Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. August 2007

Abraham – Vorbild im Glauben

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der Epistel des heutigen Sonntags ist von Abraham die Rede. Abraham ist eine Gestalt der Heiligen Schrift. Im Alten Testament wird viele Seiten lang von ihm berichtet, und auch im Neuen Testament wird sein Name 40 mal genannt. Aber wir haben keine lebendige Beziehung zu Abraham. Er ist uns fremd geworden. Das Barock hat ihn noch vielfältig abgebildet an den Altären, nämlich wie er das Opfer auf dem Berge Moriah darbringt. Wir aber haben eine Beziehung zu ihm verloren. Die Juden waren stolz auf ihn. „Wir haben Abraham zum Vater“, so halten sie Jesus entgegen. Sie wussten um die Bedeutung des Abraham.

Der gläubige Christ steht verlegen vor Abraham, der aber doch auch unser Vater im Glauben ist. Und auch uns hat sein Opfer etwas zu sagen, denn in jeder heiligen Messe gedenken wir Abrahams und seines Opfers. „Schau huldvoll darauf nieder“, so bitten wir nach der heiligen Wandlung, wenn das Opfer vollzogen ist, „mit gnädigem und mildem Angesichte und nimm es wohlgefällig auf, wie du einst mit Wohlgefallen aufgenommen hast das Opfer unseres Patriarchen Abraham.“

Dass Abraham uns so entschwunden ist, mag verschiedene Gründe haben. Einer ist vermutlich darin gelegen, dass die Erklärer der Heiligen Schrift ihn entwirklicht haben. Sie haben bezweifelt, dass er eine historische Gestalt sei. Sie sagen, Abraham sei ein personifizierter Volksname. Ein personifizierter Volksname, also ein Name für ein Volk, dem man eine Person untergelegt habe. Oder man sagt, er sei eine degradierte Gottheit, ein Gott, den man zum Menschen gemacht habe, ein Baumgott oder ein Mondgott. Wieder andere sagen, Abraham sei ein Gegenstand ätiologischer Sagen. Man habe Sagen erfunden, um eine bestimmte Wirklichkeit zu begründen. Ätiologische Sagen nennt man das. Und schließlich gibt es mindestens zwei evangelische Theologen, die sagen: Abraham ist ein Märchentypus. Wir, meine lieben Freunde, halten dagegen fest: Abraham ist eine historische Gestalt. Abraham ist eine Person mit einer Geschichte, und diese Geschichte wird von Gott geleitet. Gott ist es, auf dessen Befehl hin Abraham auswandert aus Ur in Chaldäa. Er zieht zunächst nach Haran, dann nach Kanaan, das seiner Nachkommenschaft wiederholt von Gott verheißen wird. Dann führt ihn die Hungersnot nach Ägypten. Ägypten ist immer das Zufluchtsland für verfolgte Palästinenser gewesen. Heimgekehrt, überlässt er seinem Vetter Loth die Wahl des Weidelandes. In der früheren DDR haben wir diese Erzählung benutzt, um zu zeigen, dass es bei Interessenkonflikten auch ohne Klassenkampf geht. Man kann sich auch vertragen; man kann sich auch einigen, so wie sich Abraham mit Loth geeinigt hat: „Gehst du zur Rechten, dann gehe ich zur Linken.“ Er hat seinen Vetter Loth dann aus der Gefangenschaft des Königs von Elam befreit und wurde dafür von Melchisedech, dem König von Salem, gesegnet.

Dann beginnt Gott die Erfüllung seiner Verheißungen mit Abraham. Er hat mit ihm einen Bund geschlossen und ihm einen Sohn verheißen von einer Frau die unfruchtbar war. Von der unfruchtbaren Sarah sollte Abraham einen Sohn empfangen, und die Verheißung Gottes trog nicht. Sarah empfing einen Sohn und gebar ihn; es ist Isaak. Und ausgerechnet diesen einzigen Sohn, diesen Träger der Verheißung, soll Abraham nun schlachten. Gott befiehlt ihm, mit ihm auf einen Berg, auf den Berg Moriah, zu steigen und ihn dort zum Opfer darzubringen. Abraham zögert keinen Augenblick. Er macht Holz zurecht, das sein Sohn auf dem Rücken hinaufträgt, baut einen Altar und ist im Begriff, das Messer zu nehmen und ihn zu schlachten, als Gott ihm in den Arm fällt und ihn davor bewahrt, sein einziges Kind zu opfern. Gott will keine Menschenopfer. Er wollte nur den Glauben Abrahams erproben. Er wollte nur feststellen, ob Abraham bereit ist, auch das Köstlichste und Beste seines Lebens, den Träger der Verheißungen, zu opfern. Und dieses Opfer auf Moriah ist ein Vorbild für das Opfer Jesu, ein Vorbild für das Opfer des Neuen Bundes.

Damit stoßen wir auf die Bedeutung Abrahams für uns. In der Zeit des Nationalsozialismus gab es Bestrebungen, das Alte Testament aus der Bibel zu streichen. In meiner Heimat hatten wir einen Schulrat, der forderte die Kinder auf, das Alte Testament herauszureißen aus dem Bibelhandbuch. Das ist ein ganz verkehrtes und unzulässiges Verfahren, denn Altes Testament und Neues Testament sind göttliche Offenbarung, gehören zusammen und lassen sich nicht trennen. Das Neue Testament ist im Alten vorgebildet, und das Alte Testament ist im Neuen enthüllt. Das sieht man sehr deutlich am Opfer des Abraham. Er sollte sein Kind zum Opfer darbringen, aber Gott hat darauf verzichtet. Doch dieses Opfer war ein Vorbild für das Opfer Christi auf Golgotha.

Abraham ist also ein Vorbild für uns vor allem in seinem Glauben. Glauben heißt hier nicht nur Fürwahrhalten, das heißt es natürlich auch und immer, es heißt aber auch Vertrauen haben und gehorsam sein. Fürwahrhalten, Vertrauen und Gehorsam kommen im Glauben Abrahams zusammen. Er glaubte an den einen und einzigen Gott. Alle Völker der alten Welt waren Götzendiener, standen unter dem Bann der Naturvergottung. Die einen beteten die Sonne an, die anderen das Feuer, wieder andere ein Tier, einen Stier oder die Schlange. Israel allein hielt dem einen und einzigen, unsichtbaren Gott die Treue. Es blickt zu dem überweltlichen Gott auf, wiewohl es vor ihm zittert. Abraham ließ sich von den Göttern der Heiden nicht betören. Wie glänzend auch der Kult war, der ihnen erwiesen wurde, und er war glänzend, ihn nahm er nicht gefangen. Er glaubte an den einen und einzigen Gott. Und noch mehr: Er glaubte an seine Verheißungen. Er glaubte, dass Gott die Verheißungen. die er gibt, auch erfüllt. Er glaubte, dass er der Stammvater eines großen Volkes sein werde. Er glaubte, dass aus seinem Volk der Messias, der Retter, hervorgehen werde. „In deinem Namen sollen gesegnet sein alle Geschlechter.“ Das ist die Verheißung des Messias. Weil aus seinen Nachkommen der Messias hervorgehen sollte, ist auch er gesegnet. Und Jesus hat diese Auslegung bestätigt. „Abraham, euer Vater, frohlockte, dass er meinen Tag sehen sollte. Er sah ihn und freute sich.“ „Abraham, euer Vater, frohlockte, dass er meinen Tag sehen werde. Er sah ihn und freute sich.“ Seitdem bekennen wir Christus als den Sohn Abrahams, als den davidischen Messias. Er ist die Erfüllung der Verheißungen an Abraham. Und er bringt den Kindern Abrahams das Heil. Kinder Abrahams aber sind nicht diejenigen, die leiblich von ihm abstammen, sondern Kinder Abrahams sind jene, die ihm im Glauben folgen. So lehrt es uns der Apostel Paulus: „Wir müssen glauben an den, der unseren Herrn Jesus Christus von den Toten auferweckt hat, ihn, der dahingegeben wurde um unserer Sünden willen und der auferweckt wurde um unserer Rechtfertigung willen.“

Um dieses Glaubens willen wird in der heutigen Epistel das Bild Abrahams beschworen. Sie haben wahrscheinlich von dieser Epistel wenig verstanden. Es mutet so an wie ein theologisch-juristischer Traktat. Aber was gesagt werden soll, das ist eigentlich klar, nämlich: Für den Christen sind die ausgedehnten Verpflichtungen des mosaischen Gesetzes ebensowenig heilsnotwendig, wie sie es für Abraham waren. Noch einmal: Was soll diese Epistel uns sagen? Für die Christen sind die ausgedehnten Verpflichtungen des mosaischen Gesetzes ebensowenig heilsnotwendig, wie sie es für Abraham waren.

Vor wenigen Tagen starb in Paris der Erzbischof Lustiger. Er war ursprünglich Jude, aber er hatte zum Glauben gefunden. Er war Priester geworden, Erzbischof von Paris und Kardinal. Und an diesen Erzbischof von Paris hat ein jüdischer Gelehrter einen Brief geschrieben und ihn darin angefragt, ob er sich – als ehemaliger Jude – an die Speisevorschriften des Alten Testamentes gebunden wisse. Lustiger hat das klügste getan, was er tun konnte: er hat den Brief nicht beantwortet. Selbstverständlich ist er als Christ, aber sogar als Jude nicht an diese mosaischen Vorschriften gebunden. Sie sind überholt. Nicht Gesetzeswerke nämlich haben Abraham gerecht gemacht vor Gott, sondern der Glaube an Gott, der die Toten lebendig macht und das Nichtseiende ins Sein ruft. Gegen alle (menschliche) Hoffnung hat er, gestützt auf (göttliche) Hoffnung, geglaubt, dass er Vater vieler Völker werden würde. Er zweifelte nicht ungläubig an der Verheißung Gottes, sondern erstarkte im Glauben, indem er Gott die Ehre gab in der festen Überzeugung, dass Gott mächtig ist, das zu erfüllen, was er verheißen hat.

Abraham verkörpert also für uns den von Gott schon immer gewollten Weg zum Heil, nämlich den Weg des Glaubens, den Weg des Glaubens und nicht den Weg der Gesetzeswerke. Kinder Abrahams sind nur die, welche ihm auf diesem Weg des Glaubens folgen, unabhängig davon, ob sie leibliche Nachkommen Abrahams sind oder nicht. So wie Abraham gerechtfertigt wurde durch den Glauben, so muss auch der Christ den Glauben als grundlegende Voraussetzung seines Heiles in den Bund mit Gott einbringen, und zwar den Glauben an den Heiland Jesus Christus. „Es ist kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, in dem wir selig werden können, als der Name Jesu Christi. Wenn du mit dem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und wenn du im Herzen glaubst, dass er von den Toten auferweckt wurde, dann wirst du selig werden.“ Das ist das Evangelium, das uns Paulus im Römerbrief verkündet. „Wenn du mit dem Munde den Herrn Jesus Christus bekennst und im Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten erweckt hat, dann wirst du selig werden.“

Die Berichte der Bibel, meine lieben Freunde, lassen in Abraham uns ein einzigartiges Schicksal erkennen, ein Schicksal, das seine überragende Bedeutung auf den Anruf Gottes gründet. Aus der gesicherten Existenz einer blühenden Kultur in Chaldäa musste er ausziehen ins Ungewisse, damit der lebendige Gott in seinem Leben wirksam werden könnte. Seine bedingungslose Hingabe, sein vertrauendes Ja zu Gott machen ihn zum Vater des Glaubens, und seine Bereitschaft selbst zum Opfer seines Sohnes machen ihn zum Urbild jeglicher Gottesverehrung. Die Heiden suchten Gott zu beeinflussen durch Opfer und magische Riten. Das pharisäische Judentum wollte Gott nötigen durch peinliche Erfüllung der rituellen und gesetzlichen Leistungen. Nein, Abraham geht darüber hinaus, und er sucht nur das eine: Gott zu dienen und ihm zu gehorchen. Die Bedeutung Abrahams geht deswegen weit über den Alten Bund hinaus.

Eine Generation, die eigentlich nur noch etwas erwartet von der Steigerung der Lebensqualität, eine Generation, die keine andere Erwartung hat, als ihre Bedürfnisse immer perfekter zu befriedigen, eine solche Generation sollte sich an Abraham orientieren. Er ist erstaunlich modern. Er wählte nämlich die äußere und innere Freiheit für Gott. Er hat damit den Teufelskreis einer Superzivilisation durchbrochen und die Kompassnadel des Herzens eingestellt auf Gott. Sein Auszug aus Ur ist sicher einmalig, aber sein Glaubensgehorsam und seine Opferbereitschaft sind maßgebend und vorbildlich auch für uns.

Amen.

 

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