Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
5. Mai 2005

Die Heimkehr des Siegers

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Himmelfahrt Christi Versammelte!

Wenn man mit der Kirche das Kirchenjahr durchlebt, dann erinnert man sich an die Geheimnisse und die Wirklichkeiten des Lebens Jesu. Zu Weihnachten grüßten wir das Krippenkind, in der Passionszeit gingen wir mit dem Leidensmann zum Ölberg, in der Osterzeit feierten wir seinen Sieg, seinen Sieg über den Tod, den grimmigsten Feind, den es gibt. Und heute begehen wir seine Heimkehr zum Vater. Ostern ist das Fest des messianischen Sieges, und Himmelfahrt ist das Fest der Heimkehr des Siegers.

Man kann sich im Anschluß an die Texte, die wir soeben gehört haben, die Heimkehr Jesu lebendig vorstellen. Er hat sein Werk vollbracht, der Auftrag ist erfüllt, der Wille des Vaters ist getan, und jetzt kehrt er zurück in die Herrlichkeit, die er besaß, bevor er Mensch wurde. „Erhöht eure Tore, ihr Fürsten“, so beten wir Priester im Brevier, „erhöht eure Tore, ihr Fürsten, erhöht euch, ewige Pforten, denn der König der Herrlichkeit will Einzug halten.“ Nachdem er die Erde entsühnt hat, kehrt er als Sieger zurück, gefolgt von den Gerechten, die er aus der Gefangenschaft erlöst hat, in der sie seit Jahrtausenden schmachteten. Und er wird aufgenommen von den englischen Scharen, von den Bewohnern des Himmels in seine Herrlichkeit, um seine ewige Herrschaft anzutreten und um uns eine Wohnung zu bereiten, um uns die Tore des Vaterhauses für immer zu öffnen.

Die Jünger schauen dem Herrn nach, der langsam ihren Blicken entschwindet. Sehnsucht brennt in ihrem Herzen, Sehnsucht nach dem Heiland und nach dem Vaterhause, und diese Sehnsucht ist es, die sie fortan treiben wird, bis an die Grenzen der Erde zu gehen. Diese Sehnsucht lässt sie alle Mühen und Sorgen ertragen, denn sie wissen, diese Sehnsucht ist begründet, diese Sehnsucht erhält ihr Ziel, diese Sehnsucht trügt nicht. Und so vermögen sie alle Sorgen und Enttäuschungen, alle Leiden, Kämpfe und Bitterkeiten ihres Lebens zu ertragen in der Erwartung, dass sie Jesus folgen dürfen, wohin er vorausgegangen ist. Das ist also der Sinn des Festes Christi Himmelfahrt: Verherrlichung des Meisters und Sehnsucht der Jünger, Heimkehr und Heimruf.

Es ist, als ob am Himmelfahrtsfest das große Sursum corda an uns ergeht: Empor die Herzen! Suchet was droben ist, nicht was auf der Erde ist. Und diese Mahnung haben wir ja immer wieder notwendig, denn wir sind alle in Gefahr, dem Nietzsche-Wort zu folgen: „Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt nicht denen, die von übernatürlichen Hoffnungen reden.“ Ja, diese Gefahr besteht immer, dass wir uns durch solche Worte täuschen lassen. Die Menschen, die in diesem Leben ihr Ziel, ihr endliches Ziel, ihr eigentliches und letztes Ziel sehen, sind arme Enttäuschte. Sie begreifen nicht, dass die menschliche Natur, die von Gott kommt, zurück zu ihrem Ursprung drängt. Der Mensch muss, wenn er glücklich sein will, zu seinem Herrn und Heiland zurückkehren, er muss in die ewige Heimat eintreten, wenn er das Glück, das Ziel, das Gott ihm bestimmt hat, finden will.

Über der Pforte des Franziskanerklosters in Fiesole in Italien steht die Inschrift: „Ein einziger Gott. Wenn er mein Feind ist, wer will mich retten? Eine einzige Seele, wenn ich sie verliere, was bleibt mir noch?“ Ein einziger Gott. Wenn er mein Feind ist, wer will mich retten? Eine einzige Seele, wenn ich sie verliere, was bleibt mir noch? Und weil das so ist, ruft die Kirche uns zu: „Suchet, was droben ist, nicht die Erdendinge.“ Seid Menschen und bleibt Menschen der Sehnsucht, einer Jüngersehnsucht, die über das Irdische hinausgeht. Und so müssen wir an diesem Tage auch innehalten und uns erforschen, ob diese Sehnsucht noch in uns brennt oder ob wir uns auch schon dem irdischen Behagen ergeben haben. Natürlich müssen wir auf Erden arbeiten, schaffen, müssen wir uns anstrengen, und niemand kann das besser als der, der die himmlische Sehnsucht hat, denn er weiß, das alles geschieht um des Himmelreiches willen. Der Glaube an das Jenseits tötet uns nicht in unseren irdischen berechtigten Bestrebungen ab, sondern feuert sie an. Aber wir wissen, dass eben über den irdischen Aufgaben, Pflichten und Freuden die himmlische Sehnsucht auf uns wartet, dass wir Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit haben müssen, dass wir Gott suchen und ihm entgegengehen müssen mit allen unseren Kräften. „Mensch, was du liebst, in das wirst du verwandelt werden. Gott wirst du, liebst du Gott, und Erden, liebst du Erden.“ So hat unser schlesischer Dichter Angelus Silesius geschrieben. Mensch, was du liebst, in das wirst du verwandelt werden. Gott wirst du, liebst du Gott, und Erden, liebst du Erden.

Sehnsucht müssen wir haben nach der Ewigkeit und nach dem, was zur Ewigkeit führt, also nach dem Gutsein, nach dem Liebevollsein, nach dem Reinsein, nach dem Selbstlossein, nach dem Wahrhaftigsein, nach dem wirklichen und vollen Christsein. Das ist die Sehnsucht, die wir haben müssen. Niemand verkennt den eigentlichen Sinn des irdischen Lebens mehr als der Ungläubige. Niemand erfasst diesen Sinn mehr als der Gläubige, denn er hat die richtige Wertordnung. Er weiß, was zählt, er weiß, was bleibt, er weiß, was gilt. Nur mit der Sehnsucht, von der Christus gesprochen hat, werden wir unser irdisches Leben bewältigen. Diese Sehnsucht muss uns tragen über unsere irdischen Bahnen hinaus. „Die Welt mit ihrem Glanz und Glücke will ich, ein Pilger, froh bereit betreten nur als eine Brücke zu dir, Herr, über’m Strom der Zeit.“ So hat unser schlesischer Dichter Joseph von Eichendorff gedichtet. Die Welt mit ihrem Glanz und Glücke will ich, ein Pilger, froh bereit betreten nur als eine Brücke zu dir, Herr, über’m Strom der Zeit.

Ich weiß, meine lieben Freunde, dass in jedem Menschen die Sehnsucht nach Glück lebt. Und diese Sehnsucht ist berechtigt. Sie wird aber auf Erden nicht erfüllt. Sie kann auf Erden nicht erfüllt werden; sie weist in das überirdische Leben hinaus. Es ist wohl kein Zufall, dass die beiden größten Dichtungen, die unser Volk hervorgebracht hat, von dieser Sehnsucht voll sind, nämlich „Faust“ und „Parsifal“. Der eine ist von dem dämonischen Glückstrieb getrieben, von der faustischen Sehnsucht. Er taumelt von der Begierde zum Genuß und vom Genuß zur Begierde, wie es ja im „Faust“ heißt, und sucht auf Erden dieses Glück, ob er dadurch auch seine Seele verkauft und seine Seele verliert. Wahllos trinkt er aus trüben und reinen Quellen, nur um diese Glückssehnsucht, dieses Erdenglück zu finden. Und wie viele, meine lieben Freunde, wie viele tun es ihm nach! „Ja, ich weiß, woher ich stamme, ungesättigt, gleich der Flamme glühe und verzehr’ ich mich.“ So hat Friedrich Nietzsche in dieser Nachfolge des Faust geschrieben. Ja, ich weiß, woher ich stamme, ungesättigt, gleich der Flamme glühe und verzehr’ ich mich. Und unser großer deutscher Dichter Friedrich Schiller, dessen Jubiläum wir ja jetzt feiern, schreibt: „Zwischen Sinnenglück und Seelenfrieden bleibt dem Menschen nur die bange Qual.“ Zwischen Sinnenglück und Seelenfrieden bleibt dem Menschen nur die bange Qual.

In unseren Zeiten erleben wir hunderttausendfach, millionenfach, wie Frauen ihr Glück suchen, indem sie ihre Männer verlassen. Ich gebe zu, es gibt Fälle, wo das Zusammenleben unerträglich ist, aber das ist es in 99 Prozent der Fälle nicht. Wo es unerträglich ist, kann eine räumliche Trennung gerechtfertigt sein. Aber in all den anderen Fällen, da suchen die Frauen ihr Glück an der Seite oder besser im Bett eines anderen Mannes. Was ist das elend und kläglich! Und dann wird der Mann häufig wilde, und dann greift er zum Revolver oder zum Dolch, wie jetzt wieder in Niederbayern, und bringt die Kinder um und die Eltern und sich selber. Das ist die falsche Reaktion auf den Verlust, die zu solchem Handeln treibt, aber Auslöser war die Frau, die ihren Mann verlassen hat. Und dann haben wir den anderen, der nach Glück sucht, die Sehnsucht des Parsifal. Er streift durch Wälder und Einöden; er geht durch Kämpfe und Not; er wandert durch die Abendröte und durch die Morgenröte, um den Berg zu finden, auf dem der heilige Gral steht. Das ist das Bild der Jüngersehnsucht im Geiste Jesu, der gläubigen und vertrauenden Ausschau nach dem Vaterhaus, von dem der Herr einst gesagt hat: „Es hat viele Wohnungen, und ich gehe, euch eine Wohnung zu bereiten.“

Heute, am Himmelfahrtstage, hat er sein Wort wahr gemacht. Für uns gilt es, seinen Heimruf in uns widerklingen zu lassen, auf dass er uns Wegführer sei zur ewigen Heimat. „Herr, ich bin dein Eigentum, dein ist ja mein Leben. Mir zum Heil und dir zum Ruhm hast du’s mir gegeben. Väterlich führst du mich auf des Lebens Wegen meinem Ziel entgegen.“

Amen.

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