Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Sakramente der Kirche (Teil 8)

18. März 2001

Die allgemeine Sakramentenlehre

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wer nichts weiß, dringt in eine Wirklichkeit nicht ein. Wer nichts weiß, kann sich nicht wehren, wenn er attackiert wird. Wer nichts weiß, kann sich nicht verteidigen, wenn andere ihn aufziehen. Das ist eine tägliche Erfahrung. Sie gilt auch und vor allem für den religiösen Bereich. Wer religiös nichts weiß, wer nichts dazugelernt hat, wer nicht eingedrungen ist in die religiösen Wirklichkeiten, der hat keine Freude daran, weil er sie nicht versteht, der zieht keinen Nutzen daraus, und er kann sich nicht wehren, wenn er deswegen lächerlich gemacht wird. So ist es unser Bestreben, in die Wirklichkeiten einzudringen, die uns das ganze Leben begleiten, nämlich die Wirklichkeiten der Sakramente. Heute wollen wir noch vier Gegenstände der allgemeinen Sakramentenlehre miteinander bedenken: 1. die Zahl, 2. den Zusammenhang, 3. die Zeit und 4. die Verpflichtung, die von den Sakramenten ausgeht.

Das erste, was wir bedenken wollen, ist die Zahl der Sakramente. Es gibt, wie wir im Katechismus gelernt haben, sieben Sakramente, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Kirche hat jahrhundertelang die Sakramente gespendet und empfangen, ohne daß man sich über die Zahl viele Gedanken machte. Man kann ohne weiteres zugeben, daß im 1. Jahrtausend auch andere Gegenstände als Sakrament, d. h. als Geheimnis bezeichnet wurden, die es nach unserem heutigen Verständnis nicht sind. Es gab eben eine weiten Begriff von Sakramenten und einen engen, und nur der enge Begriff umfaßt die Zahl, die wir gelernt haben, nämlich sieben Sakramente. Als dann Angriffe von außen einsetzten, als man die Sakramente herabsetzte, als man die Wirksamkeit der Sakramente bezweifelte, da mußte die Kirche notgedrungen ihre Sakramentenlehre zusammenfassen und in bestimmten Sätzen aussprechen, und das ist geschehen auf drei Konzilien, nämlich auf dem Konzil von Lyon im Jahre 1274, auf dem Konzil von Florenz 1439 und auf dem Konzil von Trient 1545-1563. Das Konzil von Lyon hat die Wahrheit über die sieben Sakramente in dieser Weise ausgesprochen: „Es gibt sieben kirchliche Sakramente: die eine Taufe, dann das Sakrament der Firmung, das die Bischöfe durch Auflegung der Hände spenden, indem sie die Wiedergeborenen salben, ferner die Buße, die Eucharistie und das Sakrament der Weihe, die Ehe und die Letzte Ölung, die nach der Lehre des heiligen Jakobus den Kranken gespendet wird.“ Im 15. Jahrhundert ging es um die Vereinigung mit den getrennten Ostchristen, und da wurde eben die kirchliche Sakramentenlehre dargelegt, damit sie genau wissen, auf was sie sich einlassen, wenn sie sich mit der römisch-katholischen Kirche vereinigen. Und so hat die Versammlung in Florenz im Jahre 1439 ausgesprochen: „Es gibt sieben Sakramente des Neuen Bundes: Taufe, Firmung, Eucharistie, Buße, Letzte Ölung, Weihe und Ehe.“ Im 16. Jahrhundert traten dann die Glaubensneuerer auf, und sie haben die Zahl der Sakramente drastisch eingeschränkt. Nach Luther gibt es nämlich nur zwei, allenfalls drei Sakramente, nämlich die Taufe und die Eucharistie. Manchmal wird auch die Buße noch dazugezählt, aber es hat sich im Protestantismus ganz allgemein die Ansicht durchgesetzt: Es gibt nur zwei Sakramente, nämlich Taufe und Abendmahl. Dagegen mußte die Kirche sich zur Wahrheit des Glaubens bekennen, und sie hat es auf dem Konzil von Trient getan: „Wer sagt, die Sakramente des Neuen Bundes seien nicht alle von Christus eingesetzt, oder es seien mehr oder weniger als sieben, nämlich Taufe, Firmung, Eucharistie, Buße, Letzte Ölung, Weihe und Ehe, oder eines von diesen sieben sei nicht eigentlich und wirklich Sakrament, der sei ausgeschlossen.“ Damit ist endgültig und für immer geklärt, daß es ein Glaubenssatz ist: Es gibt sieben heilige Sakramente, es gibt sieben heilige Zeichen, die von Christus eingesetzt sind, die Gnade anzeigen und bewirken.

Zwischen den Sakramenten besteht ein Zusammenhang. Sie stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sie bilden einen Kosmos, einen Kosmos des göttlichen Lebens, der Vermittlung des göttlichen Lebens. Schon in früheren Jahrhunderten wurden die Hauptsakramente von den anderen Sakramenten unterschieden. Als Hauptsakramente bezeichnet beispielsweise der heilige Thomas Taufe und Eucharistie. Sie haben einen Vorrang vor den übrigen Sakramenten. Wir werden gleich zu erklären versuchen, worin dieser Vorrang besteht. Das bedeutet nicht, daß die übrigen Sakramente abgewertet werden, aber man kann eben die potissima sacramenta, wie Thomas von Aquin sagt, die hauptsächlichen Sakramente, von den übrigen Sakramenten unterscheiden. Daß die Taufe ein Hauptsakrament ist, leuchtet ohne weiteres ein, denn sie ist ja die Pforte zum sakramentalen Bereich. Ohne Taufe kann man andere Sakramente nicht empfangen. Ein Ungetaufter kann nicht losgesprochen werden von seinen Sünden; ein Ungetaufter kann noch viel weniger den Leib des Herrn empfangen. Die Taufe ist die ianua sacramentorum, die Tür in die sakramentale Welt. Alle Sakramente sind auf die Taufe bezogen. Die Taufe wird vollendet durch Firmung und Eucharistie. Die Firmung stärkt die Taufgnade und weiht den Getauften ein, damit er Zeugnis von Christus geben kann in der Öffentlichkeit. Die Eucharistie kräftigt sein göttliches Leben, weil sie ihm den Leib des Herrn und das Blut des Herrn vermittelt.

Daß die Eucharistie ein Hauptsakrament ist, dürfte jedem katholischen Christen ohne weiteres klar sein, denn sie vermittelt ja nicht nur Gnade, sondern sie birgt den Mittler der Gnade, sie enthält Christus, und deswegen ist sie eben in gewisser Hinsicht die Mitte und der Gipfel der sakramentalen Welt. Aber auch die übrigen Sakramente stehen mit Taufe und Eucharistie in Verbindung. Wir wissen, daß zum Beispiel das Bußsakrament dafür da ist, um einen Getauften, der wieder in Sünde gefallen ist, eucharistiefähig zu machen. Ja, genau das tut das Bußsakrament: Es macht den Getauften, der in Sünde gefallen ist, von neuem eucharistiefähig, geeignet, den Leib des Herrn zu empfangen. Auch die Letzte Ölung hat in diesem sakramentalen Kosmos ihre bestimmte Stelle, denn sie weiht den Kranken, den, der in Lebensgefahr ist, für den Hinübergang in das ewige Leben ein. Es befähigt ihn, in der Öffentlichkeit des Himmels als ein Gereinigter, als ein von Schuld Befreiter aufzutreten. Priesterweihe und Ehe haben ebenfalls Beziehung zu Taufe und Eucharistie. In der Priesterweihe wird das gemeinsame Priestertum, das alle Getauften empfangen haben, ausgefaltet und erhöht durch das Priestertum des Dienstes. Niemand kann die Priesterweihe empfangen, der nicht getauft ist. Er muß erst in das gemeinsame Priestertum eingegangen sein, um später für das besondere Priestertum ausgesondert zu werden. Auch die Ehe hat Beziehung zur Taufe, denn der Getaufte wird ja in das Todes- und Herrlichkeitsschicksal Jesu hineingezogen. In ihm wird die Gemeinschaft mit Christus begründet durch die heiligmachende Gnade. Was in der Taufe geschehen ist, das soll in der Ehe sinnbildlich dargestellt werden. Die Gemeinschaft zwischen Mann und Frau soll die Verbindung zwischen Seele und Christus darstellen. So ist also eine herrliche Zusammenordnung aller Sakramente festzustellen, ein wahrhaftiger Kosmos, ein schöner Zusammenhang, der die Sakramente nicht isoliert nebeneinander stehen läßt, der sie zusammenfügt, so daß eines vom anderen abhängt.

Die Zeit der Sakramente ist jene zwischen der Himmelfahrt Christi und seiner Wiederkunft. Wenn einmal die Wiederkunft Christi sich ereignet haben wird, dann gibt es keine Sakramente mehr. Die Sakramente haben ihre Zeit in dem Zwischenreich zwischen Himmelfahrt Christi und seiner Wiederkunft. Bis dahin verbürgen sie uns die Gegenwart Christi. Das Wort: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“ gilt auch und vornehmlich von den Sakramenten. Ja, da ist er bei uns mit Gewißheit und mit Sicherheit. „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“ – in meinen Sakramenten. Die Sakramente fassen drei Zeiten in sich: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie weisen in die Vergangenheit, weil sie ja ihre Kraft aus dem Leiden Christi beziehen. Sie sind in der Gegenwart angesiedelt, weil sie uns mit Gnade beschenken. Und sie verweisen auf die Zukunft, weil sie ein Unterpfand der künftigen Herrlichkeit sind. „O heiliges Gastmahl“, so betet der Priester, wenn er die heilige Kommunion außerhalb der Messe austeilt, „in dem Christus genossen, das Andenken seines Leidens erneuert, die Seele mit Gnade erfüllt und uns ein Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird.“ Der heilige Thomas sagt: „Die Sakramente bewirken unsere Heiligung, und zwar als Ursache, als Wesen und als Ziel.“ Die Ursache unserer Heiligung ist das Leiden Christi, das Wesen unserer Heiligung ist die heiligmachende Gnade und sind die Tugenden, das Ziel unserer Heiligung ist die Herrlichkeit des Himmels. Und so haben die Sakramente erinnernden, hinweisenden und vorausdeutenden Charakter. Sie erinnern an das Leiden Christi; da kommt die Kraft der Sakramente her. Sie weisen hin auf die Gnade, die uns durch die Sakramente zuteil wird. Sie deuten voraus auf den Zustand des Himmels, in dem die Schatten fallen und wo die Kraft der Sakramente sich entfalten wird, wo wir einziehen dürfen in die Herrlichkeit der Gottesschau.

So sind die Sakramente in einem richtigen Sinne Wegweiser und Wegzehrung. Wer sie richtig versteht und wer sie richtig empfängt, dem weisen sie den Weg in den Himmel, dem sind sie aber auch Zehrung, Nahrung auf den Weg in den Himmel. Wir nennen in einem spezifischen Sinne die heilige Kommunion, die Sterbenden gereicht wird, Wegzehrung. Das ist richtig. Aber wir können auch die übrigen Sakramente als Wegzehrung bezeichnen, weil sie eben auch das übernatürliche Leben entweder wiederherstellen oder nähren, damit wir den Weg zum Himmel finden.

Die Sakramente enthalten aber auch schließlich eine Verpflichtung. Sie bewirken etwas im Sein des Menschen, aber das Sein drängt zum Tun. Die Sakramente enthalten die Aufforderung, das, was sakramental geschehen ist, in die Gesinnung aufzunehmen. Die sakramentale Gemeinschaft, die Gemeinschaft mit Christus, die in den Sakramenten begründet ist, muß übersetzt werden in das Wollen und Handeln, wenn wir mit Zuversicht dem Tag des Herrn entgegensehen wollen. Was im Sakrament geschieht, muß immer noch entfaltet werden in der Gesinnung und im Handeln. Dafür gibt es viele Zeugnisse in der Heiligen Schrift. Ich will Ihnen einige nennen.

Im Römerbrief schreibt der Apostel Paulus: „So betrachtet ihr euch als solche, die der Sünde abgestorben sind, für Christus aber leben. Darum herrsche nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe, daß ihr seinen Begierden gehorchet!“ Diese Mahnung spricht der Apostel aus, nachdem er vorher die Wirkung der Taufe geschildert hat. In der Taufe ist der alte Mensch getötet worden, also kann er nicht mehr lebendig sein. Und deswegen: „So betrachtet auch ihr euch als solche, die der Sünde abgestorben sind, für Gott aber leben in Christus Jesus, unserem Herrn. Darum herrsche nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe!“ Im 1. Korintherbrief beschreibt er den Wüstenzug der israelitischen Väter. Sie zogen durch die Wüste und wurden durch die Wolke geführt. Sie bekamen Speise, geistige Speise, und sie bekamen Trank. Sie tranken nämlich aus dem geistigen Felsen, der sie begleitete, Christus. Und jetzt kommt dann die Warnung: „Trotzdem hatte Gott an der Mehrzahl von ihnen kein Wohlgefallen, denn sie wurden niedergestreckt in der Wüste.“ Damit will er sagen: Sakramentenempfang ist gut, aber das verwirklichen, was die Sakramente beinhalten, das leben, was sie von uns fordern, das ist noch besser. An einer anderen Stelle, im Kolosserbriefe, erinnert der Apostel daran, daß in den Sakramenten Tod und Auferstehung in einem bestimmten, wirklichen Sinne auf den Menschen übergehen. Der Mensch stirbt mit Christus in den Sakramenten und steht mit ihm auf in einer geheimnisvollen sakramentalen Weise. Und dann ergeht die Mahnung an die Christen: „Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so suchet, was droben ist, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf der Erde ist; denn ihr seid gestorben (sakramental). Ihr seid gestorben. Euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott.“ Weil das so ist, deswegen darf unter den Christen Unzucht, Unreinigkeit, Leidenschaft, böse Lust, Habsucht nicht einmal genannt werden. Und schließlich, um noch ein Zeugnis des Apostels Petrus zu erwähnen. Er schreibt in seinem 1. Briefe: „Da Christus also im Fleische gelitten hat, so wappnet auch ihr euch mit derselben Gesinnung. Denn wer dem Fleische nach gelitten hat, hat mit der Sünde gebrochen, so daß er den Rest seiner irdischen Tage nicht mehr im Dienste menschlicher Gelüste verlebt, sondern nach Gottes Willen.“ Wir haben mit Christus gelitten im Sakrament. Im Sakrament ist sein Leiden auf uns übergegangen, ist sein Leiden in uns mächtig geworden. Also muß auch jetzt in unserem Leben die Neuheit des Geistes sich zeigen, muß also in der Gesinnung das verwirklicht werden, was im Sein bereits geschehen ist.

Diese Verwirklichung in der Gesinnung nennt die katholische Theologie Askese. Askese heißt Beherrschung, Überwindung, Abtötung des Bösen. Der Leib soll ein dienstfertiger und bereiter Diener des Geistes, des vom Heiligen Geist erfüllten menschlichen Geistes werden. Und deswegen ergeht dann immer die Mahnung, sich auch zu beherrschen. Sie ist niemals mehr angebracht als in der Bußzeit, als in der Fastenzeit. Beherrschung im Essen, Beherrschung im Trinken, Beherrschung im Reden, Beherrschung im Vergnügen, Beherrschung im Schlafen – alle diese Weisen, sich zu beherrschen, gehören zur Askese und sind für den Christen Ausfaltung dessen, was an ihm sakramental geschehen ist. Er lebt das aus, was in ihm seinshaft durch die Sakramente bewirkt worden ist. Es gibt so viele herrliche Mahnungen bei den heiligen Schriftstellern. Zum Beispiel sagt der heilige Augustinus: „Wer sich bei Erlaubtem nicht hin und wieder Abbruch tut, der ist nicht weit vom Unerlaubten.“ Man darf sich nicht alles Erlaubte gestatten, weil man dann allzu leicht zum Unerlaubten abgleitet. Und die Nachfolge Christi, dieses köstliche Buch, schreibt: „Soviel wirst du im Guten vorankommen, als du dir selbst Gewalt antust.“ Der Christ muß sich einüben für das ewige Leben, er muß sich einüben in die Tugenden.

Im vorigen Jahrhundert lebte der große Pianist Rubinstein, ein weltweit bekannter Konzertpianist. Auf der Höhe seines Ruhmes fragte ihn einmal ein Bekannter, ob er, der große Künstler, noch üben müsse, ob auch er noch am Klavier üben müsse. Da gab Rubinstein, der berühmte Pianist, zur Antwort: „Wenn ich nur einen Tag nicht üben würde, würde ich es merken. Wenn ich zwei Tage nicht üben würde, würden es meine Freunde merken. Und wenn ich drei Tage nicht üben würde, würde es sogar das Publikum merken.“ Dieses Beispiel kann uns daran erinnern, daß wir nicht auf einem sanften Ruhebett unser Leben verbringen dürfen, sondern daß wir an uns arbeiten müssen, daß wir kämpfen müssen. Um das ewige Leben wird nicht gewürfelt und gelost, um das ewige Leben wird gerungen in Kampf und Arbeit.

Der heilige Ignatius von Loyola hat ein köstliches Büchlein geschrieben: „Exerzitienbüchlein“. Exerzitien sind ja Übungen. In diesem Exerzitienbüchlein schreibt er den wunderbaren Satz: „Möge jeder sich klar sein, daß er in allem, was das geistliche Leben angeht, genau in dem gleichen Maße vorankommt, als er sich der Eigenliebe, des Eigenwillens und der eigenen Bequemlichkeit entledigt“ – als er sich der Eigenliebe, des Eigenwillens und der eigenen Bequemlichkeit entledigt.

Amen-.

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