Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Gottes unendliche Majestät (Teil 4)

17. April 2005

Gottes Wort: Hören – glauben – gehorchen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten an den vergangenen Sonntagen erkannt, dass Gott zu den Menschen gesprochen hat. Wenn im Menschen ein lauterer Sinn und ein guter Wille ist, dann muss er auf das Wort Gottes antworten. Wenn wir die rechte Antwort finden, dann muss sie in drei Sätzen bestehen, nämlich erstens: Ich höre, zweitens: Ich glaube und drittens: Ich gehorche.

Die erste Antwort auf Gotte Wort muss sein: Ich höre. Gottes Wort muss von uns aufgenommen werden. Wir können es aber nur aufnehmen, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind, nämlich erstens, dass Gott existiert. Wenn Gott nicht existiert, kann er nicht reden. Wenn er existiert, kann er sein Wort an die Menschen richten. Tatsächlich spricht die ganze Welt, die ganze Schöpfung und das Innere des Menschen davon, dass Gott existiert. Die Schöpfung ist nicht von sich selbst entstanden. Sie hat ihren Schöpfer. Und die Sterne, die am Himmel ziehen, haben ihre Gesetze nicht selbst erfunden. Diese Gesetze stammen von dem, der sie geschaffen hat. Das kleinste Gräslein, über das unser Fuß achtlos hinwegschreitet, ist in seiner Majestät erhabener als alle Entdeckungen und Erfindungen des Menschen. Niemand kann ein solches Gräslein nachmachen. Und im Inneren unseres Herzens, da entdecken wir ein Gesetz, und dieses Gesetz stammt von dem Gesetzgeber, den wir Gott nennen. Gott existiert.

Und Gott hat gesprochen. Er hat gesprochen durch seine Propheten. Damit diese Propheten auch angenommen werden, damit ihr Wort auch als das Wort Gottes erkannt wird, hat er sie beglaubigt durch Weissagungen und Wunder. Das sind keine Märchen aus grauer Vorzeit, das sind Geschehnisse, die Gott gewirkt hat, um seinen Propheten Glaubwürdigkeit zu verleihen. Und was soll ich sagen von dem obersten der Propheten, von dem, der mehr ist als ein Prophet, von unserem Herrn Jesus Christus? Er wurde beglaubigt durch Wunder ohne Zahl, und diese Wunder weisen ihn aus als den Gottgesandten und lassen seine Lehre erkennen als Gottes Wort. Gott hat gesprochen durch Jesus. Er kam in der Fülle der Gotteskraft und der Gottesweisheit.

Dieses Wort wird weitergesagt durch seine Kirche. O, ich weiß, meine lieben Freunde, wie viele Menschen Anstoß nehmen an der Kirche, an ihrer Schwäche, an ihrer Armseligkeit, an ihren Ärgernissen. O, ich weiß es, und ich glaube, niemand leidet so darunter wie ich. Aber diese Kirche ist von Gott erwählt, um das Wort weiterzusagen. Diese Kirche ist von Gott bestellt, damit die Botschaft des Herrn nicht untergeht. Und die Kirche hat diese Botschaft weitergetragen und trägt sie weiter, allen Unkenrufen und allen Verführungsversuchen zum Trotz. Immer wieder wird der Kirche angesonnen, ihre Verkündigung doch zu ändern. In der Zeit des Dritten Reiches wurde sie angeklagt, weil sie die allgemeine Menschenliebe predigt. Man soll nur die Rassengenossen lieben, und man soll die Untermenschen aus dem Osten verachten. So wurde uns gesagt. „Vorher keine Kameraden und nachher keine Kameraden“, sagte Hitler, als der Ostfeldzug begann, über die Soldaten der Roten Armee. Die Kirche hat ungerührt ihre Botschaft von der allgemeinen Menschenliebe weitergepredigt. Und heute, da sinnt man ihr an, doch endlich die geschlechtliche Sittlichkeit freizugeben, den Menschen mit seiner Sexualität machen zu lassen, was er will, mit Kondomen oder was immer es sein mag. Nein, meine lieben Freunde, diese Kirche ist ein Geschöpf des Heiligen Geistes, und sie gibt nicht nach, und sie beugt sich nicht, denn in ihr ist die Kraft Gottes lebendig. Wir können an dieser Kirche erkennen, dass sie ein Werkzeug Gottes ist. Ihre unbeugsame Festigkeit, ihre wunderbare Fruchtbarkeit in allem Guten, ihre gesegnete Ausbreitung, ihre unerschöpfliche Heiligkeit, alles das sind Motive, an die Kirche als das Werkzeug Gottes zu glauben. Die erste Antwort auf Gottes Wort ist also: Ich höre. Ich höre, weil Gott gesprochen hat, weil sein Wort weitergetragen wird von der Kirche und heute noch an unser Ohr klingt. „Ich weiß, wem ich geglaubt habe“, ruft der Apostel aus.

Die zweite Antwort lautet: Ich glaube. Wem glauben wir? Was glauben wir? Wie glauben wir? Das ist die dreifache Frage, die wir stellen müssen, wenn wir sagen: Ich glaube. Wem glauben wir? Wir glauben Gott. Wir glauben der Autorität Gottes. Wir glauben nicht Menschen, sondern wir glauben Gott. Zu dem ewigen Gott sprechen wir: Ich glaube dir. Für den Inhalt der Botschaft bürgt Gott. Er, der nicht täuschen kann und nicht getäuscht werden kann, er, der nicht lügt und der nicht betrogen werden kann, ihm glauben wir. Was wir einsehen, verdanken wir der Vernunft; was wir glauben, der Autorität Gottes. Die unfehlbare Autorität Gottes trägt unseren Glauben. Nicht Menschenmeinungen sind der Inhalt unseres Glaubens, sondern die Wahrheit Gottes. Der Glaubensinhalt – was glauben wir? – nun, das ist alles das, was Gott uns zu glauben vorgelegt hat. Alles was Gott geoffenbart hat, das ist Inhalt des Glaubens. Man muss das Offenbarungsgut als ganzes annehmen; man kann nicht auswählen, wie es die Häresien machen. Häresie ist ein griechisches Wort und heißt soviel wie Auswahl. Die Häresien wählen sich vom Wort Gottes bestimmte Bestandteile aus, die ihnen passen, und andere lassen sie beiseite. Nein, das ist nicht der Weg der Kirche Gottes. Sie nimmt alles an, was geoffenbart ist. Restlos zu allem sagt sie ihr Ja, was Gott ihr mitgeteilt hat.

Ich gebe zu, meine lieben Freunde, dass der Inhalt des Glaubens, dass die Offenbarung Gottes Rätsel birgt. Aber ich habe nie empfunden, dass diese Rätsel uns unsicher machen müssen im Glauben. Denn wie viele Rätsel gibt es schon in der irdischen Welt, in der Schöpfung? Und da sollte der Schöpfer frei sein von Rätseln, der Unbegreifliche, der Unerforschliche, der Unsichtbare? Ja, ich meine, wir müssten an Gott verzweifeln, wenn er ohne Rätsel wäre; denn dann wäre er nicht Gott, dann wäre er ein Gemächte der Menschen. Gerade seine Unbegreiflichkeit ist ein Signum seiner Göttlichkeit. Also, diese Rätsel brauchen uns nicht an Gott irrezumachen. Der heilige Augustinus sagte einmal: „Du sagst: Ich will verstehen, um zu glauben. Ich sage: Glaube, um zu verstehen!“ Das heißt, das Verständnis ist der Lohn des Glaubens. Man soll nicht zu verstehen suchen, um zu glauben, sondern man soll glauben, um zu verstehen. Gott ist eben ein Geheimnis und bleibt ein Geheimnis. Er ist undurchdringlich und bleibt undurchdringlich, und er muss undurchdringlich bleiben, wenn er Gott bleiben will. Der weise Epiklet wurde einst von seinen Schülern gefragt, was Gott sei. Darauf gab er die Antwort: „Könnte ich euch sagen, was Gott ist, so wäre entweder Gott nicht Gott – oder ich wäre Gott.“

All das, und natürlich nur das, was Gott geoffenbart hat, müssen wir glauben, nicht das, was Menschenmeinung ist. Auch keine Privatoffenbarungen; an die brauchen wir nicht zu glauben. Wir können an sie glauben, aber wir müssen sie nicht glauben, und schon lange nicht Erklärungen von Menschen und frommen Meinungen. Sie können nützlich sein, ohne weiteres, das sei zugegeben, aber sie sind nicht der Gegenstand des göttlichen Glauben. Der Gegenstand des göttlichen Glaubens ist allein die Offenbarung Gottes, wie sie von der Kirche unfehlbar vorgelegt wird.

Und wie glauben wir? Wie ist der Glaubensakt, die Glaubenshandlung zu bestimmen? Nun, wir glauben zunächst mit dem Verstand, denn der Glaube ist eine einsehbare Sache. Was uns da angeboten wird, das ist eine Wahrheit, und die Wahrheit ist eine Sache des Verstandes. Also muss der Glaube auch eine Zustimmung des Verstandes sein, nicht ein dunkles Gefühl, wie die Modernisten wollten und wollen, nicht ein unbestimmtes Erlebnis, auch nicht eine blinde Regung des Geistes oder nur ein Vertrauen, wie der Protestantismus will, nein, ein Ja-Sagen des Verstandes, das ist der Glaube. Ein Ja-Sagen zur Wahrheit, zur Lehre, zur Heiligen Schrift, zur Offenbarung, zur Überlieferung. Er ist aber auch zweitens eine Angelegenheit des Willens. Gott will ja einen freien Gehorsam. Er will die freie Annahme seiner Offenbarung, und das heißt, der Wille ist gefordert, um den Glaubensakt zu setzen. In freier sittlicher Tat soll sich der Mensch für den Glauben entscheiden. Und das ist auch der Grund, warum es das Verdienst des Glaubens gibt und den Lohn des Glaubens, weil eben im Glauben auch der Wille beteiligt ist. Das Konzil von Trient hat ganz richtig erklärt: Der Mensch kann auch nein sagen zum Glauben. Freilich, Verstand und Wille allein vermögen den Glauben nicht zu erzeugen. Es muss auch Gott das Herz anrühren mit seiner Gnade. Wenn Gott nicht im Herzen wirkt, helfen Verstand und Wille nichts. Es muss im Herzen des Menschen die Arbeit des Heiligen Geistes einsetzen, um zum Glauben zu kommen. Der Glaube ist insofern ein Geschenk Gottes, eine Wirkung des Heiligen Geistes.

Ich höre, war die erste Antwort auf Gottes Wort. Ich glaube, war die zweite Antwort. Ich folge, ist die dritte Antwort. Denn was Gott uns geoffenbart hat, das will nicht nur mit dem Verstand angenommen werden, das soll nicht nur als Wahrheit uns belehren, sondern das soll unser ganzes Leben gestalten. Die Wahrheit Gottes ist auch ein Gebot des Lebens. Denken wir nur an die Gebote, die schon am Berge Sinai von Gott gegeben wurden! Denken wir an die Weisungen des Herrn, an seine Bergpredigt, und denken wir an die Lehren der Apostel, die Mahnungen in den Apostelbriefen! Das alles ist das Element des Glaubens, das uns zum Leben mitgegeben ist. Wir sollen den Glauben annehmen, indem wir auch sprechen: Ich gehorche. Ich gehorche den Weisungen des Herrn. Ich sage mein Ja nicht nur zur Wahrheit, sondern ich bin auch bereit, die Werke zu tun, die Gott uns befiehlt.

Die Apostel haben diese Zusammenhänge eindeutig gelehrt, etwa der Apostel Jakobus, wenn er sagt: „Was nützt es dir, wenn du den Glauben hast, aber keine Werke?“ Gleichwie der Leib ohne Seele, so ist der Glaube ohne Werke tot. Und Christus hat nicht nur gesagt: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden.“ Er hat auch gesagt: „Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote!“ Seinen Aposteln gab er den Auftrag: „Lehret sie alles halten, was ich euch geboten habe!“ Es kommt also nicht nur darauf an, das Wort Gottes zu hören, sondern es auch zu tun. „Der Gerechte“, sagt Paulus in seinem Brief an die Römer, „lebt aus dem Glauben.“ Und das charakteristische Kennzeichen des Katholiken, des katholischen Christen, soll sein, nicht dass er über den Glauben redet, sondern dass er den Glauben lebt. Das nennt man dann Religion. Religion ist Verbindung des ganzen Menschen mit Gott im Denken und im Leben. Und diese Religion, meine lieben Freunde, diese Religion ist ein unendlicher Segen für die Menschheit, ein unendlicher Segen! Ein Segen für den einzelnen Menschen; sie macht ihn edel und groß. Ein Mensch ohne Religion ist ein verkümmerter Mensch. Die Religion hebt ihn hinaus über das eigene kleine Ich. Sie zeigt ihm einen Horizont, den Horizont Gottes. Die Religion stellt ihn hinein in die weite Gotteswelt der Natur und der Übernatur; sie gibt ihm Klarheit über sein Lebensziel. Jetzt weiß er endlich, wozu er läuft und rennt und arbeitet und schafft. Jetzt weiß er es. Die Religion gibt ihm auch Kraft und Trost im Leben und im Sterben. Dem Religionslosen geht dies alles ab. Der böhmische Komponist Antonin Dvorak war ein gläubiger, frommer katholischer Christ. Er ging jeden Tag zur heiligen Messe. Eines Tages besuchte er in Wien den Protestanten Johannes Brahms. Er unterhielt sich mit ihm längere Zeit. Als er aus dem Hause hinauskam, da sagte er immerfort vor sich hin: „Der Mann glaubt nichts. Der Mann glaubt nichts!“ Er konnte sich vor Entsetzen gar nicht fassen. Der Mann glaubt nichts, das war ihm unfassbar.

Die Religion bringt auch der Gemeinschaft Segen, denn sie schafft den starken Menschen, der in Gott verwurzelt ist und nicht ein Schilfrohr, das von jeder Meinung hin und her getrieben wird. Sie schafft den reinen Menschen, der sich um Keuschheit bemüht, der seinen Leib sauber und seine Seele rein hält. Die Religion schafft den reinen Menschen, jawohl, sie schafft den keuschen Menschen. Sie schafft auch den guten Menschen, dem das Wohl des Mitmenschen am Herzen liegt, der einen Sinn hat für das Leid der anderen. Sie schafft auch den frohen Menschen, denn der gläubige Mensch weiß: Es ist ein tiefes Glück, Gott zu kennen, und es ist ein noch größeres Glück, einst zu ihm zu gelangen.

Die Religion ist auch ein Segen für die Wissenschaft, denn sie öffnet dem Denken des Menschen ganz neue Horizonte. In der richtig betriebenen Theologie werden uns tatsächlich ganz andere Sichtweisen eröffnet, als es mit den sonstigen Wissenschaften möglich ist. Die Religion wirft auch Licht auf die natürlichen Wissenschaften. Es gibt keinen Widerspruch zwischen Erkennen und zwischen Glauben. Es gibt keinen Widerspruch. Wenn ein Widerspruch scheinbar auftritt, dann liegt das an zwei möglichen Fehlern: Entweder, weil etwas als Glaube ausgegeben wird, was kein Glaube ist, oder weil etwas als sichere Erkenntnis ausgegeben wird, was keine sichere Erkenntnis ist. Diese beiden Fehlerquellen gibt es. Aber wenn immer sie vermieden werden, können wahrer Glaube und wahres Wissen nicht in Streit miteinander geraten. Die Religion ist schließlich auch ein Segen für die ganze Kultur. Ich erinnere mich, meine lieben Freunde, wie unser Geschichtslehrer in einer der ersten Klassen des Gymnasiums uns einmal sagte: „Seht, Jungs, nehmt einmal die Kirche aus den Dörfern, dann ist das einzige Gebäude nicht mehr da, das erhaben, groß und für den Himmel erziehend ist.“ Wahrhaftig, die Kirche hat die Kultur befruchtet mit ihren Bauten, mit ihrer Kunst, mit Malerei, mit Architektur. Die Religion hat die größten und ansehnlichsten Werke der Kultur geschaffen, in der Wissenschaft, in der Dichtung. Die größten Werke sind diejenigen, die von der Religion eingegeben sind.

Meine lieben Freunde, Gott hat zu den Menschen gesprochen. Der Mensch, der guten Willens ist und lauteren Herzens, muss eine dreifache Antwort geben. Erstens: Ich höre, zweitens: Ich glaube und drittens: Ich folge. Wenn er das tut, dann wird er erfahren, dass die Religion die Wahrheit ist. Ihr müsst die Wahrheit tun, dann werdet ihr erkennen, dass sie von Gott ist.

Amen.

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