Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Fronleichnam (Teil 1)

19. Juni 2025

Fronleichnam, das Fest der Wesensverwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Fronleichnam ist heute, das Fest des verklärten Leibes des Herrn, der im eucharistischen Opfersakrament zugegen ist. Die Weise, wie diese Gegenwart entsteht, nennt die Kirche Transsubstantiation, Wesensverwandlung. Leib und Blut Christi werden im eucharistischen Opfersakrament gegenwärtig durch die Umwandlung des ganzen Wesensbestandes (Substanz) des Brotes und des Weines in den Wesensbestand (die Substanz) des Leibes und Blutes Christi, während die Erscheinungsformen (Akzidentien) von Brot und Wein weiterbestehen. Dieser Vorgang heißt Wesensumwandlung, Transsubstantiation. Dieser Glaubenssatz ist die von der göttlichen Offenbarung selbst gegebene Erklärung des eucharistischen Opfersakramentes. Die Wesensverwandlung ist nicht das eucharistische Sakrament, sondern der Weg zu ihm. Die Eucharistie ist das sakramentale Opfer des Leibes und Blutes Christi. Der Opferleib und das Opferblut des Herrn werden durch das äußere Zeichen, durch Ding und Wort, versinnbildet und bewirkt. Wie jedes Sakrament, so kommt auch das eucharistische Opfersakrament durch den Vollzug des äußeren Zeichens zustande. Das äußere Zeichen und die von ihm bezeichnete und gewirkte Heilswirklichkeit bilden die Aufbaubestandteile eines jeden Sakramentes. Die Wesensverwandlung stellt die Art und Weise dar, in der das äußere Zeichen seine Wirksamkeit ausübt.

Um die Wesensverwandlung zu verstehen, muss man den Unterschied zwischen Wesens-bestand (Substanz) und Dazukommendes (Akzidenz) ins Auge fassen. Wesensbestand ist das Grundsein, der verborgene Kern eines Dinges, der in sich geschlossene Wesensbestand, der bestimmte Erscheinungsformen und Tätigkeiten eines Dinges keimhaft in sich enthält. Das (die Erscheinungsform tragende) Grundsein des Brotes und des Weines wird verwandelt. Auch die übrigen Sakramente bewirken eine Verwandlung. So wird in der Taufe der Mensch durch die Vernichtung der Sünde und den Empfang des Christusgepräges und des Christuslebens in ein gottförmiges Sein verwandelt, so dass man sagen muss: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden. Eine Verwandlung besonderer Art geschieht in der Eucharistie. Denn hier wird nicht bloß eine Heiligung des bisher Unheiligen vollzogen; hier geschieht nicht bloß die Einsenkung einer neuen Qualität in ein weiter bestehendes Naturding; nein, hier wird die Änderung des Wesenskernes selbst herbeigeführt.

Die kirchliche Lehre bezüglich der Eucharistie ist von den Begriffen und Veränderungen der naturwissenschaftlichen Erkenntnis unabhängig. In unserer unmittelbaren Alltagserfahrung werden wir immer unterscheiden zwischen Brot und Holz, zwischen Wein und Wasser und den wechselnden Zuständen der Dinge. Mag der Aufbau der Wirklichkeit wie immer erklärt werden: In den Dingen selbst ist es begründet, dass wir von dem einen sagen, es sei Stein, von dem anderen es sei Brot. Jedes hat ein ihm eigentümliches Wesen, auf Grund dessen wir von ihm das eine Mal erklären, dass es Holz ist, das andere Mal, dass es Stein ist; jedes Ding hat einen Wesenskern, der in stets neuen Zuständen existiert, aber doch mit dem Aufhören eines Zustandes nicht selber aufhört. Von diesem Wesenskern erklärt das Konzil von Trient, dass er verwandelt wird. Die totale Wesensverwandlung des Brotes in den Leib Christi liegt virtuell schon in den Einsetzungsworten eingeschlossen: „Dies ist mein Leib“, und das gleiche gibt auch vom Wein im Kelche. Die Konsekrationsformel drückt ein Identitätsverhältnis zwischen Brot und Leib Christi, Wein und Blut Christi aus. Kraft der Wandlungsworte ist unter der Gestalt des Brotes nur der Leib und unter der Gestalt des Weines nur das Blut Christi gegenwärtig. Aber vermöge der natürlichen und übernatürlichen Verbindung aller Wesensteile ist der ganze Christus unter jeder Gestalt zugegen. Das Zurückbleiben der Akzidentien von Brot und Wein ermöglicht erst den sakramentalen Genuss des Fleisches und Blutes Christi.

Die Unterscheidung zwischen Wesenskern (oder Grundsein) und Erscheinungsform verhilft uns zu einem tieferen Verständnis der kirchlichen Lehre. Nur der verborgene Wesenskern wird verwandelt, nicht die Erscheinungsform. Die Verwandlung des Wesens ohne Verwandlung der Erscheinungsform lässt sich mit den Mitteln unserer Erfahrung nicht feststellen. Wir finden die beiden nirgends geschieden. Es ist uns unmöglich, sie voneinander zu trennen. Wenn sie bei der Wesensverwandlung in der Eucharistie voneinander getrennt werden, so liegt dies in Gottes Allmacht begründet. Die Verwandlung des Wesens des Brotes und des Weines ist nicht bloß ein Zustandswechsel, wie die Folge von Dunkel und Licht; nicht bloß ein Nacheinander verschiedener Wirklichkeiten; sie ist der Übergang einer Wirklichkeit in eine andere. Der Ausgangspunkt dieser Bewegung ist der Wesensbestand des Brotes und des Weines; der Endpunkt ist der Wesensbestand des Leibes und des Blutes Christi. Das Grundsein des Brotes und des Weines hört auf zu bestehen, das Grundsein von Fleisch und Blut Christi beginnt zu bestehen. Die Verwandlung geschieht nicht in einem allmählichen Übergang, sondern in einem Augenblick.

Die Wesensverwandlung ist ein einzigartiger und unvergleichlicher Vorgang. Sie unterscheidet sich wesentlich von allen uns im Bereich der Erfahrung bekannten Veränderungen. In ihr ergreift Gott das Wesen eines Dinges von der Wurzel her und schafft es in einer Tat seiner Allmacht um, ohne dass die Erscheinungsformen von seiner verwandlerischen Tätigkeit mitbetroffen werden. Die Art dieser göttlichen Tätigkeit ist dem schöpferischen Tun ähnlich, in dem Gott die Welt ins Dasein setzte. Sie unterscheidet sich von diesem dadurch, dass sie nicht die voraussetzungslose Setzung eines Dinges nach seinem Dasein und Sosein ist, sondern die Umwandlung einer schon bestehenden Wirklichkeit in eine andere. Für diese Umwandlung bedarf es freilich wie bei der Schöpfung des Einsatzes der göttlichen Allmacht. Der Wesensbestand des Brotes hört auf zu bestehen, und der Leib Christi wird an seiner Stelle gegenwärtig. Dieser Vorgang wird durch einen göttlichen Machtspruch vollzogen; in ihm wandelt Gott das ganze Wesen des Brotes in den vorher schon existierenden, keinerlei Veränderung erfahrenden Leib Christi um. Auf weitere Erklärungen müssen wir verzichten. Das Geheimnis des eucharistischen Sakramentes gestattet nicht, weiter vorzudringen. Auf die Frage, wie dies möglich sei, gibt es nur den Verweis auf die göttliche Allmacht. Gott hat die Welt in voraussetzungsloser schöpferischer Freiheit hervorgebracht; Gott hat Tote zum Leben erweckt; Gott hat mit wenigen Broten Tausende gesättigt; Gott ist sicheren Fußes über das Wasser gewandelt; Gott vermag in seiner allmächtigen Schöpferliebe auch jene bis an die Wurzel des Seins hinabreichende Weihung der Elemente vorzunehmen, die wir Wesensverwandlung nennen.

Die Lehre von der Wesensverwandlung lässt das eucharistische Opfersakrament als ein undurchdringliches Geheimnis erscheinen. Der infolge der Wesensverwandlung gegenwärtige Christus ist den Sinnen unzugänglich. Das Ja zu der eucharistischen Wirklichkeit kann – wie das Ja zum menschgewordenen Gottessohn – nur im Glauben gesprochen werden. Für den Gläubigen ist die Eucharistie das Zeichen der immer gegenwärtigen Liebe Christi. Sie verbürgt uns, dass Christus bei den Seinen bleibt, bis er in Herrlichkeit wiederkommt, um das Gottesvolk in das Haus des Vaters heimzuholen. Die Eucharistie ist daher für den Gläubigen eine Offen-barung der Liebe Gottes. Aber diese Offenbarung steht unter dem Gesetz der Verhüllung. Man kann dieses Zeichen der Liebe übersehen. Man kann Anstoß nehmen an seiner Unscheinbarkeit und Alltäglichkeit. Alle Einwände, welche die Juden gegen den menschgewordenen Gottessohn erhoben haben, können mit verstärkter Kraft gegen die Eucharistie erhoben werden. Sie bilden eine Versuchung auch für das gläubige Herz. Die Selbstentäußerung Gottes erreicht in der Eucharistie ihren Höhepunkt. Je mächtiger der Mensch von der Größe Gottes ergriffen ist, um so unfassbarer ist es für ihn, dass er sagen darf: Hier, in diesem unbedeutenden Stück der Welt, ist der menschgewordene und verherrlichte Gottessohn. Im Glauben an Gottes unbegreifliche Liebe wird die Versuchung zu diesem Ärgernis überwunden. In ihm wird der Gläubige inne, dass das, was in der Eucharistie geschieht, eine über alles Menschenmaß hinausgehende Selbstdarstellung Gottes, seiner Liebe, seiner Weisheit und seiner Macht ist. Gott, der Ewige und Unermessliche, dessen Allmacht ohne Grenze und dessen Liebe über alle Begriffe ist, tut große und unerforschliche Wunder im Himmel und auf Erden, und seine wundervollen Werke vermag kein forschender Verstand zu ergründen. So muss es sein, wenn Gott der Unbegreifliche, der Unendliche bleiben soll. Denn wären die Werke Gottes nur so groß, dass sie von der Vernunft des Menschen leicht begriffen werden könnten, so wären sie eben darum nicht wunderbar, nicht unaussprechlich zu nennen.

Amen.

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