Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Das Wirken des Heiligen Geistes (Teil 3)

9. Juni 2014

Das Wirken des Geistes nach dem Apostel Paulus

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten uns vorgenommen, die Lehre über den Heiligen Geist aus den Heiligen Schriften zu erheben. Gestern haben wir anhand der drei synoptischen Evangelien und der Apostelgeschichte zu erklären versucht, was der Heilige Geist wirkt, um dadurch zu erkennen, was er ist. Heute wollen wir das gleiche versuchen anhand der Lehre des heiligen Apostels Paulus.

Paulus ist recht eigentlich der Lehrer des Heiligen Geistes. Seine Schriften quellen gleichsam über von Äußerungen über das Wirken und die Macht des Geistes. Schon bei der Konstituierung der christlichen Gemeinde ist der Geist am Werke. „Durch einen Geist sind wir alle zu einem Leibe getauft: ob Juden oder Griechen, ob Knechte oder Freie. Und alle sind wir mit einem Geiste getränkt.“ Die gleiche Begabung mit dem Heiligen Geist fügt die Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Standes zu einer Einheit zusammen. Die Gemeinde in Korinth nennt der Apostel Paulus einen „Brief Christi, besorgt von uns, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes“. Die Kirche ist ein heiliger Tempel im Herrn, eine Wohnung Gottes im Geiste. Die Erlösten sind eins, ein Leib, ein Geist, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. Den Christen macht es recht eigentlich aus, dass er Geistträger ist. Durch den Glauben empfangen die Christen den Geist. Und das ist für Paulus immer eine Gelegenheit, auf den Gegensatz zwischen Geist und Fleisch hinzuweisen. Was Geist ist, wissen wir: Das ist die dritte Person in Gott. Das ist die Gabe, die Gott uns verleiht. Doch was versteht er unter „Fleisch“? Mit Fleisch meint er den unerlösten Menschen. Den Menschen, der Sklave seiner Triebe ist, den Menschen ohne Gott und ohne Geist. Fleisch ist der Gegensatz zum Geist. Und das ist eben die Großtat der Geistausgießung: Der Geist hat uns befreit vom Gesetze des Fleisches. „Das Trachten des Fleisches“, sagt Paulus, „ist Tod. Das Trachten des Geistes ist Leben und Frieden.“ Gott hat die Apostel befähigt, Diener des Geistes – nicht des Buchstabens – zu werden. „Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.“ So drückt Paulus aus, dass das Alte vergangen ist und dass Neues geworden ist. Die Christen stehen nicht mehr unter dem alttestamentlichen Gesetz, soweit es ein Ritualgesetz war. Sie stehen unter dem Gesetz des Geistes, der sie treibt, das, was das Gesetz von außen an sie herantrug, aus dem Inneren zu tun. Die Beziehung des Christen zum Geist ist nicht bloß eine psychologische, sondern der Geist ist das ontische, also das seinshafte Fundament der christlichen Existenz. „Ihr wurdet abgewaschen, geheiligt, gerechtfertigt im Namen unseres Herrn Jesus Christus und im Geiste des einen Gottes.“ Deswegen spricht Paulus von einer „neuen Schöpfung“. Er vergleicht das Geschehen der Geistbegabung mit einer Schöpfung. Die erste Schöpfung brachte den Menschen im Fleische hervor, die zweite Schöpfung bringt den Christen im Geiste hervor. Gott ist es, der die Christen besiegelt und das Angeld des Geistes in ihre Herzen gegeben hat. Das ist ein wichtiges Wort, meine lieben Freunde: Angeld, griechisch „arrabon“. Das Wort stammt aus dem Handelsrecht. Angeld besagt die Anzahlung, die einen Teil der Gesamtschuld vorwegnimmt und den Rechtsanspruch bestätigt. Das Angeld ist eine Leistung, durch die sich einer dem anderen zur vollen, weiteren Leistung verpflichtet. Und so bezeichnet Paulus den Geist als das Angeld Gottes. Er ist das Angeld – also die Anzahlung – für den vollen Heilsbesitz, den wir erleben werden, wenn wir in den Himmel eingehen. So sicher, wie Gott die Gabe des Geistes geschenkt hat, so sicher wird er die vollendete Herrlichkeit gewähren. Ein wunderbares Wort das Wort vom Angeld. Der Geist führt eine geheimnisvolle Inexistenz in den Gläubigen. „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben wurde. Ihr seid nicht im Fleische, ihr Geistbegabten, sondern im Geiste, vorausgesetzt, dass der Geist in euch wohnt.“ Paulus fragt die Gemeinde in Korinth, also diese Sklaven, Fischhändler und Handelsherren, er fragt sie: „Wisst ihr nicht, dass ihr Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott habt?“ Die Christen sind eine Wohnung Gottes im Geiste. Gott gibt den Christen seinen Geist, auf dass er in ihnen bleibe und verharre. All ihr geistliches Tun vollzieht sich im Heiligen Geiste. Sie dienen Gott in der Neuheit des Geistes und nicht im Veraltetsein des Buchstabens des alten Gesetzes. Die Normen ihres Verhaltens gibt ihnen der Heilige Geist. Sie brauchen keine Böcke und Stiere mehr zu opfern; es ist nicht notwendig, dass sie bestimmte Speisen vermeiden. Nein, nein, das alles ist abgetan. Das neue Gesetz ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geiste. Selbstverständlich geschieht auch das Gebet der Christen im Heiligen Geiste. „Betet zu jeder Zeit unter Anrufung im Geiste.“

Der Geist heiligt die Glaubenden. Gott hat die Christen berufen nicht zur Unlauterkeit, sondern zur Heiligung. Die Christen sind von Gott erwählt zum Heil in der Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit. Deswegen spricht Paulus ganz unbefangen von den Christen als den Heiligen. Die Heiden, die zum Christentum gefunden haben, sind eine Gott wohlgefällige Opfergabe, geheiligt im Heiligen Geist. Der Geist macht den Gläubigen ihre Gotteskindschaft bewusst. Wodurch? Indem er sie rufen lässt: „Abba, lieber Vater!“ Wenn Gott Vater ist, sind sie seine Kinder. Alle, die vom Geiste Gottes geleitet werden, sind Kinder Gottes. Ein wunderbares Wort, meine lieben Freunde, das ich noch einmal wiederhole: Alle, die vom Geiste Gottes geleitet werden, sind Kinder Gottes. Die Christen haben den Geist der Kindschaft empfangen, indem sie rufen: „Abba, lieber Vater!“ Die Christen sind Söhne und Töchter Gottes. Er hat ja den Geist seines Sohnes in ihre Herzen gesandt, der ruft: „Abba, lieber Vater!“. Im Geiste haben sie Zugang zum Vater. Die Geistbegabung der Gläubigen zeigt sich auch in den Charismen, in den Gnadengaben. Und der heilige Paulus zählt viele Charismen auf. Wir besitzen die Gaben entsprechend der verschiedenen Gnade: Der eine hat die Prophetengabe, der andere ein Amt, einer ist Lehrer, ein anderer Prediger. „Wer gibt, der gebe mit Einfalt; wer Vorsteher ist, habe Eifer; wer Barmherzigkeit übt, der tue es mit Frohsinn.“ Und dann kommen noch viele weitere Gnadengaben. Dem einen wird der Geist das Wort der Weisheit verleihen, dem anderen das Wort der Erkenntnis, einem dritten den Glauben in demselben Geist, einem vierten machtvoll wirkende Kräfte, einem anderen die Prophetengabe, wieder einem anderen die Unterscheidung der Geister. Das alles wirkt ein und derselbe Geist.

Es gibt aber auch einen falschen Geist, und Paulus warnt vor ihm. Er fordert seine Gemeinden zur Wachsamkeit auf. Der falsche Geist verkehrt nämlich die Verkündigung des Evangeliums. Paulus hatte die Wiederkunft Christi verkündet, ein Dogma katholischen, christlichen Glaubens, aber er hatte ebenso hinzugefügt: „Tag und Stunde sind ungewiss. Wir wissen es nicht, wann die Stunde Gottes schlägt.“ Und jetzt waren in Saloniki Männer aufgetreten, die sagen: „Der Tag des Herrn steht unmittelbar bevor. Er kommt jetzt.“ Dagegen nimmt Paulus Stellung. Das ist für ihn ein falscher Geist, der so etwas sagt. Die Leute mit dem falschen Geist verdrehen die Verkündigung des Apostels. Und er warnt, er warnt die Korinther, dass sie einen anderen Geist empfangen als den, den sie bei der Christwerdung erhalten haben. Im Schreiben an die Gemeinde von Ephesus spricht er von den Kindern des Ungehorsams, in denen der Geist des Ungehorsams wirksam ist. Deswegen, weil es einen falschen Geist gibt, ist die Unterscheidung der Geister gefragt. Die Fähigkeit, die Geister – also den wahren Geist und die falschen Geister – zu unterscheiden, die Fähigkeit die Geister zu unterscheiden hat jeder Geistträger. Sie ist eine Gabe Gottes und sie besteht darin, zu beurteilen, ob aus einem Menschen der Geist Gottes oder ein Dämon spricht. Es gibt den Geist der Wahrheit und den Geist der Lüge. Wer den Heiligen Geist besitzt, der hat auch wurzelhaft die Fähigkeit, instinkthaft gleichsam zu erkennen, was gläubig und ungläubig ist. Der heilige Clemens Hofbauer in Wien sprach von der „katholischen Nase“. Damit meint er dasselbe wie die Gabe der Unterscheidung der Geister. Man kann gleichsam riechen, ob ein Verkündiger Gottes Wort verkündet oder sich selbst. Das maßgebende Kriterium ist der rechte, mit dem überlieferten Bekenntnis übereinstimmende Glaube. „Niemand, der im Geiste redet, sagt: Jesus sei verflucht. Und keiner kann sagen: Jesus ist Herr, außer im Heiligen Geiste.“ Hier hat er also an einem Beispiel gezeigt, wie die Unterscheidung der Geister zu handhaben ist. Heute könnte man ergänzen: Niemand, der im Geiste redet, nennt Jesus den „charmanten Tischler“ – den charmanten Tischler, so schreibt einer über Jesus. Und niemand, der im Geiste redet, sagt, Jesus sei der Sachwalter Gottes wie Hans Küng. Sachwalter Gottes sind viele gewesen, das sind wir auch. Damit wird die Einzigartigkeit Christi total verkannt!

Der Geist ist das eigentliche Offenbarungsorgan Gottes. Er verkündet in der Missionspredigt Gottes verborgene Weisheit und seine Tiefen. Er schenkt Weisheit und Einsicht in die Offenbarungsinhalte. Der Geist ist selbst an der Formulierung der Offenbarung beteiligt. Der Geist schließt auch den Sinn der Schrift auf. Deswegen kann auch nur der die Bibel verstehen, der sie im Heiligen Geiste liest. Für wen die Heilige Schrift ein Buch ist wie jedes andere, der verfehlt die Offenbarung Gottes. Und das ist eben – ich möchte sagen seit etwa 150 Jahren – im Protestantismus weitgehend der Fall. Die meisten protestantischen Theologen lesen die Schrift wie jedes andere Buch. Es ist ihnen nicht die beurkundete Offenbarung, sondern ein Zeugnis altorientalischer Frömmigkeit. Nur wo der Geist ist, wird die Wahrheit der Heiligen Schrift aufgeschlossen.

