Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  

Predigtreihe: Der Heilsplan Gottes (Teil 9)

22. März 1987

Die Offenbarung des göttlichen Heilsplans

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Gott hat den ersten Menschen die Sünde verziehen. Sie besaßen beim Sündigen nicht dieselbe helle Erkenntnis wie die Engel. Außerdem trat das Böse von außen als eine verführerische Macht an sie heran. Schließlich zeigten sie ja bis zu einem gewissen Grade auch Einsicht in ihre Schuld. Darum hat Gott ihnen verziehen, und er hat sie und ihre Nachkommen nicht ohne Hoffnung gelassen.

Bereits im 1. Buch der heiligen Schrift steht das Proto-Evangelium – also die erste Kunde von der Frohbotschaft – und sie lautet: „Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe, zwischen deiner Nachkommenschaft und ihrer Nachkommenschaft. Sie wird dir den Kopf zertreten und du wirst ihrer Ferse nachstellen.“ Dieses Proto-Evangelium ist an die Schlange, also an das böse, verführerische Prinzip, gerichtet, und es beinhaltet einmal, daß zwischen der Nachkommenschaft der Schlange, also dem Teufel und seiner Gefolgschaft, und der Nachkommenschaft des Weibes Feindschaft, Kampf, erbitterter Kampf herrschen werde. Und einer aus dieser Nachkommenschaft wird der Schlange den Kopf zertreten, d.h. er wird den Sieg in diesem Kampf erringen und so das ganze Menschengeschlecht von dieser Schlangenherrschaft befreien. Dieses Proto-Evangelium, diese erste Verkündigung des kommenden Erlösers, ist nicht allein geblieben. Immer wieder im Laufe der Geschichte hat Gott durch Offenbarungen den Offenbarungsträgern Verheißungen bezüglich des kommenden Erlösers gegeben. Dem Abraham hat Gott versprochen: „In dir werden gesegnet sein alle Geschlechter der Erde.“ Das will sagen: Aus dem von ihm hervorgehenden Samen werden einmal Menschen erscheinen und Geschehnisse sich ereignen, die für die ganze Menschheit ein Segen sein werden, vor allem der eine, der als der Schlangenzertreter in seiner Nachkommenschaft auftreten wird. Die Verheißungen sind dann weitergegangen an Isaak und Jakob. Die Patriarchen waren die ersten Empfänger und Träger dieser Verheißungen. Patriarchen nennen wir die Urväter vor der Sintflut und nach der Sintflut.

Nach ihnen kamen die Propheten. Die Propheten waren gotterleuchtete Männer, die im Namen Gottes und im Auftrag Gottes zum Volke sprachen. Sie hatten zwei Aufgaben, nämlich einmal, das Volk von der Sünde abzuhalten, und zum anderen, den Glauben an den Erlöser in ihm lebendig zu erhalten. Die Propheten wurden aus den verschiedensten Lebensständen genommen. Amos war ein Hirte; Isaias stammte aus königlichem Hause; Elisäus wurde vom Pfluge weg zum Prophetendienst gerufen. Mehrere Propheten waren unverehelicht, Elias, Elisäus, Jeremias. Fast alle Propheten wurden verfolgt. Das ist Prophetenschicksal.

Wir zählen etwa 70 Propheten. Der größte unter ihnen ist Isaias. Er hat vom Erlöser geweissagt in einer Weise, die unübertroffen ist, und deswegen heißt er der Evangelist unter den Propheten. Eine ganze Reihe von Propheten hat Schriften hinterlassen. Wir nennen sie die Schriftpropheten, und zwar gibt es unter ihnen 4 große und 12 kleine Propheten. Der letzte Prophet ist Malachias, er lebte etwa um 450 v. Chr.

Diese Propheten haben nun von dem Erlöser geweissagt, von seiner Person, von seiner Ankunft, von seinem Leben und Leiden, von seiner Verherrlichung, und viele dieser Texte sind uns aus dem Laufe des Kirchenjahres bekannt. Wir erinnern uns, daß der Prophet Michäas geweissagt hat: „Und du, Bethlehem im Lande Juda, bist keineswegs die kleinste unter den Fürstenstädten, denn aus dir wird hervorgehen der Herrscher, der mein Volk regieren soll.“ Also die Ankunftsstätte des Erlösers, der Geburtsort, wurde vorhergesagt.

Auch der Zeitpunkt seines Erscheinens wurde angekündigt, es sollte nämlich sein, wenn der Tempel noch steht. Der Tempel ist bekanntlich 70 n.Chr. zerstört worden. Der Tempel, der zur Ankunftsstätte des Messias werden sollte, war freilich bei weitem nicht so schön wie der salomonische Tempel, und die Greise, die den ersten Tempel noch gesehen hatten, weinten, als der zweite aufgerichtet wurde, weil er eben an Herrlichkeit mit dem ersten nicht konkurrieren konnte. Aber der Prophet Aggäus tröstete sie, denn „in diesen Tempel,“ so sagte er, „wird einziehen der Erlöser, der Messias.“ Der Messias sollte kommen, wenn der Stamm Juda nicht mehr die Königsherrschaft trägt. „Nicht weichen wird das Zepter von Juda, bis der Messias kommt,“  so hatte die prophetische Verheißung vorhergesagt. Und tatsächlich, als Jesus geboren wurde, da war das davidische Geschlecht nicht mehr in der Königsherrschaft. Der regierende König Herodes war ein Fremdling, eigentlich ein Heide und von den Römern auf den Thron gesetzt worden.

Auch die Umstände der Geburt wurden vorhergesagt, und zwar vom Propheten Isaias. „Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären.“ Die Jungfrauengeburt ist vom Propheten Isaias vorhergesagt worden. Das war das Zeichen, das sich der König Achaz hätte erbitten können, dem er sich aber verweigert hat. Und deswegen: „Gott selbst wird euch ein Zeichen geben. Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären.“

Auch die Wesensart dieses Erlösers wurde vorhergesagt. „Gott selbst wird kommen und euch erlösen.“ Also ein unerhörtes Ereignis; nicht ein irdischer Messias, sondern ein himmlischer Messias, ein Gottkönig, ein König nach der Ordnung des Melchisedech, das sollte der Messias sein. „Gott selbst wird kommen und euch erlösen!“ Und so heißt es denn auch bei Isaias: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt, sein Name heißt Emanuel, er wird genannt Wunderrat, Gottheld, Vater der Zukunft, Friedensfürst.“ Alle diese Titel deuten auf die übermenschliche Wesensart dieses Kindes hin. Ein Kind gewiß, ein Mensch bestimmt, aber eben von einer anderen Qualität als die sonstigen Menschen, der in der Gestalt des Menschen erscheinende Gottessohn.

Auch von den Wundern und Machttaten des Messias wurde von den Propheten Kunde gegeben. „Gott selbst wird kommen und euch erlösen. Dann werden die Augen der Blinden aufgetan, dann werden sich die Ohren der Tauben lösen, dann springt der Lahme wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird jauchzen.“

Wahrhaftig, so wurde das Wirken des Messias beschrieben. Auf eine prophetische Art wurde er auch von Moses angekündigt: „Einen Propheten wie ihn – also wie Moses – will er erwecken.“ In besonders deutlicher Weise ist das Leiden des Messias im prophetischen Buche des Isaias angekündigt. Da sind es vor allem die Kapitel 52 und 53, die sogenannten Gottesknecht-Lieder. Da wird der Messias, der Erlöser, beschrieben als ein Mann der Schmerzen.“ Er hat kein Aussehen, daß wir ihn ansehen möchten, er ist der letzte der Menschen, voll von Beulen und Striemen, blutig geschlagen. Wie ein Lamm wird er zur Schlachtbank geführt; und wie ein Lamm vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf.“

In ergreifender Weise hat hier der Prophet die Leiden, die erlösenden, die stellvertreterischen Erlösungsleiden des Messias vorherverkündet. Im Laufe der Heilsgeschichte ist immer wieder von dem leidenden Messias die Rede. „Sie warfen über mein Gewand das Los,“ so heißt es in einem Psalm, und wir wissen, daß sich das erfüllt hat beim Sterben unseres Heilandes.

So haben also die Propheten das Wesen des Messias durch die Verheißungen, die Gott ihnen zu verkünden gab, immer besser erkannt. Darüberhinaus gab es noch eine ganze Reihe von Gestalten und Ereignissen, die Vorentwürfe, Schattenrisse des Messias waren. Bevor man ein Haus baut, macht man einen Bauplan, und nach dem Bauplan erfolgt die Aufrichtung des Hauses. So ähnlich ist es auch mit den Gestalten und Ereignissen des Alten Bundes. Sie waren ein Vorentwurf, ein Aufriß dessen, was im Neuen Bunde geschehen sollte. Augustinus hat diese Wahrheit in die klassischen Worte gekleidet: „Der Neue Bund ist im Alten verborgen, der Alte Bund ist im Neuen enthüllt.“ Und so können wir viele Gestalten und Ereignisse namhaft machen, in denen der Alte Bund vorher vorbildlich zeigt, was im Neuen geschehen sollte.

Solche Gestalten sind beispielsweise Abel und Noe. Abel war der Gerechte, so wie der Messias der einzig Gerechte, der einmalig Gerechte und Heilige sein sollte. Er brachte ein unbeflecktes, Gott wohlgefälliges Opfer dar, wie auch der Herr und Heiland sich selbst als Gott wohlgefällige Gabe dem Vater im Himmel darbrachte. Noe war jener Mann, der die Gerechten über die Sintflut in der Arche rettete, ähnlich wie der Herr Jesus Christus alle, die sich in seiner Kirche versammeln, aus der Verderbnis und vor der Verurteilung Gottes rettet.

Ein Mann wie der ägyptische Josef ist ebenfalls ein Vorentwurf des Heilandes. Er wurde verkauft um 20 Silberlinge, so wie Christus verraten wurde um 30 Silberlinge. Er kam ins Gefängnis, aber der Pharao befreite ihn; das ist eine Vorahnung, daß der Messias zwar blutig sterben müsse, aber doch auch glorreich auferstehen werde.

Im Meßtext von gestern war ein eigenartiger Vorentwurf des Messias enthalten. Da war die Rede von Jakob. Jakob hat sich den Segen seines Vaters erschlichen, indem er sich als seinen Bruder Esau ausgab. Er hatte sich ein Ziegenfell angelegt, und so erschien er dem Vater als der behaarte ältere Bruder Esau und erschlich sich so den Segen des Vaters. Wenn dieser Text jetzt in der Bußzeit gelesen wird, dann hat das eine ganz bestimmte Bedeutung. So ähnlich wie nämlich Jakob die Gestalt eines anderen annahm, so ähnlich – natürlich auch wieder unähnlich, jeder Vergleich hinkt – so ähnlich hat auch der Herr die Gestalt anderer angenommen, indem er sich mit den Sünden der Menschen belud. Nicht für eigene Sünden hat er gebüßt, sondern für die Sünden seiner Brüder. Deswegen, aber auch nur deswegen ist Jakob ein Vorentwurf des Heilandes, der für fremde Sünden gelitten hat.

Auch eine ganze Reihe von Ereignissen des Alten Bundes deuten auf den Messias hin. An erster Stelle das Osterlamm. Das mußte ein fehlerloses Lamm sein, das geschlachtet wurde und verzehrt wurde. Sein Blut, das an die Pfosten der Türe gestrichen wurde, hielt den Todesengel ab, die Israeliten zu vernichten, wie es mit den Ägyptern geschah. So ist also dieses fehlerlose Opferlamm ein Vorbild des makellosen Opferlammes Gottes, Jesus Christus. Ein weiteres Vorbild ist das Opfer am Versöhnungstag. Die Israeliten hatten die Angewohnheit, am Versöhnungstag einen Ziegenbock vorzuführen. Der Hohepriester breitete seine Hände auf das Haupt des Ziegenbocks und übertrug so bildhaft, symbolisch die Sünden des Volkes auf diesen Ziegenbock. Dann wurde dieser Ziegenbock – der Sündenbock – in die Wüste getrieben, und dort ging er zugrunde. Das war eine primitive Art und eine einfältige Weise, von den Sünden loszukommen. Das wahre Opfer, das wahre Opferlamm ist Jesus Christus, der ohne Schuld gelitten hat und die Sünden wahrhaft hinweggetragen hat, weil er sie auf seine eigenen Schultern nahm.

Auch die eherne Schlange in der Wüste ist ein Vorbild des Heilandes. So sagt der Herr im Johannesevangelium: „So wie die Schlange in der Wüste erhöht wurde“ – die eherne Schlange –, „so muß der Menschensohn erhöht werden.“ Der Blick auf die eherne Schlange in der Wüste rettete die Israeliten vor den Schlangen, die sie töten wollten. Und so rettet der Blick auf den gekreuzigten Heiland die Menschen, die sich in Glauben und Vertrauen ihm zuwenden. Jeder, der sich gläubig dem Herrn am Kreuze zuwendet, der wird gerettet.

So sehen wir also, meine lieben Freunde, wie die Verheißungen im Alten Bunde Entwürfe dessen waren, was im Neuen Bunde geschehen sollte. Auch die Heiligen des Alten Bundes wurden durch Christus, durch den Glauben an Christus gerettet, nämlich durch den Glauben an den verheißenen Christus. Wir werden gerettet durch den Glauben an den gekommenen Heiland. Aber beide Male, vor Christus und nach Christus, ist es der Herr, der uns rettet, denn in keinem anderen Namen ist uns das Heil gegeben als im Namen Jesu Christi.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt