Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Der Heilsplan Gottes (Teil 11)

5. April 1987

Der verheißene Erlöser

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Juden nannten den verheißenen Erlöser den Gesalbten des Herrn. Wie kommt es zu dieser Bezeichnung? Im alten Israel, also vor der Ankunft Christi, wurden gesalbt Könige, Propheten und Hohepriester. Sie wurden gesalbt mit Öl, man schüttete aus einem Fläschchen Öl auf ihr Haupt, und auf diese Weise wurde sinnbildlich ihre Weihe angedeutet, ihre Weihe mit Heiligem Geiste. Die Salbung mit Öl drückte die Kräftigung und die Erleuchtung aus, die sie durch den Heiligen Geist, der ihnen verliehen wurde, empfingen. Also: Propheten, Könige und Hohepriester wurden gesalbt.

Nun ist aber der erschienen, der sowohl Prophet als auch Hoherpriester als auch König in einem ist, nämlich der Heiland Jesus Christus, und so mußte er erst recht eine Salbung empfangen, freilich nicht eine äußere, sondern eine innere, nämlich die Begabung mit dem Heiligen Geist in Fülle. Denn er ist gesalbt, wie kein anderer gesalbt worden ist.

Das hebräische Wort für „Der Gesalbte“ heißt Maschiach oder Messias in der Umgangssprache des Aramäischen. Die Übersetzung von „Messias“ ins Griechische heißt „Christos“. Da haben wir also die Erklärung, wie Jesus zu dem Namen Christus kommt. Das ist nicht sein Eigenname. Maria hat Jesus nicht gerufen „Christus“, sondern sie hat ihn gerufen „Jesus“. Christus ist der Würdename Jesu, es ist der Name, der seinen Titel enthält, ja der seine Bedeutung wiedergibt. Er ist der Gesalbte, der, auf den die Völker harren, der, den die Juden erwartet haben, der, von dem die Propheten geweissagt haben. Er ist der einzige, der diesen Titel zu Recht und mit vollem Rechte führt. Jesus der Christus, der Gesalbte. Wenn wir sagen „Jesus Christus“, ist es eigentlich nicht ganz ursprünglich, denn Christus ist eben kein Eigenname, sondern „Christus“ ist ein Würdename, der dem Eigennamen „Jesus“ hinzugefügt wird. Genauer wäre es, zu sagen: Jesus der Christus (= der Messias).

Daß sich die Weissagungen der Propheten in Jesus von Nazareth erfüllt haben, das hat er selbst mehr als einmal seinen Zuhörern verkündet. Vor seiner Hinrichtung und nach seiner Hinrichtung hat er den Menschen gesagt, daß er der Gesalbte ist, daß sich die Weissagungen der Menschen, die Gott berufen hatte, in ihm erfüllen. Als er am Jakobsbrunnen saß im Lande der Samariter und das samaritanische Weib mit ihm sprach, da kam das Gespräch auch auf den Gesalbten, auf den Messias. „Ich weiß, daß der Messias kommt,“ sagte das Weib. Da erklärt Jesus: „Ich bin es, der mit dir redet.“ Er hat also vor diesem samaritanischen Weibe ein Messiasbekenntnis abgelegt. Und im härtesten Augenblick seines Lebens, als er vor dem Hohenpriester Kaiphas stand, da hat er wieder ein solches Bekenntnis abgelegt. „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott,“ sagte der Hohepriester, „daß du uns sagest, ob du bist Christus, der Sohn des Hochgelobten!“ Da kommt die Antwort: „Du sagst es, ich bin es!“ Auch hier also, vor dem versammelten Hohen Rat, hat Christus sich als den Messias bekannt.

Der Evangelist Matthäus ist derjenige unter den vier Evangelisten, der besonders – nicht allein, aber besonders – auf den Nachweis bedacht ist, daß die Weissagungen der Propheten in Jesus von Nazareth erfüllt sind. Das beginnt schon bei der Engelsbotschaft. Auf den Fluren von Bethlehem verkündet der Engel den Hirten: „Seht, ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volke widerfahren wird: Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus – Christus! Der Gesalbte! – der Herr.“ Ebenso hat Josef vom Engel die Botschaft empfangen: „Du sollst ihm den Namen Jesus geben (Das Wort „Jesus“ bedeutet Gott hilft!), denn er wird sein Volk erlösen von seinen Sünden.“ Er wird also der verheißene Erlöser sein, der der Gesalbte, der der Christus ist.

Nun scheint ein Widerspruch zu bestehen zwischen diesem Anspruch Jesu und der Tatsache, daß wir vor allem im Markusevangelium oft das Verbot Jesu vernehmen, die Menschen, auch die Dämonen sollten davon schweigen, daß er der Messias ist. Warum sollen sie denn schweigen? Warum sollen sie denn nicht erzählen, daß er der Messias ist, wenn er es doch ist? Dieses sogenannte Messiasgeheimnis im Markusevangelium hat einen besonderen Grund. Denn die Messiasvorstellung der Juden war zu der Zeit, als Jesus von Nazareth auftrat, wir würden sagen: verweltlicht. Sie erwarteten einen irdischen Messias, einen Messias, der ein großes irdisches Reich aufrichtet, der die Juden mächtig macht, der die Römer vertreibt aus dem Lande, der ihnen, den Zeitgenossen, zu irdischen Gewinnen verhilft; einen solchen Messias erwartete man, und das konnte und das wollte Jesus nicht erfüllen. Solche Hoffnungen zu erfüllen, hatte der Vater ihm nicht aufgetragen. Er war ein Messias anderer Art, ein Messias, wir würden heute sagen: auf der geistlichen Ebene, ein Messias im religiösen Sinne. Er wird sein Volk von seinen Sünden, nicht von der Unterdrückung durch die Römer erlösen. Dieses Mißverständnis, meine lieben Christen, ist eigentlich in zweitausend Jahren Kirchengeschichte immer wieder aufgetaucht. Immer wieder hat es Menschen gegeben, welche die Kirche, welche die Religion für irdische Zwecke, für irdischen Gewinn ausnützen wollten. Wenn wir einmal in ein Geschichtsbuch der DDR schauen, dann finden wir eine merkwürdige Darstellung des Urchristentums; denn dort wird das Urchristentum als eine Bewegung von Sklaven geschildert, die sich zusammengetan haben, um die Herrschaft der Reichen und der Mächtigen zu brechen. Das ist ein totales Mißverständnis der Botschaft Jesu, aber auch des Urchristentums. Paulus hat an keiner Stelle gesagt: Die Sklaverei muß aufgehoben werden, sondern er hat gesagt: „Ihr Sklaven, seid gehorsam eueren Herren!“

Das Christentum ist eine religiöse Bewegung, eine sittliche Bewegung. Diese Bewegung will den Menschen innerlich verwandeln. Kein Zweifel: Wenn der Mensch innerlich verwandelt ist, wird er auch die Erde verändern, wird er sich auch gegenüber seinem Nächsten, gegenüber seinen Angestellten, gegenüber seinen Sklaven so verhalten wie ein erneuerter, wie ein im Heiligen Geiste lebender Mensch sich eben verhalten muß.

Also: Christus wollte erneuerte Menschen schaffen, um aufgrund dieser erneuerten Menschen die Erde zu gestalten und, wo notwendig, zu verändern. Aber das Christentum ist nicht als eine soziale Bewegung, nicht als nationale Bewegung ins Leben getreten, sondern als eine religiöse Bewegung. Wer die Kirche nur danach einschätzt, was sie für Alte und Kranke tut, der verkennt vollständig ihr Wesen. Die Kirche ist für Alte und Kranke selbstverständlich da, aber sie ist auch für Gesunde und Reiche da, die Kirche ist für alle da. Sie will alle Menschen innerlich wandeln, damit sie Brüder und Schwestern werden und den Vater im Himmel gemeinsam verherrlichen.

Als Jesus die irdischen Hoffnungen seiner Zeitgenossen nicht erfüllte, da begehrten sie gegen ihn auf, da waren sie unzufrieden, ja da fielen sie von ihm ab. Es ist wahrscheinlich, daß der eine Apostel, der Jesus verraten hat, dadurch zu seinem Verrat kam, daß er die irdischen Messiashoffnungen genährt hat. Als er enttäuscht war, begab er sich zu den Hohenpriestern und erklärte sich bereit, den Heiland auszuliefern. Ein Enttäuschter, ein Gekränkter, ein in seinen festen Hoffnungen in jeder Weise von Christus Irregeführter. So beschlossen die Hohenpriester und die Schriftgelehrten, Jesus zu beseitigen, denn dieser Mann war gefährlich. Er erhob sich nicht nur nicht gegen die Römer, sondern forderte sogar auf, dem Kaiser Steuer zu zahlen, er schärfte ihnen sogar ihre Pflichten gegen diesen verhaßten römischen Kaiser ein, und ihnen selbst hielt er einen Spiegel vor, bezeichnete sie als Natterngezücht, als übertünchte Gräber. Das konnten sie, das wollten sie nicht ertragen und darum beschlossen sie, ihn zu töten.

Was wir jetzt in den kommenden 14 Tagen im Kirchenjahr nachzuleben versuchen, das hat sich einmal wirklich und wahrhaftig in der Geschichte so abgespielt. Am Sonntag vor dem Osterfeste zog Jesus triumphal – bei seinen Anhängern triumphal – in Jerusalem ein. Die folgenden Tage lehrte er noch einmal im Tempel, am Donnerstag genoß er mit den Seinen das Abendmahl, das Osterlamm und setzte bei dieser Gelegenheit das eucharistische Opfersakrament ein, weihte bei dieser Gelegenheit die Apostel zu Priestern des Neuen Bundes, dann ging er auf den Ölberg hinauf, dort ward er von den Häschern gefangen. Er wurde zunächst vor das jüdische Tribunal, vor den Hohen Rat geführt. Dieses Gremium nahm eine Untersuchung vor, sie endete mit dem „schuldig“ aufgrund von falschen Zeugenaussagen. Weil die Juden in dieser Zeit die hohe Gerichtsbarkeit verloren hatten, die Judengerichtsbarkeit, mußten sie sich an den Vertreter Roms wenden, an den Landpfleger, den Prokurator Pontius Pilatus. Sie brachten viele Beschuldigungen vor, aber Pilatus vermochte keine todeswürdige Verfehlung zu erkennen, im Gegenteil, er bemühte sich, Jesus freizugeben, aber da er ein schwacher, ein feiger Mensch war, gab er dem Andringen und den Drohungen der Juden nach und verurteilte Jesus zum Tode.

Am Freitag wurde Jesus wenige hundert Meter vor der Stadt Jerusalem gekreuzigt. Die Kreuzigungsstrafe war die verächtlichste Strafe, die es damals gab, sie durfte an römischen Bürgern überhaupt nicht vollzogen werden, sondern nur an Personen, die nicht das römische Bürgerrecht besaßen. Um drei Uhr ist Jesus am Kreuze gestorben.

„Sein Haupt hat er geneigt,“ sagt der heilige Augustinus, „um uns zu küssen. Seine Arme hat er ausgebreitet, um uns zu umarmen. Sein Herz hat er geöffnet, um uns zu lieben.“

„Ach Herr, was du erduldet, ist alles meine Last; denn ich hab' das verschuldet, was du getragen hast. Schau her, hier steh' ich Armer, der Zorn verdienet hat. Gib mir, o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad'!“

Amen.

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