Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
13. Dezember 2015

Die Religion der Freude

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Freuet euch. Abermals sage ich: Freuet euch, denn der Herr ist nahe.“ Dieser Ruf, diese Aufforderung, nein, dieser Befehl zur Freude kommt aus dem Gefängnis. Denn der Philipperbrief ist in Rom geschrieben, wo Paulus im Gefängnis war. Und doch heißt die Botschaft: Freuet euch. „Freuet euch. Abermals sage ich: Freuet euch.“ Dieser Freudenruf ist deswegen so bedeutsam, weil man das Christentum verdächtigt hat, die Religion des Schwermut, des Ernstes, der Trauer, der Verbote zu sein. Die Ereignisse des Christentums aber sind ganz anderer Art. Sie beginnen mit einem Freudenruf: „Ich verkünde euch heute eine große Freude, denn in der Stadt Davids ist euch der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Und als der Herr an das Ende seines irdischen Lebens kommt, da sagt er seinen Jüngern die Nähe des Todes voraus, aber er fügte hinzu: „Ich werde euch wiedersehen, und ihr werdet euch freuen und eure Freude wird niemand von euch nehmen.“ Das Christentum, meine lieben Freunde, ist die Religion der Freude. Das Christentum, das lehrt, dass es einen Gott gibt, dass ein Gott existiert, dass wir nicht allein sind im kalten Weltenraum, dass die Augen einer allmächtigen Vorsehung über uns wachen, dieses Christentum ist eine Religion der Freude. Das Christentum, das uns lehrt, dass unser Leben einen Sinn und ein Ziel hat, nicht eine sinnlose Leidenschaft, wie uns atheistische Existenzialphilosophen weismachen wollen, dieses Christentum ist eine Religion der Freude. Allerdings ist die Freude an den Herrn und Seligmacher geknüpft. „Freuet euch im Herrn“, heißt es nämlich im Philipperbrief. Es gibt auch andere Freuden, mit denen der Herr nichts zu tun hat: ein Konzert, eine Beförderung, ein unerwartetes Geschenk; das sind auch Freuden, aber das sind keine Freuden im Herrn. Freuden im Herrn sind jene, die Gott, die Christus zum Urheber haben, für die er verantwortlich ist. Die Freuden, die von Gott kommen, die sollen wir suchen: Freuet euch, aber freuet euch im Herrn.

Und jetzt wird aufgezählt, bei welchen Gelegenheiten und an welchen Anlässen wir Freude im Herrn haben sollen; die erste ist: Denn der Herr ist nahe. Paulus hatte, wie es ganz christentumsgemäß ist, die Erwartung, Christus werde nach seiner Himmelfahrt wiederkommen noch zu seinen Lebzeiten. Man kann sagen, er habe sich getäuscht, aber nein, es ist keine Täuschung, er hat nur die Verheißung des Herrn ernst genommen. Was jeder Zeit eintreten kann, ist immer nahe. Und wenn wir rechte Christen sind, müssen wir uns auch auf die Wiederkunft des Herrn gefasst machen. Es kann jeden Tag eintreten, jeden Tag kann das Zeichen des Kreuzes am Horizont erscheinen und der Herr wiederkommen. Solange die Wiederkunft des Herrn noch aussteht, hoffen wir auf ein Kommen des Herrn anderer Art. Es ist die Erwartung, dass er von seiner Macht und Güte Gebrauch macht. Dieses Kommen besteht nicht in der Überbrückung einer räumlichen Ferne, sondern im Tätigwerden Gottes, darauf warten wir. Und wir warten nicht vergebens; er hat sein Wort verpfändet. Er muss uns helfen, wenn er der getreue Gott bleiben will. Die zweite Quelle der Freude ist, dass wir unsere Güte allen Menschen zuteilwerden lassen. Das griechische Wort, das ich hier mit Güte übersetze, kann vieles bedeuten, aber ich glaube, dass die Bedeutung, die ich vorgeschlagen habe, die Güte, nicht falsch ist; im Lateinischen heißt es modestia. Es ist eine Freude, Menschen zu erfreuen, Menschen anzuhören, aufmerksam auf ihre Leiden einzugehen, sie zu trösten, sie aufzurichten, sie zu ermuntern. Freude machen, meine lieben Freunde, bringt Freude ins eigene Herz. „Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu anderer Glück. Freude, die wir anderen geben, kehrt ins eigene Herz zurück.“ Wer die anderen zu erfreuen trachtet, vergisst am ehesten seine eigenen Sorgen und kommt über sie am sichersten hinweg. Bald werden wir einander wieder Freude machen mit Geschenken – warum nicht? Wenn der himmlische Vater uns seinen Sohn schenkt, dann müssen wir auch einander etwas schenken. Eine weitere Quelle der Freude spricht Paulus im gleichen Brief an die Philipper an, wenn er schreibt: „Tut alles ohne Murren“ – tut alles ohne Murren, d.h.: Denkt daran, dass Gott über euch das Gesetz der Arbeit aufgerichtet hat. Es ist der Wille Gottes, dass wir uns diesem Gesetz unterwerfen. Der Gemeinde von Saloniki schreibt Paulus: „Wir gebieten euch nachdrücklich, im Herrn Jesus Christus (also per göttlicher Sanktion), sie sollen in ruhiger Arbeit ihr eigenes Brot verdienen.“ Wie dankbar muss man sein, meine lieben Freunde, wenn man arbeiten kann, denn dafür sind wir ja geschaffen. Wie traurig steht es um die Menschen, die nicht arbeiten können, weil sie körperlich nicht in der Lage sind oder weil sie keine Arbeit finden. Der Mensch, der arbeitet, ist niemals ganz unglücklich. Von Goethe stammt das schöne Wort: „Arbeite nur, die Freude kommt von selbst.“ Arbeit im Herrn ist Pflicht. Pflicht ist verbindliche Aufgabe, für die sich der einzelne verantwortlich weiß. Der Mensch hat nur Frieden, wenn er seine Pflicht getan hat. Aus erfüllter Pflicht quillt Freude. Wenn wir eine Arbeit erledigt haben, die uns aufgetragen war, dürfen wir uns freuen, dass wir es geschafft haben. Von dem gut katholischen Politiker Matthias Erzberger stammt das schöne Wort: „Erst mach dein Sach, dann sing und lach“ – eine schönes Wort: Erst mach dein Sach, dann sing und lach. Eine weitere Quelle der Freude spricht Paulus an, wenn er im gleichen Brief an die Philipper die Aufforderung richtet: „Seid so gesinnt, wie Jesus Christus gesinnt war.“ Wie war er denn gesinnt? Er war dem Willen des Vaters gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze. Er hat die Gebote Gottes im Willen des Vaters ernst genommen. Wir Priester haben die Freude, ja die Freude, jeden Sonntag den Psalm 118 beten zu dürfen. Der Psalm 118 ist ein Loblied auf die Gebote Gottes. Ich bete es jeden Sonntag mit großer Freude. „Ich liebe dein Gesetz“, heißt es da immer wieder. Welches Glück ist es, meine Freunde, den Willen Gottes zu kennen und dadurch zu wissen, wie unser Leben gelingen kann, wenn wir uns daran halten: die Gebote der Nächstenliebe, der Feindesliebe, die Gebote der Ehrlichkeit und der Wahrhaftigkeit, die Gebote, welche die Geschlechtskraft betreffen. Wie kann man sich so weit verirren wie der Protestantismus, der den Pfarrern empfiehlt, ein lustiges homosexuelles Leben im Pfarrhaus zu führen, wie kann man sich so weit verirren? Freude im Herrn ist es, den Willen Gottes zu kennen und zu erfüllen. Wer im Alltag mit Gott lebt, der kann niemals ganz unglücklich sein. Er weiß: Wer Gott liebt, wer Gott dient, erfüllt seinen Lebenszweck, erfüllt sein Lebenswerk. Im alten Katechismus lautete die erste Frage: „Wozu sind wir auf Erden?“ Die Antwort war: „Wir sind dazu auf Erden, dass wir den Willen Gottes tun und dadurch in den Himmel kommen.“ Das ist kurz und bündig tatsächlich ein Loblied auf die Gebote Gottes. Diese ewig junge Wahrheit zeigt uns den Weg der Freude: Gott lieben, Gott dienen. Freilich, wir wissen um unsere Schwächen. Aber das Christentum weiß auch um unsere Schwächen. Es gibt deswegen eine Planke nach dem Schiffbruch, es gibt die Vergebung der Sünden, es gibt ein Sakrament der Vergebung; darüber dürfen wir uns freuen. Wie glücklich sind wir, dass Gott uns nicht in der Sünde zugrunde gehen lässt, dass er uns nicht in der Gosse liegen lässt, dass er die verlorenen Söhne und Töchter wieder aufnimmt. Es ist eine Freude, meine lieben Freunde, beichten zu dürfen, die Lossprechung zu empfangen und frohen Herzens wieder an die Arbeit zu gehen. Beicht macht leicht!

Eine weitere Quelle der Freude sind – so merkwürdig es klingt – Leiden. Leiden schließen die Freude nicht aus. Von der heiligen Theresia von Avila stammt das schöne Wort: „Gott führt jene, die er liebhat, den Weg der Leiden. Und je größer seine Liebe ist, umso härter sind die Leiden.“ Sie hat das Gesetz der Liebe Gottes begriffen. Gott führt jene, die er liebhat, den Weg der Leiden. Und je größer seine Liebe ist, umso härter sind die Leiden. Die Leiden sind also ein Segen über Auserwählte, nicht ein Fluch über Verstoßene. „Für jedes freudig getragene Leiden werden wir den lieben Gott in gesteigertem Maße in der Ewigkeit lieben“, ein weiteres Wort der heiligen Theresia von Avila. Für jedes freudig – freudig! – getragene Leiden werden wir den lieben Gott in gesteigertem Maße in der Ewigkeit lieben. Und das ist ja nichts anderes als die Wiedergabe dessen, was in der Heiligen Schrift steht: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen weinend, den Samen auszustreuen, aber sie kehren jauchzend zurück und tragen ihre Garben.“ Wegen dieser Funktion der Leiden können Leiden zu einer Quelle der Freude werden. Sie zeigen uns: Gott hat uns nicht vergessen. Er schickt mir Leiden, dass ich mich seiner erinnere. Es wird nicht leicht einen jungen Menschen geben, der so viel gelitten hat wie die zweite Theresia, Theresia von Lisieux, mit 24 Jahren qualvoll an Miliartuberkulose zugrunde gegangen. Und doch stammt von ihr das Wort: „Alles hienieden ermüdet mich. Ich finde nur noch eine Freude, nämlich zu leiden. Und diese Freude, die so gar nicht im Gefühl liegt, übersteigt jede andere. Ich finde nur noch eine Freude, nämlich die, zu leiden.“ Es ist der Widerhall dessen, was uns auch in der Apostelgeschichte berichtet wird. Die Apostel wurden ja gefangengenommen, ausgeprügelt, gegeißelt und dann wurde ihnen verboten, im Namen Jesu zu predigen. Aber wie haben die Apostel sich verhalten? Sie gingen jauchzend aus dem Hohen Rate fort, weil sie gewürdigt worden waren, für den Namen Jesu Schmach zu leiden. Sie erinnerten sich an das Wort des Herrn: „Selig seid ihr, wenn die Menschen euch schmähen, verfolgen und alles Unrechte widerrechtlich gegen euch sagen. Freut euch und frohlocket, denn euer Lohn ist groß im Himmel.“ Der Apostel Petrus schreibt ähnlich in seinem 1. Brief: „Freut euch, dass ihr an Christi Leiden teilhabt, damit ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit euch freuen und frohlocken könnt.“ Noch einmal ein Wort eines Apostels, des Apostels Jakobus. In seinem Briefe ruft er den Christen seiner Zeit zu: „Haltet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Prüfungen geratet. Ihr wisst ja, dass, wenn euer Glaube bewährt ist, er Geduld bewirkt.“

Unverständlich oder schwer zu verstehen scheint es, dass auch der Tod eine Freudenquelle sein kann. Er scheint ein Störer der Freude zu sein, dass wir abtreten müssen von dieser Welt, dass wir, die wir uns hier so behaglich eingerichtet hatten, alles aufgeben müssen, dass wir alles preisgeben müssen, an dem wir so gehangen haben. Und doch, und doch, meine lieben Freunde, kann der Tod ein Freudenquell sein. Einer hat es uns vorgemacht, nämlich Paulus. Im selben Briefe an die Philipper, von dem wir heute die Epistel gehört haben, in diesem Briefe, in dem so viel von der Freude und von der Aufforderung, sich zu freuen, die Rede ist, spricht Paulus von seiner Sehnsucht nach dem Tode: „Ich habe das Verlangen, abzuscheiden (also zu sterben) und bei Christus zu sein.“ Sterben ist ihm Gewinn. Warum? Weil er heimgeht zu Christus. Wir erinnern uns, dass die Kirche diese Wahrheit aufgenommen hat. In der Präfation der Totenmesse heißt es: „Uns wird das Leben im Tod nicht genommen, es wird nur verwandelt.“ Auf uns wartet der Himmel der Freuden, eine unaussprechliche Seligkeit, und deswegen gilt für uns der Ruf: Freuet euch, freuet euch im Herrn, freuet euch in der Hoffnung auf die selige Ewigkeit. Es gab auch damals Christen, die trauerten über die Verstorbenen. In Saloniki waren solche, und ihnen schreibt Paulus, sie sollen nicht betrübt sein wegen der Entschlafenen wie die Übrigen, die keine Hoffnung haben: „Wir glauben ja, dass Christus gestorben und auferstanden ist, und so wird Gott auch die Entschlafenen durch Christus herbeibringen mit ihm.“ Als die siebzig Jünger, die Jesus ausgesandt hatte, von ihrer Apostolatsreise zurückkamen, da berichteten sie voller Freude: „In deinem Namen sind uns auch die bösen Geister untertan.“ Der Herr dämpfte ihre irdisch gemeinte Freude: „Nicht darüber sollt ihr euch freuen, dass euch die Geister untertan sind, freut euch vielmehr, dass eure Namen im Himmel eingeschrieben sind.“

Die katholische Religion ist die Religion der Freude. Sie vermittelt die Freude im Herrn, also durch die Verbindung mit Jesus Christus, durch den heiligen Dienst, den wir ihm darbringen, durch die Fürsorge, die wir von ihm erfahren. Diese Freude mündet in den Frieden, und der Friede ist eigentlich die höchste Freude, das höchste Glück. „Der Friede Gottes“, so schreibt der Apostel in seinem Briefe, „der alles Begreifen übersteigt, bewahre eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus, unserem Herrn.“ Ach, meine lieben Freunde, wenn unser Herz und unsere Gedanken bei Jesus sind, dann sind sie wahrlich gut aufgehoben, dann kann uns kein Feind schaden, dann werden wir mit allem fertig, dann sind wir wahrhaft unerschütterliche Menschen.

Amen.

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