Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. Dezember 2019

Die Wiederkunft Christi

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir begehen heute den Anfang des Advents. Der Advent ist eine ganz besondere Zeit. Er hat eine Erinnerung und eine Erwartung: die Erinnerung an das erste Kommen Jesu und die Erwartung seines zweiten Kommens, seiner Wiederkunft. Wir schauen also sowohl auf Bethlehem als auch auf den Himmel, wo der Herr erscheinen wird bei seiner Wiederkunft. Durch Christus ist ein neuer Weltzustand herbeigeführt worden, er hat nämlich die Herrschaft Gottes wieder aufgerichtet. Aber er hat die Welt noch nicht vollendet, er hat ihr noch nicht die letzte Gestalt gegeben. Er hat zwar den Auftrag des Vaters vollbracht, aber sein Werk ist noch nicht vollendet. Er wird deswegen wiederkommen, um zu vollenden, was er begonnen hat. Es ist ein Glaubenssatz: Christus wird in Herrlichkeit wiederkommen, zu richten die Lebendigen und die Toten. Die Kirche bekennt diese Wirklichkeit in ihren Glaubensbekenntnissen.

Die Wiederkunft Christi ist nicht eine Tatsache unter vielen anderen, sie ist vielmehr das alles durchdringende und beherrschende Zukunftsereignis. Als Christus vom Ölberg aus vor den Augen der Jünger in den Himmel erhoben wurde, vernahmen sie die Botschaft: „Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird wiederkommen, wie ihr ihn zum Himmel habt auffahren sehen.“ Aus dem Munde der Engel haben die Apostel den Trost empfangen, dass der Abschied vom Herrn nicht endgültig ist, dass vielmehr der jetzt Geschiedene wiederkommen wird, um die Welt mit seinem Glanze zu erfüllen. Eine solche Botschaft war den Jüngern nichts völlig Neues. Der Herr hatte wiederholt davon gesprochen, vor allem in seiner feierlichen Stunde vor dem Gericht. Er wurde gefragt: „Bist du Christus, der Sohn des Allerhöchsten?“ Da sprach Jesus: „Ich bin es. Ihr werdet den Menschensohn zur Rechten des Allmächtigen sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen.“ In einer entscheidenden Stunde seines Lebens hat sich der Herr zu seiner Wiederkunft bekannt. Dieser Tag ist der Tag der Vollendung. Er ist ein Tag der Rache an den Bösen und der Feuerflamme. Aber er ist auch ein Tag des Trostes und der Heimkehr. Bei seiner zweiten Ankunft wird Christus als Richter kommen und die Schicksale der Menschen in alle Ewigkeit festlegen. In seinem Selbstbewusstsein, das Gegenwart und Zukunft in gleicher Weise umfasst, bezeichnet er sich als denjenigen, der über jeden Menschen das entscheidende Wort sprechen wird. „Wer sich meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er in der Herrlichkeit seines Vaters kommen wird mit seinen heiligen Engeln.“

Die Wiederkunft Christi wird in der Weltöffentlichkeit geschehen. Er wird also in einer anderen Weise kommen als bei seinem ersten Kommen. Auch das erste Kommen galt der Weltöffentlichkeit, aber vollzog sich nicht in der Weltöffentlichkeit, sondern auf einem kleinen Flecken im Lande Palästina vor seinem Volke. Sein Tod geschah zwar draußen vor den Toren der Stadt und vor den Augen aller nach dem Urteil des jüdischen Volkes und der römischen Macht, aber auch diese Öffentlichkeit war begrenzt. Und selbst als die Jünger hinauszogen in alle Welt, um das Evangelium zu verkünden, war das doch nur eine Verkündigung in der Öffentlichkeit im Wort. Das Zeugnis aber, das der Herr am Ende den Menschen geben wird, dieses Zeugnis ist allen offenbar. Er kam verborgen, um sich richten zu lassen, er wird offen kommen, um selbst zu richten. „Siehe, er kommt“, heißt es im letzten Buch der Heiligen Schrift, in der Apokalypse, „schauen wird ihn jedes Auge, auch die, die ihn durchbohrt haben.“ Er wird mit seinem himmlischen Gefolge in die durch sein Leben und Sterben auf ihn vorbereitete Welt Einzug halten. Er kommt als ihr König. Die Heilige Schrift gebraucht für sein Kommen den Ausdruck Parusie. Dieses Wort war aus dem römisch-griechischen Hofzeremoniell bekannt und bedeutete den Einzug eines Kaisers. Der Kaiser kommt in Macht und Herrlichkeit, und er bringt das Heil. Was die Heiden von einem irdischen Menschen, einem irdischen Herrscher meinten, das wird sich erfüllen, wenn der himmlische Herrscher erscheint.

Der Tag der Wiederkunft des Herrn ist ein Tag der Freude, ein Tag des Triumphes. Er ist der Tag seiner Herrlichkeitsoffenbarung, der Tag des Heiles, der Tag der Erlösung. Die Hoffnung auf den Tag des Herrn war für die Jünger der Ansporn zum Ausharren und zur Geduld. Paulus schrieb einmal an die Korinther: „So habt ihr denn an keiner Gnadengabe Mangel, die ihr auf die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus wartet. Er wird euch auch bis zur Vollendung stärken, dass ihr am Tage des Herrn ohne Makel seid.“ Der Herr wird plötzlich kommen, unerwartet. Sein Kommen vollzieht sich auf der Spitze eines Augenblickes. Die Posaune wird ertönen; das ist das apokalyptische Instrument. Mit dem Bild von der Posaune wird die unwiderstehliche Kraft ausgesagt, mit der Christus die Welt ergreifen wird. Er ist in die himmlische Herrlichkeit vorausgegangen, und von dort wird er die endgültige Rettung bringen. Paulus warnt die Philipper, die Rettung von einem anderen zu erwarten, nur auf ihn kann man letzte Hoffnung setzen: „Unser Staatswesen ist im Himmel, aus dem wir auch als Retter erwarten den Herrn Jesus Christus, ihn, der den Leib unserer Niedrigkeit verwandeln und dem Leibe seiner Herrlichkeit gleichgestalten wird gemäß der Kraft, mit der er sich auch das ganze All unterwerfen kann.“ Nur vom Himmel kann die Rettung kommen. Auch die Heiden erwarten einen Retter. Der Kaiser, der in die Stadt einzog, der wurde als Soter, als Retter angesprochen, aber kein Kaiser kann Rettung aus den letzten Nöten bringen, auch kein Führer einer sozialistischen Massenpartei. Der Retter aus der letzten Not, nämlich von Tod und Todesangst, kommt aus keiner irdischen Stadt, er kommt vielmehr aus der Himmelsstadt. Die Bedränger der Christen werden Drangsale erfahren, die bedrängten Christen dagegen Erquickung. Der Herr wird sich vom Himmel her offenbaren mit den Engeln, bringt Vergeltung über diejenigen, die sie sich verdient haben, und er bringt Rettung für diejenigen, die auf ihn gehofft haben. In der Hoffnung auf die Zukunft ist der Christusgläubige in allen Drangsalen sogar selig. „Erschienen ist die Gnade Gottes, unseres Heilandes, und sie lehrt uns, aller Gottlosigkeit und allen weltlichen Gelüsten entsagen, sittsam, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben, warten auf die selige Hoffnung, die Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes.“ An seinen Schüler Timotheus schreibt Paulus: „Ich befehle dir vor Gott, der allen Dingen Leben gibt, und Christus, der unter Pilatus das gute Bekenntnis abgelegt hat, dass du das Gebot haltest ohne Flecken, ohne Tadel bis zur Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus, welche zu seiner Zeit sehen lassen wird der selige, alleinige Gebieter, der König der Könige, der Herr der Herrscher, der allein Unsterblichkeit besitzt.“

