Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
18. August 2019

„Viele sterben zu spät, und einige sterben zu früh“

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Viele sterben zu spät, und einige sterben zu früh. Noch fremd klingt die Lehre: Stirb zur rechten Zeit!“, so schreibt Friedrich Nietzsche in seinem „Zarathustra“. Viele sterben zu spät, und einige sterben zu früh. Noch fremd klingt die Lehre: Stirb zur rechten Zeit! Sterben ist das ausnahmslose Schicksal eines jeden Menschen. Der Tod, wenigstens der Tod macht alle gleich. Der Mensch verbraucht sich. Doch hinter dem natürlichen Vorgang des Verschleißes steht die Verfügung Gottes. Der Tod ist Strafwirkung der Sünde. Durch die Auflehnung des Stammvaters gegen Gott ist der Tod in die Welt gekommen. Durch die Taufe verliert der Tod seinen Strafcharakter und wird zur bloßen Sündenfolge. Unser Schöpfer wollte, dass uns der Tag des Todes unbekannt bliebe. Warum? Damit wir den Tod stets nahe glauben, da wir ihn niemals ferne wissen. Gottes Weisheit und Allmacht steht über unserem Leben und über unserem Sterben. „Die Zeit, Gott zu suchen, ist dieses Leben. Die Zeit, ihn zu finden, ist der Tod. Die Zeit, ihn zu besitzen, ist die Ewigkeit.“ Der Tod ist kein Untergang, sondern ein Übergang, Übergang vom Erdenwanderweg hinein in die Ewigkeit. Für den gläubigen Christen wird das unentrinnbare Ende des Erdenlebens zum Ziel heiliger Sehnsucht, weil es die ewige Vereinigung mit Christus und allen Heiligen anbahnt. Die christliche Lehre empfiehlt und fordert die Vorbereitung auf den Tod. Aber schon der heidnische Kaiser Marc Aurel hat das wunderbare Wort gesprochen: „Auch das Sterben ist eine von den Aufgaben unseres Lebens.“ Jeder sollte immer wieder an das eigene Sterben denken und den Gedanken an den Tod nicht verdrängen. Jeder sollte bereit sein, zu sterben, wenn Gott ihn ruft. Da es uns aber unbekannt ist, wann der Ruf ergeht, sollte man immer bereit sein, das irdische Zelt abzubrechen. „Sterblicher, denk' ans Sterben!“, mahnt das Buch von der „Nachfolge Christi“. Wie einer aus diesem Leben scheidet, so tritt er vor den Richter. Wir sollen in Gott hinein leben, dann können wir auch in Gott hinein sterben. Wer den Mut und die Kraft hatte, in Gott hinein zu leben, der wird auch den Mut und die Kraft haben, in Gott hinein zu sterben. Eines ist so leicht und so schwer wie das andere.

Nun behauptet Nietzsche: Viele sterben zu spät. Wie ist diese Behauptung wohl zu verstehen? Wer sind die, welche nach seiner Meinung zu spät sterben? Damit meint er die Überflüssigen, die Fürchterlichen, die „Schwindsüchtigen der Seele“, wie er sie nennt, die viel zu vielen. Es sind alle jene, die zu seiner Herrenmoral nicht passen. „Viel zu viele leben und viel zu lange hängen sie an ihren Ästen“, schreibt er. „Möchte doch ein Sturm kommen, der all dies Faule und Wurmfressene vom Baume schüttelt!“ Das ist Nietzsches Botschaft. Nietzsche hielt nichts vom Wert des einzelnen Menschen, des einzelnen Menschenlebens. Auch die bedeutendsten Zeitgenossen überleben sich nach seiner Meinung. „Mancher wird auch für seine Weisheit und seine Siege zu alt.“ Nietzsche prophezeite den Übermenschen. Der Mensch ist etwas, was überwunden werden muss. Der Übermensch, meine lieben Freunde, also der Mensch, der über den Menschen hinausgeht, ist eine Utopie. Es gibt nur Menschen und keine Übermenschen. Nietzsche gibt selbst zu: „Ich sah den größten und den kleinsten Menschen. Ich sah sie beide nackt; allzu ähnlich waren sie sich beide.“ Die vielen Menschen, die Nietzsche zu den Überflüssigen zählt, sind dies in Wahrheit nicht. Es gibt keinen überflüssigen Menschen, denn es gibt keinen Menschen, der nicht eine Spur des Schöpfergottes an sich trägt. Gott hat ihn gewollt, hat ihm die unsterbliche Seele eingeschaffen. Ein Wesen, das Gott zur Unsterblichkeit berufen hat, das kann nicht überflüssig sein. Alle Menschen ohne Ausnahme haben von Gott eine Bestimmung erhalten für jedes Jahr, für jeden Tag ihres Lebens. Und es ist ihnen aufgegeben, diese Bestimmung ausfindig zu machen und ihr gerecht zu werden. Kein Mensch hat das Recht, unter seinen Mitmenschen nützliche und unnütze auszusondern. Dennoch teilen zahllose Menschen die Ansicht Nietzsches, dass viele zu spät sterben. Sie meinen, so manchen aus der Geschichte zu kennen, für den es besser gewesen wäre, wenn er früher von der irdischen Bühne abgetreten wäre. Denken Sie beispielsweise an König Heinrich VIII. von England. Er begann gut. Er hatte ein edles Ziel, er wollte sein Reich zur Höhe führen in Kunst und Wissenschaft und Religion. Gegen das Luthertum nahm er energisch Stellung. Er schrieb gegen die Irrlehre ein Buch: „Behauptung der sieben Sakramente“. Und der Papst ehrte ihn mit dem Titel „Defensor Fidei“ – Verteidiger des Glaubens. Aber dann nahm er eine böse Wendung. Die zweite Frau, die er entgegen dem göttlichen Gesetze geheiratet hatte, brachte er aufs Schafott. Es folgten vier Frauen, von denen wiederum eine durch Hinrichtung endete. Und er hat die Kirche in England von dem Römischen Stuhl losgerissen. Wäre es vielleicht besser gewesen, wenn er frühzeitig gestorben wäre? Und was wäre aus Europa, was wäre aus Deutschland geworden, wenn Hitler früher verschieden wäre? Der Menschheitsverbrecher, sein Regime stand und fiel mit seiner Person. Den Tod hatte er durch seine Taten längst verdient. Aber alle geplanten und durchgeführten Anschläge auf ihn scheiterten. Ich kann mich noch erinnern, am 8. November 1939 misslang ein Attentat auf Hitler in München. Karl Leisner, der spätere Opferpriester in Dachau, kommentierte die Tat mit den Worten: „Schade, dass er nicht dabei gewesen ist.“ Diese Äußerung brachte ihn ins Konzentrationslager. Für viele Zeitgenossen und Nachkommende hat Hitler zu lange gelebt. Doch vor dem Ratschluss Gottes müssen unsere Überlegungen verstummen. Gott weiß, weswegen dieser fürchterliche Mensch, zur Ruine ausgebrannt, bis zum Endsturm der Roten Armee in seinem Berliner Bunker leben durfte, Gott weiß es.

