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den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Über das Gute (Teil 2)

26. Oktober 2025

Wohin geht das Gute?

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das Gute kommt von Gott. Wohin geht es? Es geht zu Gott. Schon indem es geschieht, ist es ein Gehen zu Gott, weil es ein Sichhingeben an Gott und ein seelisches Einswerden mit Gott ist. Gott aber ist die Kraft, das Leben, die Erfüllung und Vollendung, das Glück und die Seligkeit. Also folgt, dass wir im Guten auch zum Glück, zur Vollendung, zur Seligkeit gehen. Auf der anderen Seite, das Böse geht von Gott weg, es ist eine Auslöschung Gottes in uns. Denn es ist ein Seinswiderspruch zu Gottes Wesen, und damit auch ein Lebenswiderspruch zu Gottes Willen, eine Auflehnung, ein Sichverweigern, ein Sichempören gegen Gottes liebende Nähe. Das Böse ist also die Trennung von Gott, die Entzweiung, die Zerreißung der Liebes- und der Lebensgemeinschaft mit Gott. Wer aber von Gott sich entfernt, der entfernt sich vom Leben selbst, von allem, was groß, stark, gesund, lebendig, selig und ewig ist; der geht in das Nichts aller Werte, in die Auslöschung alles Lichtes, in die ewige Finsternis, in den geistigen und seelischen Tod. Das ist gemeint, wenn wir sagen, dass Gott der Vergelter des Guten und des Bösen ist. Es ist einfach eine logische Tatsache: Das Gute ist Licht vom Licht, also macht es hell, das Böse ist Auslöschung des Lichts, also macht es finster. In den Normen und Forderungen des Guten und Bösen hat Gott nicht willkürliche oder launenhafte Satzungen aufgestellt, sondern aus seinem tiefsten Wesen heraus gehandelt. Er müsste nicht mehr Gott sein, wenn er nicht gut wäre und wenn er nicht wollte, dass auch seine Geschöpfe gut sind. Gut sein und von Gott geliebt werden und in Gott selig sein, das ist ein und dasselbe. Mit der letzten und vollkommenen Vollendung des guten Menschen kommt also ohne weiteres die vollkommene Beseligung, die ewige Vergeltung des Guten. Wenn wir einmal ganz und für immer zu Gott eingehen, dann sind wir zu gleicher Zeit vollkommen gut und vollkommen selig. Das wird sein im ewigen Leben, jenseits der diesseitigen Wanderschaft.

Es ist aber ebenso einleuchtend, dass auch schon im Diesseits eine gewisse Vergeltung des Guten und des Bösen mit Notwendigkeit eintritt. Das Gute ist eine Stärkung unseres Lebens, eine Erhellung unseres Daseins, eine Beglückung unserer Seele; schon im Augenblick, wo es geschieht. Denn Gott ist Leben, Licht und Glück und kann nichts anderes sein; wer ihm naht, der muss davon einen Fortschritt und einen Gewinn haben. Unser Menschtum besteht nur in der größeren oder geringeren Nähe zu Gott. Indem wir bessere Menschen werden, gewinnen wir an wirklichem Menschtum und Menschenwert. Der bessere Mensch ist auch der erhöhte, der stärkere, der reichere Mensch. Und umgekehrt: Wer sich von Gott entfernt, und das tut der böse Mensch, der geht in die Finsternis, der geht in eine Minderwertigkeit hinein, der geht auf das Nichts zu, wo er Böses tut. Das Böse kann sich unmöglich rentieren, wenn wir auf das Ganze und auf die Tiefe und Höhe und Fülle des Menschentums sehen. Und wenn ein Mensch durch sein böses Werk auch steinreich würde, was nützt es ihm, wenn er dadurch auch steinhart wird, wenn er ein erstarrter, ein eingefrorener, ein lebensfremder und lebensunmöglicher Mensch wird? Und er wird lebensunmöglich, weil er sich von der einzigen, der göttlichen Lebensquelle abschnürt. Ein Zyniker hat einmal gesagt: In diesem Leben hilft Gott den Gescheiten, in der anderen Welt den Guten. Das ist ein falscher Satz. Auch in diesem Leben steht Gott allein und ganz auf Seiten der Guten; und die Bösen sind schon hienieden die großen Illusionisten, wenn sie auch noch so gescheit wären, die armen Betrogenen, die, welche sich selbst enterbt und ausgeschaltet haben.

Noch durch eine andere Erwägung lässt sich zeigen, dass alles Gute und Böse schon im Diesseits sich irgendwie auswirkt. Das Gute ist die vollkommenste Erscheinung Gottes in der sichtbaren Welt. Diese Erscheinung wird herbeigeführt durch den freien, schöpferischen Willen des guten Menschen. Der gute Mensch zieht Gott in die Welt herein, macht ihn da gegenwärtig, erzeugt gleichsam Kraftpunkte des Göttlichen inmitten der Welt. Diese Kraftpunkte aber strahlen wiederum aus, diese Gegenwart Gottes wird zu einem Aktionszentrum, zu einem Ausgangspunkt von schöpferischen Wellen. Wo Gott ist, dort ist auch das Erschaffen, das Aufbauen, das Bejahen, das Gestalten; dort ist auch Schönheit, Glück und Harmonie, dort ist Seligkeit. Darum besteht die Funktion des Guten in der Welt eben darin, dass der Mensch aus seiner Güte heraus das schöpferische Werk Gottes fortsetzt und vollendet. Gott hat die Welt nicht fertig gemacht, weil wir sie fertig machen sollen; in uns, in unserer Güte, in unserer Hingabe, in unserem Fleiß will Gott die Welt vollenden. Durch uns will Gott die Hungernden speisen, die Obdachlosen aufnehmen, die Heimatlosen bergen. Durch uns will er das Leben der einzelnen Menschen und das Zusammenleben der Menschen zu einem glücklich regierten Gottesstaat machen, und von diesem Gottesstaat sollen auch alle anderen Geschöpfe glücklich regiert und an ihr Ziel geführt werden. Jeder gute Mensch, der Gutes will und Gutes tut, erhellt die Welt, baut sie auf, beglückt sie.

Umgekehrt ergibt sich, dass der böse Mensch, der von Gott entfernte, der Gott widersprechende Mensch auch der Mensch der Weltfinsternis ist, dass von ihm das Chaos kommt, das Leid und der Fluch und die Hölle. Jeder Mensch, der Böses tut, schlägt die Erde mit Fluch und Schuld; jede böse Tat, jeder böse Gedanke, jedes böse Wort lässt irgendwo Tränen fließen. Jede Sünde, auch an einsamster Stelle vollbracht, legt sich wie eine finstere Wolke über die Menschheit, ist wie eine Welle von Kälte, ist ein Keim des Todes, an dem die Welt krank wird und lebensärmer. Sehen wir diese Erkenntnis nicht in schrecklicher Weise bestätigt Tag für Tag? Hat nicht die Menschheit am meisten und am schrecklichsten gelitten unter den Menschen selbst? Was die Meere und die Überschwemmungen und die feuerspeienden Berge und die Krankheitsbakterien ihr antun, das ist verschwindend klein gegen alle Gräuel, die über die Menschheit gekommen sind durch die Sünde, die Habsucht, die Verfolgungssucht, die wilde Begierde und den grausamen Hass der Menschen selbst. Der englische Dichter Wilde schrieb einmal eine Vision nieder, die das Gericht Gottes über die Menschenseele spiegeln sollte. Die Seele erscheint vor dem Richterstuhl ihres Herren: „Ich muss dich verurteilen“, spricht dieser. „Du hast die anderen ausgebeutet, deine Mitmenschen verachtet, die Eltern gekränkt, dir fremde Habe angeeignet.“ „Ja, Herr, das alles habe ich getan.“ „Ich muss dich also verurteilen.“ „Ja, Herr, das musst du.“ „Du hast deine Sinne und Triebe herrschen lassen, du bist blind deinen Leidenschaften gefolgt, hast dir alle Lust der Erde gegönnt.“ „Ja, Herr, das alles habe ich getan.“ „Ich muss dich also verurteilen.“ „Ja, Herr, das musst du.“ „Ich muss dich verstoßen zur Hölle.“ „Herr, das ist nicht möglich. Nein, Herr, das kannst du nicht, d.h. das kannst du nicht mehr. In einer Hölle bin allezeit schon gewesen.“ Wahrhaftig, jede Schuld rächt sich schon auf Erden und rächt sich selbstverständlich erst recht in alle Ewigkeit. 

Das Gute wie das Böse wirken sich schon hienieden aus. Sie tragen Himmel und Hölle in sich für die ganze Ewigkeit, aber sie tragen Himmel und Hölle jetzt schon im Augenblick des Geschehens in sich. Wo etwas Gutes ist, wo etwas gut gedacht, gewollt, gesprochen, getan wird, da ist schon ein Himmel; denn da ist Gott. Und wo etwas Böses gedacht, gewollt, gesprochen, getan wird, da ist die Hölle. Denn da ist Gott vertrieben und ausgelöscht. Je gewaltiger die Steine sind, die du nach dem Himmel schleuderst, um so furchtbarer der Schlag, der dich zerschmettern wird (Aug.). Einem jeden Menschen erwächst die Züchtigung aus seiner eigenen Sünde, und sein Vergehen schlägt zugleich in seine Strafe um. „So hast du es festgesetzt, o Gott, und so ist es in der Tat, dass jeder ungeordnete Geist sich selbst zur Strafe wird“ (Aug.). Gott weiß die Sünde des Menschen so zu ordnen, dass gerade das, was dem Menschen beim Sündigen Genuss war, für den Herrn ein Werkzeug zur Bestrafung wird. Wenn wir Augen haben zu sehen, dann können wir es jetzt schon sehen: Wir leben vom Guten und wir gehen zugrunde am Bösen. Denn das Gute ist Gott, und das Böse ist wider Gott. Gott ist ein heiliger Gott. Das ist der furchtbare und erschütternde Wahrspruch der Weltgeschichte, der von der Weltzeit bis in alle Ewigkeit hineinschallt und erfüllt wird: Gott ist heilig. Das ist das Lied, das über jedem Menschenleben gesungen wird von unsichtbaren Geisterchören: Gott ist heilig. Das ist der gewaltige Gesang, der einstmals das Weltgericht abschließen wird, der Gesang der Cherubim, in deren Hand die Schwerter der ewigen Vergeltung ruhen, und ihr ewiger Gesang lautet: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, unser Gott. Heilig ist er, und gerecht sind seine Gerichte.

Amen.

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