Wenn die Ankunft des Herrn immer noch aussteht 2000 Jahre nach seiner ersten Ankunft, so ist dies kein berechtigter Grund, an ihr zu zweifeln, man muss ihrer vielmehr immer gewärtig sein. Jakobus schreibt in seinem Brief: „So harrt denn, meine Brüder, geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn. Fürwahr, der Landmann wartet auf die Ernte, auf den Frühregen, auf den Spätregen. Also müsst auch ihr warten in Geduld und eure Herzen aufrichten; die Ankunft des Herrn ist nahe.“ Petrus warnt seine Leser, die Verzögerung der Wiederkunft des Herrn als Säumnis zu betrachten. Er warnt sie: „Vor allen Dingen müsst ihr wissen, dass am Ende der Tage Spötter auftreten; Spötter, die voll Hohn sagen: Es bleibt doch alles so, wie es immer vom Anfang ist.“ Dagegen sagt Petrus: „Dies aber, meine Lieben, dürft ihr nicht übersehen: Ein Tag ist vor dem Herrn wie tausend Jahre, und tausend Jahre sind vor ihm wie ein Tag.“ Gott rechnet anders als wir. Gott hat sich am Anfang unermesslich viel Zeit gelassen, bis er den Erlöser erscheinen ließ. Hunderttausende, vielleicht Millionen von Jahren sind vergangen, bevor der Herr herabstieg vom Himmel. Er nimmt sich auch jetzt Zeit, um ihn wiederkehren zu lassen. Seine zweite Ankunft ist ebenso sicher wie die erste. Der Gott, der seinen Sohn herabsteigen ließ in die Krippe von Bethlehem, der Gott ist auch fähig und gewillt, seinen Sohn in Herrlichkeit mit den Engeln wiederkehren zu lassen. Er wird ihn senden, wenn seine Stunde schlägt.

Die gläubigen Christen haben alle Zeit mit dem Kommen Christi gerechnet. Karl der Große meinte, dass die Wiederkunft zu seiner Zeit eintreten werde. Martin Luther meinte, die Wiederkunft werde im Jahre 1524 erfolgen. Hatten sie Unrecht mit ihrer Erwartung? Nein, sie haben nur Jesu Verheißung ernst genommen. Was jederzeit eintreten kann, das ist immer nahe, damit muss man täglich rechnen. Doch ist und bleibt natürlich der Termin verborgen. Jesus erklärt: „Jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel, sondern nur der Vater allein. Der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht vermutet.“ Es ist Jesus ein Anliegen, jedes Menschenleben in allen Zeiten in das ungewisse Dämmerlicht des Endtages und des Endgerichts zu stellen. Paulus hat ihn verstanden. Er schreibt an die Gemeinde in Saloniki: „Über die Zeiten und Fristen braucht man euch, meine Brüder, nicht zu schreiben. Ihr wisst selbst recht wohl: Der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht.“ In der Nacht, in der der Herr kommt, werden, so heißt es in einer Rede des Herrn, zwei auf einem Lager sein; der eine wird aufgenommen, der andere zurückgelassen werden. Zwei Frauen werden zusammen an einer Mühle drehen; die eine wird aufgenommen, die andere zurückgelassen. Da tritt die große Scheidung ein. Angesichts dieser schrecklichen Alternative versichert uns der Herr: „Wachet allezeit und betet, damit ihr imstande seid, alldem, was bevorsteht, zu entgehen und vor den Menschensohn zu treten.“

