um sich den Weg bereiten zu lassen. Nach seiner Himmelfahrt übertrug Christus die Aufgabe, seine Einladung auszusprechen einer Institution; wir nennen sie katholische Kirche. Sie entfaltet eine breit gefächerte Tätigkeit, um Gottes Anerbieten an die Menschen heranzutragen. Mission, Predigt, Unterricht weisen unaufhörlich auf Gottes Angebot hin. Alle Gotteshäuser, alle Kapellen rufen die Menschen zum Einkehren an Gottes Tisch. Die Glocken verkünden das Angebot Gottes. Die Mainzer Zeitung bringt an jedem Freitag die Gottesdienstzeiten für alle Orte ihres Verteilungsgebietes – immerhin.

Doch das Heilsangebot Gottes findet nicht die erwartete Aufnahme. Der Heilsträger Jesus Christus musste die traurige Erfahrung machen: Das Licht leuchtete in der Finsternis, aber die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht. Seinen Mitarbeitern ging es nicht anders. Als der Heilige Geist über die Jünger kam, und sie in verschiedenen Sprachen die Großtaten Gottes verkündeten, da waren die Anwesenden außer sich und ratlos. Andere spotteten und hielten die Apostel für betrunken. Als Paulus in Athen die Auferweckung Jesu von den Toten predigte, wurde er ausgelacht; in Ikonium steinigte man ihn. Paulus sah in dieser Ablehnung die Erfüllung der Weissagungen der Propheten. Wie steht es heute, meine lieben Freunde, 2000 Jahre nach dem Eintritt Gottes in die Welt der Menschen? 2000 Jahre nach dem ersten Ausrufen der Einladung zu dem großen Gastmahl? Der Islam, eine ungeheuerliche Verirrung, ist die am schnellsten wachsende Religion. In zahlreichen Ländern Afrikas und Asiens hat er das Christentum ausgelöscht. Er schickt sich an, sich immer mehr in Europa auszubreiten. Deutschland unter Frau Merkel öffnet ihm die Tore! Was tun die Christen im einstmals christlichen Europa? Sie verachten die Offenbarung Gottes, sie schmähen seinen heiligen Namen, sie leben, als ob es Gott nicht gäbe. Gott hält seine wunderbaren Gaben bereit, aber die überwältigende Mehrheit der katholischen Getauften legt keinen Wert auf die Sakramente; zahlreiche Kinder katholischer Eltern bleiben ungetauft. Die Einladung steht, die Bedingungen sind bekannt, aber die Verantwortlichen finden den Weg zu dem heiligenden Wasser nicht. Noch immer werden an vielen Stellen Messopfer dargebracht, wovon die „Nachfolge Christi“ sagt: „Wenn der Priester am Altar die heiligen Geheimnisse feiert, verherrlicht er Gott, erfreut er die Engel, erbaut er die Kirche, hilft den Lebenden, verschafft den Toten die ewige Ruhe und macht sich selbst aller Güter teilhaftig.“ Aber die übergroße Mehrzahl der katholisch Getauften bleibt diesem heiligen Geschehen fern. Am Tag seiner Auferstehung hat der Herr als Ostergeschenk das Bußsakrament eingesetzt, das die Priester verwalten. In den Kirchen stehen die Beichtstühle, die Stätten der Sündenvergebung. Als ich im Jahre 1951 zum Priester geweiht wurde, da haben wir jeden Tag Beicht gehört, jeden Tag vor und nach der Messe, und am Samstag natürlich am Nachmittag. Und die Menschen kamen, sie kamen treu in großer Menge, die Jugendlichen kamen. Ich habe Jugendliche erlebt, die alle 4 Wochen zur heiligen Beicht gingen. Heute brechen die Beichtstühle wegen ihrer Leere zusammen!

Wie erklärt es sich, dass so viele Menschen der Einladung Gottes nicht folgen? Woher kommt die Ablehnung? Für den beklagenswerten Zustand der europäischen Christenheit werden mancherlei Gründe genannt. Man verweist auf die Konsumversessenheit der Menschen; sie wollen genießen. Aber das ist keine ausreichende Erklärung. Man kann sich satt essen und trotzdem fromm sein. Andere meinen, die Verkündigung der Kirche müsse modern, zeitangepasster sein. Aber die Menschen lehnen unsere Verkündigung nicht deswegen ab, weil sie nicht modern ist, sondern weil sie dadurch in ihren Vergnügungen gestört werden. Der tiefste und allgemeinste Grund für die Religionsverdrossenheit so vieler heutiger Menschen ist der Verlust des Glaubens. Viele, wahrscheinlich die meisten von denen, die die Einladung ablehnen, haben keinen lebendigen, keinen festen Glauben an Gott. Und wer Gott nicht kennt, wie soll der seine Gaben schätzen? Im Christentum hängt buchstäblich alles am Glauben. Im Brief an die Hebräer steht geschrieben: „Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen.“ Aus dem mangelnden Glauben ergeben sich auch die anderen Verhaltensweisen der Menschen. Warum erscheinen sie nicht, um die Einladung Gottes anzunehmen? Sie folgen der Einladung nicht, weil sie religiös gleichgültig sind, die Religion interessiert sie nicht. Sie sind mit Beruf und Erwerb, mit Sport und Politik beschäftigt, das reicht, nach ihrer Meinung. Das Heer der Gleichgültigen ist unermesslich groß und wächst noch immer. Vor einigen Jahrzehnten hat der Großstadtapostel von Berlin, Karl Sonnenschein, gefragt: „Was ist größere Gefahr: Sekte, Freimaurertum, Apathie? Die Apathie ist es, wahnsinnige Gleichgültigkeit gegen religiöse Dinge.“ Wer gleichgültig ist gegen Gott, beleidigt Gott, er setzt ihn herab, er kränkt seine Majestät. Die Gleichgültigen vergessen, dass wir Gott etwas schuldig sind. Die zweite Frage im Katholischen Katechismus für Mainz von 1926 lautete: „Was will Gott von uns?“ Die Antwort hieß: „Gott will, daß wir seine Lehre glauben, seine Gebote halten, seine Gnadenmittel gebrauchen.“ Kurz und bündig wurde hier beschrieben, wie die Einladung Gottes aussieht.

Gottes Einladung steht, aber die Geladenen folgen ihr nicht. Warum nicht? Weil viele leichtfertig sind. Sie haben den Ernst des Lebens nicht begriffen, sie wollen vom Ernst des Lebens nichts wissen. Ich will Spaß haben, sagte ein sehr bekannter deutscher Fußballer, als er wieder einmal seine Frau wechselte: Ich will Spaß haben. Wir haben nur ein Leben. Es gibt kein zweites, es gibt keine Wiederholung, es gibt auch keine Nachbesserung. Was beim ersten Mal nicht gelingt, ist für immer verloren. „Ein jeder ist so viel wert, als die Dinge wert sind, um die es ihm ernst ist“, hat der heidnische Kaiser Marc Aurel einmal gesagt. Ein jeder ist so viel wert, als die Dinge wert sind, um die es ihm ernst ist. Und ein Apostel unserer Tage mahnt: „Spiel nicht mit dem Leben, du verfügst nicht über das Leben! Spiel nicht mit dem Eigentum, du trägst es zu Lehen! Spiel nicht mit dem Kinde, es ist keine Puppe für deinen Salon! Spiel nicht mit dem Körper, er dient ewigen Zielen! Spiel nicht mit der Ehe, sie ist nicht Genuss, sondern Pflicht, Menschheitsberuf!“ Es ist eine Täuschung, wenn man meint, dass die gegenwärtige Stunde nicht die entscheidende Stunde sei. Jeder Tag, meine lieben Freunde, ist der beste Tag des Jahres. Niemand hat vom Leben etwas Ordentliches gelernt, solange er nicht weiß, dass jeder Tag Gerichtstag ist. Immer die gegenwärtige Stunde ist die Stunde Gottes. Was man von der Minute ausgeschlagen hat, das gibt einem keine Ewigkeit zurück.

Gott lädt ein in das Reich seiner Gnade, aber die Eingeladenen gehen ihrer Wege. Sie missachten die Einladung, weil sie nicht in der gehörigen Verfassung sind, in der gehörigen inneren Verfassung. Aber sie tun auch nichts, um diese Verfassung zu erwerben. Sie schieben die Wende, die große religiöse und sittliche Wende ihres Lebens auf. Das ist gefährlich, meine lieben Freunde, es ist gefährlich, die Bekehrung zu verschieben, denn die Neigung, sich zu bekehren, kann abnehmen oder erlöschen. Die Zeit zur Bekehrung kann verrinnen. Gott hat uns weder ein langes Leben noch den morgigen Tag versprochen. „Der Himmel tut sich auf, der Bräutgam kommt gegangen. O Braut, wie willst du ihn ohn`s Hochzeitskleid empfangen?“, so hat unser schlesischer Dichter Angelus Silesius geschrieben. Der Himmel tut sich auf, der Bräutgam kommt gegangen. O Braut, wie willst du ihn ohn’s Hochzeitskleid empfangen? Wir dürfen unsere Lebenszeit nicht im Zustand der Todsünde verbringen. Wir müssen Gott im Gnadenstand begegnen, und zwar nicht in ferner Zukunft, sondern hier und jetzt. Gott hat Anspruch auf unser tadelfreies Leben, nicht bloß im Alter, sondern auch in der Jugend und in der Zeit der Reife. Wir dürfen ihn nicht um unseren Dienst betrügen.

Von dem Herrn, der sich müde gearbeitet hat, geht die Einladung aus, in seine Arbeit einzutreten. Was können, was müssen wir tun, um der Einladung Gottes folgen zu können? An erster Stelle müssen wir wachen. Wer wachsam ist, vernimmt die Einladung des Herrn. Er hört, wenn der Herr anklopft und seine Forderungen an uns stellt. Die Wachsamkeit richtet sich gegen den Satan und sie gilt den Schätzen, die uns zuteil geworden sind, also der Freundschaft Gottes, der heiligmachenden Gnade, der Anwesenheit des Heiligen Geistes, der Gotteskindschaft. Und wer sind diejenigen, die den Ruf Gottes annehmen, die ihm folgen? Es sind diejenigen, zweitens, die arbeitsam sind. Es sind die, welche die Arbeit sehen und sich nicht vor ihr drücken. Das Reich Gottes wird nicht den Schlafenden gegeben, sondern denen, die arbeiten im Dienste des Herrn und wachsam sind. Wer in der Nachfolge Christi steht, ist gehalten, ihm in seinem Arbeitseifer zu folgen. Die Heiligen haben ohne Ausnahme ein strenges Arbeitsleben geführt. Es gibt keinen einzigen Heiligen, der es sich bequem gemacht hätte. Die Kirche lebt nicht vom Mindestmaß, auch nicht vom Durchschnitt, die Kirche lebt vom Übermaß, die Kirche lebt von der Heiligkeit, die Kirche lebt vom Vollmaß. Der Herr kannte keinen Ruhestand. Auch seine Apostel sind nicht mit 65 Jahren aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Sie haben gearbeitet, solange sie es vermochten. Ich verstehe nicht, wie Priester, die noch arbeitsfähig sind, sich auf eine bestimmte Altersgrenze berufen und aus dem tätigen Leben der Seelsorge ausscheiden. Mahnt sie nicht ihr priesterlicher Charakter, das unauslöschliche Siegel, zur Arbeit, zum Dienst an den Seelen? Ich erlebte einen Priester, der mit 65 Jahren in den Ruhestand ging. Ich fragte ihn, was er jetzt machen wolle. Er antwortete, er wolle reisen. Ja, sind wir zum Reisen bestellt oder zum Dienst an den Seelen? Viele Bischöfe gehen ihnen mit schlechtem Beispiel voran. Ich verstehe nicht, wie Bischöfe sich zur Ruhe setzen, die ohne Weiteres weiter arbeiten könnten. Ich kenne Bischöfe, die mit 60 Jahren in den Ruhestand gegangen sind und danach mehrere Jahrzehnte frisch und munter gelebt haben. Ich finde, dass die Festsetzung der Altersgrenze für Pfarrer und Bischöfe eine Fehlentscheidung ist. Die Priester sollen wirken, solange sie es vermögen, solange sie es können. Und die Bischöfe sollen wirken, solange sie fähig sind. Ich wurde im Jahre 1940 gefirmt. Der Firmspender war der 81-jährige Bischof von Breslau, Kardinal Bertram.

Es gibt Bischöfe und Priester, die durch ihr beispielhaftes Leben zeigen, was Gott von seinen Dienern und Verwaltern seiner Geheimnisse erwartet. Karl Sonnenschein, der unvergessliche Apostel von Berlin, hat sein Leben in 52 Jahren verzehrt. Er hat gewiss nicht hausgehalten mit seinen Kräften, sondern sie in Tag- und Nachtarbeit verströmt. Aber er hat in seinem Leben und Wirken eine Weltstadt erhellt. Als er zu Grabe getragen wurde, da folgten ihm Zehntausende Berliner. Und die kommunistische Zeitung neigte sich in Ehrfurcht vor ihm. Johannes Dyba war nur 17 Jahre Bischof von Fulda. Aber in dieser Zeit hat er eine beispiellose Aktivität entfaltet, mutig und rastlos gewirkt, den zahlreichen Feinden zum Trotz. So hat er sein Leben zerschlissen. Es gibt Menschen, die sagen: Ich tue nichts Böses; aber sie tun auch nichts Gutes. Wir sollen Frucht bringen. Wer nichts Gutes tut, tut schon Böses genug. Der heidnische Kaiser Titus war bekannt wegen seines Edelsinnes und seiner Güte. Man erzählt von ihm, er habe, wenn er einmal niemand an einem Tage Gutes tun konnte, am Abend ausgerufen: Diem perdidi!, den Tag habe ich verloren. Lasst uns, meine lieben Freunde, heute Abend, wenn in unseren Häusern alles schläft, im Geiste durch die Zimmer gehen und denken: Die da schlafen, seien tot. Welche Vorwürfe hätten wir uns dann zu machen? Vorwürfe über ungeschehene Taten, unerwiesene Dienste, unausgesprochene Worte, nicht betätigte Liebe. Der große französische Dominikaner Lacordaire hat einmal den Ausspruch getan: „Jene Menschen werden selten sein, die beim Gericht vor Gott hintreten können, ohne jemand verloren zu haben, für dessen Seele sie Verantwortung trugen.“ Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. Ich sagte, dass der Herr das Heil anbietet, dass aber das Angebot verbindlich ist. Jeder Mensch ist gehalten, es anzunehmen. Wer das Angebot des Herrn ausschlägt, wer seine Einladung verschmäht, hat Grund, sich zu fürchten. Am Schluss des Gleichnisses vom Abendmahl, wie es uns der Evangelist Lukas berichtet, heißt es: „Keiner von den Männern, die geladen waren, wird von meinem Mahle kosten.“

Amen. 

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt