Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. Dezember 2016

Johannes, der Prophet der Demut, des Mutes, des Starkmuts und des Großmuts

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der eigentliche Adventsprediger ist Johannes: „Ich bin die Stimme eines Rufenden in der Wüste: bereitet den Weg des Herrn.“ Johannes der Täufer rief eine Umkehrbewegung ins Leben, die zu Massenbekehrungen führte. Sie war verbunden mit einer Bußtaufe. Bekehrung ist Willensumkehr, Sinnesänderung, seelische Wandlung, Abwendung von der Gottlosigkeit und Hinwendung zu Gott, Abkehr von einem sündigen und lauen Leben zu ernstem religiösem Streben. Eine Bekehrung kann vollständig sein. Das ist dann der Fall, wenn ein ganz von Gott Abgewandter sich jetzt ganz Gott zuwendet. Die Bekehrung kann auch eine teilweise sein. Das geschieht dann, wenn ein schon Bekehrter sich von bestimmten sündigen Gewohnheiten befreien will. Umkehr predigen kann glaubhaft nur derjenige, der selber umgekehrt ist. Johannes war geeignet und befähigt, andere zur Umkehr zu rufen, denn er war ein Bekehrter. Er besaß die Eigenschaften, die für einen gotterfüllten Propheten kennzeichnend sind. An erster Stelle hatte er die Demut. Demut ist ehrfurchtsvolle Selbstbescheidung, Ausdruck des Wissens um die grundsätzliche Abhängigkeit des Menschen von seinem Schöpfer. In der Demut akzeptiert der Mensch seine eigenen Grenzen. Er stellt sich unter das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe. Johannes der Täufer war demütig. Es kamen Abgesandte aus Jerusalem und rätselten, wer er sein möge: „Wer bist du?“ Was für einen Eindruck muss er gemacht haben! Sie denken an drei Persönlichkeiten: „Bist du der Prophet?“ In der Meinung des jüdischen Volkes ging ein Prophet dem Messias voraus, nämlich der Prophet Elias. Er sollte wiederkommen, bevor der Messias auf die Erde eintrat. Aber Johannes lehnt es ab: „Ich bin nicht Elias.“ Da versuchen sie es mit der zweiten Gestalt: „Bist du der Prophet?“, der andere Prophet, den man auch noch erwartet hat vor dem Erscheinen des Messias, die Gestalt, die im 5. Buch Moses angekündigt ist. Johannes weist auch diese Vermutung ab: „Ich bin es nicht.“ Dann greifen sie noch höher: „Bist du der Messias?“, der lange angekündigte, der sehnsüchtig erwartete Heilbringer für das jüdische Volk. Johannes verneint auch diese Zuweisung. Er wehrt sich gegen eine messianische Missdeutung seiner eigenen Person und Aufgabe. Er ist nur der von Gott gesandte Wegbereiter des Messias, nicht dieser selbst. „Ein Stärkerer kommt nach mir. Ich bin nicht wert, ihm die Schuhriemen aufzulösen.“ Er ist nicht der Bräutigam, er ist nur der Freund des Bräutigams, und als solcher freut er sich über die Stimme des Bräutigams: „ Er muss wachsen, ich muss abnehmen.“ Johannes wird freilich von Jesus erkannt. Jesus weiß, wer Johannes ist. Er ist mehr als ein Prophet, er ist der von Gott gesandte Bote vor dem Erscheinen des Messias. Johannes selbst in seiner Demut bezeichnet sich nur als „Rufer in der Wüste“. Er ruft aus, was Gott ihm eingibt. Was er redet, ist nicht sein Wort, sondern Gottes Wort. Das ist es, was seiner Verkündigung nicht nur den eindringlichen Ernst, sondern auch die gewissenaufrüttelnde Autorität gibt. Er bedient nicht die Wünsche des Volkes, sondern er verkündet das Wort Gottes. Für ihn ist nicht die Fremdherrschaft der Römer und der Herodianer das Hindernis für das Kommen der Gottesherrschaft, sondern das sündige Volk. Der sündige Zustand des Volkes, das ist das Hindernis. Sein Wort ist absolut unpolitisch, allein religiös-sittlich, so wie Jesus selbst es verkünden wird. Darin erweist er sich als ein echter Prophet. Diese Selbstbezeichnung „Rufer in der Wüste“ ist uns übermacht worden. Wir wissen heute noch: Ein Rufer in der Wüste, das ist ein Mensch, der Wichtiges, ja Unerlässliches verkündet, aber auf taube Ohren stößt! Das lehrt uns der demütige Johannes: Nicht mehr sein wollen, als was Gott will. Nur Gott den Weg bereiten wollen, nur Gottes Ehre suchen, nur den anderen dienen, helfen, nützen. Das ist Apostelgebet, das ist Prophetenwort. Der nachkonziliare Klerikalismus, das Superlaientum des Zentralkomitees, der innerkirchliche Personenkult, das sind Verirrungen! Nichts verdirbt den Dienst eines Apostels, eines Propheten mehr als der Eigennutz, die Suche nach eigener Befriedigung oder Erhöhung. Wer für sich arbeitet, arbeitet nicht für Gott. Die für sich arbeiten, das sind die falschen Propheten. Zu den falschen Propheten gehören heute die meisten Urheber und Nutznießer der Veränderungen, die seit Beginn der 60er Jahre sich in unserer Kirche zugetragen haben. Seit Jahrzehnten wird uns vorgemacht, es habe sich in der Kirche ein Aufbruch vollzogen. Die Wahrheit ist, dass ein Zusammenbruch sich ereignet hat! Es ist Zeit, endlich der Wahrheit die Ehre zu geben und in aller Demut zu bekennen: Wir haben uns getäuscht. Die Pseudoreformen haben die Kirche an den Rand des Abgrunds geführt.

Johannes ist der Prophet des Mutes. Mut ist der nicht allgemeine Einsatz zur Überwindung drohender Gefahr. Diesen Mut hat Johannes bewiesen. Zunächst gegen sich selbst: Er lebte von Heuschrecken und wildem Honig, abgetötet, sein Gewand war von Kamelhaar. Er war gegen sich selbst sehr streng, und deswegen kann Jesus sagen: „Was seid ihr hinausgegangen? Was wolltet ihr denn sehen? Ein Rohr, das vom Winde hin und her getrieben wird?“ Das Bild des Rohres ist ein Ausdruck für die Unbeständigkeit, für die Wankelmütigkeit, für die Feigheit. Wer ein vom Wind hin und her getriebenes Rohr ist, dem fehlen Selbststand, Festigkeit und Überzeugung. Das Schilfrohr von heute, das sind jene Theologen, die Kommunionunwürdige zur Kommunion zulassen wollen! Der Mensch in weichlichen Kleidern ist der Genussmensch, der verweltlichte Weltmann. Mut gegen sich selbst besagt Überwindung des Hangs zur Bequemlichkeit, zur Lässigkeit, zur Trägheit. Diese Versuchung besteht für jeden Menschen, aber wir müssen sie überwinden. Wer dieser Versuchung erliegt, hört auf, eine führende, eine mitreißende Persönlichkeit zu sein. Auch heutzutage gilt für den Apostel Christi ernst, einfach und abgetötet zu sein. Er soll sich selber bezwingen, er soll die Zähne zusammenbeißen. Feiglinge und Weichlinge taugen nicht zum Aufbau des Reiches Gottes. Wer die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, der ist untauglich für das Reich Gottes. Johannes bezeugt auch Mut gegen die anderen. Die zur Bußtaufe Hinzueilenden fragen ihn, was sie tun sollen, so die Volksscharen: „Was sollen wir denn tun?“ Er antwortet ihnen: „Wer zwei Röcke hat, gebe dem einen, der keinen hat.“ Er fordert tätige Nächstenliebe. Auch Zöllner kommen zu ihm, um sich taufen zu lassen: „Meister, was sollen wir tun?“ Der Täufer antwortet: „Fordert nicht mehr, als euch festgesetzt ist. Betrügt nicht die Menschen durch überhöhte Forderungen.“ Es kommen auch Soldaten: „Was sollen wir denn tun?“ Er sagt ihnen: „Misshandelt niemanden, drangsaliert niemanden, seid zufrieden mit eurer Löhnung.“ Wer zur bewaffneten Macht gehört, zeigt, dass er bekehrt ist, wenn er gerecht handelt und zufrieden ist. Und schließlich kommen auch Pharisäer und Sadduzäer. Sie bezeichnet Johannes als „Schlangenbrut“. Er fordert von ihnen nicht nur die Bekehrung, sondern Früchte, würdige Früchte der Bekehrung; Bekehrung muss fruchtbar sein, wenn sie wahr sein soll. Johannes war mutig. Er traut sich dem Landesherrn Herodes Antipas entgegenzutreten und ihn öffentlich wegen seines sittlichen Verhaltens zu rügen. Er hat dem König gegenüber gesprochen: „Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben.“ Der König Herodes Antipas hatte eines Tages seinen Stiefbruder Johannes ohne Land besucht, und dabei hat er dessen Frau kennengelernt. Und siehe da, er spannte sie ihm aus. Er nahm die Frau seines Bruders zu sich, seine eigene Frau verließ ihn, die Tochter des Königs Aretas. Deswegen tadelt ihn Johannes, wegen der frivolen Art, in der er seinem Stiefbruder die Gemahlin entrissen hat. Eine Ehe mit der Frau des lebenden Bruders war Juden streng verboten. Wir können natürlich fragen, meine lieben Freunde: Wo sind denn die Johannesnaturen unserer Zeit, die furchtlos Gottes Gebot verkünden? Welcher deutsche Bischof bringt den Mut auf, mit der Heiligen Schrift zu sprechen: Du darfst nicht mit einem Manne Umgang haben wie mit einer Frau, es wäre eine Greueltat? Wenn ein Mann sich mit einem anderen Mann vergeht wie mit einer Frau, so haben beide eine Schandtat begangen; sie sollen mit dem Tode bestraft werden – das steht in der Heiligen Schrift.

Johannes ist drittens der Prophet des Starkmuts. Starkmut oder Tapferkeit ist die Tugend, die im Kampf gegen Widerstände die Fertigkeit verleiht, aus Treue zu Gott um höchster Güter willen sogar das Opfer des Lebens zu bringen. Starkmut macht die Seele erhaben über Furcht, Unlust, Schmerz und Gefahr. Diesen Mut hat Johannes aufgebracht. Und er musste seinen Mut bezahlen. Er wurde in den Kerker geworfen. Als Martyrer drunten in der Tiefe ist er nun untätig. Er kann nicht mehr verkündigen, und das ist bittere Qual für ihn, nicht mehr wirken zu können. Aber es beirrt ihn nicht, er opfert es Gott auf. Kann er nichts mehr leisten für Christus, so will er für ihn leiden. So geht es immer den Verkündigern der Gebote Gottes. Sie werden verfolgt, eingesperrt, misshandelt, getötet oder wenigstens hingerichtet in der Presse. Die von Gottes Willen schweigen, bleiben unbehelligt. Sie empfangen Ehrung auf Ehrung und Auszeichnung nach Auszeichnung. Warum? Weil sie sich der Welt angepasst haben. Sie wissen hoffentlich, wen ich meine. Der Dienst an der Wahrheit ist anspruchsvoll. Die Wahrheit erringt man nur durch viele Kämpfe, der Irrtum kostet nichts. Der Dienst an der Wahrheit fordert Opfer. Wer für die Wahrheit nicht leiden will, der sollte darauf verzichten, als Diener der Wahrheit aufzutreten. Auf die Zeugen der Wahrheit wartet der Tod. Aber die Menschen, die Sterben für Gewinn halten, sind schwer zu erschrecken. Wer sich Christus ergeben hat, kann sterben, überwunden werden, kann er nicht. Die Martyrer verachten den Tod, weil sie den Auferstandenen berührt haben. Es siegt in ihnen, der in ihnen lebt. Johannes verlor sein Leben, das er noch vor sich hatte, er war kaum vierzig Jahre alt. Die Martyrer unserer Zeit haben nicht geschwiegen angesichts des Unrechts, das unschuldigen Menschen angetan wurde. Als 1938 in Berlin die Synagogen brannten, da trat der Dompfarrer Bernhard Lichtenberg aus Schlesien auf die Kanzel seiner Kirche und erklärte: „Das ist auch ein Gotteshaus.“ Er betete öffentlich für die verfolgten Juden. Wohlmeinende Menschen machten ihn darauf aufmerksam, in welche Gefahr er sich begebe. Da antwortete er: „Wenn wir schweigen, werden die Leute irre an uns.“ Er wurde angezeigt von zwei protestantischen Studentinnen. Er verschwand im Gefängnis, und nachdem er seine Strafe verbüßt hatte, wurde er in das Konzentrationslager überwiesen. Auf dem Wege dorthin ist er in Hof gestorben.

Johannes ist viertens auch ein Muster an Großmut. Großmut oder Großherzigkeit, Hochgemutheit ist nach Aristoteles die rechte Mitte zwischen Überheblichkeit und Kleinmut. Hochherzig ist, wer sich selbst hoch einschätzt und dies durch seine Lebensleistung rechtfertigt, wer hoch von sich denkt und hoch handelt. Johannes trat ab von der Bühne, als seine Aufgabe vollendet war, selbstlos, wie die Sterne verschwinden, wenn die Sonne erscheint. Er fragt nicht nach dem Erfolg, er sieht ihn auch nicht. Er ist wie Moses vor dem gelobten Land in den Boden eingestampft worden als Fundament für den Dom, der sich darüber einmal erheben soll. Hätte er nicht der erste Apostel des Messias werden können? Ganz gewiss. Aber Gott hat es anders gefügt, und er gibt sich damit zufrieden. Das ist Hochherzigkeit, das ist Großmut. Ein Held ist, meine lieben Freunde, wer einer großen Sache so dient, dass seine eigene Person dabei gar nicht in Frage kommt. Der wahre Apostel Christi begehrt nicht auf gegen sein Geschick, er beugt sich unter die mächtige Hand Gottes. Bernhard Lichtenberg hatte den Wahlspruch: Wie Gott will, ich halte still – und er hat stillgehalten bis zum Tode. Johannes bewies Großmut. Er will nicht mehr sein als Vorläufer seines Herrn, nur das. Er ersehnte nicht in unruhigen Fieberträumen seine eigene Ehre: „Ich bin es nicht. Ich bin die Stimme eines Rufenden. Nach mir kommt einer, der größer ist als ich. Er muss wachsen, ich muss abnehmen.“ Johannes lehrt uns den wahren Großmut, Gott zu dienen, wie es ihm gefällt, Gott so dienen, dass man nichts für sich selbst haben will, dass man ganz zurücktritt hinter dem Dienst, und dass man auch auf Vergeltung verzichtet, wenn einem Unrecht geschieht. Ich will Ihnen ein hervorragendes Beispiel des Großmuts aus der Geschichte nennen. Sie haben schon gehört von dem großen Kaiser Karl V., einem Zeitgenossen Luthers. Er hatte im Jahre 1547 die protestantischen Fürsten in der Schlacht bei Mühlberg besiegt. Sie lagen jetzt zu seinen Füßen: Philipp von Essen, Johann Friedrich von Sachsen. Er kam nach Wittenberg, wo Luther in der Schlosskirche beerdigt ist. Luther war ein Exkommunizierter und ein vom Reich Geächteter, er hätte nicht in einer Kirche beerdigt werden dürfen, er hätte müssen ausgegraben werden. Kaiser Karl V. trat an sein Grab und sprach: „Er hat seinen Richter gefunden“, und ließ ihn in diesem Grabe; das war sein Großmut. Auch in der Welt von heute ertönt die Stimme des Johannes: „Tuet Buße, kehret um.“ Das ist das Holz, aus dem die Apostel unserer Tage geschnitzt werden müssen. Wiederum erlebt die Menschheit einen neuen Advent. Christus wird kommen, und der Johannesruf ertönt, wir sollen Vorläufer unseres Herrn sein, wir sollen ihm den Weg bereiten. Ihr Apostel der Demut, des Mutes, des Starkmuts, des Großmuts, ihr Apostel kommt und kommt, die Welt braucht euch heute mehr denn je. Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade seine Pfade!

Amen.

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