Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Dogmen der Kirche (Teil 10)

9. Februar 2003

Das Dogma von der Heiligkeit Gottes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn! Unter den Dogmen des Christentums ist eines, das sich allen unauslöschlich eingeprägt hat. Es ist schon den Kindern vermittelt worden, und es ist noch der letzte Bestand, der letzte Rest religiösen Wissens, der in einem abständigen Menschen geblieben ist, nämlich das Dogma, daß Gott ein heiliger Gott ist, daß er das Gute belohnt und das Böse bestraft. Dieses Dogma können schon Kinder verstehen, und selbst wenn sie später in Sünden fallen, wenn sie den Glauben verlieren, eine Ahnung, ja eine Gewißheit bleibt ihnen, daß Gott kein Hampelmann ist, sondern daß er das Böse straft und das Gute belohnt. In dieser Stunde wollen wir zwei Fragen stellen und zu beantworten versuchen, um dieses Dogma zu verstehen. Die erste Frage lautet: Woher kommt das Gute? Die zweite: Wohin geht das Gute?

Woher kommt das Gute? Wir haben in uns einen Sinn für den Unterschied von Gutem und Bösem. Dieser Unterschied ist in unser Herz eingegraben. Wenn wir jemanden sehen, der ein Unrecht begeht, wenn wir zuschauen, wie ein Freund zum Verräter wird an seinem besten Freunde, wenn wir eine Herzlosigkeit erleben, wie jemand einem armen Manne auch noch die letzte Habe wegzieht, dann steht ein Zorn in uns auf und ein Abscheu, und es wäre schlimm, wenn dieser Abscheu nicht in uns aufstehen würde; denn wir haben ein Gespür für den Unterschied von Gut und Böse. Andererseits, wenn wir erleben, wie ein Mensch eine heldenmütige, eine opferfreudige, eine selbstlose Liebe beweist, wenn wir die Geradheit, die Aufrichtigkeit eines rechten Mannes erleben, wenn wir die Treue und Zuverlässigkeit eines Menschen auch in Bitterkeit und in Widrigkeiten vor uns finden, dann steht ein Entzücken in uns auf, eine Freude und eine Mahnung und ein Ernst; denn wir ahnen, daß damit Gott in die Welt eintritt. Und so ist es tatsächlich. Das Gute ist eine Erscheinung, ist eine Offenbarung Gottes. Denn Gott ist der Urgute, der Allgute, der unendlich Gute. Wir können Gott gar nicht anders denken, als daß wir jeden Schatten des Bösen von ihm fernhalten. Er ist die Güte in Person, die wir als Heiligkeit bezeichnen. Er ist der heilige, der dreimal heilige Gott.

Weil Gott der Heilige ist, weil Gott der Gute ist, so kann auch alles, was Gott schafft, nur gut sein. Wem er das Leben gibt, der muß nach dem Bilde, nach dem Maße, nach der Norm seines Wesens geschaffen sein, und da er gut ist, muß alles, was er schafft, gut sein. Und so steht es ja auch im Schöpfungsbericht, im ersten Buch der Bibel: „Und Gott sah, daß es gut war.“ Alles, was Gott geschaffen hat, war gut. Aber da ist ein Unterschied. Die Blumen und die Tiere und die Sterne sind gut von Natur aus, kraft ihres Wesens. Sie können gar nicht anders als gut sein. Beim Menschen aber ist das Gute in seine eigene Entscheidung gelegt. Der Mensch soll sich gut machen; er soll mit seinem Willen dem Guten nachstreben; er soll gut werden. Er soll nach dem Charakter, nach der Sinnesart, nach dem Wesen Gottes sich selbst bilden. Und weil Gott will, daß alles, was schafft, gut ist, deswegen steht hinter diesem Bildungsauftrag der Wille Gottes: Du sollst das Gute wollen! Du sollst dich nicht nur meinem Wesen, du sollst dich auch meinem Willen angleichen! Du sollst das Gute wollen, weil ich der Urgütige, der Urgute bin.

Der Mensch muß sich also gut machen mit seinem freien Willen. Es ist in seine Möglichkeiten gelegt, gut zu werden; er soll sich Gott angleichen. Und weil das seine höchstpersönliche Entscheidung ist, so ist die menschliche Liebe aufgerufen. Der Imperativ: Du sollst das Gute wollen, ist ein Imperativ der Liebe: Du sollst das Gute wollen, weil du mich liebst! Du sollst das Gute wollen, weil du mir gehörst. Du sollst das Gute wollen, weil du so sein möchtest, wie ich bin. Auf dem Gipfel ist jede Erfüllung des Guten immer verbunden mit der Liebe.

Die Sittlichkeit und die Religion gehören eng zusammen. Es gibt keine Sittlichkeit ohne den Gottesgedanken, und es gibt keine Religion ohne Sittlichkeit. Eine Religion, die nicht gut und nicht besser macht, ist eine falsche Religion. Religion und Sittlichkeit gehören untrennbar zusammen. Das Gute erhält seinen unvergleichlichen Wert und seine verbindliche Kraft nur durch Gott. Weil Gott gut ist, deswegen müssen wir das Gute wollen. Wir sollen es um seiner selbst willen tun, nicht weil wir dadurch angesehen sind, nicht weil uns die Menschen dann ehren, nicht weil wir uns damit vervollkommnen; das sind vordergründige Motive. Das letzte Motiv des Guten ist Gott. Ich will das Gute tun, weil Gott gut ist und weil er das Gute will. Das Gute kommt von Gott.

Das Gute geht aber auch zu Gott. Indem wir das Gute tun, werden wir Gott ähnlich. Ja, wahrhaftig: Es ist ein Werden wie Gott, es ist ein Sich-Hingeben an Gott, es ist ein Einswerden mit Gott. Gott aber ist die Erfüllung und Vollendung; Gott ist die Kraft und das Leben; Gott ist das Glück und die Seligkeit. Wenn wir also zum Guten gehen, wenn wir das Gute tun, dann gehen wir zur Kraft, zum Glück und zur Seligkeit. Wer das Gute tun, der geht zu Gott. Umgekehrt: Der Böse geht weg von Gott. Er geht in die Trennung, in die Entzweiung, in die Empörung. Wer sich von Gott entfernt, der entfernt sich vom Licht, vom Glück, von der Seligkeit. Das ist gemeint, wenn wir sagen: Gott ist Vergelter des Guten. Wer das Gute tut, der geht zu Gott, und der wird von Gott aufgenommen, der wird von Gott geliebt und in dieser Liebe selig. Das Gute tun und Gott lieben und selig werden, das ist ein und dasselbe. Wer immer das Gute tut, der geht auf Gott zu und wird von Gott geliebt und empfängt die Seligkeit. Die letzte Vollendung des Menschen im Guten ist auch seine höchste Seligkeit. Und umgekehrt: Der Weggang vom Guten ist der  Weggang von Gott. Auch im Diesseits, auch in dieser irdischen Lebenszeit zahlt sich das Gute schon aus. Nicht so, wie sich das manche primitiv denken, daß das Geschäft gut geht, daß man gesund bleibt, daß einem der Ärger erspart bleibt. Nicht so. So vergilt Gott nicht; das heißt gemein und niedrig von Gott denken. Ein solches Rechenexempel läßt er nicht zu. Wenn man mit einem Rosenkranz eine Hypothek abstoßen könnte, dann wäre die ganze Welt religiös. So darf es nicht sein. Wohl aber in einer anderen Weise lohnt sich das Gute, nämlich wer gut ist, der gewinnt eine höhere Menschenart, der gewinnt ein besseres Menschentum und wird eben dadurch Gott ähnlicher. Das ist eigentlich das Entscheidende. Weil das Gute Angleichung an Gott ist, bedeutet es eine Stärkung des Lebens, eine Erfüllung des Daseins, eine Erhellung der Seele, eine Beglückung des Menschentums. Der höhere, der bessere Mensch ist der Mensch, der näher bei Gott ist und dadurch der erfülltere und auch der glücklichere Mensch. Indem wir bessere Menschen werden, gewinnen wir eine höhere Lebensform.

Umgekehrt muß man sagen, der Böse kann unmöglich auf die Dauer glücklich sein. Wir haben alle gelesen vom Tode des Herrn Rudolf Augstein. Er war einmal ein gläubiges Kind. Mit fünf Geschwistern ist er aufgewachsen in einer katholischen Familie. Er hat den Glauben verloren durch Verfehlungen sexueller Art, wie ein Mitschüler von ihm berichtet. Er war fünfmal bürgerlich verheiratet; er hat noch manche Frau nebenbei besessen. Er war reich und mächtig. Als Adenauer noch an der Regierung war, hieß es: „Adenauer regiert, und Augstein herrscht.“ So viel Macht hatte der Mann mit seinem „Spiegel“. Und doch sagt sein Chefredakteur Stefan Aust: „Glücklich ist er nicht gewesen.“ Glücklich ist er nicht gewesen! Das Böse kann sich nicht rentieren. Es ist ein böses Wort, wenn einer sagt: „Auf Erden hilft Gott den Gescheiten und im Himmel den Guten.“ Das ist ein falsches Wort. Schon auf Erden lohnt sich das Böse nicht. Es kann einer steinreich werden. Was nutzt das, wenn er steinhart ist? Schon auf Erden rächt sich das Böse.

Und umgekehrt: Schon auf Erden lohnt sich das Gute. Der Mensch, der Gutes tut, zieht Gott in die Welt hinein. Er baut auf, er erhellt. Vom Guten geht eine Welle des Wohlwollens, der Liebe, des Erhellens aus. Der Böse dagegen schlägt die Welt mit Fluch und Schuld. Alles Böse, alle bösen Taten, alle bösen Worte, alle bösen Gedanken haben Tränen im Gefolge. Wir beklagen die Ausbrüche der Vulkane und die Überschwemmungen. Ach, meine lieben Freunde, das ist ja winzig gegenüber dem, was Menschen den Menschen antun, was Menschen im Bösen den Menschen antun! Das ist das Entscheidende, das auf Erden über uns hereinbricht. Das Böse zerstört die Erde, führt das Chaos herauf, bringt die Finsternis, läßt Tränen fließen. Jede Sünde ist ein Keim des Bösen, ein Keim des Todes, an dem die Welt krank wird und an dem sie lebensärmer wird. Wir leben vom Guten, und wir gehen zugrunde am Bösen! Himmel und Hölle sind wahrhaftig in unsere Hand gegeben, indem wir unsere sittlichen Entscheidungen fällen. Wer Gutes tut, der zieht Gott in die Welt hinein, er schafft schon, wenn man so sagen darf, einen Himmel auf Erden. Wer das Böse tut, der flieht von Gott und bringt die Erde in die Zerstörung. Er schafft eine Hölle.

Gott ist heilig. Das ist der Wahrspruch, der durch alle Jahrhunderte hallt bis zum letzten Tage: Gott ist heilig. Das ist das Lied, das über jedem Menschenleben von unsichtbaren Geisterchören gesungen wird: Gott ist heilig. Das ist auch der Gesang, der das Weltgericht abschließen wird, der Gesang der Cherubim, die die Schwerter tragen, der Gesang, der ewige Gesang: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, und gerecht sind seine Gerichte!

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt