Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Mai 2007

Die Verheißung des Geistes Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der vergangene Sonntag stand schon im Zechen des Scheidens Jesu von der Erde. „Noch eine kleine Weile, und ihr werdet mich nicht mehr sehen, denn ich gehe zum Vater.“ Dieser Sonntag rückt das bevorstehende Scheiden des Herrn in ein neues Licht. „Es ist gut für euch, dass ich hingehe.“ Warum? „Wenn ich nicht hingehe, kann der Tröster nicht zu Euch kommen. Gehe ich aber hin, dann werde ich ihn euch senden.“ Es besteht also ein geheimnisvoller Zusammenhang zwischen dem Scheiden Jesu von der Erde und der Sendung des Heiligen Geistes. Diese Worte lenken unseren Blick auf die kommende Himmelfahrt des Herrn und auf die Herabkunft des Heiligen Geistes. Er ist der Vollender des Erlösungswerkes. Erst muss der Herr von der Erde geschieden sein, bevor der Geist kommen kann. Erst muss die irdische Wirksamkeit des Herrn abgeschlossen sein, bevor die Tätigkeit des Heiligen Geistes einsetzen kann. „Es ist gut für euch, dass ich hingehe.“ Die Vollfrucht des messianischen Werkes ist erst zugänglich, wenn der Herr Platz genommen hat zur Rechten des Vaters, wenn er in die Freude und in das Glück des Himmels eingegangen ist.

Noch sind die Vorstellungen der Jünger irdisch. Sie sind ungeläutert, dem Irdischen verhaftet. Erst dann, wenn der Meister endgültig von ihnen geschieden ist, erst dann wird der Boden bereitet sein für die Erkenntnis, dass das Ziel der Erlösung nicht im Diesseits liegt, wie die Marxisten meinen, sondern dass das Ziel der Erlösung im Jenseits liegt, in der Ewigkeit, und dass nur der ein wahrer Jünger Jesu ist, der die Welt überwindet. Diese Erkenntnis, diese volle Erkenntnis soll den Jüngern erst die Geistestaufe vermitteln. Deswegen ist die Sendung des Heiligen Geistes notwendig. Erst durch sie gelangt die Erlösung zur Fülle, zur letzten Reife.

Was tut nun der Heilige Geist? Er arbeitet nach zwei Richtungen. Er arbeitet einmal in der Richtung der Welt, also der Wirklichkeit, die im argen liegt, und diese Welt überführt er. Er ist der überführende Anwalt Christi. Die zweite Tätigkeit des Geistes richtet sich auf die Gläubigen, auf die Jünger Christi, auf die Kirche. Er wird zum Lehrer der Wahrheit.

Die erste Tätigkeit des Geistes ist also das Überführen. „Er wird die Welt überführen, dass es eine Sünde, eine Gerechtigkeit und ein Gericht gibt. Eine Sünde, weil sie nicht an mich geglaubt haben, eine Gerechtigkeit, weil ich zum Vater gehe, ein Gericht, weil der Fürst dieser Welt schon gerichtet ist.“ Hier erfahren wir authentisch, dass es nicht nur Versehen, Missgeschicke und Unglücke gibt, nein, es gibt eine Sünde. Es gibt viele Sünden, aber es gibt eine Wurzelsünde, es gibt eine Hauptsünde, es gibt eine Sünde, die allen anderen zugrunde liegt, und das ist der Unglaube. Die große Sünde der Welt ist der Unglaube, die bewusste Abkehr von Christus. Der Geist zeigt der Welt, dass das ihre große Sünde ist, dass nämlich Christus niedergestiegen ist auf diese Welt, dass er hier gewandelt ist und gewirkt hat, dass er in seiner Kirche weiterlebt und weiterwirkt, dass sie trotz zahlloser Feinde und Angriffe, trotz der eigenen Schwäche immer noch existiert und weiter durch die Jahrhunderte zieht als unbeirrbare Lehrerin der Wahrheit, als unbestechliche Hüterin des göttlichen Gesetzes und als unermüdlich mahnendes Gewissen der Menschheit. Das ist ein überwältigendes Zeugnis für die Gottheit ihres Stifters und damit für die Sündhaftigkeit des Unglaubens.

Es ist also nicht wahr, meine Freunde, dass alle Menschen, die nicht zum Glauben kommen, schuldlos irren. Es ist nicht wahr! Es gibt die bewusste und gewollte Ablehnung des Glaubens. Es gibt Menschen, die nicht glauben wollen, obwohl sie glauben könnten, weil es ihnen an der Glaubensgnade nicht fehlt. Wir geben alle Mängel und Schwächen von unserer Seite zu. Wir wissen, dass wir nicht auf der Höhe unserer Berufung stehen. Es gibt das mangelnde Zeugnis der Gläubigen; es gibt die Schwäche der berufenen Verkünder des Evangeliums; es gibt den Verrat in den eigenen Reihen. Das sei alles zugegeben. Und wenn man das alles zugegeben hat, wird der Unglaube dadurch doch nicht erklärt und nicht entschuldigt. Es gibt die Verstocktheit gegen die Wahrheit. Es gibt die Abwehr des Glaubens. Es gibt die Bosheit gegenüber den Einwirkungen des Heiligen Geistes. Und das macht der Heilige Geist offenbar.

Die zweite Tätigkeit des Geistes gegenüber der Welt besteht darin, dass er zeigt: Es gibt eine Gerechtigkeit. Diese Gerechtigkeit hat sich im Leben Jesu gezeigt. Er war der Unschuldige, der Heilige und der Gerechte. Er ist Wohltaten spendend durch die Lande gezogen, und doch haben ihn die Führer des Volkes dem Tode überliefert. „Den Heiligen und Gerechten habt ihr getötet“, so heißt es in der Petruspredigt der Apostelgeschichte. Das war Ungerechtigkeit. Und so ist es auf Erden weitergegangen. Hier auf Erden hängt die Gerechtigkeit immer am Kreuze! Aber einst wird die Ungerechtigkeit beseitigt. Einmal ist das sogar schon geschehen, nämlich am Beispiel Jesu. Der Vater im Himmel hat ihn aus dem Grabe gerissen und lebendig gemacht. Er hat ihn auferweckt von den Toten. Da sieht man: Er hat sich zu ihm bekannt; er hat sein Werk bestätigt. Ja, das hat er getan. Die Heimkehr Jesu zum Vater, die Himmelfahrt, die Erhöhung bestätigt Leben, Wirken und Leiden des Gottessohnes. Er war kein Betrüger und kein Scharlatan, als den ihn seine Feinde ausgaben. Er war der Heilige und der Gerechte, und das wird durch die Heimkehr zum himmlischen Vater bestätigt. Gott selbst bekennt sich zu seinem Gerechten. Er, der dem Willen des Vaters gehorsam war bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze, er ist lebendig gemacht und erhöht worden. Er hat einen Namen erhalten, der über allen Namen ist. Er hat Platz genommen zur Rechten des Vaters. Auf Erden ward ihm keine Gerechtigkeit, aber im Himmel ist ihm Gerechtigkeit widerfahren. Da hat er erlangt, was er verdient hat.

Und so geht es weiter, meine Freunde. Was an Jesus geschah, das muss auch an seinen Jüngern geschehen. Der unbelohnte Dienst, die verkannte Leistung, die verfolgte Unschuld, all das, was wir auf Erden täglich erleben, wird einmal von Gott gerecht gewürdigt werden. Hier auf Erden hängt die Gerechtigkeit am Kreuze, aber in der Ewigkeit wird sie triumphieren.

Die dritte Tätigkeit, die der Geist gegenüber der Welt ausübt, ist, dass es ein Gericht gibt. Der Opfertod Jesu und seine Auferstehung haben die Macht des Todes und der Sünde gebrochen. Der Fürst der Welt ist überwunden. Die Erlösungstat Jesu ist der Sieg über den Satan. Er spricht es ja selbst aus: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.“ Und als er die Dämonen austreibt, da sagt er: „Wenn ich mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, dann ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“ Also ist das Reich des Satans überwunden; der Stärkere hat den Starken besiegt! Das ist im Leben Jesu geschehen, und die Ausgießung des Geistes vollzieht dieses Gericht. Denn sie ist nichts anderes als die feierliche Besitzergreifung des Reiches des Satans durch Gott. Wenn der Heilige Geist kommt in den Herzen der Einzelnen, in den Gemeinschaften, in der Kirche, dann ist das ein Zeichen, dass das Reich Gottes aufgerichtet ist.

Schiller sagt: „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.“ Ich weiß nicht, ob es so ist. Manchmal scheint es so, aber nicht immer. Aber eines ist sicher: Das Gericht über den Satan vollzieht sich durch den Heiligen Geist. Schon jetzt ist zu erkennen, dass der Dienst Satans zum Unheil führt. Schon jetzt ist zu erkennen, dass nicht die Unbeherrschtheit und die Unzucht, dass nicht der Haß und der Neid das Gute auf der Welt schaffen, sondern nur die Früchte und die Wirkungen des Heiligen Geistes: Güte, Liebe, Freude, Geduld. Das sind die Früchte des Geistes. Jeder, der die Augen aufmacht, kann erkennen, dass davon die Menschheit lebt und nicht von den Wirkungen, die der Satan in den Menschen erzeugt. Die Familien, die Gesellschaft, das Volk, die Menschheit lebt von der Überwindung und von der Beherrschtheit und von der sieghaften Tugend. Und das ist ein Zeichen, dass der Geist wirksam ist. Er richtet den Satan und sein Reich. Das sind die drei Tätigkeiten, die der Heilige Geist gegenüber der Welt verrichtet. Er überführt den Unglauben, er zeigt, dass es eine Gerechtigkeit gibt, und er bringt den Vollzug des Gerichtes zur Vollendung.

Aber der Geist wirkt auch in der Kirche, und zwar als Lehrer der Wahrheit. „Er wird euch alle Wahrheit lehren“, verheißt Jesus seinen Jüngern. Er selbst war schon Lehrer der Wahrheit. Aber er hat die Wahrheit nicht in allen Zügen und in allen Einzelheiten vermittelt. Der Geist führt das Werk Christi auf Erden fort als Erleuchter und Gnadenspender. Er behütet das kirchliche Lehramt vor Irrtum; er öffnet die Seelen der Gläubigen für die Erkenntnis der Wahrheit; er zeigt uns die tiefen Zusammenhänge zwischen Natur und Übernatur; er weist uns auf die ewigen Ziele unseres Daseins hin, nicht wie Marxisten sangen: „Macht’s euch auf der Erde schön. Kein Jenseits gibt’s, kein Wiedersehn.“ Er gibt uns die Kraft zur Gottes- und Nächstenliebe, und er gibt uns die Sehnsucht nach dem Himmel. Er wirkt unaufhörlich in den sieben Sakramenten, dieses Heilswerk, von der Taufe angefangen bis zur Letzten, heiligen Ölung. Ohne dieses Wirken des Geistes wäre das Christentum längst verunstaltet, hätten sich die Menschen längst die Religion nach ihrem Sinne gestaltet, hätten sie vor allem die Sittenlehre ihrem bösen Herzen angepasst.

Wir brauchen uns nur die Abspaltungen von der Kirche Christi anzusehen, um zu erkennen, wohin Religionsgemeinschaften kommen, die vom Geiste verlassen sind. Dass die Kirche an der Gottheit Christi nicht rütteln lässt, dass sie das Priestertum nicht preisgibt, dass sie die Feindesliebe predigt, dass sie die Gebote der geschlechtlichen Sittlichkeit lehrt, das ist nur dem Wirken des Geistes zu verdanken. Soeben erfahren wir wieder, wie dieser Geist wirkt. Unerschrocken hat der Erzbischof von Genua, der Präsident der italienischen Bischofskonferenz, die kirchlichen Normen über Ehe und Familie verkündet, furchtlos. Denn es besteht Grund zum Fürchten. Im Europäischen Parlament hat man sich gegen ihn erhoben. Die Kirche darf nicht mehr ihre Grundsätze verkünden, weil das Europäische Parlament anders denkt – die Schwulen darin usw. Morddrohungen haben ihn erreicht. Man hat ihm eine Pistolenkugel zugeschickt. Schriften wurden an die Wand geworfen, die sich gegen ihn wenden, weil er die Grundsätze der katholischen Kirche verkündet. So weit sind wir gekommen im „christlichen Abendland“!

Da frage ich, meine lieben Freunde, wo sind denn die Vertreter der Orthodoxie? Das heißt ja, der rechten Lehre. Wo sind sie denn? Wo sind denn die Vertreter  des reinen Evangeliums, die Protestanten? Sie sagen nichts, sie schweigen. Sie legen sich mit den Feinden nicht an; sie wollen Ruhe haben. Aber uns lässt der Geist keine Ruhe. Er zwingt uns, das Evangelium zu verkünden – gelegen oder ungelegen!

Ja, es ist gut, meine Freunde, dass der Erlöser von der Erde geschieden ist und durch die Sendung des Heiligen Geistes den großen Plan der Welterlösung zur Vollendung brachte. Dass dieser Plan sich auch in uns vollende, darum wollen wir heute und in den kommenden Wochen beten, so wie die Kirche heute im Kirchengebet im Hinblick auf das Wirken des Heiligen Geistes betet: „Gott, der du die Herzen der Gläubigen eines Sinnes machst, gib deinem Volke das zu lieben, was du befiehlst, das zu ersehnen, was du versprichst, damit in dem Wechsel der Verhältnisse unsere Herzen dort verankert seien, wo die wahren Freuden sind.“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt