Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Januar 2020

Die Weisen aus dem Morgenland

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Erscheinung des Herrn Versammelte!

Die Magier suchen das Kind in Bethlehem. Bethlehem liegt 8 Kilometer südlich von Jerusalem. Es ist die Vaterstadt Davids, und in diese war Joseph gekommen wegen der großen Aufschreibung. Die heilige Familie muss sich nach der Geburt Jesu noch geraume Zeit in Bethlehem aufgehalten haben; vermutlich hatte Joseph Verwandte in Bethlehem. Die Weisen sind nämlich nicht unmittelbar nach der Geburt Jesu am Stalle oder in einer Höhle erschienen, sondern sie sind angereist, als Jesus in einem Hause lebte. Die Familie war also umgezogen, hatte die Notunterkunft aufgegeben. Wie viel Zeit seit der Geburt Jesu bereits verflossen war, wird in der Bibel nicht gesagt; wir müssen es erschließen. Aus gewissen Indizien kann man vermuten, dass es viele Monate später gewesen sein muss. Ein Jahr oder noch länger nach der Geburt Jesu fällt der Besuch der Besuch der Magier, der Weisen aus dem Morgenlande. Aber wir haben einen festen Termin, nämlich er ist noch zu Lebzeiten des Herodes erfolgt. Herodes starb im Jahre 4 vor Christus, also muss der Besuch 5 vor Christus etwa oder 6 vor Christus erfolgt sein, denn damals war er noch nicht sterbenskrank. Herodes war entschlossen, seinen angeblichen Rivalen zu beseitigen. Er wollte sicher gehen; so ließ er alle Knaben bis zu 2 Jahren töten. Warum bis zu 2 Jahren? Das war die Zeit, die er von den Weisen erfahren hatte, wann der Stern erschienen war und mit dem Stern die Geburt Jesu geschehen war; deswegen bis zu 2 Jahren. Es handelt sich um die Zeit, die seit dem Erscheinen des Sternes bzw. seit der vom Stern angezeigten Geburt des Königskindes vergangen war. Er wird die Zeit etwas höher angesetzt haben, um ja sicher zu gehen, dass er den Rivalen beseitigt. Aber das ist der einzige feste Termin, den wir haben.

Wer waren die Fremden aus dem Osten, die das Jesuskind suchten? Sie waren sternkundige Männer, Gelehrte, vermutlich aus dem Zweistromland, dem heutigen Irak. Sie verbanden Astronomie mit Astrologie. Astronomie ist eine exakte Wissenschaft; Astrologie dagegen ist eine Pseudowissenschaft, sie versucht, aus den Bewegungen der Sterne das Leben auf Erden abzuleiten. Es bestand damals der Sternenglauben, wonach die Sterne das Leben der Menschen auf Erden lenken; und wer die Sterne kennt, der kennt auch das Schicksal der Menschen. Wie kamen die Magier dazu, ins Judenland aufzubrechen? Die Juden der damaligen Zeit entfalteten überall auf Erden eine lebhafte Propaganda. Sie wollten Proselyten gewinnen, also Heiden, die sich dem Judentum anschlossen, oder wenigstens Gottesfürchtige, die einige Praktiken der Juden beobachteten. Babylonien hatte neben Ägypten und Syrien die bedeutendste jüdische Diaspora. Durch sie wurde gerade um jene Zeit eine hochgespannte Messiaserwartung überall verbreitet. Und wie kam es, dass die babylonischen Magier, die ja Heiden waren, einer solchen Verkündigung zugänglich waren? Nach dem Zeugnis von Keilschrifttexten, die unsere Gelehrten gefunden haben, waren die Blicke der damaligen Astrologen seit langem auf einen kommenden Retterkönig gerichtet, der im Westland erscheinen solle. Dazu kommt noch die in jener Zeit in der ganzen alten Welt vorhandene lebhafte Sehnsucht nach einem Retter, nach einem Heiland. Das veranlasste die Magier zum Aufbruch in das Judenland. Am Erscheinen eines bestimmten Sternes glaubten sie die Anzeichen der Geburt des jüdischen Retterkönigs erkannt zu haben; das veranlasste sie, ihn aufzusuchen. Der Stern hat die Reise nicht befohlen, aber er ist der Anlass zum Aufbruch gewesen. Und die Magier werden auch von dem Stern nicht – wie man erwarten möchte – direkt zum König der Juden geführt, sondern zunächst nur zur Reise nach dem Judenland veranlasst. Sie müssen erst in Jerusalem nach seinem Aufenthaltsort forschen.

Wie ist nun das Erscheinen des Sternes zu erklären? Die Meinungen gehen auseinander. Die einen sehen in dem Stern der Weisen einen Kometen. Ein Komet ist ein Schweifstern, ein Himmelskörper, der große Mengen von Gasen und Teilchen mit sich führt. Schon der Kirchenschriftsteller Origenes im 3. Jahrhundert nimmt an, dass der Stern ein Komet war. Andere sehen in dem Stern die Annäherung, die Verbindung der beiden Planeten Jupiter und Saturn. Diese beiden Planeten haben sich um diese Zeit, um 7 herum, mehrfach am Himmelszelt getroffen. Kepler, der geniale Astronom, kann für diese Erklärung nicht in Anspruch genommen werden. Er selbst sah im Stern der Weisen einen Wunderstern, keinen vorhandenen, sondern eine Nova, einen neuen Stern. Matthäus spricht auch tatsächlich ausdrücklich nur von einem Stern, nicht von zweien, und er zog zuletzt auf dem Weg von Jerusalem nach Bethlehem, also von Norden nach Süden. Alle anderen Sterne ziehen von Osten nach Westen, dieser Stern zog vor den Magiern am Firmament einher und stand still vor dem Haus, wo sich das Kind befand. Diese Züge schließen jede natürliche Deutung aus. Es war ein Wunderstern.

Der Stern führt die Weisen in das Judenland, und zwar zunächst in dessen Hauptstadt. Sie erscheinen in Jerusalem und fragen dort nach dem neugeborenen König der Juden. Sie wissen also noch nicht den Ort, wo das Christuskind weilt. Aber die Kunde von ihrem Kommen und vom Zweck ihres Kommens verbreitet sich in Jerusalem und wird dem König Herodes zugetragen. Herodes war ein misstrauischer Mann. Er hatte einen ausgebreiteten Nachrichtendienst, der ihn über alles in seinem Reich unterrichtete. Und so kam auch die Nachricht von der Ankunft der Weisen zu ihm. Er ist alarmiert, als er hört, dass ein neugeborener König angebetet werden soll. Er sieht darin eine Gefahr für sich. Herodes will den Geburtsort des angeblichen Rivalen ausfindig machen. Dazu ruft er die zuständigen geistlichen Autoritäten zusammen: die Hohenpriester und die Schriftausleger. Diese wissen ihm sachkundige Auskunft zu geben. Sie weisen auf eine Stelle in der Schrift des Propheten Michäas hin, die Bethlehem im Gebiet des Stammes Juda als Geburtsort des Messias nennt. Jetzt erst, nachdem Herodes den Ort, wo der Messias geboren werden soll, erfahren hat, lässt er die Magier selbst in aller Heimlichkeit zu sich kommen. Warum in aller Heimlichkeit? Er will Aufsehen vermeiden. Es ist ihm daran gelegen, jegliche Werbung für diesen angeblichen König zu unterbinden. Er weiß, was er tun will angesichts der Bedrohung. Er will die Weisen als Kundschafter benutzen. Sie sollen die genaue Stelle in Bethlehem herausbringen, wo das Kind weilt. Gleichzeitig erfragt er von ihnen den mit dem Erscheinen des Sterns zusammenfallenden Zeitpunkt der Geburt des Kindes. Das muss er ja wissen, wenn er jetzt daran geht, Kinder zu töten. Er muss wissen, in welchem Alter sie ungefähr sind. Die Magier waren durch das Erscheinen des Sternes nach Jerusalem geführt worden, jetzt weist ihnen die alttestamentliche Weissagung den Weg nach Bethlehem. Und welches Wunder: Der Stern wird noch einmal sichtbar. Er gibt ihnen die Bestätigung, dass sie auf dem rechten Wege sind. Er zieht vor ihnen her, bis er über der Stelle, wo das Kind war, stehenblieb.

Wie verhalten sich die Weisen in Bethlehem? Sie werden von dem Stern auf ein Haus verwiesen. Der Knabe befindet sich in diesem Hause. Die Geburt in dem Stalle liegt lange zurück. Sie finden das Kind mit Maria, seiner Mutter. Es ist merkwürdig, dass von Joseph nicht die Rede ist. „Sie finden das Kind“, so heißt es bei Matthäus, „mit seiner Mutter.“ Diese Ausdrucksweise ist mit Bedacht gewählt. Von Joseph ist deswegen nicht die Rede, weil er nicht der biologische Vater Jesu ist. Der Bezug des Knaben zu seiner Mutter ist ausschlaggebend. Maria dürfte dem Evangelisten Matthäus von dem Besuch der Magier berichtet haben. Und sie kommen jetzt in das Haus, sie fallen nieder und huldigen dem Kind. Das Niederfallen ist die orientalische Ausdrucksform der Ehrfurcht und der Unterwürfigkeit, besonders der Huldigung vor dem König. Und mit der Huldigung verbunden war nach orientalischer Sitte häufig die Überreichung von Geschenken. Auch in der jüdischen Messiaserwartung fehlt dieser Zug nicht. Die Magier bringen die im Orient üblichen Kostbarkeiten: Gold und Weihrauch sowie Myrrhe dar.

Mit dem Finden des Kindes war der Zweck der Reise der Magier erfüllt. Sie hatten gesehen den, der ihnen vom Stern angekündigt worden war. Die Weisen werden nicht lange im Judenland verweilt haben. Sie zogen es vor, den König nicht von dem Aufenthaltsort des Kindes zu unterrichten. Sie haben wahrscheinlich erfahren, was das für ein König ist: ein grausamer, ein gewalttätiger. Und so haben sie es bei dem einmaligen Besuch bewenden lassen und sich von Jerusalem verabschiedet, ohne seinem Wunsch nachzugeben; sie trauten ihm nicht. Als Herodes erfuhr, dass die Magier sein Begehren unerfüllt ließen, geriet er in Zorn. Es fehlte ihm nun die genaue Nachricht, wo der Knabe zu finden war. Die Magier zogen auf einem anderen Weg in ihr Land zurück. Vermutlich fürchteten sie die Verfolgung des Königs, den sie ja enttäuscht hatten, weil sie ihm nicht mehr die gewünschte Nachricht gebracht hatten.

Meine lieben Freunde, der Unglaube fällt über den Bericht vom Besuch der Weisen aus dem Morgenlande bei dem Jesuskind her und versetzt ihn in das Reich der Legende; dafür besteht kein Grund. Kein einziger Zug der Kindheitsgeschichte des Matthäus ist geschichtlich unmöglich oder unwahrscheinlich. Diese Erzählung hat nicht der Evangelist geschaffen, sondern er hat sie in der Überlieferung vorgefunden. Das beweist vor allem die palästinensische Lokalfarbe der Geschehnisse. Man hat versucht, die einzelnen Bestandteile des Matthäusberichtes aus religionsgeschichtlichen Parallelen abzuleiten. So wird behauptet, das Motiv des Sterns sei aus der Prophezeiung des Balaam im 4. Buche Moses bezogen. Er hatte geweissagt: „Ich sehe ihn, doch nicht jetzt, ich schaue ihn, doch nicht nah. Der Stern geht aus Jakob auf, ein Zepter reckt sich aus Israel, kommen wird von Jakob der Herrscher.“ Soll das das Vorbild für die Geschichte von den Magiern gewesen sein? Nein, meine lieben Freunde, das kann nicht aus der Weissagung Balaams stammen. Denn in der Erzählung von Balaam ist der Stern der Messias selbst, während bei den Magiern der Stern ja nur der Hinweis auf den Messias ist. Die erfolglose Verfolgung des Messiaskindes lässt sich auch nicht aus der Erzählung vom Moseskind ableiten, das auch verfolgt wurde und dann gerettet wurde. Denn dieses weit verbreitete Sagenmotiv ist in keiner Weise mit dem geschichtlichen Bericht aus Matthäus zu vergleichen; es fehlen in diesem alle phantastischen und mythologischen Ausschmückungen. Es ist dies keine Poesie, keine Dichtung, es ist das die Wiedergabe eines geschichtlichen Ereignisses. Wir Gläubigen sehen im Besuch der Magier noch eine besondere göttliche Absicht. Nämlich die Hirten zogen zum Krippenkind als Vertreter des Volkes Israel, die Magier kommen nach Bethlehem als Repräsentanten der Heiden. Bethlehem ist die Geburtsstätte Jesu, des Herrn und Heilands aller Menschen, der Juden wie der Heiden. Lassen Sie sich, meine lieben Freunde, nicht irre machen. Schließen wir uns vielmehr den Weisen an und huldigen dem neugeborenen König, dem König nicht nur der Juden, nicht nur der Heiden, auch unserem König, für den wir leben und in dem wir sterben wollen.

Amen.

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