Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. November 2019

Lourdes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Heiligen des Himmels Versammelte!

Die Kirche ist überzeugt, dass Gott den Vollendeten des Himmels geben kann, Menschen auf Erden in leiblicher Gestalt zu erscheinen und zu ihnen zu reden über die Angelegenheiten des Heiles. Das gilt zuerst und vor allem für die Muttergottes. Maria vermag, in sichtbarer und hörbarer Weise den Menschen auf Erden zu begegnen. In den Erscheinungen können sich echte übernatürliche Einflüsse mit natürlichen innerseelischen Ursachen mischen. Es werden über 500 Marienerscheinungen berichtet. Die kirchlichen Autoritäten sind bei der Prüfung dieser Erscheinungen sehr streng. Sie prüfen, ob die Kriterien erfüllt sind, die an diese Erscheinungen gestellt werden müssen. Die meisten dieser Erscheinungen werden von der Kirche entweder abgelehnt oder unentschieden gelassen. Nur eine geringe Zahl ist von der Kirche approbiert worden, etwa 56. Die Approbation besagt: Die Tatsache einer übernatürlichen Verursachung kann vernünftiger Weise mit menschlichem Glauben angenommen werden. Die Anerkennung bezieht sich also nicht auf die objektive Tatsächlichkeit, sie stellt nur fest, dass die mit ihr verbundene Botschaft nichts gegen den Glauben und gegen die Sittenlehre der Kirche enthält, daher veröffentlicht werden kann, und gibt frei, die über- oder außernatürliche Verursachung der Botschaft mit menschlichem Glauben anzuerkennen. Marienerscheinungen haben oft Frömmigkeit und Glaubensleben gefördert und gestärkt. Die Erscheinungen von Lourdes haben sich zu einer Quelle geistlicher Kraft und kirchlicher Stärkung entwickelt. Diese Quelle sprudelt seit bald 200 Jahren. Der 14-jährigen Müllerstochter Bernadette Soubirous erschien, nach ihren Aussagen, stehend in einer Grotte des Felsens Massabielle in Lourdes am Ufer des Flusses Gave ganz unerwartet am 11. Februar 1858 die selige Jungfrau, dann wiederholt, im Ganzen 18 Mal, zuletzt am 16. Juli 1858. Sie befahl der Bernadette am 25. Februar, in der Grotte zu trinken und sich zu waschen aus einer Quelle, die unmittelbar darauf entsprang, zunächst spärlich, allmählich reichlich floss, seit Jahren täglich 122000 Liter Wasser. Sie forderte Bernadette auf, den Rosenkranz zu beten, aus der Quelle zu trinken, Buße zu tun, für die Bekehrung der Sünder zu beten und den Priestern zu sagen, hier eine Kapelle zu bauen und dass man hierher in Prozessionen kommen solle. Der zuständige Pfarrer und der Bischof von Tarbes waren anfangs zurückhaltend, fast feindlich. Erst am 28. Juli 1858 setzte der Bischof eine Untersuchungskommission ein. Drei Jahre lang prüfte die Kommission Bernadette und die angeblich Geheilten sowie die Ärzte. Auf ihr Urteil hin erklärte der Bischof am 18. Januar 1862, die Erscheinungen trügen alle Kennzeichen der Wahrheit an sich. So erhielt die Wallfahrt die amtliche Bestätigung. Die Päpste schlossen sich an: Pius IX., Leo XIII., Pius XI.; er sprach Bernadette 1925 selig und 1933 heilig. In Lourdes entstand ein Heiligtum. Nach den Angaben Bernadettes schuf ein Bildhauer eine Statue der Muttergottes. Sie wurde am 4. April 1864 aufgestellt. Oberhalb der Grotte entstand eine Kirche, dann die große Rosenkranzbasilika und 1958 die Pius X.-Basilika.

Bernadettes Wahrhaftigkeit kann vernünftigerweise nicht bezweifelt werden. Sie war ein durchaus braves und religiöses, gesundes Kind, ohne Bildung, aber von klarem, ruhigem Urteil, wie die spätere Ausbildung, die sie empfangen hatte, zeigte. In ihren Aussagen schwankt sie nicht, auch nicht auf dem Sterbebett gegenüber dem Vertreter des Bischofs. Trotz großer Armut hat sie nie ein Geschenk oder Geld angenommen. Sie flieht jede Auszeichnung, sie will nicht auffallen. Die von den weltlichen Behörden beauftragten ungläubigen Ärzte erklären zwar die Erscheinungen als Sinnestäuschung, bestätigen aber ausdrücklich die leibliche und seelische Gesundheit der Bernadette, ihre Ehrlichkeit und ihre Uneigennützigkeit.

