Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Tod, Fegefeuer, Hölle und Himmel (Teil 9)

2. Dezember 1990

Die Höllenstrafen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Strafen der Verdammnis sind zweifacher Art. Die wesentliche Strafe besteht im Verluste Gottes. In der Gottesferne ist das eigentliche Wesen der höllischen Strafe beschlossen. Dazu aber treten Strafen der Empfindung. Diese Strafen der Empfindung werden von der Offenbarung beschrieben mit dem Ausdruck „Feuer“. Die Erklärung dieses Begriffes bereitet dem Denken einige Schwierigkeiten. Es gibt und gab Theologen, welche das höllische Feuer als ein Sinnbild zu erklären suchten, als ein Bild für die Qualen der Gewissensbisse und der Selbstvorwürfe, die sich die Verdammten machen. Weil sie eben so heftig seien wie ein Feuer, so meinen sie, habe der Herr vom Feuer, vom höllischen Feuer gesprochen. Diese Auslegung wird nur von wenigen Theologen vertreten, und sie ist vermutlich nicht richtig. Denn der Herr spricht so häufig und so bestimmt vom höllischen Feuer, daß wir annehmen müssen, er meine ein wirkliches Feuer. Zwar berufen sich diese genannten Theologen darauf, daß der Herr das Feuer zusammenstellt mit dem „Wurm, der nicht stirbt“, und der Wurm, der nicht stirbt, das kann wohl nur bildlich gemeint sein; denn einen Wurm, der unsterblich ist, kann es nicht geben. Und so meinen sie, daß auch das Feuer nur bildlich zu verstehen sei. Aber nein, noch einmal: Der Herr spricht vom höllischen Feuer, vom Höllenpfuhl, vom Feuerpfuhl, in den man geworfen wird, so bestimmt und so oft, daß wir an ein wirkliches Feuer zu denken haben.

Aber es wäre nun wieder ganz verkehrt, das höllische Feuer mit dem Feuer, das wir aus unserer Erfahrung kennen, gleichzusetzen. Eine solche Gleichsetzung würde sich gegen das oberste Gesetz aller theologischen Sprechweisen verfehlen. Dieses oberste Gesetz sagt nämlich: Wir wenden die aus der Erfahrung genommenen Begriffe auf das Göttliche in einer analogen Weise an. Analog heißt, es besteht eine Ähnlichkeit, aber die Unähnlichkeit ist größer als die Ähnlichkeit. Wenn wir also das Wort Feuer auf die Qualen der Hölle anwenden, dann müssen wir sagen: Dieses Feuer ist von jedem Feuer, das wir aus der Erfahrung kennen, völlig verschieden. Es ist ein Feuer anderer Art. Es ist ein wirkliches Feuer, aber es ist ein Feuer anderer Art, als es uns in der Erfahrung begegnet.

Das gläubige Nachdenken, das sich mit dieser Frage beschäftigt hat, kommt dazu, zu erklären: Das höllische Feuer besteht in der Hemmung und Fesselung, in der Bewegungslosigkeit des Menschen. Die Verdammten sind gehemmt und gefesselt und bewegungslos. Im Zustand der Leibfreiheit, wie ja die Seele jetzt lebt, bedeutet die Hemmung und Fesselung zweierlei. Der Geist ist blind. Der Verdammte ist blinden Geistes. Nicht, als ob ihm die Denkfähigkeit abhanden gekommen wäre; er hat selbstverständlich die Erinnerung an sein Erdenleben aufbewahrt. Er durchschaut auch seine furchtbare Lage mit völliger Klarheit. Er weiß, daß er immer in diesem unheilvollen Zustand verbleiben wird. Aber es fehlt ihm das Auge der Liebe, und insofern ist er blind. Er vermag Gott nicht mit dem Auge der Liebe, also nicht richtig anzuschauen. Er wittert in ihm nur den majestätischen Herrn, der ihn in seiner Unseligkeit erhält. Insofern sind die Verdammten blind.

Sie sind auch in ihrem Willen gelähmt. Sie sind außerstande, noch gute Taten zu setzen. Sie sind nicht fähig, Akte der Liebe hervorzubringen, ja sie sind nicht einmal imstande, eine wahre Reue zu empfinden. Es bleibt ihnen ihre Gottverwandtschaft, und es bleibt ihre Christusförmigkeit, aber sie nehmen die Gottverwandtschaft und die Christusförmigkeit nicht in Liebe in ihre Gesinnung auf, sondern sie hassen sie. Sie gehen gegen ihr eigenes gottentstammtes, christusförmiges Wesen an. Das also ist der Sinn der Redeweise: Die Verdammten werden von Feuersqualen gepeinigt.

Diese Qualen sind ewig. Die Hölle ist eine ewige Hölle. Die Verdammten wissen mit absoluter Gewißheit, daß die Hölle niemals ein Ende nehmen wird. Es wäre ganz falsch, zu meinen, die Tausende von Jahren, in denen die Verdammten in der Hölle weilen, würden sie mürbe machen und würden in ihnen den Wunsch erwecken, in Anbetung vor Gott niederzufallen und so aus ihrem schrecklichen Dasein erlöst zu werden. Nein, die Verdammten bleiben in der Hölle, weil ihre Sünde ewig ist. Die Hölle ist ewig, weil die Auflehnung gegen Gott ewig ist. Die ewige Hölle ist der Widerschein der ewigen Auflehnung, der ewigen Bosheit, der ewigen Gottfeindlichkeit der Verdammten. Sie haben Ekel vor sich und Abscheu, sie hassen sich selbst, aber sie lehnen es ab, sich von ihrer Gottwidrigkeit zu bekehren. Sie verfluchen die Qual, unter der sie leiden, aber sie wollen ihre Empörung gegen Gott nicht aufgeben. Sie sind voll Groll über die Bitterkeit, die sie ertragen müssen, aber es erhebt sich aus ihnen nicht der Wunsch, Gott anbetend zu verehren und so befreit zu werden. Sie sind einer echten Reue nicht mehr fähig. Und deswegen können sie auch nicht erlöst werden.

Sie haben sich dieses Schicksal selbst bereitet. Nicht Gott erschafft die Hölle, sondern jeder Mensch, der in die Hölle kommt, erschafft sich die Hölle selbst. Indem er nämlich in seiner Gottwidrigkeit abscheidet von dieser Welt, erschafft er sich seine Hölle. Die Hölle ist die Selbstverwirklichung des Sünders. Nicht Gott verursacht die Verhärtung im Bösen, sondern der sündige Mensch selbst ist verantwortlich dafür, daß er diesen Zustand der Qualen erleiden muß.

Dennoch ist Gott an der Hölle nicht unbeteiligt, und zwar in zweifacher Weise. Einmal, indem er den Menschen im Modus der Freiheit erschaffen hat, und zum anderen, indem er mit seinem concursus generalis den Menschen im Dasein erhält. Gott hat den Menschen im Modus der Freiheit erschaffen. Er hat ihm etwas gegeben, was alle anderen Geschöpfe unterhalb des Menschen nicht haben, nämlich die freie Selbstbestimmung. Er hat ihn damit sich selbst angenähert, weil ja Gott auch der Freie ist. Er hat Achtung vor der menschlichen Freiheit, und diese Achtung geht so weit, daß Gott die menschliche Freiheit selbst daran nicht hindert, sich gegen ihn zu wenden. Diese Achtung vor der Freiheit ist es, was den Menschen in den Stand setzt, sich gegen Gott zu empören und Gott den Abschied zu geben, sich selbst zu vergötzen und die Welt in gottwidriger Weise zu gebrauchen.

Dann aber erhält auch Gott die Verdammten im Dasein. Wenn er sie nicht erhalten würde, würden sie in das Nichts zurückfallen. Alles was lebt, lebt durch Gottes Kraft, das nennt man den concursus generalis, die allgemeine Mitwirkung Gottes. Und das wissen die Verdammten, und das ist ein Teil ihrer Pein. Sie wissen, daß sie ihre ewige Sünde nur aufrechterhalten können, weil Gott sie im Dasein erhält. Sie müssen also diese Demütigung ertragen, daß sie sich nur gegen Gott empören können mit der Kraft, die Gott selbst ihnen leiht.

Man kann fragen: Warum hat Gott den Menschen im Modus der Freiheit erschaffen? Warum hat er ihm nicht eine Freiheit gegeben, wie sie Christus hatte? Er war ja auch frei, aber er konnte nicht sündigen. Warum hat er ihnen nicht die Freiheit gegebeben, wie die Vollendeten des Himmels sie besitzen? Sie sind frei, aber sie können nicht mehr sündigen. Man wird sagen müssen, daß Gott den Menschen eine Freiheit in der Weise gegeben hat, wie es dem Pilgerzustand angemessen war. Und dem Pilgerzustand angemessen ist eben eine Freiheit, die wählen kann zwischen Gut und Böse, eine Freiheit, die in einer Weise ausgestattet ist, daß das Dunkel des Glaubens zu dem Verdienst des guten Tuns führen oder auch zu Mißverdienst verleiten kann.

Die ewige Hölle ist eine Wahrheit unseres Glaubens, die von den Menschen schwer ertragen wird. Der rheinhessische Dichter Carl Zuckmayer sagte einmal: „An die Hölle glaube ich nicht, höchstens für den Hitler.“ Meine lieben Freunde, das ist eine ganz subjektive Auswahl, daß man Menschen, die nun wirklich große Verbrecher waren oder die man nicht leiden kann, in die Hölle versetzen und für alle anderen die Hölle ausschließen will. So geht es sicher nicht.

Es gibt aber auch gefährlichere Einwände. So gibt es modernistische Theologen, die sagen, es gibt eine Hölle, aber es ist niemand drin. Dieser Einwand ist deswegen völlig verkehrt, weil, wie gesagt, jeder Verdammte sich die Hölle selber erschafft. Ohne einen Verdammten gibt es keine Hölle. Wenn keiner jemals verdammt worden ist, dann existiert auch keine Hölle. Denn die Hölle ist der Zustand, in dem sich diejenigen Menschen befinden, die mit der Todsünde von dieser Welt abscheiden. Und wenn das niemals geschehen ist, dann gibt es auch keine Hölle. Also dieser Einwand ist lächerlich, er ist dürftig, und er ist unhaltbar. Genauso unsinnig ist die auch von modernistischen Theologen vorgetragene Meinung: Wenn Christus von der Hölle spricht – und er spricht ja dutzendemale von der Hölle –, dann wolle er uns nur schrecken und von dem Bösen zurückhalten. Meine lieben Freunde, wenn die Hölle sich niemals verwirklicht, dann haben die Worte Jesu keine Schrecken. Wenn man es einmal durchschaut hat, daß diese Worte lediglich hohle Schreckensworte sind, dann kann man sich nicht mehr von ihnen erschrecken lassen, dann verfehlen sie ihren Zweck. Also auch dieser Einwand ist hinfällig, dürftig und völlig falsch.

Es bleibt die Frage nach dem Ort der Hölle. Die Verdammten sind nicht über den Raum erhaben. Sie sind nicht allgegenwärtig wie Gott, sondern sie sind irgendwie an den Raum gebunden. Sie unterstehen zwar nicht mehr den Gesetzen von Zeit und Raum, aber sie sind raumgebunden, und man wird annehmen müssen, daß Gott ihnen ein Wirkfeld eröffnet. Wo allerdings dieses Wirkfeld ist, darüber besitzen wir keinerlei Kenntnis. Es wäre völlig falsch, irgendeine Topographie oder eine Geographie der Hölle zu versuchen. Das würde den Glauben an die Hölle der Lächerlichkeit preisgeben. Wir kennen keinen Ort auf der Erde oder im Kosmos, der für die Hölle mehr geeignet ist als ein anderer. Wir haben keine Kenntnis davon. Die Hölle ist vom Weltbild – ob antikes oder modernes – völlig unabhängig. Sie ist eine Wirklichkeit ganz anderer Art, als wir sie aus der Erfahrung kennen, und sie kann deswegen auch mit den Erkenntnismitteln, die wir auf die Erfahrungswirklichkeit anwenden, in keiner Weise ausgelotet werden. Man kann also nicht durch eine Tiefbohrung, wie sie jetzt in der Oberpfalz geschieht, im Inneren der Erde auf die Hölle stoßen. Man kann auch nicht in Astronautenfahrten die Hölle finden. Das wäre ein völliges Mißverständnis der Hölle. Die Hölle ist eine Wirklichkeit, die mit den Erkenntnismitteln der Physik und der Chemie, überhaupt mit unserer Erfahrung niemals erreicht werden kann.

Die Offenbarung der Hölle, meine lieben Freunde, ist letztlich nur zu verstehen aus der Liebe Gottes. Wenn man fragt: Ist nicht eine Strafe, die den Bestraften nicht bessert, sinnlos? Ist eine Strafe, die den Bestraften nicht erzieht, nicht überflüssig?, so müssen wir darauf antworten: Die Hölle ist keine Besserungsstrafe und keine Erziehungsstrafe, sondern sie ist die Sanktion Gottes, die seine Heiligkeit und Gerechtigkeit für jene schafft, welche sich seinem Willen widersetzen. Die Hölle zeigt, daß es absolute Werte gibt, die man nicht ungestraft verletzen darf. Sie ist eine Sanktion, die den Ernst zeigt, der über dem Menschenleben steht. Die Hölle ist notwendig, um die Absolutheit der Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes darzutun. Während nämlich die Seligen des Himmels Gott in seiner Herrlichkeit durch ihr Dasein der Vollendung und der Erfüllung anbetend preisen, müssen auch die Verdammten der Hölle seine Majestät und Herrschaft anerkennen in ihrer Unerfülltheit und Zerrissenheit. An der Hölle sieht man, daß es eine Wahrheit ist, wenn die Kirche lehrt: „Nur in Gott kann der Mensch seine Erfüllung finden.“ Und die Sanktion für diese Wahrheit ist die ewige Höllenstrafe.

Die Hölle soll uns mißtrauisch machen gegen uns selbst und vorsichtig in unserem Wandel, aber sie soll uns nicht in irrationale Schrecken versetzen, denn wir wissen, daß Christus zu diesem Zweck auf die Erde gekommen ist, um uns vor der Hölle zu bewahren. Die Botschaft von der Hölle soll die Menschen zwar vor dem schrecklichen Verderben warnen, aber der Herr hat kein Interesse daran, sie in diese Hölle hineinzustoßen, wie meinetwegen der Philosoph Eduard Hartmann meint. Nein, Gott hat die Offenbarung der Hölle uns gegeben, um uns zu warnen, daß wir nicht in die Hölle kommen, um uns zu warnen vor unserer Bequemlichkeit, vor unserer Lässigkeit, vor unserer Gottvergessenheit. Er hat aber gleichzeitig geoffenbart, was Christus getan hat, um uns vor der Hölle zu bewahren. Die mit Christus verbunden sind, wissen, daß sie von ihm nicht verurteilt werden. Christus tritt nicht als Ankläger auf, denn er ist unser Retter. Und der Heilige Geist klagt nur die Gottlosen an, nicht die Gottverbundenen.

Wir dürfen also auch angesichts der Hölle die Wahrheit und die Liebe, die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit Gottes preisen. Wir dürfen auch angesichts der Hölle das Loblied der Liebe Gottes singen, die uns die Hölle zwar geoffenbart hat, aber auch die Mittel gezeigt hat, ihr zu entgehen.

Amen.

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