Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
13. Mai 2021

Christi Himmelfahrt

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Glaubensaussage von der Himmelfahrt Christi bekennt ein Doppeltes: einmal das Ereignis der Erhöhung und dann den Zustand des erhöhten Herrn in der Teilnahme an der Macht und Herrlichkeit Gottes. Zunächst das Ereignis. Das Dogma lautet: Christus stieg mit Leib und Seele aus eigener Kraft in den Himmel hinauf. Die Glaubensbekenntnisse der Kirche legen Wert auf die Aussage, dass die Himmelfahrt auch dem Leibe nach erfolgte. Christi Himmelfahrt geschah nicht seiner göttlichen, sondern nur seiner menschlichen Natur nach. Der göttlichen Natur nach hat er, der als Gott Himmel und Erde erfüllt, den Himmel nie verlassen. Seiner Menschheit nach, die ja nicht allgegenwärtig ist, war er vor der Auffahrt nicht im Himmel. Seiner menschlichen Natur nach (Leib und Seele), die Erde verlassend, begab er sich an den Ort der gemeinsamen Seligkeit der Engel und Menschen, wo immer er sein mag. Die sichtbare Himmelfahrt Christi vollzog sich nach oben, in Richtung auf den Wolkenhimmel. Es ist zunächst an die räumliche Höhe des Himmels zu denken. Doch der Himmel der Verklärten lässt sich mit den lokalen Ausdrücken „oben“ oder „unten“ nicht näher bestimmen. Er ist dort, wo sich Gott den Seligen offenbart. Die Geste bzw. die Aussage des Emporschwebens ist keine Parallele zu der Raumfahrt der Astronauten, die wir Zeitgenossen mit Bewunderung erleben. Sie ist vielmehr eine religiöse Wirklichkeit. Das Emporschweben verkündet die Tatsache der Existenzerhöhung, der Neuschöpfung, der neuen Existenzweise des Auferstandenen (Apg 2,32-36, 3,18-21, 5,32, 7,56f.). Die Apostel sind Augenzeugen einer äußeren Erhebung in die Lüfte gewesen (Mk 16,19; Lk 24,51; Apg 1,9-11). Dadurch wird der Übergang Jesu in den jenseitigen Glückseligkeitszustand versinnbildet, nicht bewirkt. Die Ursache dafür liegt in der durch die Auferstehung empfangenen Verklärung, nicht in der äußeren Erhebung in die Lüfte. Jesus selbst hat den „Eingang in seine Herrlichkeit“ vorher angekündigt (Lk 24,26). Zu den Jüngern, die nach Emmaus pilgerten, sprach er davon, dass der Messias nach seinem Leiden in seine Herrlichkeit eingehen müsse.

Lukas legt zwischen Auferstehung und Himmelfahrt 40 Tage (Apg 1,3). Paulus berührt das Ereignis nur flüchtig (Eph 4,10; Hebr 4,14). Ebenso Petrus (1 Petr 3,22). Was in den 40 Tagen geschah, hatte nur Bedeutung für die Jünger. Es war für sie bemessen, um sie an die Tatsache zu gewöhnen, dass der Herr fortan in verklärter Leiblichkeit beim Vater ist. Das Evangelium der 40 Tage ist zunächst Jüngerschulung. Erstens. In diesen Tagen bewies der Herr den Jüngern die Wirklichkeit seiner leibhaftigen Auferstehung, und zwar so eindringlich und nachdrücklich, dass sie nie ein Zweifel daran überfiel. Zweitens. In diesen Tagen unterrichtete der Herr die Jünger endgültig und autoritativ über das Reich Gottes. Alle Gedanken an ein irdisches Reich, vergleichbar den Imperien der Geschichte, wurden von ihm abgewiesen. Das Reich Gottes ist eine transzendente und zukünftige Größe. Drittens. In diesen Tagen gab Jesus den Jüngern ihre bleibende Aufgabe. Er befahl ihnen, die gesamte Bevölkerung der Erde zu seinen Schülern zu machen. Das Evangelium der 40 Tage ist sodann Jüngerausrüstung. Erstens. In diesen Tagen kündete er den Jüngern seinen Beistand bei ihrer missionarischen Tätigkeit an, die bis zur Wundertätigkeit reichen sollte. Zweitens. In diesen Tagen gab er den Jüngern seinen Heiligen Geist mit der Kraft des Sündennachlasses. Drittens. In diesen Tagen übertrug er dem Apostel Petrus das Hirtenamt über die gesamte Jüngerschaft Jesu.

Der Herr fuhr zum Himmel auf mit eigener Kraft; sowohl mit der göttlichen Macht als auch mit der (der menschlichen Seele fortan eigenen) menschlichen Macht über den verklärten Leib stieg Christus auf in den Himmel. Die Himmelfahrt war (ähnlich wie die Auferstehung) ein selbstmächtiges aktives Emporsteigen. Elias und Habakuk und der Diakon Philippus wurden dagegen passiv hinauf- bzw. weggetragen durch Gottes Kraft (4 Kg 2,11; Dn 14,35; Apg 8,39). Jesus hat die Auffahrt durch eigene Kraft bewirkt. Und zwar zunächst, insofern er Gott war. Aber auch als Mensch vollzog er sie. Die Verklärung, deren er bei seiner Auferstehung teilhaft wurde, verlieh seiner Seele die Kraft, den Leib frei überallhin zu bewegen, und sie gab dem Körper die Fähigkeit, dem bloßen Willen der Seele zu folgen. So war ihr nunmehr verklärter Leib zu einem dermaßen willigen Werkzeug geworden, dass sie ihn ungehindert auch an den für die Leiber der Verklärten bestimmten Ort (in den Himmel) versetzen konnte. Insofern der Leib seine Verklärung von der Seele und diese ihre Seligkeit von der Gottheit empfing, ist die Gottheit selbstverständlich die letzte Ursache der Auffahrt. In der Schrift wird neben der Aktivform (Hinaufsteigen: Joh 6,62, 13,3, 20,7; Eph 4,10; 1 Petr 3,22) auch die Passivform (Emporgehobenwerden: Mk 16,19; Lk 24,51; Apg 1,9,11; 1 Tim 3,16) verwendet. Dies geschieht deswegen, weil Gott die letzte und seine Gottheit die hauptsächlichste Wirkursache, die Menschheit nur die Werkzeugursache des Wunders ist. Wenn der durch eigene Kraft Auffahrende als der vom Vater in den Himmel Aufgenommene genannt wird, so ist das insofern berechtigt, als die eine und die nämliche göttliche Kraft im Vater und im Sohne wohnt.

Die Himmelfahrt Jesu hat einmal Bedeutung für seine Person (Christologie). Sie bildet die Vollendung der Erlöserlaufbahn Christi und die dauernde Besitzergreifung seiner Herrlichkeit. Diesen Gedanken bezeichnet die Heilige Schrift als „Sitzen zur Rechten des Vaters“. Das ist selbstverständlich nicht lokal zu verstehen, sondern bildlich (Dn 7,13f.). Es bedeutet die Dauer und den unverlierbaren Besitz seiner Herrlichkeit sowie die Teilnahme an der Weltherrschaft des Vaters. In diesem Thronen zur Rechten des Vaters hat die Königsherrschaft Christi ihren höchsten Grad erreicht. Deshalb wird in der Schrift wiederholt der Titel Sohn Gottes und Messias erst von diesem Moment ab datiert. Denn Christus ist jetzt Sohn Gottes in Herrlichkeit, nicht mehr in Niedrigkeit (Röm 1,4; Apg 2,32-36, 13,33; Hebr 1,3-5, 5,5). In christologischer Hinsicht liegt der Wert der Himmelfahrt in der Antwort auf die fundamentale Frage des Herrn. „Was dünkt euch von Christus, wessen Sohn ist er?“ (Mt 22,42). Die katholische Kirche bekennt die Einheit des Herrn und die Einheit des Christentums. Der Christus des Glaubens ist kein anderer als der Christus der Geschichte. Der Christus der Geschichte hat sich in seinem irdischen Leben als den Christus des Glaubens verkündet und bewiesen für alle, die guten Willens sind.

Das Ereignis der Himmelfahrt Christi hat einen Zustand begründet. Der Herr hatte diesen Zustand vorhergesagt. Christus verkündigte vor dem Hohen Rat, der Menschensohn werde zur Rechten des allmächtigen Gottes sitzen (Lk 22,69). Diese Situation ist jetzt eingetreten. Mit dem Sitzen zur Rechten Gottes wird die bleibende herrscherliche Stellung Jesu ausgesagt. Er lebt neben Gott in gottgleicher Macht. Es sei noch einmal gesagt: Das Sitzen zur Rechten Gottes ist selbstverständlich ein Bild; es ist nicht wörtlich zu verstehen. Denn Gott ist körperloser, einfacher Geist. Er hat kein rechts und kein links. Das Sitzen zur Rechten Gottes war nicht äußerlich wahrnehmbar; es war nur im Glauben erkennbar. Das Sitzen soll auch nicht das Ruhen oder das Rasten des Herrn ausdrücken. Es will vielmehr die Machtstellung und das herrscherliche Wesen des in den Himmel Aufgefahrenen beschreiben. Das Sitzen zur Rechten Gottes will auch nicht die Tatenlosigkeit oder die Passivität des Gottessohnes andeuten. Denn der in den Himmel aufgefahrene Christus ist in seiner neuen Existenzweise in der ihm gemäßen Form unaufhörlich tätig. Der an Gottes Herrschermacht teilnehmende Sohn tritt beim Vater für uns ein (Röm 8,34) und rettet uns vor dem Zorngericht Gottes (Röm 5,9f.).

Die Himmelfahrt Christi hat sodann Bedeutung für sein Erlösungswerk (Soteriologie). Jetzt, in seiner himmlischen Gestalt, ist Christus erst so recht „der Sohn Gottes in Kraft“ (Röm 1,4). Jetzt durchherrscht und belebt er als lebendiger und lebendigmachender Geist vom Himmel her (mit der Macht des Denkens und Wollens) als Haupt seine Glieder; jetzt erfüllt und stärkt er sie mit seinem Geist und mit der heiligmachenden Gnade; jetzt verleiht er mit seinem verklärten Leib in der Eucharistie die Kraft und das Unterpfand des Lebens und der Unsterblichkeit, die eigener zukünftiger Herrlichkeit. Jetzt wird sein Wort zur Wahrheit: „Wenn ich von der Erde erhöht sein werde, werde ich alles an mich ziehen“ (Joh 12,32). Jetzt hat er einen Namen über alle Namen empfangen, damit jedes Knie vor ihm sich beuge und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus ist der Herr in der Herrlichkeit Gottes des Vaters (Phil 2,9-11). Himmlische Ausübung seiner Herrschaft und Gnade der Erleuchtung und Kraft sowie irdische Anerkennung dieser Herrschaft im Geiste und in der Wahrheit, in kultischer Anbetung und Danksagung: Das sind die beiden Seiten der Heilsbedeutung der Erhöhung des Sohnes zur Rechten des Vaters. Die Erhöhung begründet nicht ein neues Verdienst, sie besagt nicht eine Ergänzung oder Vervollständigung des Erlösungswerkes. Sie bedeutet die Zuwendung dieses Verdienstes durch den himmlischen Hohenpriester; sein Erscheinen vor Gott bedeutet eine fortwährende reale Fürbitte für uns (Hebr 7,24f.). Die Sendung seines Heiligen Geistes am Pfingsttage war die erste Frucht dieser Erlöserbitte an Gott, und sie war zugleich der erste Akt seines neuen Herrscheramtes. Durch diesen seinen Geist wird er bis ans Weltende als das unsichtbare Haupt seiner Jünger und seiner Kirche als Erlöser tätig sein (gratia capitis). In ethisch-mystischer Hinsicht ist daran zu erinnern, dass Christi Leidenstod nicht nur eine objektive historische Heilstatsache ist. Sondern, dass wir, wenn Christus nicht umsonst gestorben sein soll, die Einzelmomente seines Leidens miterleben und miterleiden müssen. Wir sind in der Taufe mit ihm begraben, der Welt abgestorben und gekreuzigt. Nun sollen wir als lebendige Glieder Christi fortwährend im neuen geistig-ethischen Auferstehungsleben wandeln (Röm 6,3ff., 8,17; 2 Kor 4,10; Kol 2,12, 3,1; Gal 2,20; 2 Tim 2,11f.).

Auferstehung Christi und Himmelfahrt des Herrn gehören zusammen. Die Himmelfahrt schließt sich sachlich eng an die Auferstehung an; sie bildet mit ihr ein Ganzes. Die Erlösung hat mit der Auferstehung ihre Vollendung erhalten, ebenso Christi Verherrlichung nach Leib und Seele. Für die Bestimmung des Verhältnisses von Auferweckung und Himmelfahrt ist zu beachten, dass die Heilige Schrift nur einen einzigen Erhöhungsvorgang kennt (Apg 2,22-35, 5,30f, 7,56; 1 Kor 5,3ff.). Zu dem rechten Schächer sagt Jesus, dass er noch heute mit ihm im Paradiese sein werde (Lk 23,43). Auch die Stelle: „Musste Christus nicht dieses leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?“ (Lk 24,26) spricht für die Identität. Das gleiche gilt von dem Text Joh 20,22. Danach spendet Christus den Aposteln den Heiligen Geist. Dieser aber setzt seine Auffahrt zum Vater voraus (Joh 7,39). Danach stellen Auferweckung und Himmelfahrt ein einziges Ereignis dar. Die Auferweckung im vollen Sinne des Wortes umfasst auch die Himmelfahrt. Die sichtbare Himmelfahrt bedeutet kein völlig neues Element im Leben des Auferstandenen oder in dessen Existenzweise. Sie bedeutet (nur) das Ende der Erscheinungen bzw. neuer Offenbarungen vor seiner Wiederkunft. Schon Ignatius von Antiochien und Tertullian waren überzeugt, dass Christus schon am Tage seiner Auferstehung (oder auch vom Kreuze aus unsichtbarerweise) in den Himmel aufgefahren ist. In unserer Zeit Odo Casel. Die Erscheinungen Jesu vor seinen Jüngern erfolgten stets vom Himmel her. Sie wurden jeweils beendigt durch die Rückkehr in den Himmel.

Man kann die Frage stellen: Wo verweilt der Auferweckte und Erhöhte? Erstens. Es wäre eine naive Vorstellung, anzunehmen, dass in der Welt irgendein Raum ausgespart ist, zu dem sich Christus hinbegeben hat, weil er etwa für seine verklärte Existenzweise besonders günstige Bedingungen bietet. Hier würde das Ereignis der Auferweckung und Himmelfahrt völlig missdeutet. Wenn von der Himmelfahrt die Rede ist, so ist damit ein Existenzvollzug gemeint, und zwar eine Existenzweise, die sich von der irdischen Erfahrungsexistenz wesenhaft unterscheidet. Sie ist von den Mängeln unserer Erfahrungsexistenz befreit; sie liegt in der Dimension des Gottesgeistes. Zweitens. Die Himmelfahrt stellt auch nicht den Einzug in einen schon vorher bereiteten Himmel dar. Vielmehr hat Christus in der Auferweckung und Himmelfahrt die himmlische Existenz sowohl für sich als auch für alle seine Brüder (ja für den gesamten Kosmos) erst geschaffen. Der Himmel ist das Leben in der Herrlichkeit Gottes, in der Teilnahme des leibhaftigen Menschen (und des Kosmos) an dem dreipersonalen Lebensaustausch Gottes selbst. Die raumzeitliche Vorstellung ist ein Bild für die Existenzweise. Räumliche Aussagen kann man über die Realität dieses Lebens nicht machen. Man kann sie nur als Bilder für das Unaussagbare verwenden. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die menschliche Natur Jesu oder, besser, Jesus nach seiner menschlichen Natur an einem bestimmten Ort gegenwärtig ist. Er kann nur an einem Ort, nicht an allen Orten verweilen. Aber der Ort, wo er sich befindet, ist uns, unserer Erfahrung, unseren physikalischen Mitteln unzugänglich. Er kann weder durch Raumfahrt noch durch Suchstrahlen erreicht werden.

Mit Auferstehung und Himmelfahrt ist die Geschichte Gottes und Christi nicht abgeschlossen. Eines steht noch aus. Der letzte Akt der Königsherrschaft Christi werden seine Wiederkunft und das Weltgericht sein. Auf sie wies Jesus im irdischen Leben angesichts des Todes feierlich und nachdrücklich hin (Mt 26,64). Gott hat alles Gericht dem Sohne übergeben. Er ist der Menschensohn, dem dieses Amt verheißen ist (Dan 7,13-37). Durch sein Erlösungswerk hat er ein Recht auf den Richterakt sich erworben. „Siehe, er wird kommen in den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die ihn durchbohrt haben“ (Apk 1,7). Mit dem Weltgericht wird das Werk der Erlösung zum gänzlichen objektiven und subjektiven Abschluss kommen. Seine Wiederkunft hat nicht den Zweck, an der Erlösung selbst etwas zu ergänzen. Nach diesem Schlussakt der Erlösertätigkeit wird er die Seinigen dem Vater zuführen, so dass am Ende (wie am Anfang) Gottes alles in allem sei (1 Kor 15,28).

Amen.

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