Lourdes ist der große internationale Wallfahrtsort geworden. Wallfahrten, meine lieben Freunde, sind Ausdruck wahrer Verehrung des einen Gottes, wenn auch unter der Anrufung Mariens oder eines Heiligen. Wallfahrten haben mit Magie, mit Zauberei, mit Polytheismus und heidnischen Heroenkulten nichts zu tun. Die Botschaft, die von Lourdes ausgeht, ist eine durchaus religiöse. Aber sie hat eine Besonderheit, nämlich in Lourdes geschehen neben zahllosen Bekehrungen geistlicher Art auch körperliche Genesungen. Am 28. Februar 1858 verlautete die Kunde von der Heilung eines Erblindeten durch das Wasser der neuen Quelle. Die erste Kommission stellte bereits 1861 einhundert Heilungen fest und sah fünfzehn davon als Wunder an. Seit 1882 untersucht ein ständiges Ärztebüro die durch ärztliches Attest aus der Heimat beglaubigten Kranken und die Geheilten. Zu diesem Ärztebüro hat jeder Arzt ohne Rücksicht auf seine Konfession Zutritt. Die meisten Heilungen treten nicht an die Öffentlichkeit. Nur wenige Geheilte stellen sich den Ärzten, werden untersucht, und es wird geprüft, ob die Heilungen natürlich, ob sie naturwissenschaftlich erklärt werden können oder nicht. Bisher wurden über 5000 Heilungen gemeldet. Davon sind bis 1997 nur 65 Heilungen als mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht erklärbar bezeichnet worden und durch eine kirchliche Kommission als Wunder anerkannt worden – 65 von über 5000. Das endgültige Urteil wird erst nach Verlauf mindestens eines Jahres, zuweilen sogar nach zwei bis vier Jahren gefällt, wenn es sich zeigt, dass die Besserung anhält und nicht vorübergehend ist. In vielen Fällen müssen sich die Geheilten einer nochmaligen Untersuchung in Lourdes stellen. Das Ärztebüro gebraucht niemals das Wort Wunder. Es stellt nur fest: Die Heilung ist naturwissenschaftlich, medizinisch nicht erklärbar. Man muss mit zahlreichen ärztlichen Gutachten, die nach genauester Untersuchung abgegeben wurden, gestehen: Bei den Heilungen in Lourdes waltet eine besonders gütige Vorsehung. Und mehr als das: In vielen Fällen auch Gottes Wundermacht, die so das in Lourdes augenfällige Wirkungen der Gnade bei Bekehrungen und Neuerweckung des religiösen Lebens begleitet.

Die Heilungen, die im Ärztebüro als solche anerkannt werden, sind natürliche Heilungen. Das Übernatürliche besteht in einer dreifachen Tatsache:

1.      Sie geschehen ohne Anwendung eines Heilmittels.

2.      Sie gehen plötzlich vor sich.

3.      Die Gesundheit kehrt ohne Genesungszeit wieder.

Es fehlt der Faktor Zeit; das ist das Außergewöhnliche an ihnen. Es scheint also, dass in jedem Fall Gott sich zum Gesetz gemacht hat, nicht den sekundären Gesetzen zuwiderzuhandeln, d.h. den biologischen Gesetzen, die er zur Regelung der Lebensbedingungen des Menschen gibt. Ein unverdächtiger Zeuge einer Heilung war der Arzt und Nobelpreisträger Alexis Carrel. Er hat ein Buch geschrieben: „Der Mensch, das unbekannte Wesen.“ In diesem Buche schreibt er: „Niemals werde ich das erschütternde Erlebnis vergessen. Ich sah, wie ein großes krebsartiges Geschwür an der Hand eines Arbeiters vor meinen Augen bis auf eine kleine Narbe zusammenschrumpfte. Verstehen kann ich es nicht, aber ich kann nicht bezweifeln, was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe.“ So der Nobelpreisträger Alexis Carrel. Damit, meine lieben Freunde, erledigt sich der Einwand, den die Gottlosen machen, nämlich man werde sich erst dann von den wunderbaren Heilungen in Lourdes überzeugen lassen, wenn etwa amputierte Glieder durch wunderbare Einwirkung wieder nachwachsen. Zu solchen Geschehnissen gibt sich Gott nicht her. Schauwunder, die ihn als Zauberkünstler erscheinen lassen, hat der Gottessohn in seiner irdischen Wirksamkeit immer abgewiesen. Als Satan ihm zumutete, sich von der Zinne des Tempels herabzustürzen, da hat er ihn abgewiesen. Ein Zeichen, das dazu dient, die Menschen zu überwältigen, sie zu zwingen, zu glauben, ein solches Geschehen weist Gott ab. Das ist nicht die Weise, wie Gott den Glauben hervorrufen will.

