Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Die Gnade Gottes (Teil 4)

21. Juni 1987

Wirkungen des Heiligen Geistes (Teil 2)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Donnerstag haben wir die ersten drei Wirkungen des Heiligen Geistes in der Seele des Gerechten bedacht. Wir sagten: Der Heilige Geist läßt die Sünden nach, das ist die erste Wirkung; der Heilige Geist vereinigt sich mit der Seele und macht sie zu einem Tempel Gottes, das ist die zweite Wirkung; der Heilige Geist vermehrt unsere Seelenkräfte und gibt unserer Seele die göttlichen Tugenden und die sittlichen Tugenden als Fähigkeiten, nicht als Fertigkeiten, das ist die dritte Wirkung.

Wir haben heute vier weitere Wirkungen des Heiligen Geistes in der Seele des Gerechtfertigten zu bedenken:

1. Der Heilige Geist gibt der Seele des Gerechtfertigten die wahre Zufriedenheit.

2. Der Heilige Geist ist unser Lehrmeister und Erzieher.

3. Der Heilige Geist treibt uns zu guten Werken an und macht sie verdienstlich.

4. Durch den Heiligen Geist werden wir Kinder Gottes und Erben des Himmels.

1. Der Heilige Geist gibt uns die wahre Zufriedenheit. Zufriedenheit ist ein hohes Gut, meine lieben Christen. Wir alle wissen, wie unzufrieden viele, vielleicht die meisten Menschen sind, und es ist zu fragen, ob sie nicht damit verraten, daß sie entweder den Heiligen Geist gar nicht haben oder ihm jedenfalls nicht Raum geben, ihn nicht wirken lassen in ihrer Seele. Zufriedenheit ist ein Sich-Fügen in den Willen Gottes in den Lebensumständen, die er für uns bereitet hat. Zufriedenheit hat etwas mit Frieden zu tun. Der Zufriedene ist im Frieden. Er hat den Frieden, den die Welt nicht geben kann. Der Weltmensch ist ständig auf der Jagd nach den Genüssen dieses Lebens, er ist vom Essen und vom Trinken und vom Spielen und vom Urlaub erfüllt, aber er hat deswegen noch lange nicht den Frieden. Der im Heiligen Geist befindliche Mensch dagegen denkt an Gott, sinnt auf das, was Gottes ist. Er denkt daran, wie er sich im Dienste Gottes bewähren und auszeichnen kann, wie er Gottes Willen freudig tun kann, und die Schläge, die ja auch über ihn kommen und die Katastrophen, die auch er sieht, können seinen inneren Frieden nicht zerstören. Er bleibt zufrieden, er bleibt im Frieden, weil der Heilige Geist ihm diesen Frieden schenkt. „Meinen Frieden gebe ich euch, meinen Frieden hinterlasse ich euch; nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch,“ hat der Herr verkündet. Und wahrhaftig, das erfüllt er, wenn er den Heiligen Geist in die Seele des Gerechtfertigten entsendet.

2. Der Heilige Geist ist unser Lehrmeister und Erzieher.

Der Heilige Geist belehrt uns über die Wahrheiten des christlichen Glaubens. Er macht, daß wir sie nicht bloß mit dem Verstande kennenlernen, sondern daß wir sie uns zu eigen machen, daß wir davon überzeugt werden, daß sie uns licht, klar und hell vor Augen stehen. Ich bin schon manchmal gefragt worden: Ja, da ist ein junger Mensch, er wurde vom ersten Kindesalter an religiös erzogen, er war in einer katholischen Schule bei Schwestern, er hat in der Familie immer in religiöser Atmosphäre gelebt, und auf einmal wirft er alles weg, Glauben, religiöse Praxis – wie ist das zu erklären? Die Erklärung ist nicht schwer, meine lieben Freunde. Alle diese Dinge, von denen ich sprach,  sind diesem Menschen niemals zur Überzeugung geworden. Er hat das alles mitgemacht, aber es ist nicht sein Eigentum, es ist nicht sein innerer Besitz, es ist nicht sein großes Bedürfnis geworden. Etwas wissen und davon überzeugt sein, das sind ganz verschiedene Dinge.

Eben das bewirkt der Heilige Geist. Er macht, daß aus dem Wissen Überzeugung wird, daß wir die Wahrheiten nicht bloß hören und wiedergeben können, sondern daß wir in ihren Sinn eindringen, daß wir ihren Geist erfassen, daß wir von ihrer Wirklichkeit überführt sind. Und er belehrt uns nicht nur, er leitet uns auch an, das zu tun, was wir wissen. Er ist unser Erzieher. So wie ein Vater oder eine Mutter das Kind anleiten, das Rechte zu tun, das Gute zu verwirklichen und das Böse zu meiden, so macht es der Heilige Geist. Er belehrt uns, und er führt uns, er lenkt uns, und diese Lenkung des Geistes ist ganz wirklich, keine Einbildung, keine Illusion, er ist unser Erzieher zum Guten, er ist unser Erzieher zur Erfüllung der Gebote Gottes, er ist unser Erzieher auf dem Weg zum Himmel.

3. Der Heilige Geist leitet uns zu guten Werken an und macht sie verdienstlich.

Der Heilige Geist ist wie ein Feuer, und ein Feuer will brennen, will verzehren, es ist immer lebendig. Und so weckt der Heilige Geist in den Menschen, die er in Besitz genommen hat, den Drang, Gutes zu wirken, tätig zu sein, sich auszuarbeiten und sich zu verzehren im Dienste Gottes. Ein Mensch, der rastlos für Gott und seine Sache tätig ist, kann nur vom Heiligen Geiste geführt sein. Der Heilige Geist ist wie ein Wind. Der Wind treibt eine Windmühle, und ähnlich-unähnlich – treibt der Heilige Geist die Seele des Menschen an, Gutes zu tun. Alle Müdigkeit, alle Trägheit, alle Sinnlichkeit verscheucht er und führt den Menschen dazu hin, seine Kräfte für das Tun des Guten zu verwenden.

Und diese Werke, die im Heiligen Geiste getan sind, sind verdienstlich, d. h. sie geben uns einen Anspruch auf Lohn. Es muß festgehalten werden, das ist Dogma des Konzils von Trient, daß wir uns die Vermehrung der Gnade, die ewige Seligkeit und die Erhöhung der Himmelsglorie verdienen können. Da hilft keine Berufung auf Herrn Luther. Der ist ja gerade abgewiesen worden auf dem Konzil von Trient. Die guten Werke, die wir im Gnadenstande verrichten, sind verdienstlich. Freilich ändert das nichts daran: Wenn Gott unsere Verdienste krönt, krönt er seine Taten, denn die Verdienste erwerben wir in der Macht seiner Gnade. Er gibt das Wollen und das Vollbringen. Wir sind dabei, wir sind verantwortlich, wir werden belohnt, und trotzdem sind unsere Verdienste seine Gaben.

4. Der Heilige Geist macht uns zu Kindern Gottes und Erben des Himmels.

Erinnern wir uns an die Taufe Jesu. Da zerriß der Himmel und eine Stimme erscholl: „Das ist mein geliebter Sohn!“ Es schwebte der Heilige Geist auf ihn herab. Etwas ähnliches geschieht bei dem, in den der Heilige Geist einkehrt. Auch da ertönt die Himmelsstimme: Dieser ist mein geliebter Sohn! Diese ist meine geliebte Tochter!

Jawohl, wir werden Adoptivkinder, angenommene Kinder Gottes. Er sendet den Geist in unser Herz, in dem wir rufen können: Abba, unser Vater! Wenn der Geist der Kindschaft in uns ausgegossen ist, dann sind wir wahrhaft Kinder Gottes und Erben des Himmels, denn Kinder erben, das ist schon auf Erden so, daß Kinder die Eltern beerben. Auch in der himmlischen Heilsökonomie ist es so, denn wir werden Erben Gottes, Miterben Christi. Wir erben dasselbe, was er geerbt hat, nämlich die Herrlichkeit, die himmlische Freude beim Vater.

Das ist es, meine lieben Freunde, was der Heilige Geist in uns wirkt. Da erkennen wir den ganzen Wert der Rechtfertigung, der Wiedergeburt, des Anziehens des neuen Menschen. Da begreifen wir, was Pfingsten ist, was die Gaben des Heiligen Geistes sind: die einwirkende Gnade, die heiligmachende Gnade, diese wunderbare Wirklichkeit in unserer Seele. Einmal werden alle Brunnen aufspringen, einmal werden alle Knospen erblühen. Das wird sein, wenn wir gelöst von diesem Leibe ihn schauen dürfen, wie er ist. Aber schon jetzt steht das Morgenrot über unseren Altären und über unserer Seele. Schon jetzt können wir spüren in der Seele des Gerechtfertigten etwas vom Hauche, von der Kraft und vom Feuer des Heiligen Geistes. Schon jetzt ist zu erkennen, wer im Heiligen Geiste lebt, wer ihm Raum gibt, wer sich disponiert für sein Wirken und wer ihm die Tür seines Herzens öffnet.

Das ist also unsere Aufgabe, dem Wirken des Heiligen Geistes Raum zu schaffen. Die Gnade wirkt nach dem Maße unserer Empfänglichkeit. Wir haben es in der Hand, ob wir ein billiges Kaninchenglück suchen oder ob wir den Himmel ergreifen wollen. „Das Himmelreich leidet Gewalt, und nur die Gewalt brauchen, reißen es an sich!“ 

Amen.

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