Der Geist ist auch die eschatologische Segensgabe, also das Gut, das den Anbruch der letzten Zeit ankündigt. „Wohnt aber der Geist dessen, der Jesus auferweckt hat von den Toten, in euch, so wird er, der Christus Jesus erweckt hat von den Toten, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen kraft des in euch wohnenden Geistes.“ Die Christen haben die Erstlingsgabe des Geistes. Hier führt Paulus noch einen anderen Begriff ein. Die Erstlingsgabe ist das Opfer, das man am Anfang darbringt, aber dem folgen andere nach. Und so ist die Geistbegabung die Erstlingsgabe Gottes, der weitere Geschenke folgen, vor allen Dingen die vollendete Seligkeit. Der Geist ist die Erstlingsgabe, d.h. die Begabung mit ihm ist der Anfang; das Ende ist der Einzug in die vollendete Herrlichkeit. Die Vollerfüllung steht also trotz des Geistes noch aus.

Paulus schildert den Geist auch als Geist der Freiheit. Freiheit ist ein schönes Wort, meine lieben Freunde, es ist aber auch ein gefährliches Wort. Der Geist befreit einmal „von der Decke, die noch auf den Augen der Juden liegt“. Was ist damit gemeint? Die Juden verstehen nicht, dass das Alte Testament die Vorbereitung des Neuen ist. Sie begreifen nicht, dass die Voraussagungen des Alten Bundes im Neuen eingetroffen sind. Sie warten immer noch auf den Messias und begreifen nicht, dass er schon gekommen ist. Das ist die Decke, von der Paulus spricht, die auf ihren Augen liegt. Der Geist befreit weiter von der Herrschaft der Sünde. Die im Geiste leben, sind zumindest befähigt, ohne Sünde zu leben. Die Kraft des Geistes bewahrt sie vor der Sünde und schenkt ihnen die Freiheit vom Trieb, von der Leidenschaft, von der Begierde. Und wer nicht sündigt, der entgeht auch dem Tode, deswegen befreit der Geist auch vom Tode. Wenn er den Menschen von der Sünde befreit hat, dann wird er ihn auch vom ewigen Tode befreien. Freilich darf man die Freiheit des Geistes nicht zum Anlass für das Fleisch nehmen. Man darf also nicht wieder zurückfallen in den Zustand des Fleisches: der Unerlöstheit, der Triebhaftigkeit. Vielmehr soll der Christ sich in seiner sittlichen Existenz vom Geiste leiten lassen. Er soll die Früchte des Geistes erbringen. Und deswegen ergeht die Aufforderung an die Christen: „Wandelt im Geiste. Wenn ihr im Geiste lebt, müsst ihr auch im Geiste wandeln.“ Auf den Indikativ folgt der Imperativ. „Ihr lebt im Geiste“ – das ist der Indikativ. Aber dann folgt der Imperativ: „dann müsst ihr auch im Geiste wandeln“. „Die nach dem Fleische leben, trachten nach dem, was des Fleisches ist; die aber nach dem Geiste leben, trachten nach dem, was des Geistes ist. Wenn ihr nach dem Fleische lebt, werdet ihr sterben. Wenn ihr aber durch den Geist die Werke des Fleisches tötet, werdet ihr leben.“ Meine lieben Freunde, wir sind überzeugt – und diese Überzeugung ist begründet –, dass wir Träger des Heiligen Geistes sind. Wir kennen ihn, wir wissen, dass er uns antreibt, dass er in uns lebt, dass er uns bewegt. Wenn wir im Geiste leben, dann lasset uns auch im Geiste wandeln. Im Geiste wandeln heißt: Die Werke des Fleisches töten. Wenn wir dies tun, bezeugen wir, dass wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, dann auch Erben. Erben Gottes und Miterben Christi, mit dem wir leiden und mit dem wir auch verherrlicht werden.

Amen.  

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