Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. Januar 2004

Vom Segen des Christentums

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Das Christentum hat versagt.“ „Die Kirche hat versagt.“  So hört man es allenthalten, wenn man mit Menschen spricht. „Das Christentum ist unfähig gewesen, die Welt zu verwandeln. Haß und Grausamkeit haben auch heute nach zweitausend Jahren noch ihre Stätte. So viele Jahrhunderte hat das Christentum Zeit gehabt, die Welt zu verwandeln, und immer noch brechen Wut und Zorn und Haß aus. Das Christentum hat versagt.“

Dieser Vorwurf trifft uns Christen schwer, denn wir sind ganz im Gegenteil davon überzeugt, daß das Christentum nicht versagt hat. Wir sind überzeugt, daß die Kirche nicht versagt hat, sondern daß sie seit zweitausend Jahren ihre Aufgabe erfüllt hat, gewiß mit all den Schwächen und Unzuträglichkeiten, die zu beobachten sind, wo Menschen überhaupt wirken, aber dennoch, daß die Kirche in diesen zweitausend Jahren eine gute Arbeit geleistet hat. Was den Vorwurf angeht, die Kirche habe zweitausend Jahre Zeit gehabt, so ist er fadenscheinig, denn seit zweitausend Jahren sind ungezählte Millionen und Milliarden von Menschen über diese Erde geschritten, und jeder mußte von neuem die Arbeit der Heiligung beginnen. Die Kirche mußte bei jedem von neuem versuchen, ihn zu den Geboten des Christentums und zum Heil zu führen. Jeder Mensch hat eine Spanne Zeit, zwanzig, fünfzig, achtzig, hundert Jahre, aber jeder muß neu die Arbeit beginnen, ein Christ zu werden. Die Liebe und die Opferbereitschaft und die Heiligkeit vererben sich nicht wie ein irdischer Besitz, sondern die Heiligung wird immer nur neu erworben durch die Entscheidung des Herzens des einzelnen. Und so muß die Kirche immer wieder von vorn beginnen, bei jedem Geschlecht, bei jeder Generation, bei jedem Einzelmenschen. Es ist deswegen töricht, zu sagen, das Christentum habe zweitausend Jahre Zeit gehabt. Nein, es hat nur die Lebenszeit, die der einzelne von Gott zugewiesen bekommen hat, und in dieser Lebenszeit ist er mit dem freien Willen begabt. Es hängt von ihm ab, ob er sich dem Christentum öffnet oder nicht. Das Christentum ist eine Einladung, ein Aufruf, aber man kann diese Einladung, diesen Aufruf mißachten. Der Herr hat es ja selbst in einem Gleichnis geschildert. Die Menschen wurden zu einem großen Hochzeitsmahl geladen, aber sie wollten nicht kommen. Der eine ging zum Pflügen, der andere in sein Geschäft, der dritte, um seine Frau zu holen. Die Menschen versagen sich der Einladung; sie überhören den Aufruf. Das ist der Grund, warum das Christentum nicht mehr erreicht. Es appelliert an den freien Willen, und den freien Willen bricht Gott nicht. Er warnt, er verheißt, er droht, er mahnt, aber brechen tut er den freien Willen nicht. Und das ist der Grund, warum das Christentum mit seiner Botschaft und mit seiner Gnade viele Menschen nicht erreicht. Die Menschen werden in unseren Breiten als Säuglinge getauft, und man sagt, man solle sie im Erwachsenenalter taufen, damit sie sich entscheiden können. Meine lieben Freunde, die Entscheidung, ob man sich zu Christus hält oder sich von ihm abwendet, wird niemandem abgenommen, ob er getauft ist oder nicht. Die Taufe erleichtert diese Entscheidung, weil sie eben den Menschen einbettet in die Gnade, die das Sakrament vermittelt, aber die Entscheidung muß er, auch wenn er getauft ist, später selbst fällen. Jeder kommt in die Jahre, wo er vor der Frage steht: Bleibst du dem Taufgelübde treu oder wirfst du es von dir? Also der Vorwurf, das Christentum habe zweitausend Jahre Zeit gehabt, ist töricht. Das Christentum muß seine Arbeit der Heiligung immer wieder von neuem beginnen, und je länger die Zeit voranschreitet, um so schwerer wird sein Dienst; denn wenn die Zeiten zum Ende kommen, wird es nicht besser auf Erden, sondern schlimmer.

Das Christentum hat in der Zeit, die ihm gegeben war, viel erreicht. Es hat den Menschen die Gnade und die Wahrheit vermittelt. Wir wissen, daß viele Menschen sich dieser Gnade und Wahrheit geöffnet haben. Es gibt keine Religion auf dieser Erde, die so viele gute und heilige Menschen aufzuweisen hat wie das Christentum.

Die Lehre des Christentums ist erhaben. Es gibt keine andere Religion, die ein so hohes Ethos besitzt wie das Christentum. Das Christentum hat die Nächstenliebe gepredigt, aber nicht nur die Nächstenliebe, auch die Feindesliebe. Die anderen sagen: Du sollst deinen Nächsten lieben, aber deinen Feind hassen. Das Christentum sagt: „Du sollst deinen Feind lieben.“ Und wir haben es ja eben in der Epistel gehört: „Wenn er Hunger hat, sollst du ihn speisen, und wenn er durstig ist, sollst du ihm zu trinken geben.“ Das ist die Lehre, das ist das Ethos des Christentums.

Das Christentum hat die Lehre von der Gleichheit und von der gleichen Würde aller Menschen in die Welt gebracht. Kein Rassismus, der sagt, die Germanen sind den Romanen überlegen, kein Rassismus, der ganze Rassen verurteilt und verdammt. Nein, das Christentum hat die Lehre von der gleichen Würde aller Menschen in die Welt gebracht, und das ist eine Großtat gewesen.

Das Christentum hat auch in der Tat bewiesen, daß es die Herzen vieler Menschen erreicht hat. Wir wissen, daß die Menschen, auch wenn sie das Christentum abgelegt haben, von den Werten leben, die das Christentum in die Welt gebracht hat. Am 9. Januar 1882 hat der Reichskanzler Bismarck im Reichstag sich an diejenigen gewandt, die das Christentum verworfen haben. Er sagte: „Auch diejenigen, die an die Offenbarung des Christentums nicht mehr glauben, möchte ich daran erinnern, daß doch die ganzen Begriffe von Moral, Ehre und Pflichtgefühl, nach denen sie ihre anderen Handlungen in dieser Welt einrichten, wesentlich nur dir fossilen Überreste des Christentums ihrer Väter sind.“ Genau so ist es. Die Menschen, die sich nicht mehr als Christen betrachten, leben von den Werten, die das Christentum in die Welt gebracht hat, leben von den Resten dieser Werte, die sie auch heute noch mit sich herumtragen.

Auch in der Praxis hat das Christentum sich immer wieder bewährt. Wer eilt denn an die Katastrophenstätten dieser Erde? Es sind doch die christlichen Länder, die ihre Mannschaften dahin schicken. Unsere Entwicklungshelfer sagen: Wir bauen Straßen, und wir graben Brunnen, der Islam errichtet Moscheen. Ihm ist nur daran gelegen, neue Anhänger zu gewinnen, aber nicht, den Bedrängten und Verzweifelten zu Hilfe zu eilen. Nein, es ist falsch, zu sagen, das Christentum habe versagt. Das Christentum hat sich bewährt und bewährt sich immer noch, freilich nur in denen, die sich seiner Lehre geöffnet haben und die durch seine Gnade erhoben worden sind.

Wenn man vom Versagen des Christentums spricht, muß man weiter daran erinnern, daß die Christen nicht allein auf dieser Erde sind. Es gibt auch viele Nichtchristen; es gibt auch viele Feinde des Christentums. Das Christentum hat in seiner zweitausendjährigen Geschichte niemals ungestört seine Botschaft ausrichten und seine Gnade austeilen dürfen. Von Anfang an ist ihm Widerstand entgegengetreten. Als Paulus nach Rom kam, da sagten ihm die dortigen Juden: Wir wissen nur von dieser Lehre, daß ihr überall widersprochen wird. Juden und Heiden haben sich dem Christentum widersetzt, zunächst einmal literarisch. Sie haben also Schriften verfaßt, die das Christentum als falsch und irrig erweisen sollten.  Der Heide Celsus hat im 3. Jahrhundert ein Buch geschrieben gegen das Christentum. Dort steht die unerhörte Behauptung, Jesus von Nazareth sei der Sohn, den Maria mit einem römischen Legionär im Ehebruch gezeugt habe. Die Juden haben in ihrem Talmud ganz ähnliche Märchen verbreitet. Der Talmud bezeichnet Jesus als einen Zauberer, der das Volk verführt hat; er sei gar nicht am Kreuze gestorben. Das steht im Talmud der Juden, und der Talmud ist eines der hauptsächlichen Bücher der Juden.

So ist es durch alle Jahrhunderte weitergegangen. Als erbitterter Feind des Christentums trat der Islam auf. Ganze Länder hat er der Religion Christi entzogen. In ganz schlimmer Weise ist das Christentum bekämpft worden seit dem 18. Jahrhundert, wo die sogenannten Enzyklopädisten auftraten, also jene vom Glauben abgefallenen Männer in Frankreich, die mit ihrer Pseudowissenschaft das Christentum aus den Angeln heben wollten, Diderot, Lamettrie, Holbach, Voltaire. „Ecrasez l’infâme!“ Jeden seiner Briefe hat er unterschrieben: „Vernichtet die Schändliche (nämlich die Kirche), vernichtet die Schändliche. Ecrasez l’infâme!“ So ist es weitergegangen. Dann sind die Marxisten aufgetreten, Marx und Engels, und haben den Menschen den Glauben zu nehmen versucht. Dann kamen die Pseudo-Naturwissenschaftler wie Charles Darwin und Ernst Häckel, und haben mit der Evolutionstheorie den Glauben zerstören wollen. Was soll ich sagen von den zahllosen Literaten, die mit ihren schändlichen Romanen das Christentum bekämpfen, von Victor Hugo angefangen bis Günther Grass. So ist der geistige Kampf gegen das Christentum immer wieder angeheizt worden. Ich will unter diesen vielen Feinden des Christentums nur einen noch nennen, der von großem Einfluß geworden ist, nämlich den Philosophen Friedrich Nietzsche. In Hunderttausenden, nein, in Millionen von Exemplaren sind seine Bücher verbreitet worden, in allen Sprachen, bis nach China und bis nach Afrika. Der Inhalt dieser Werke ist der Haß gegen das Christentum. Darin steht: „Ich heiße das Christentum den einen großen Fluch, die eine große innerlichste Verdorbenheit, den einen großen Instinkt der Rache. Ich heiße es den einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit." Nietzsche sagt der christlichen Moral den schärfsten Kampf an: „O meine Brüder, zerbrecht, zerbrecht mir die alten Tafeln!“ Das ist also der Angriff gegen die christliche Moral. Die alten Tafeln, das sind die Gebote des Christentums. Besonders heftig schlug er aus gegen die vom Christentum gepredigte Nächstenliebe. „Es ist unmenschlich“, schreibt er, „da zu segnen, wo einem geflucht wird.“ Es ist unmenschlich, da zu segnen, wo einem geflucht wird. Und doch hatte der Stifter des Christentums gesagt: „Segnet die, die euch fluchen!“ Braucht man sich zu wundern, daß nach solchen Ausbrüchen des Hasses das Christentum sich nicht ungestört entfalten konnte, daß viele Christen unsicher wurden, ihren Glauben verließen und sich vom Christentum abwandten?

Diese geistigen Bewegungen haben sich auch politisch betätigt. Sie haben sich Machtinstrumente geschaffen, Staaten und Organisationen, welche das Christentumn bekämpften, und so ist es bis in die Gegenwart geblieben. Das Christentum wird heute in 40 Staaten dieser Erde verfolgt. Wenn die Christen versuchen, das öffentliche Leben aus dem Christentum zu gestalten, da treten ihnen die Gegner sofort entgegen. Ein Beispiel aus jüngster Zeit! Das Bundesland Sachsen hat dieser Tage ein Schulgesetz verabschiedet. Der sächsische Landtag hat diesem Gesetz nach heftigen Diskussionen zugestimmt, und zwar weil darin ein Verweis auf die christliche Tradition im europäischen Kulturkreis enthalten ist. Ein Verweis auf die christliche Tradition im europäischen Kulturkreis. Dieses Bildunsgziel wird von den Gegnern der Christlich-Demokratischen Partei heftig bekämpft. Der Sprecher der PDS sagte, für seine Partei komme die Verankerung christlicher Werte einem Missionsauftrag an die Schule gleich. Und der SPD-Abgeordnete Weiß äußerte, mit der eingeführten Passage werde die weltanschauliche Neutralität der Schule in Sachsen aufgehoben. Es handle sich um “staatlich verordnete Christianisierung unserer Schulen”. So gereizt reagieren die Feinde des Christentums, wenn auch nur ein Bildunsgziel erwähnt wird, das mit dem Christentum etwas zu tun hat, nämlich die christliche Tradition im europäischen Kulturkreis. Sie wollen das Christentum aus der Öffentlichkeit verdrängen und erklären es deswegen zur Privatsache. Religion, sagen sie, ist Privatsache. Ja, wieso eigentlich, meine lieben Freunde, wieso? Ist der Mensch denn geteilt? Kann man den Menschen in einen privaten und einen öffentlichen Menschen zerteilen? Ist nicht derselbe Mensch im Schrebergarten tätig und im Parlament? Und ist Gott nicht ein Herr bloß der privaten Sittlichkeit, sondern auch der öffentlichen Sittlichkeit? Soll nicht sein Gesetz herrschen nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern auch draußen in der Welt, in der Wirtschaft und in der Politik?

Wenn die Religion nicht das Fundament des Staates bleibt oder wird, dann wird alles fragwürdig. Dann kann man sich hundertmal berufen auf die Menschenwürde, die angeblich unantastbar ist. Unantastbar heißt, solange es der augenblicklichen Mehrheit im Parlament gefällt. Wenn diese Mehrheit sich ändert, ändert sich auch die Menschenwürde. Es gibt keine absoluten Werte, ohne daß sie in Gott verankert werden.

Wiederum hat das niemand deutlicher gesehen als der Philosoph Friedrich Nietzsche. Der Ungläubige, so sagt er, kettet die Erde von ihrer Sonne los. „Wohin bewegt sie sich nun (die Erde)? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen. Stürzen wir nicht fortwährend rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und Unten? Irren wir nicht durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an?” Wahrhaftig, Nietzsche hat richtig gesehen. Wer Gott aus der Öffentlichkeit streicht, der überliefert die Welt dem Chaos.

Nein, meine lieben Freunde, nicht das Christentum hat versagt, nicht die christliche Lehre hat sich als untauglich erwiesen. Aber die Menschen, viele Menschen, zu viele Menschen haben sich als unfähig erwiesen, die Lehre des Christentums zu leben. Vielleicht war der eine oder andere von Ihnen einmal in London, im Hyde-Park. Im Hyde-Park kann jeder an einer Ecke sich aufstellen und Reden halten, wenn er Zuhörer findet. Das hat sich auch ein englischer Dominikanerpater zunutze gemacht. Er hat sich in den Hyde-Park begeben und dort für das Christentum gesprochen. Da hat ihm einer von den Zuhörern zugerufen: „Die Kirche Roms, die Kirche Roms ist doch längst an ihrer Aufgabe gescheitert. Nach zweitausend Jahren Christentum sind die Menschen immer noch dieselben geblieben. Sie stecken tief in ihren Lastern, und von allen Seiten ist die Sünde in ständigem Steigen. Wie bei einer Überschwemmung geht es mit der wachsenden Schlechtigkeit der Menschen. Eure Kirche und Botschaft haben doch auch nur völlig versagt.” So hat dieser Mann dem Dominikanerpater zugerufen. Der Pater ließ ihn ruhig zu Ende reden und sagte dann nachdenklich, scheinbar sogar ein wenig verlegen und kummervoll, ganz ernst: „Leider ist da vieles wahr, was Sie sagen. Zweitausend Jahre sind seit der Gründung der Kirche schon vergangen, und die Menschen sind dreckig von Lastern und mit Sünden beladen. Darf ich Sie aber darauf aufmerksam machen, lieber Herr, daß auch die Seife seit vielen Jahrhunderten schon erfunden ist, und doch haben Sie, wie ich sehe – entschuldigen Sie – keinen sehr sauberen Hals. Wollen Sie damit behaupten, daß die Seife nicht sauberwäscht? Da scheint es bloß mit der Anwendung etwas zu hapern. Man muß halt auch Gebrauch davon machen, von der Seife wie vom Glauben.”

Wie richtig, meine lieben Freunde, wie richtig! Daß die Menschen seelisch nicht sauberer sind und eher noch böser als besser werden, das hängt nicht mit dem Glauben zusammen, sondern das hat darin seine Ursache, daß sie den Glauben nicht angenommen haben und nicht leben. Mit dem Glauben ist es wie mit der Seife: Man muß ihn anwenden. Und wenn man ihn anwendet, dann wird er auch seine segensreiche Kraft entfalten.

Amen.

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