Die Hoffnung auf den kommenden Herrn prägt das Denken und Leben, ja die ganze Existenz des Christen. Man kann das Christentum geradezu als die Religion der Wiederkunft bezeichnen und die christusgläubigen Menschen als solche, welche die Ankunft des Herrn lieben. Sie sind Menschen der alles transzendierenden Sehnsucht. Sie gibt ihnen das Gebet ein, das wir ja jeden Tag sprechen: Dein Reich komme. Das ist das Reich der Wiederkunft, das ist die Wiederkunft Christi. Dein Reich komme. Wir beten immer um die Vollendung, jeden Tag. Nach dem Zeugnis des 1. Korintherbriefes wendet sich die ganze Kirche, das Volk Gottes Christus mit dem Gebetsruf zu: Komm, Herr Jesus. Nach der Apokalypse stimmt die Kirche mit diesem Gebet ein in den Sehnsuchtsruf, den die Himmlischen selbst im Heiligen Geist an den Herrn richten. Auch sie, die Himmlischen, warten ja noch auf eine Volloffenbarung Christi. Auch sie sind im Wartestande. Aber ihr Warten ist nicht ein unruhiges, ängstliches, quälendes Warten, sondern es ist ein sicheres, ruhiges Harren der Liebe, das auf die Sicherheit baut, die der Herr denen gibt, die an ihn glauben. Der himmlische Gebetsruf des Geistes und der Braut wird von den Pilgern auf Erden aufgenommen. „Und der Geist und die Braut sprachen: Komm! Und wer es hört, soll sprechen: Komm!, und wer dürstet, der komme, und wer will, der empfange lebendiges Wasser.“ „Der dies bezeugt, spricht: „Ja, ich komme bald!“ Ja, meine lieben Freunde, der Herr wird kommen. Wie der Blitz aufzuckt im Osten und bis zum Westen leuchtet, so wird er kommen. Er wird kommen, wie das Schicksal kommt, denn er ist das Schicksal der Welt. Er kommt über alle, die ihn sahen und doch nicht sahen, die ihn hörten und doch nicht verstanden, über Spötter und Hasser, über Trunkene und Träumende, über Zweifelnde und Verzweifelnde. Er, der Ausgestoßene, der Verkaufte, der Geschlagene, der Gekreuzigte, der Totgeschwiegene; wie ein Blitz wird er hineinleuchten in das Dunkel ihrer Seelen, wie der Blitz wird er sie mit ihren Götzen zerschmettern. Wie brennende Glut wird er ihr morsches Sein verzehren, wie rollender Donner wird die Sprache des Gerichtes über sie kommen. Wenn das alles geschieht, meine lieben Freunde, dann sehen wir auf und erheben unser Haupt, denn es naht unsere Erlösung. Ja, Herr, wir werden wissen, dass du es bist. Du glühend Geliebter, du heiß Ersehnter, du einziger Gott über allen Götzen, du unser Leben und unsere Liebe, du nie Gesehener und doch Gekannter, du unendlich Ferner und doch Allernächster, du ewiger Gott und doch unser Heiland, unser Bruder und unserer Freund; wir wussten, dass du kommst. Die Augen unseres Innersten haben immer wieder die grauen Horizonte abgespäht, nach deinem Kommen suchend; wir wussten, dass du kommst. Wir gingen dir entgegen in der Hoffnung auf dein Wort. Wir ließen hinter uns die satte Welt und bauten in der Wüste deine Stadt und ihre Tore ragten weit wie unsere Sehnsucht. Geheimer König, wenn dein Banner über der Erde flattert, kehren wir Verbannte heim. Deinetwegen haben wir das Tier nicht angebetet und uns nicht preisgegeben um feilen Lohn. Wir kehren heim und bringen dir den Lobpreis deiner Größe dar. Auch du warst tot, geächtet und gemartert, und du lebst. Du kommst, Tod und Trauer von uns zu nehmen. Du kommst, uns zur ewigen Hochzeit zu führen, wo wir trinken werden aus Quellen lebendigen Wassers. Du kommst, um unseren Glauben in Schauen zu verwandeln. Herr, noch weilst du verborgen in unserer Mitte. Aber schon schauen wir den Lichtsaum des Gewandes deiner Herrlichkeit. Lasset uns, meine lieben Freunde, in das Gebet der Urkirche eintreten, die in ihrer Sprache gebetet hat: Maranatha – Komm, Herr Jesus!

Amen.   

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