Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
29. Dezember 2019

Die heilige Familie und wir

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Kirche hat den heutigen Sonntag zum Familiensonntag erklärt. Wir begehen also nach dem Willen der Kirche das Fest der heiligen Familie. Gesunde christliche Familien und Ehen dienen dem Volk, dem Staat und der Kirche. Sie leben von der heilen und heiligen Urzelle und Urgemeinschaft, die wir Familie nennen. Das Wort Familie hängt zusammen mit dem Wort „fames“, und das bedeutet Hunger. Familie wird also verstanden als Hungerabwehrgemeinschaft. Die Familie ist eine Hungerabwehrgemeinschaft. Wenn Ehen und Familien stabil sind, dann bedeutet dies für Länder und Staaten, für Gemeinden und für die Kirche, dass die Zukunft gesichert ist. Die Rettung des Menschengeschlechtes fängt bei der Familie an, bei der Ehe, bei der Hochzeit. Die Gesellschaft ist nichts anderes als die Weiterentwicklung der Familie. Wenn der Mensch von der Familie aus verdorben ist, wird er ein unbrauchbares Glied von Volk und Staat und eine Last für die Kirche. Die Familie ist die unersetzbare Vorschule des Lebens. Die frühe Kindheit ist von schicksalhafter Bedeutung für die gesamte seelisch-geistige Entwicklung des Kindes. Was in der Kindheit versäumt wird, kann nie oder höchstens mit größter Mühe zurückgeholt werden. Für die Entfaltung der sozialen Anlagen stellt die Familie den fruchtbarsten Boden dar. Im innigen Kontakt mit Erwachsenen und Geschwistern beiderlei Geschlechts erleben die Kinder den intensivsten sozialen Anschauungsunterricht. In der Geborgenheit der Familie bahnt sich für die Kinder die Lebenslinie für die spätere Auseinandersetzung mit der Welt an, wird die Bildung der Person grundgelegt. So ist die Familie an erster Stelle die Stätte, wo Gemüt, Charakter und Gewissen gebildet werden.

Familie als erzieherisches Milieu steht und fällt mit dem Elternpaar, mit der Ehe des Elternpaares. In jedem Gatten steht oder fällt die ganze gelungene oder misslungene Ehe. Misslungene Erziehung ist in den meisten Fällen die Folge misslungener Ehen.

Wir erleben heute in Deutschland und in Europa, dass die ehelichen und familiären Grundtugenden nicht mehr geschätzt werden: Barmherzigkeit, Güte, Milde, Demut, Geduld, Nachgiebigkeit, Ertragenkönnen, Selbstlosigkeit. Die mitmenschliche Beziehung wird gepflegt durch gegenseitiges Ernstnehmen, durch gegenseitige Offenheit für Korrektur und Ergänzung, durch Bemühen um Übereinstimmung. Sie alle wissen es: Die lebenslange Treue bis zum Tod ist kein Ideal mehr. Die Gnade des Ehesakramentes, der heiligen Elternweihe, ist vielfach verspielt worden. Heute wird fast jede 2. Ehe geschieden. Die Ehe ist aber kein Privatvertrag, wie man eine Sommervilla mietet und wieder kündigt. Gott hat den Vertrag mit unterzeichnet, und er zieht seine Unterschrift nicht zurück! Der Rhythmus von Gebet und Arbeit ist verlorengegangen. Es wird nicht mehr miteinander gebetet. Man arbeitet oder faulenzt gemeinsam, aber man betet nicht gemeinsam. Deshalb gelingt ein Leben in Gemeinschaft nicht mehr inmitten der Schmerzen und Freuden des Lebens. Ein christliches Familienleben ist weiterhin unmöglich geworden, weil die Ehen und Familien sich aus dem Leben der Kirche und Gemeinden losgelöst haben. Wie viele Familien gehen gemeinsam jeden Sonntag zum Gottesdienst, wie viele? Wir müssen ganz von vorne anfangen und die heilige Familie uns zum Vorbild nehmen.

Jesus Christus, der verborgene König, ist das Kind dieser Familie, das Maria und Joseph gehorcht. Der Sohn Gottes folgt seinen rechtlichen Eltern. In den Familien von heute gilt der Gehorsam der Kinder als überholt. Man spricht von antiautoritärer Erziehung. Schon frühzeitig sucht man die Kinder zu egoistischer Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung zu führen. Diese antiautoritäre Erziehung läuft darauf hinaus, dass die Kinder und Enkel ständig ihren eigenen Willen durchsetzen. Nicht sie gehorchen den Eltern, sondern die Eltern gehorchen ihnen. Wer den Kindern ihren Willen lässt, verdirbt sie. Wir haben das Gebot Gottes pervertiert und auf den Kopf gestellt, deswegen geht es in den Familien drunter und drüber. Vom zwölfjährigen Jesus sagt Lukas: „Er ging mit seinen Eltern hinab nach Nazareth und war ihnen untertan.“ Jesus, das göttliche Kind, gehorcht zwei Geschöpfen. Von seinen 33 Lebensjahren verbringt er 30 mit Maria und Joseph in Nazareth. ⁹/₁₀ seines Lebens bleibt er im Kreis der heiligen Familie, um uns allen die große Bedeutung der intakten Familie vor Augen zu führen. Jesus gehorcht Maria und Joseph, um allen zu sagen: Wer in der Liebe zum Vater lebt, kann auch gehorchen. Denn der Sohn Gottes selbst war aus Liebe zu seinem Vater im Himmel seiner Mutter und seinem Vater untertan.

Er betete regelmäßig, wie es in einer frommen jüdischen Familie üblich war, er besuchte den Gottesdienst an jedem Sabbat in der Synagoge. In welcher Familie wird heute noch ernsthaft gebetet? Ob von einzelnen oder gemeinsam? Im Grunde wird die freie Zeit Gott gestohlen; man verbringt sie vor dem Fernsehapparat. Wenden kann sich nur etwas, wenn wir wieder zum Gebet vor dem lebendigen Gott finden. Die Familie, die das Gebet unterlässt, verliert die Religion. Die Familie, welche die Religion preisgibt, hat sich das unausweichliche Todesurteil gesprochen. Wer den Kindern die übernatürlichen Kraftquellen der Religion verschüttet, nimmt ihnen die Kraft, auch das natürliche Leben zu meistern. Es gibt Leute, die sagen, die Kinder sollen selbst entscheiden, ob sie eine Religion wollen oder welche Religion sie wählen. Ich stimme zu mit einer Einschränkung: Die Kinder müssen in jedem Falle, wenn sie reif werden, entscheiden, ob sie sich zu einer Religion bekennen und zu welcher. Aber damit sie das können, ist es notwendig, dass man ihnen die Möglichkeit und die Kräfte dafür gibt, und das ist die Aufgabe der religiösen Erziehung. Man muss sie für die Wahl, die sie unweigerlich treffen müssen, ertüchtigen. Wir machen sie durch Taufe und religiöse Erziehung fähig, die rechte Wahl zu treffen, sonst versündigen wir uns an den Kindern. Wir können nicht abwarten, ob später das Leben die Kinder zur Religion erzieht, nein, die Religion muss zum Leben erziehen.

Maria ist das lebendige Herz der heiligen Familie von Nazareth. Eigentlich muss das jede Mutter sein. Jede Mutter muss für Haus und Heim, für den Gemahl und die Kinder das lebendige Herz sein. Wenn sie in den ersten Jahren ihre Kinder allein lässt, um sich am Computer zu verwirklichen, versündigt sie sich schwer an der inneren und äußeren Entwicklung des Kindes. Mütter müssen ihren Kindern Zeit, Zuwendung und Liebe schenken, wenn sie wollen, dass sie sich im Leben als Menschen und Christen bewähren. Mütter sollen sich die Gottesmutter Maria zum Vorbild nehmen. Sie diente ihrem Sohn mit großer Liebe und Hingabe, und der Sohn gehorchte seiner liebenden Mutter, weil dies der Wille des Vaters im Himmel war. Hat Gott einen Altar im Herzen der Mutter, dann hat er auch einen Tempel im ganzen Haus. Die Frauen müssen wieder lernen, Kindern das Leben zu schenken. Jede 4. Frau in Deutschland ist kinderlos. 86 % der Familien haben nur ein Kind oder zwei, nur 14% haben drei und mehr Kinder. Das Fehlen von Geschwistern bedeutet einmal, dass die Entfaltungsmöglichkeit der Familienmitglieder eingeschränkt ist. Geschwisterlose Kinder sind in erzieherischer Hinsicht von vorne herein benachteiligt. Empfängnisverhütung und Abtreibung, die jedes Jahr in die Hunderttausende geht, lassen Volk und Kirche schrumpfen. Auf die Dauer, meine lieben Freunde, überlebt keine Religion ohne ausreichend viele kinderreiche Familien. Als in Holland der religiöse, der theologische, der kirchliche Zusammenbruch einsetzte, da jubelten die Protestanten: Jetzt ist die biologische Gegenreformation beendet. Sie hatten Recht. Als Holland noch gläubig war, hatte jede Familie fünf, sechs, sieben Kinder, als der Glaube zusammenbrach eins oder zwei. Das ist die Wahrheit. Vor kurzem, meine lieben Freunde, feierte ein schlesischer Priester sein Jubiläum. Er war im Jahre 1928 geboren in Oberschlesien. Seine Eltern hatten acht Kinder; 50% davon wurden geistlichen Standes: zwei Schwestern, zwei Priester. Wo gibt es das heute noch? Es gab eine Zeit, in der sich katholische Eltern von nichtkatholischen und religiös eifrige von lauen Eheleuten durch die Kinderfreudigkeit unterschieden. Diese Zeit ist längst vergangen. Man hat – soziologisch interessant – festgestellt: Je höher der Lebensstandard wird, umso weniger Kinder kommen auf die Welt. Die Mütter müssen von Neuem lernen, Kinder zu wollen, anzunehmen und sie zu lieben, sonst sind Ehen nur noch Zweierbeziehungen auf Zeit, solange Männer und Frauen Gefallen aneinander finden. Wenn das nicht mehr klappt, sucht man sich einen neuen Gefährten. Um das zu verhindern, brauchen wir christliche Mütter, die lieben und dienen, weil sie im Glauben erfahren haben, dass der Sohn Gottes sie liebt und für sie am Kreuze sein Blut vergossen hat. Man braucht nicht die Sorge zu haben, dass sich mehrere Kinder im Wege stehen, dass sie nicht die genügende Ernährung oder Ausbildung erfahren. Meine lieben Freunde, die Liebe einer Mutter teilt sich nicht zwischen den Kindern, sie vervielfältigt sich. Von der rumänischen Königin Elisabeth, einer geborenen Prinzessin von Wied, stammt das Wort: „Wer sich für die Kinder nicht opfern will, soll nicht heiraten.“ Christliche Mütter können ihre Kinder zur wahren Gottesfurcht und Frömmigkeit anleiten aber nur, wenn sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Das gelebte Vorbild, das gelebte Beispiel zieht, Worte verhallen. Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lernen. Wenn man andere gut machen will, muss man erst selbst gut sein. Wenn man andere erziehen will, muss man selbst erzogen sein. Mir sagte einmal ein alter, erfahrener Lehrer: „Die Kinder wären schon recht, sie sollten bloß keine Eltern haben.“ Er meinte, viele Eltern verziehen ihre Kinder, statt sie zu erziehen.

Und dazu sollen sich die Männer und Väter den heiligen Josef als Vorbild nehmen. Er war ein tüchtiger Zimmermann, der seine Aufträge pünktlich erledigte, der im Schweiße seines Angesichtes gute Arbeit geleistet hat. Sorgfältig und genau hat er seine Pflichten in Beruf und Stand und Familie erfüllt. Nicht umsonst nennt ihn das Evangelium einen „Gerechten“. Er war das Haupt der heiligen Familie. Ein Haupt, ein Vater schenkt Geborgenheit und Sicherheit, Treue und Selbstlosigkeit. Er gibt seiner Gattin und seinen Kindern Führung und Stärke. Sie fühlen sich bei ihm sicher, gesichert. Von der Liebesfähigkeit des Mannes und Vaters muss erwartet werden, dass er die ihm Anvertrauten zur Erfüllung ihres eigenen Wesens führt, also dass er ihnen dient. Der Führungsanspruch des Mannes ist ein Dienst. Joseph ist der Mann des Dienstes, der Mann des schweigenden Gehorsams. Wenn Gott es befiehlt, gehorcht er. Ob es darum geht, seine schwangere Verlobte zu sich zu nehmen, ob es darum geht, die Heimat zu verlassen und nach Ägypten zu fliehen, Joseph gehorcht. So müssen die Männer und Väter Gott gehorchen. Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen. Der Vater muss seinen Führungsauftrag durch glaubwürdige Darstellung der geistigen und sittlichen Ordnung im eigenen Leben verdienen. Im Brief an die Kolosser mahnt Paulus alle Glieder einer Familie: „Ihr Frauen, seid den Männern untertan, wie es recht ist im Herrn und wie es sich im Herrn geziemt! Ihr Männer, liebet die Frauen und seid nicht gegen sie erbittert! Ihr Kinder, gehorcht in allen Stücken den Eltern, denn das ist wohlgefällig im Herrn.“ Ich weiß, das klingt den Frauen von heute schlecht im Ohr, was Paulus schreibt: Seid den Männern untertan. Ja aber wie soll sich denn in einer Zweierbeziehung eine Entscheidung vollziehen, wenn nicht eine gemeinsame Lösung gefunden wird? Wer will schon heute noch untertan sein? Aber achten wir darauf: Paulus sagt den Frauen, sie sollen ihren Männern untertan sein und verbindet damit den Auftrag an die Männer: Liebet eure Frauen. Ja, wer liebt, der wird den Führungsanspruch auch als Dienst verstehen. „Wisst ihr, wo es keinen Herrn und keinen Diener gibt? Wo eins dem andern dient, weil eins das andere liebt.“ Ich wiederhole noch einmal dieses schöne Wort von Friedrich Rückert: Wisst ihr, wo es keinen Herrn und Diener gibt? Wo eins dem andern dient, weil eins das andere liebt. Die Liebe verhütet jede Tyrannei. Wer eine Frau wahrhaft liebt, wird nie zum Despoten der Familie werden. Er wird sich so zu seiner Frau verhalten, dass sie seine Führung als einen ihr geleisteten Dienst empfindet. Meine lieben Freunde, als Christus die Welt erlösen wollte, hat er mit der Heiligung der Familie begonnen. Heute, am Sonntag der heiligen Familie, sollten wir unseren Entschluss erneuern, wertvolle, brauchbare Glieder der Familie zu sein, den anderen zu dienen, zu helfen, in Treue und in Redlichkeit auszuharren, solange es der Herr will. Die Familien sind unsere Zukunft oder unser Untergang.

Amen.

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