Gegen den übernatürlichen Charakter einiger in Lourdes erfolgter Heilungen werden Einwände erhoben. Man behauptet, es sei Suggestion im Spiel. Suggestion ist die Beeinflussung des Denkens, Fühlens und Wollens eines Menschen unter Umgehung seiner rationalen Persönlichkeitsmerkmale. Suggestion kann vielleicht höchstens Neurosen oder rein funktionelle Leiden heilen, und zwar gewöhnlich nur vorübergehend. Die Heilungen in Lourdes betreffen viele auch hartnäckigste funktionelle Störungen und zahlreiche Fälle schwerster organischer Erkrankungen: Krebs, Tuberkulose, Knochenbrüche, die keine Suggestion heilen kann. Außerdem schließt die Art der Heilung bei Kindern, bei Bewusstlosen jede Suggestion aus. Andere Gegner der übernatürlichen Erklärung der Heilungen berufen sich auf angeblich unbekannte Naturkräfte. Naturkräfte unterstehen immer und ausnahmslos den Naturgesetzen. Naturgesetze sind erfahrungsgemäß sich immer wieder bestätigende, aus dem Naturgeschehen abgeleitete Regeln. Unbekannte Naturkräfte müssten – ganz im Gegensatz zu Lourdes – nach Art der Naturkräfte unter den gleichen Bedingungen konstant, beständig und notwendig wirken. Sie dürften nicht eine verhältnismäßig kleine Zahl von Kranken bevorzugen, sie dürften nicht bloß in Lourdes und bei Pilgern wirken, sie könnten nur dem natürlichen Genesungsprozess durch allmähliche Zellbildung folgen, aber jedenfalls nicht momentane Heilungen schwerer organischer Krankheiten herbeiführen, wie sie in Lourdes vorkommen.

Die gläubigen katholischen Christen haben keinen Anlass, an der Echtheit der Marienerscheinungen in Lourdes, an den zahllosen Bekehrungen und Tröstungen von Pilgern und an den Heilungen körperlicher Krankheiten zu zweifeln. Millionen strömen nach Lourdes – 1997 waren etwa 5 Millionen Pilger in Lourdes aus 140 Ländern. Zahllose Kranke eilen nach Lourdes – damals waren es 70000. Seit Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils haben die körperlichen Heilungen in Lourdes stetig abgenommen. Der Grund dafür ist der Verlust oder das Schwinden, das Schwachwerden des Glaubens an die heilende und rettende Kraft Gottes und seiner Heiligen. Wer nicht glaubt, dem wirkt Gott keine Wunder. Der Unglaube ist keine geeignete Voraussetzung für das Vertrauen auf Gottes barmherzige Allmacht. Im Evangelium nach Markus wird berichtet, dass Jesus seine Heimatstadt Nazareth besuchte. Als der Sabbat kam, trat er in der Synagoge als Lehrer auf. Die Hörer staunten über seine Lehre, erinnerten sich aber an seine geringe Herkunft: „Ist das nicht der Sohn des Joseph?“, und nahmen Anstoß an ihm. Markus kommentiert Jesu Verhalten: „Er konnte dort keine Wunder wirken, außer dass er wenigen Kranken die Hände auflegte und sie heilte. Er wunderte sich über ihren Unglauben.“ Lourdes ist und bleibt die Stätte der Wunder. Die Macht Gottes und die Fürbitte Mariens stehen bereit, an den geeigneten Personen ihre Barmherzigkeit zu beweisen. Halten wir fest, meine lieben Freunde, an der Überzeugung, dass sich in Lourdes der Himmel öffnet, dass Gott seine überweltliche Macht offenbart, dass Maria sich als die Hilfe der Christen erweist.

Amen.

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