Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
12. August 2018

Der heilige Gott

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Gott ist heilig. Wir bekennen ihn als den dreimal Heiligen. Damit ist eine Seinsbestimmtheit Gottes ausgesagt. Die Seinsbestimmtheit der Heiligkeit ist die exklusive Existenzweise Gottes. Wenn wir von Gott sagen, dass er heilig ist, so wollen wir damit ausdrücken, dass er anders ist als jedes Geschöpf, anders als alles, was uns aus der Erfahrung bekannt ist, dass er über Menschen und Dinge erhaben ist, dass er in freiem herrscherlichen Handeln die Natur und die Geschichte formt. Die Andersartigkeit Gottes wirkt sich in zweifacher Weise aus: als unverletzliche, unnahbare, ja drohende und schreckende Majestät und als anziehende, beglückende, geistige und segnende Macht, als Gericht und Begnadung, als Gerechtigkeit und Liebe. Gottes Heiligkeit ruft demgemäß im Menschen Furcht und Liebe, Schauder und Entzücken hervor, sie hält ihn von Gott zurück und zieht ihn zu ihm hin. Diese Haltungen und Stimmungen vereinigen und steigern sich in der Anbetung Gottes. In der Anbetung liegt unser Bekenntnis zu der Aseität Gottes. Aseität heißt: das Aus-sich-selber-Sein. Wir sind nicht aus uns selber, sondern wir sind von anderen. Gott aber ist „a se“; er besitzt das Wesen, das seine Notwendigkeit in sich trägt. In der alttestamentlichen Offenbarung tritt die Heiligkeit Gottes als seine hervorragende, hervorstechendste Eigenschaft hervor. Sie besteht in seiner machtvollen Allerhabenheit, in der völligen Unabhängigkeit Gottes. Sie ist nicht eine Eigentümlichkeit neben anderen Eigentümlichkeiten, nein, sie ist vielmehr die Eigentümlichkeit, die Gott als Gott erscheinen lässt. Sie durchdringt alles andere. Die Heiligkeit drückt sich vor allem aus in dem Bilde von seinem Thronen in der Höhe, von seinem Wohnen im Himmel. In dieser räumlichen Vorstellung wird nicht etwa eine Raumgebundenheit Gottes ausgesagt, sondern seine Weltüberlegenheit. Hier wird nicht eine Quantität, sondern eine Qualität ausgesagt. Der in seinem Glauben verunglückte evangelische Theologe David Friedrich Strauß spottete, dass Gott infolge der Fortschritte der Naturwissenschaft und der Technik seinen Wohnraum im Himmel verloren habe, weil das, was ihm bisher gehört habe, nun der Mensch für sich erobert habe. Und der russische Raumfahrer Gagarin erklärte, er habe bei seiner Raumfahrt Gott nicht angetroffen. Dieser Spott ist nicht nur unangebracht, sondern er ist töricht. In der Vorstellung vom Himmel drückt sich gerade jene Weltüberlegenheit Gottes aus, die es den Menschen verwehrt, Gott mit den Mitteln der Naturwissenschaft und der Technik zu suchen und zu finden. Gott ist nicht nur über die Erde, er ist auch über den Wolkenhimmel, über die Stratosphäre und über die Sternenwelt erhaben. Er lebt in einer Wirklichkeit, die jenseits aller Erfahrung liegt.

Gottes Heiligkeit enthüllt sich in seinem Handeln. Durch sein Tun erweist sich Gott als derjenige, der alles Geschöpfliche überschreitet; er ist transzendent. Der innerlich und wesentlich vom Menschen Verschiedene, der vom Geheimnis Umgebene, der Gott, der Gericht hält und Gnade schenkt, den der Mensch verehren, ja fürchten, aber zugleich lieben muss: nichts kann ihm verglichen werden. Sein Handeln ist von jedem menschlichen Handeln verschieden. Überall, wo Gott als Wirker der Geschichte hervortritt, müssen die Menschen einsehen und bekennen: Das hat der Herr getan. In solchem Handeln tut er sich als der Heilige, d.h. als der von den Menschen Gesonderte hervor. Da offenbart er, dass er Gott ist und nicht ein Mensch, der Heilige in der Mitte seines Volkes. Die Offenbarung der Heiligkeit ist also die Offenbarung seiner Göttlichkeit. Die Heiligkeit ist das Geheimnis Gottes. Gottes Name, d.h. sein im Menschen erschlossenes Wesen, ist heilig. Wenn daher Gott sein Wort an die Menschen richtet, wenn er ihnen seinen Geist sendet, d.h. wenn er aus seiner Unzugänglichkeit hervortritt, dann erfahren diese ihn als den Heiligen, als den, der heilt und beglückt, der rettet und richtet. Die Heiligkeit Gottes wird im Alten Testament erlebt als die Rettung vor dem Pharao, als der Heilige, der in der Wüste Wasser spendet, der aber auch das Volk straft, indem er Schlangen kommen lässt. Aber auch gleichzeitig offenbart sich die Heiligkeit in seiner Treue und in seinem Erbarmen, erschreckend und ergreifend zugleich. Wenn Gott seine Gegenwart bekundet, da erfasst den Menschen Furcht und Schrecken. Vor dem heiligen Gott fällt der Mensch nieder, um anzubeten und zu preisen. „Der Herr ist König“, so heißt es in einem Psalm, „die Völker beben, die Erde wankt. Groß ist der Herr, über alle Völker erhaben. Preisen sollen sie seinen Namen, den großen und hehren, heilig ist er.“ Gott ist nicht nur an sich heilig, auch seine Wirkungen sind es, sein Gesetz, seine Werke, sein Arm, alle seine Wege. Die Heiligkeit Gottes offenbart sich auch im Sittengesetz, das er den Menschen gibt. Es offenbart sich die Heiligkeit im Sündenfall, in den Strafgerichten über die Sünde, in der Verkündigung der Gebote.

Gottes Heiligkeit ist zunächst eine Seinsbestimmtheit, aber sie ist auch eine sittliche Qualität. Die Heiligkeit ist eine Qualität seines Willens, d.h. sein Wille stimmt wesenhaft überein mit der Norm der Sittlichkeit. Er hat nicht zu ringen, um die Gebote zu erfüllen, die er selber gegeben hat, ja, die er ist, sondern seine wesenhafte Übereinstimmung mit der Norm der Sittlichkeit, die unendliche Liebe zu seiner eigenen Güte und die unendliche Liebe zu seiner Sündlosigkeit, das ist die sittliche Heiligkeit Gottes. Gott ist dadurch heilig, dass er seinem heiligen Wesen nach gemäß handelt. Er handelt in sittlicher Vollkommenheit. Gott ist der Inbegriff dessen, was wir sittliche Vollendung nennen. Er ist der Widerspruch zu alldem, was wir unter Sünde verstehen. Gott ist der Heilige sowohl als Rächer der Sünde wie als Erlöser von Schuld. Das ganze Neue Testament erzählt von dem Kampf, den Gott durch Christus gegen das Böse führt. Christus selbst ist die sichtbar gewordene Heiligkeit Gottes. Er ist der verleiblichte Widerspruch gegen die Sünde, gegen Ungerechtigkeit und Selbstsucht, gegen Lüge und Heuchelei. Sein Werk dient der Vernichtung des Bösen und der Aufrichtung der Herrschaft des Guten.

In der Heiligen Schrift, meine lieben Freunde, ist häufig vom Zorne Gottes die Rede. Was will damit gesagt sein? Die Rede vom Zorn Gottes ist Ausdruck der wesenhaften Heiligkeit Gottes. Der Zorn Gottes besagt den heiligen Widerwillen Gottes gegen das Böse. Er ist die Reaktion Gottes auf die Verletzung seines absoluten Herrschaftsanspruches gegenüber den Völkern und den Menschen. Er ist die Antwort Gottes auf die Verletzung seines liebenden Bundes. In der Bibel ist häufig die Rede, wie der Zorn Gottes gegen die Menschen entbrannte. Einer der schlimmsten Könige Israels war Manasse. Dieser König errichtete falschen Götzen Altäre, trieb Zauberei und Wahrsagerei. Er bestellte Totenbeschwörer und Zeichendeuter, und so tat er vieles, was dem Herrn missfiel, und reizte ihn zum Zorne. Der Zorn Gottes entbrannte. Es kam ein Strafgericht über Israel. Verwüstung und Verheerung, Hunger und Schwert; das sind Auswirkungen des Zornes Gottes. Auch das Neue Testament kennt den Zorn Gottes. Es versteht ihn als Widerwillen gegen alles Böse und als richterliches Eingreifen. Der Zorn Gottes entsteht an der Sündhaftigkeit der Menschen, die den Willen Gottes ignorieren. Erfahren wir etwa, meine lieben Freunde, heute den Zorn Gottes in der monatelangen Trockenheit? Ist das vielleicht die Sprache Gottes, die viele nicht verstehen wollen? Wir klagen über den Priestermangel. Ist das vielleicht auch ein Ausdruck des Zornes Gottes? Die Menschen brauchen den Priester nicht mehr. Von hundert Katholiken gehen zehn am Sonntag in die Kirche. Will Gott uns mit dem Priestermangel zeigen, dass sein Zorn gegen dieses Volk entbrannt ist?

Gott wird gepriesen im Neuen Testament als der Allherrscher, der da war und der da ist, der da sein wird. Allmacht und Ewigkeit sind Wesenszüge seiner Heiligkeit. Der Heilige wird das Blut der Martyrer rächen. Wenn er noch schweigt und die Dinge ihren Weg gehen lässt, als wäre er nicht, so geschieht das nur, um die Zahl der Opfer vollzumachen. Sichtbar erschienen ist Gottes Heiligkeit in Christus Jesus; er ist der Heilige Gottes, d.h. der zu Gott Gehörige und von Gott Gesandte. In dieser Bezeichnung kommt zum Ausdruck, dass Christus von „oben“, nicht von „unten“ ist, dass er alles Menschenmaß überschreitet, dass er von der Art Gottes ist. Das Wort „heilig“ bezeugt die Göttlichkeit Christi. Er ist auch der heilige Knecht. Das besagt, dass er geheiligt ist, um einen Auftrag Gottes auszuführen, dass er ein heiliges Opfer ist für die Schuld der Menschen. Die Heiligkeit Gottes wird bezeugt vom Heiligen Geist, den er sendet. Dieser Geist ist heilig, weil er Gottes Geist ist, nicht der Menschen Geist. Der Heilige Geist hat am Pfingstfest die in Jerusalem Versammelten erfüllt, sodass sie sein heiliger Tempel wurden. Er hat in ihnen das Leben Christi gestaltet. Dadurch entstand eine neue Gemeinschaft, die geheiligt ist in Christus Jesus. Paulus spricht nicht umsonst seine Briefpartner als die Heiligen Gottes an. Diese Gemeinschaft ist heilig, weil sie von Gott aus der Welt ausgesondert ist für ihn. Heilig ist die Gemeinschaft der Christusgläubigen, das Volk, das Gott erwählt hat, das neutestamentliche Gottesvolk. Es ist ein heiliges Volk, weil es nicht nach den Gesetzen der irdischen Geschichte entstanden ist und lebt, sondern vom Vater durch Christus im Heiligen Geist gebildet wurde. Seine Glieder, also wir, sind durch die Zugehörigkeit zur geheiligten Gemeinschaft selbst heilig. Sie werden vom Heiligen Geist in der Taufe mit dem Siegel Christi bezeichnet. Die Heiligen bilden eine Opfergemeinschaft, die im Opfer Christi geschaffen wird. Wer zu ihr gehört, ist als Opfergabe geweiht. Die Heiligen, die von Gott Berufenen und für ihn Geweihten haben Anteil an der Heiligkeit Gottes. Meine lieben Freunde, wir wollen den heiligen Gott ernst nehmen, wollen einstimmen mit Herz und Mund in den Lobgesang der Engel: Heilig, heilig bist du, Herr der Herrscharen! Wir wollen rufen: Heiliger Gott, heiliger starker Gott, heiliger unsterblicher Gott, erbarme dich unser!

Amen.

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