Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. Juli 2021

Das kostbare Blut unseres Herren

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am 1. Juli begeht die Kirche das Fest des kostbaren Blutes Christi. Es ist dies ein echt biblisches Fest. Denn im Neuen Testament ist 37-mal vom Blute Jesu die Rede; damit ist immer sein Tod am Kreuze gemeint. Das Blut Christi ist der Preis unserer Erlösung, seine Vergießung die Sühne für die Sünden der Welt (Apk 1,5; 5,9). Der Apokalyptiker Johannes hört die Heiligen des Himmels rufen: „Würdig bist du, o Herr, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu erschließen. Denn du bist getötet worden und hast uns in deinem Blute erkauft aus allen Stämmen und Sprachen, Völkern und Nationen.“ Der Hebräerbrief unterstreicht die einzigartige Sühnkraft des Blutes Christi durch den überbietenden Gegensatz zum Blut der Opfertiere (Ex 24,3-8; Lev 16; Hebr 9f.): „Unmöglich nimmt Blut von Böcken und Stieren Sünden hinweg. Christus aber hat ein einziges Opfer dargebracht und dadurch auf immer die vollendet, die sich heiligen lassen.“ Jesus selbst verstand sich als den Gottesknecht, der sein Leben anstelle und zugunsten der Vielen (Is 53,11f.), d.i. der Ungezählten aus allen Völkern hingibt (Mk 10,45). Er stellt sein Sterben als Sühnetod für unsere Sünden dar (Mt 20,28): „Der Menschensohn ist gekommen, sein Leben als Lösegeld anstatt vieler hinzugeben.“ Das Neue Testament spricht dem Blut Christi folgende Wirkungen zu: Das Blut Christi „sühnt“ und „rechtfertigt“ (Röm 3,25; 5,9); „reinigt“ (1 Joh 1,7; Hebr 9,14; Apk 7,14); „heiligt“ (Hebr 13,12); „stiftet Frieden“ (Kol 1,20; Eph 1,7); „gibt Kraft zum Sieg“ (Apk 12,11). Für den Apokalyptiker ist Blut zentrales Zeichen der Hoffnung (1,5; 5,9; 7,14). Er sieht die triumphierende Kirche des Himmels: „Das sind die, die aus der großen Trübsal kommen. Sie haben ihre Kleider weißgewaschen im Blute des Lammes. Darum dienen sie Gott bei Tag und Nacht.“ Begrifflich gesprochen: Der Kreuzestod Christi ist die Wirkursache unserer Erlösung. Petrus begrüßt in seinem ersten Brief seine Adressaten als Auserwählte zur Besprengung mit dem Blute Jesu Christi. „Ihr seid nicht mit vergänglichen Gütern, mit Silber oder Gold von eurem törichten Wandel losgekauft worden, sondern durch das kostbare Blut Christi, dieses makellosen und unbefleckten Lammes“ (1 Petr 1,18f.).

Die alttestamentliche Ordnung zwischen Gott und dem auserwählten Volke, der Bundesschluss, wurde aufgerichtet mit Blutvergießen. Die Gesetzgebung am Berge Sinai geschah mit der Opferung junger Rinder. Moses nahm die Hälfte des Blutes und goss es gegen den Altar aus. Mit der anderen Hälfte besprengte er das Volk. Durch das Opferblut wurde die Bundesschließung bekräftigt. Moses sprach: „Dies ist das Blut des Bundes, den der Herr mit euch geschlossen hat aufgrund all dieser Gebote“ (Ex 24,8). Wie der Alte Bund durch Opferblut begründet wurde, so schloss Christus in seinem eigenen, am Kreuz vergossenen Blut den Neuen Bund (Mk 14,24; 1 Kor 11,25; Hebr 9,20). Beim Letzten Abendmahl sprach er zu seinen Jüngern: „Dies ist mein Blut des (Neuen) Bundes, das für viele vergossen wird.“ Das Blutvergießen des Gottessohnes schafft ein neues, innerlich entsündigtes Bundesvolk (1 Kor 11,25 = Lk 22,20). Durch dieses „Blut des Neuen Bundes“ stiftete er Frieden (Kol 1,20), erwarb er sich die Kirche (Apg 20,28), sind wir gerechtfertigt (Röm 5,9) und für Gott erkauft (Apk 5,9), haben wir die Erlösung (Eph 1,7).

Christus hat uns in der Eucharistiefeier ein Denkmal seines heilbringenden Leidens hinterlassen. Das Messopfer ist die sakramentale Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers. In der Eucharistie ist der ganze Christus mit Fleisch und Blut, Leib und Seele, Gottheit und Menschheit gegenwärtig. Christus verlangt nun, dass man sein Fleisch esse und sein Blut trinke (Joh 6, 54-57). Darunter ist (wie 1 Kor 11,26f.) dessen eucharistischer Empfang verstanden. „Fleisch und Blut“ Christi genießen heißt so viel wie den ganzen Christus genießen. Nach den Einsetzungsworten wird durch die Worte „Dies ist mein Leib“ zwar formell (oder vi verborum) nur der Leib Christi gegenwärtig gesetzt; aber materiell doch gewiss jener Leib, wie er jetzt sich tatsächlich verhält, nämlich der bluterfüllte, beseelte und mit der Person des Logos hypostatisch verbundene Leib, also der ganze Christus. Folglich sind außer dem Leibe auch das Blut, die Seele und die Gottheit Christi per concomitantiam (durch Begleitung) in der heiligen Eucharistie gegenwärtig. Das gleiche gilt vom Blute Christi im Kelche. Der verklärte Leib Christi kann nicht ohne sein zugehöriges Blut und der bluterfüllte Körper kann nicht ohne seine Seele als Wesensform und die ganze so konstituierte Menschheit kann nicht ohne den hypostatisch mit ihr vereinigten Logos bestehen. Folglich ist schon in der Hostie ohne den Kelch, und ebenso im Kelche ohne die Hostie, der ganze Christus in der Totalität seines Wesens zugegen. Der verklärte Christus kann auf dem Altare, sei es in der Hostie oder im Kelche, nur in voller Unversehrtheit ohne Teilung und Zerstückelung erscheinen, weshalb sowohl der konsekrierten Hostie als dem konsekrierten Kelche der Kult der Anbetung darzubringen ist. Unter jeder einzelnen der beiden Gestalten ist der ganze Christus ganz gegenwärtig. Christi Worte sind für den bloß in einem innerweltlichen Raume lebenden und denkenden Menschen unfasslich und unglaublich. Das gläubige Ja zu ihnen setzt das Ja zu Christus selbst voraus. Er, der Macht hat über die Natur, ist fähig, sein Fleisch und Blut in eine solche Existenzform zu bringen, dass es uns als Speise und Trank dienen kann. Die Worte des Herrn zwingen die Hörer zur Entscheidung, ob sie bereit sind, dem sich offenbarenden Gott vorbehaltlos sich zu überantworten, oder ob sie aus ihrer menschlichen Weisheit heraus bestimmen wollen, was Gott tun kann und was nicht. Es ist eine Entscheidung auf Leben und Tod.

Die Verehrung des kostbaren Blutes ist eine berechtigte und gesegnete Weise, mit unserem Herrn umzugehen. Das Blut des verklärten Christus ist, auch im Altarsakrament, im Hinblick auf die göttliche Person und mit dieser anzubeten. Die Verehrung des kostbaren Blutes ist eigentlicher cultus latriae, Anbetung, weil das Blut Christi ein integrierender Bestandteil seiner heiligen Menschheit und als solcher mit dem ewigen Wort hypostatisch vereinigt ist. Seine anbetende Verehrung ist so alt wie die Kirche. Schon der Apostel Petrus spricht in seinem ersten Brief vom „kostbaren Blut Christi“. Wir haben das Recht und die Pflicht, das kostbare Blut Christi zu verehren. Auf welche Weise verehren wir es? Erstens. Indem wir den gekreuzigten Heiland verehren. Er ist der Schmerzensmann, der blutig gegeißelte, an das Kreuz genagelte Knecht Gottes. Der Soldat, der nachprüfen wollte, ob Jesus schon gestorben sei, stieß seine Lanze in die Seite des Herrn, und sogleich floss Blut und Wasser heraus. Durch sein kostbares Blut sind wir für Gott erkauft. In meiner Heimat singt das gläubige Volk: „Herr, ich küsse deine Füße, deiner heiligen Hände Mal. Hast die Wunden ja empfangen, auch für meiner Sünden Zahl. Voller Treue und mit Reue über meine Missetat küss’ ich heute jene Seite, die man dir geöffnet hat. Und in Demut und mit Wehmut sei dein heilges Haupt geküsst, das verhöhnet, dorngekrönet, voller Blut und Wunden ist.“ Papst Pius VII. fragt in einem von ihm verfassten Gebet: „Wer ließ dieses göttliche Blut aus den Adern meines Herrn fließen bis zum letzten Tropfen?“ Und er gibt die Antwort. „Gewiss, die Liebe, die grenzenlose Liebe dieses Heilands.“ Zweitens. Wie verehren wir das kostbare Blut? Indem wir am Messopfer mit der Gesinnung und der Haltung teilnehmen, wie sie diesem heiligen Geschehen entsprechen. In der Mahnung zum rechten Verhalten bei der eucharistischen Feier hält Paulus den Korinthern vor Augen, dass es sich hier nicht um eine gewöhnliche Mahlzeit handelt. Was hier gegessen wird, ist der Leib Christi, was getrunken wird, ist das Blut Christi. Im Genusse des dahingegebenen Leibes und des vergossenen Blutes liegt eine Vergegenwärtigung des Kreuzestodes. Der die Eucharistie Feiernde verkündet durch die Tat: Christus ist gestorben; hier ist sein Leib, hier ist sein Blut. Drittens. Wie verehren wir das kostbare Blut? Indem wir gläubig und vertrauensvoll die Segenskraft des Blutes Christi erflehen. Dazu bietet das Geschehen der heiligen Messe eine einzigartige Gelegenheit. Wenn der Priester nach der heiligen Wandlung den Kelch erhebt, sind die Gläubigen aufgefordert, das kostbare Blut des Herrn anzubeten und seine Sühnekraft zu erbitten. Wir können beten: „O wahres und lebendiges Blut des Herrn, einst am Kreuze für uns geflossen, jetzt auf diesem Altare gegenwärtig, ich bete dich in Demut an. Wasche meine Sünden ab. Stärke meine Seele im täglichen Kampf gegen das Böse. Lass uns um dieses Opfers willen Erbarmen finden. Erfülle uns mit reichem Segen.“ Wir können auch mit Papst Pius VII. flehen: „Ewiger Vater, ich opfere dir auf das kostbare Blut Jesu Christi zur Sühne für meine Sünden, zum Trost der Armen Seelen im Fegfeuer und für die Anliegen der heiligen Kirche.“ Viertens. Wie verehren wir das kostbare Blut? Indem wir seiner in unseren täglichen Gebeten gedenken. In dem Hymnus „Te Deum“ – Großer Gott wir loben dich steht die Bitte der Gläubigen: „Stehe deinen Dienern bei, die du mit deinem kostbaren Blute losgekauft hast.“ In dem Gebet „Seele Christi, heilige mich“ beten wir: „Blut Christi, berausche mich.“ Damit wird die Sehnsucht ausgesprochen, mit der Wärme des Herzens Jesu erfüllt zu werden, aus dem dieses Blut erflossen ist. In jedem Abendgebet beten wir um Vergebung der Sünden, die wir an diesem Tage begangen haben. Daran schließen wir die trostvolle Verheißung: „Deine Gnad' und Jesu Blut macht ja allen Schaden gut.“ Oft sollten wir zu unserem Herrn rufen um Rettung vor dem ewigen Tode: „Ach, lass dein Blut und deine Pein an mir doch nicht verloren sein.“ Die Litanei vom kostbaren Blut enthält ergreifende Anrufungen. In dieser Litanei heißt es: Blut Christi, Starkmut der Martyrer, Kraft der Bekenner, Lebensquell der Jungfrauen, Stütze der Gefährdeten, Linderung der Leidenden, Trost der Weinenden, Hoffnung der Büßenden, Zuflucht der Sterbenden, erbarme dich unser.

O meine Freunde, es ist ein wahres Glück, das Blut Christi verehren zu dürfen. Dieses Blut ist nicht fern von uns. Es ist im Kelch der heiligen Messe. Es ist im bluterfüllten Leibe des Herrn, der uns in der heiligen Hostie geschenkt wird. Erinnern wir uns heute der Worte Jesu und seiner Apostel. „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinen Blute“ (Lk 22,20; 1 Kor 11,25). „Der Kelch der Segnung, den wir segnen (= konsekrieren), ist er nicht Teilnahme am Blute Christi?“ (1 Kor 10,16). „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben“ (Joh 6,55). Beten wir mit dem heiligen Thomas von Aquin: Du, dem Pelikane gleicher Jesus mein, wasche mit deinem Blut mich rein. Ein Tropfen dieses Blutes ist genug, gnädig tilgt er aller Frevel Trug.

Amen. 

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt