Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Das Dogma vom dreifaltigen Gott (Teil 3)

14. Juni 2015

Die immanente und die ökonomische Trinität

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten uns vorgenommen, den Versuch zu machen, in das Geheimnis des dreieinigen Gottes einzudringen. Der eine Gott ist in drei Personen, welche die eine göttliche Natur, das eine göttliche Wesen, die eine göttliche Substanz sind und die gleich, gleich ewig und gleich allmächtig sind. Die göttlichen personalen Eigentümlichkeiten (Vater, Sohn, Geist) kommen je einer Person allein zu; es sind die drei streng personenbildenden: Vaterschaft, Sohnschaft, Gehauchtwerden. Die Eigentümlichkeiten bedeuten keinen Vorzug einer anderen Person vor der einen. Wenn wir von der ersten, zweiten oder dritten Person sprechen, so ist das eine versuchte Reihung, aber nicht eine Rangstellung. Der ersten Person kommen die Vaterschaft und die Ursprunglosigkeit zu, d.h. die Eigentümlichkeit, kein Prinzip zu haben, sondern selbst Prinzip zu sein. Der eine Gott ist Vater, weil er die ursprunglose Quelle ist. Der eine Gott ist auch Sohn, weil dadurch, dass der Vater sich selbst aussagt, dieses Selbstausgesagtsein als relativ Entgegengesetztes innergöttlich wirksam ist und als relative Wirklichkeit des einen Gottes einen realen Unterschied und eine reale Unvertauschbarkeit in Gott konstituiert. Der Sohn ist aus der Substanz des Vaters gezeugt, und zwar vom Vater allein. Zeugung ist selbstverständlich frei von allen geschlechtlichen Anspielungen, sondern die Zeugung ist hier gemeint als Gegensatz zur Schaffung. Zeugen ist Ursprung eines Lebendigen aus einem andern Lebendigen durch Mitteilung der Lebendigkeit und Wirklichkeit, wobei die Setzung als solche auf die Setzung des gleichen zielt. Der Hervorgang des Sohnes wird, seit Augustinus, als intellektuelle Zeugung erklärt und verstanden. Der Vater erkennt sich selbst, und das Ebenbild, das er dabei erblickt, das ist sein Sohn. Der eine Gott ist aber auch Geist, weil in dem zweiten innergöttlichen Lebensvorgang, der bleibenden und annehmenden Liebe, eine analoge relative Unterschiedlichkeit gesetzt ist. Der vom Vater und vom Sohn gehauchte – das ist natürlich auch wieder ein Bild – Heilige Geist ist wahrer Gott und eine Person, weil er sich in Liebe zum Vater und zum Sohn zurückwendet. Die Liebe zwischen Vater und Sohn ist personal; wir nennen sie Heiligen Geist. Der Heilige Geist ist nicht gezeugt, sondern geht aus dem Vater und dem Sohn als einem Prinzip hervor in einer einzigen Hauchung. Die drei göttlichen Personen sind aber nicht real verschieden vom göttlichen Wesen – da kämen wir ja auf eine Vierheit. Nein, sie sind nicht real verschieden vom göttlichen Wesen, vielmehr ist Gott eins und alles ist in Gott eins, soweit nicht ein Gegensatz der Beziehung besteht, eben zwischen Vater und Sohn und zwischen Vater und Sohn und Geist. Eine jede göttliche Person ist ganz in jeder anderen, und eine jede von ihnen ist der wahre Gott. Sie sind im Sein und im Wirken nicht voneinander zu trennen; nach außen sind sie nur ein einziges Wirkprinzip. Die drei Personen sind eins, aber nicht wie drei menschliche Individuen in derselben Art übereinkommen, oder wie drei menschliche Individuen die gleiche Gesinnung haben, oder wie drei menschliche Individuen ein Triumvirat bilden wie Caesar, Pompeius und Crassus. So verstanden, wären sie drei Götter. Ihre Einheit ist die der Konsubstantialität, der Gleichwesentlichkeit. Es ist die numerische, die zahlenmäßige Einheit, es ist die Identität der Substanz in allen drei Personen. Indem der Vater von Ewigkeit her den Sohn zeugt, hat er ihm seine eigene Natur gegeben. Aber nicht so, dass er ihm einen Teil derselben gegeben hätte und einen Teil sich zurückbehalten hätte, denn die Substanz des Vaters ist als ganz und gar einfach unteilbar, er gibt ihm seine ganze Substanz. Aber auch nicht so, dass er die Substanz so gegeben hat, ohne sie für sich zu behalten, sonst hätte er ja aufgehört, Substanz zu sein. Sondern: Der Sohn hat bei der Zeugung die Substanz des Vaters empfangen; Vater und Sohn haben ein und dieselbe Substanz. Dieselbe göttliche Substanz ist sowohl Vater als Sohn als Geist zugleich alle drei Personen und in jeder einzelnen derselben derselbe. Daraus ergibt sich die vollkommene Gleichheit der drei Personen in Größe und Dauer, aber auch die Einheit der Tätigkeit, da er die Substanz, das Wesen, Tätigkeitsprinzip in den Dingen ist. „Alles, was der Vater tut, das tut der Sohn in gleicher Weise“, heißt es im Johannesevangelium. Ihr Wille, ihr Macht, ihr Wirken ist eines. Alle drei Personen sind nur ein Prinzip der Welt, ein Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge.

Nun gibt es aber die Appropriationen. Appropriationen sind Zuschreibungen, d.h. wir schreiben jeder einzelnen Person bestimmte Tätigkeiten zu. Wir sagen: Der Vater hat die Welt erschaffen, der Sohn hat sie erlöst, der Geist hat sie geheiligt – das sind Zuschreibungen. Sie haben den Zweck, die Eigentümlichkeiten der Personen zu veranschaulichen. Damit dieser Zweck erreicht wird, dürfen solche Eigenschaften und Tätigkeiten einer einzelnen göttlichen Person nur zugeteilt werden, wenn eine gewisse Verwandtschaft mit den Eigentümlichkeiten der betreffenden Person aufzuweisen ist. Die betreffende Tätigkeit erinnert – erinnert! – an die Personeneigenart einer ganz bestimmten göttlichen Person. Dem Vater wird die Macht, dem Sohn die Weisheit, dem Geist die Güte zugeschrieben. Verwandt damit ist der Begriff der Sendung. Auch hier wird eine gemeinsame Tätigkeit im Zusammenhang mit der Dreifaltigkeit gesehen. Das Kommen von Sohn und Geist, ihr Ausgehen, ist ein Gesandtwerden vom Vater. Der ursprungslose Vater wird nie gesandt, er kommt. Aber der Vater sendet den Sohn, und Vater und Sohn senden den Heiligen Geist. Ich kann nichts dafür, meine lieben Freunde, dass ich diese Wahrheiten hier ausbreiten muss, denn sie stehen in der Heiligen Schrift. Im Brief an die Galater schreibt der Apostel Paulus: „Gott sandte seinen Sohn und er sandte den Geist seines Sohnes in eure Herzen.“ Und der Heiland sagt ja selbst: „Ich sende die Verheißung meines Vaters auf euch herab.“ Was wir betreiben ist keine Spekulation, sondern ist der Versuch, die biblischen Begriffe auszudeuten.

Eine andere Folge der Einheit der Substanz ist das Ineinandersein der drei Personen. Das nennt man mit einem griechischen Wort „Perichorese“. Darunter versteht man die gegenseitige Durchdringung und Einung der göttlichen Personen. Davon hat das Konzil von Florenz 1441 erklärt: „Wegen dieser Einheit ist der Vater ganz im Sohn und ganz im Heiligen Geist, und der Sohn ganz im Vater und ganz im Heiligen Geist, und der Heilige Geist ganz im Vater und ganz im Sohn.“ – Perichorese. Das ist biblisch, steht in der Heiligen Schrift. Christus bezeugt, dass der Vater in ihm ist und dass er im Vater ist: „Ich und der Vater sind eins. Glaubet meinen Werken und erkennet, dass der Vater in mir ist und ich im Vater bin.“ Was mit der Perichorese, also mit dem gegenseitigen Durchdringen, gesagt werden soll, das ist auch ausgedrückt in der heiligen Messe. Achten Sie bitte darauf, wenn der Priester nach der heiligen Wandlung spricht: „Durch ihn und mit ihm und in ihm wird dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes, alle Ehre und Verherrlichung.“

Nun unterscheidet die Theologie eine immanente und eine ökonomische Trinität, eine immanente und eine ökonomische Dreifaltigkeit. Was ist damit gemeint? Die Lehre von der immanenten Dreifaltigkeit stellt dar, wie der dreifaltige Gott in sich selbst ist, also ohne Rücksicht auf die Schöpfung und das Wirken in derselben. Hier werden Ursprungs- und Beziehungsverhältnisse von Vater, Sohn und Geist zueinander als die einzige göttliche Wirklichkeit näher bedacht. Es gibt ein innergöttliches Verhältnis von Vater, Sohn und Geist. Die Lehre von der ökonomischen Dreifaltigkeit stellt dagegen dar, wie sich der dreifaltige Gott in der Heilsgeschichte offenbart, wie er also aus sich heraustritt. Sie befasst sich also mit der Sendung des Sohnes Gottes durch den Vater und mit der Herabkunft des Heiligen Geistes. Gott hat sich eben so mitgeteilt, dass die immanente Trinität zur ökonomischen wird. Was er in sich ist, das ist er auch in seiner Offenbarung an die Menschen. Die Dreifaltigkeit des Verhaltens Gottes zu uns ist schon die Wirklichkeit Gottes, wie er in sich ist, nämlich Dreipersönlichkeit. Die Dinge sind leichter, als Sie sich vielleicht denken. Die ökonomische Trinität bekennen wir in jeder heiligen Messe. Wenn wir vor der Kommunion beten: „Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes: dem Willen des Vaters gehorsam, hast du unter Mitwirkung des Heiligen Geistes durch deinen Tod der Welt das Leben geschenkt.“ da haben wir die ökonomische Trinität. Hier wird das Wirken des Dreieinigen Gottes in der Heilsgeschichte beschrieben. Die immanente Trinität bekennen wir auch jeden Tag: „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste.“ Die unterschiedslose Anbetung der drei Personen sieht ab von den verschiedenen Rollen derselben in der Offenbarung und Heilsgeschichte. Nun muss ich allerdings hier vor ungläubiger Theologie warnen. Manche Theologen unterliegen der Versuchung, allein die ökonomische Trinität gelten zu lassen und deuten diese auch noch um. Sie behandeln Jesus als einen Beauftragten des Vaters – das lassen sie gelten, nicht mehr – und den Heiligen Geist als die innere Triebkraft des Wirken Jesu; nichts von Personalität, nichts von Gottheit. Sie zerstören unter Beibehaltung der Begriffe den Glauben an die Dreifaltigkeit. Bei den Hervorkehrern der ökonomischen Trinität ist also Vorsicht geboten. Man muss fragen, ob sich nicht darunter die Häresie des Arius verbirgt.

Mehrere allgemeine Konzilien und zahlreiche partikuläre Synoden haben die Lehre vom dreifaltigen Gott ausgesprochen, erklärt und verteidigt. Wir können uns darauf verlassen, meine lieben Freunde, dass das kirchliche Lehramt mit seinen Aussagen den Sinn der Verkündigung Jesu und der Heiligen Schrift getroffen hat. Der Heilige Geist ist treu; er verlässt seine Kirche nicht. Es ist kein Zufall, dass eine der tiefgehendsten Erklärungen der Dreifaltigkeit vom 11. Konzil zu Toledo – also in Spanien – 675 getroffen wurde. Warum ist das kein Zufall? In Spanien herrschten jahrhundertelang die Westgoten, ein germanischer Stamm. Die Westgoten waren wie die meisten Germanen Arianer, hatten also eine falsche Lehre von Christus und der Dreifaltigkeit. Ihnen musste die kirchliche Gotteslehre ebenso klar wie unwiderleglich vor Augen geführt werden. Und diese Aufgabe hat das 11. Konzil von Toledo 675 in unübertroffener Meisterschaft geleistet. „Das ist die Darlegung über die heilige Dreifaltigkeit, die man nicht dreifach, sondern dreifaltig nennen und gläubig bekennen muss. Es ist auch keine rechte Benennung, wenn man sagt: In dem einen Gott ist die Dreifaltigkeit, sondern: Ein Gott ist die Dreifaltigkeit. In den Personennamen, die eine Beziehung ausdrücken, wird der Vater auf den Sohn, der Sohn auf den Vater, der Geist auf beide bezogen. Dennoch glauben wir, weil diese drei Personen Beziehungen besagen, an eine Natur und an ein Wesen.“ Das 4. Laterankonzil, um noch eines zu zitieren, ist im Jahre 1215 zusammengerufen worden von dem großen, gewaltigen Papst Innozenz III.; 400 Bischöfe waren damals anwesend. Sie verfassten ein Glaubensbekenntnis, in dem es heißt: „Wir glauben fest und bekennen mit aufrichtigem Herzen, dass es nur einen, wahren, einzigen, ewigen, unermesslichen, unveränderlichen, unfassbaren, allmächtigen und unaussprechlichen Gott gibt: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist; drei Personen, aber eine Wesenheit, Substanz und ganz einfache Natur.“ Und um noch ein letztes Konzil zu zitieren: Im Jahre 1442 fand in Florenz eine Kirchenversammlung statt, die sich das Ziel gesetzt hatte, die getrennten Ostchristen wieder mit der katholischen Kirche zu vereinigen. Zu diesem Zweck wurde ein Glaubensbekenntnis aufgestellt, das die Ostchristen auch angenommen haben, freilich sich später wieder davon abgewandt haben. In diesem Glaubensbekenntnis heißt es: „Die römische Kirche bekennt den einen, wahren, allmächtigen, unveränderlichen und ewigen Gott: den Vater, den Sohn und den Geist, eins im Wesen, dreifaltig in den Personen. Diese drei Personen sind ein Gott und nicht drei Götter, denn sie haben eine Substanz, ein Wesen, eine Natur, eine Gottheit, eine Unermesslichkeit, eine Ewigkeit. Alles ist eins, wo sich keine Gegensätzlichkeit der Beziehung entgegenstellt.“ Meine lieben Freunde, die Wirklichkeit des dreieinigen Gottes ist uns ja seit Kindesbeinen vertraut. Wir bekennen sie jedes Mal, wenn wir das Kreuzzeichen machen: im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir beten sie an, wenn wir im Gloria, in der Heiligen Messe den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist verehren. Wir legen von unserem Glauben an die Dreifaltigkeit Zeugnis ab, wenn wir das Glaubensbekenntnis sprechen: „O heilige und ungeteilte Dreifaltigkeit, wir bekennen, loben und preisen dich aus ganzem Herzen, denn du allein bist Gott.“

Amen.   

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