Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Über die Letzten Dinge (Teil 6)

14. März 1999

Die Auferstehung des Leibes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Zu Isaac Newton, dem großen Mathematiker und Physiker, kam einmal ein Bekannter und fragte ihn, wie die Auferstehung von den Toten möglich sei. Newton antwortete zunächst gar nichts. Dann nahm er eine Handvoll Sand und mischte ihn mit Eisenfeilspänen. „Können Sie“, sagte er zu seinem Gegenüber, „die Eisenfeilspäne aus diesem Sand herausholen?“ Er verneinte. Dann nahm Newton einen Magneten, und er hielt ihn an die Masse, und sofort setzten sich die Eisenfeilspäne an den Magneten an. „Sehen Sie“, sagte er zu seinem Gesprächspartner, „derjenige, der dem Magneten diese Kraft verliehen hat, sollte nicht vermögen, unserer unsterblichen Seele wieder einen Leib zu verschaffen?“

Gewiß, es scheint zunächst nicht einfach, an die Auferstehung des Fleisches zu glauben. Aber wenn man bedenkt, daß Gott der Schöpfer ist, der die Welt aus dem Nichts geschaffen hat, dann dürfte es nicht unbegreiflich sein, daß er fähig ist, dem Leibe, der zerfällt, eine neue Gestalt zu geben und ihn mit dem Geiste zu verbinden. Die Vollendung der Erlösung geschieht nämlich im Leibe. Wir sind nicht nur erlöst dem Geiste nach, sondern sollen auch dem Leibe nach erlöst werden. Die Erlösung dem Leibe nach ist deswegen notwendig, weil der Mensch im Leibe Gutes und Böses tut. Er soll darum auch die Vergeltung empfangen  im Leibe für das Gute oder für das Böse, das er getan hat. Deswegen muß es eine Auferstehung des Leibes geben.

Freilich kann nicht der irdische Leib, so wie er in der heutigen, zeithaft-geschichtlichen Form existiert, an der Erlösung teilnehmen. Der irdische Leib muß vielmehr verwandelt werden. Wir dürfen uns das Auferstehungsleben nicht so denken wie das irdische Leben; es ist keine Fortführung des zeithaft-geschichtlichen Lebens. Es wird auch nicht der Leib auferweckt, den wir heute tragen, mit seinen vergänglichen und dem Leid verfallenen Formen. Der Leib, der auferweckt wird, ist ein verwandelter Leib. Sein Urbild ist der verherrlichte Leib Jesu Christi. Wenn wir wissen wollen, wie der verklärte Leib einmal sein wird, dann müssen wir an den Leib denken, den Jesus nach seiner Auferstehung hatte. Ähnlich diesem Leibe wird der auferweckte Leib sein. Er ist nicht mehr versklavt an die Gesetze von Raum und Zeit, auch wenn er irgendwie raum- und zeithaft existiert, aber er ist nicht mehr unterworfen den Gesetzen von Raum und Zeit.

Die Offenbarungsurkunde, die Heilige Schrift, gibt uns Andeutungen, wie der verklärte Leib sein wird. Der Apostel Paulus nennt vier Kennzeichen des auferstandenen Leibes, nämlich erstens Unvergänglichkeit, zweitens Kraft, drittens Herrlichkeit, viertens Geistigkeit. Der auferstandene Leib wird unvergänglich sein. Er ist unsterblich. Deswegen ist es nicht mehr notwendig, daß die Auferstandenen heiraten, denn es gibt keinen Tod mehr, und wenn es keinen Tod mehr gibt, dann gibt es auch keine Todesangst mehr. Und es gibt auch nicht all das, was den Tod vorbereitet und auf den Tod hindrängt: Schwäche, Krankheit, Siechtum.  Alles das ist vergangen. Auch was den Körper auf Erden so belastet, wie Hunger und Durst, Sonnenhitze und Kälte, das wird in dem Verklärungszustand nicht mehr sein. Der Apokalyptiker Johannes hat in ergreifender Weise die Unvergänglichkeit des auferstandenen Leibes beschrieben. Er sagt: „Gott wird abwischen jede Träne von ihren Augen.“ Es braucht keine Tränen mehr, weil es kein Leid mehr gibt. Wir brauchen nicht mehr zu weinen, weil das, was uns die Tränen hier auspreßt, im jenseitigen Leben vergangen ist. „Er wird abwischen jede Träne von ihren Augen. Der Tod wird fürder nicht mehr sein, weder Trauer noch Klage noch Schmerz wird mehr sein, denn das Frühere ist vorbei.“ Und Gott, der auf dem Throne sitzt, bestätigt diese Worte.

Die zweite Eigenschaft des auferstandenen Leibes ist die Kraft. Unser irdischer Leib ist ja schwach, und wir erfahren seine Schwäche jeden Tag. Der Auferstehungsleib nimmt teil an der Kraft Gottes, denn die Kraft ist eine Wirkung von Gottes Macht. Er wird durchglüht sein von der allmächtigen Glut der Liebe Gottes und durchherrscht sein von der allmächtigen Geltungsmacht der Wahrheit Gottes. Es wird keine Gebrechen mehr an diesen Leibe geben und keine Schwäche mehr, sondern er wird durchpulst sein von der Macht Gottes.

Die dritte Eigenschaft ist die Herrlichkeit. Herrlichkeit ist eine Eigenschaft, die Gott zukommt. Wenn von Gotteserscheinungen die Rede ist, da ist immer von seine Herrlichkeit, von seiner Doxa die Rede. Gott ist ja die Schönheit in Person, und ein Abglanz dieser Schönheit wird auch an den auferweckten Leibern sein. Sie werden die Schönheit, die Gott eigen ist, in einem Maße, wie es der Kreatur möglich ist, an sich tragen. Der Glanz der Herrlichkeit wird an ihnen sichtbar sein, das Licht Gottes wird an ihnen erscheinen, so wie es Paulus vor Damaskus an dem ihm erscheinenden Christus gesehen hat.

Die vierte Eigenschaft ist die Geistigkeit des Leibes. Das bedeutet nicht, daß der Leib in Geist verwandelt wird, nein, nein. Leib und Geist bleiben geschieden, aber der Auferstehungsleib wird vom Geiste ganz und gar durchherrscht sein. Auf Erden spüren wir ja die Schwäche des Geistes und die Widersetzlichkeit des Stoffes. Auf Erden ist der Geist niemals fähig, den Leib völlig zu beherrschen und zu durchdringen. Im Jenseits, nach der Auferweckung wird unser Geist voll und ganz Herrscher über den Leib sein. Er wird den Leib durchdringen und durchherrschen. Und nicht nur das. Unser menschlicher Leib, der sich in Erkennen und Willen betätigt, wird durchformt sein vom Heiligen Geist. Der Auferstehungsleib wird durchherrscht sein vom Geiste Gottes, nicht nur vom irdischen Geiste, und deswegen kann man sagen: Der Geist wird so machtvoll über den Leib kommen, daß der Leib gleichsam ein geistiger Leib ist. Man kann sich das mit einem Bilde vorstellen. Die Naturwissenschaft sagt uns, daß die Wirklichkeit in Schichten aufgebaut ist. Die jeweils niedere Schicht ist fähig, die höhere aufzunehmen, und gerade dadurch, daß sie die höhere aufnimmt, kommt sie zu ihrem eigenen immanenten Wesen. Es gibt aber Schichten, die über die Erfahrung hinausliegen; das sind die, die die Kraft Gottes in uns zu bilden vermag. Das Natürliche ist fähig, das Übernatürliche aufzunehmen. Der irdische Leib ist nach seiner Verwandlung geeignet, vom Heiligen Geiste durchherrscht zu sein. Das eben wird es sein, was nach unserer Auferweckung geschieht. „Es wird gesät ein Samenkorn“, sagt Paulus, „aber das Samenkorn muß sterben, damit die Pflanze sich entwickelt.“ So muß auch unser Leib durch den Tod hindurchgehen, damit der himmlische Leib auferweckt werden kann.

Jetzt kommt aber noch eine schwierige Frage: Ja, es ist doch aber ein Dogma, daß der Leib, den wir als Auferweckte tragen, derselbe ist wie der, den wir auf Erden gehabt haben. Wie läßt sich das erklären? Man darf hier nicht zu einer Abschwächung greifen und sagen, der irdische und der verwandelte Leib werden sich irgendwie ähnlich sein. Nein! Es besteht nicht nur der Art nach eine Ähnlichkeit zwischen dem Auferstehungsleib und dem irdischen Leibe, sondern es ist numerisch, der Zahl nach, ein und derselbe Leib. Um das zu erklären, versuchen die Theologen zwei Deutungen. Die eine Deutung sagt: Der Auferstehungsleib ist nicht nur aus dem gleichen, sondern auch aus demselben Stoff aufgebaut wie der irdische Leib. Das ist insofern nicht so schwer zu verstehen, als die geringste Menge des Stoffes des irdischen Leibes genügt, um die Dieselbigkeit des Auferstehungsleibes zu begründen. Wir wissen ja, daß wir auf Erden im Stoffwechsel uns fortwährend wandeln. Der menschliche Stoffwechsel ist so geartet, daß die Teile, die ein Kind hat, restlos umgewandelt sind, wenn das Kind heranwächst. Im Greise ist von den Elementen, die man als Kind gehabt hat, nicht ein einziges mehr übrig. In 7 Jahren wandeln sich alle Zellen unseres Körpers um, und doch bleibt es derselbe Körper. Es sind dieselben Äußerungen, dieselben Bewegungen, dieselben Züge, die dem Körper bleiben, und deswegen ist die Erklärung, die diese Theologengruppe versucht, keineswegs abwegig. Als Perpetua und die anderen Martyrer in Karthago im Gefängnis saßen, wurden sie von den Heiden begafft. Perpetua sagte zu ihnen: „Seht uns nur gut an und merkt euch unsere Gesichter, damit ihr uns wiedererkennt bei der Auferstehung!“ Eine andere Erklärung geht davon aus, daß die Seele sich den Körper baut. Die Seele ist das Gestaltgesetz des Körpers. Die Seele ist die Wesensform des Körpers. Es braucht deswegen überhaupt kein Stoffelement vom irdischen Körper im himmlischen Körper Verwendung zu finden, damit der Leib derselbe bleibt; es ist immer derselbe Körper, den ein und dieselbe Seele sich baut. Einmal war sie das Gestaltgesetz des irdischen Körpers, und einmal wird sie das Gestaltgesetz des himmlischen Körpers sein. Es wird immer der Körper dieser Seele sein. Wenn man diese Erklärung annimmt, erledigt sich ein Einwand, den man erheben könnte: Ja, werden nicht bei der Auferstehung im Laufe der Jahrtausende und Jahrhunderttausende, die vergangen sind, mehrere Organismen Anspruch auf dieselbe Materie erheben? Kommt es da nicht gewissermaßen zu einem Streit zwischen den Menschen, wie ihre Materie ihnen wieder zukommen kann? O nein, das ist deswegen ganz überflüssig, weil es eben die Seele ist, die sich den himmlischen Leib als ihr Gestaltgesetz baut.

Ich gebe zu, meine lieben Freunde, daß die Gestalt des Auferstehungsleibes uns im Augenblick unvorstellbar ist. Aber so sind ja alle Werke Gottes. Ich meine, wer einmal angenommen hat, daß Gott der Schöpfer Himmels und der Erde ist, der wird kaum Zweifel daran äußern müssen, wie Gott die Auferstehung von den Toten bewerkstelligen kann. Blaise Pascal, der französische Philosoph und Mathematiker, der sicher klüger war als wir alle zusammen, Blaise Pascal hat einmal gesagt: „Ich sehe nicht ein, daß es schwieriger sein soll, an die Auferstehung von den Toten zu glauben, als an die Schöpfung aus dem Nichts.“

Amen.

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