Viele sterben zu spät, meint Nietzsche. Diese Äußerung ruft die Frage unseres Umgangs mit dem Alter wach. Die Lebenserwartung ist ja so gestiegen, dass in den hochtechnisierten Ländern die meisten Menschen das Rückbildungsalter erleben. Im Alter nehmen die Kräfte des Leibes und des Geistes ab; der Mensch verbraucht sich. Es ist dies eine Anordnung Gottes. Aber dadurch wird der Mensch nicht überflüssig. Mit den verbliebenen Kräften kann und soll er fortfahren, zur Ehre seines Schöpfers und zum Wohle seiner Mitmenschen zu wirken. Und Gott sei es gedankt: Viele Menschen machen sich bis ins hohe Alter nützlich, üben ihren erlernten Beruf weiter aus, leisten anderen Hilfe, suchen ihr Wissen und ihre Tugenden zu vermehren. Es gibt sogar Menschen, die bis an die Grenze des Grabes Höchstleistungen vollbringen. Giuseppe Verdi, der große italienische Komponist, hat im hohen Alter herausragende Meisterwerke geschaffen. Als er den „Othello“ schrieb, war er 74 Jahre alt. Als er den „Falstaff“ komponierte, war er 80 Jahre alt. Die alten Menschen sind wertvoll und nützlich. Sie können und sollen Träger von Traditionen sein. Sie sollen den Glauben weitergeben an Kinder und Kindeskinder. Sie können und sollen sich einsetzen für caritative und apostolische Aufgaben. Christlicher Glaube macht gottergeben, zufrieden, froh und erleichtert die Last des Alterns. Das Bemühen um Selbstbescheidung, um weises Maßhalten, um ruhige Güte, um Weitergabe von Idealen an Jüngere in Wort und Beispiel, das gibt dem Alter Sinn. Welcher Segen geht oft von Großeltern für ihre Kinder und Enkel aus. Sie stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite, nicht selten auch mit materiellen Mitteln. Manchmal ersetzen die Großeltern, woran es die Eltern fehlen lassen in der Sorge und in der Erziehung der Kinder. Das Alter kann die Gelegenheit sein, das – jedenfalls teilweise – nachzuholen, was man im früheren Leben versäumt hat. Nach Gottes Willen ist alt werden eine Gelegenheit, auf die eine oder andere Weise gutzumachen, was man im vorangegangenen Leben angestellt und verfehlt hat. Wen Gott alt werden lässt, dem gibt er die Möglichkeit, sich für den Eingang in die Ewigkeit vorzubereiten. Zahlreiche Menschen werden erst, aber immerhin, im Alter fromm, verdoppeln ihre Gebete, besuchen die Werktagsmesse, beichten regelmäßig und flehen für die schuldbeladene Erde. Das Alter kann ein Segen sein. Doch hat es auch seine Gefahren. Nicht alle machen etwas Nützliches aus ihren alten Tagen. Nicht wenige ergeben sich dem Müßiggang, versuchen möglichst viel von den Genüssen der Erde noch an sich zu reißen. Bei nicht wenigen alten Menschen kann man einen Lebenshunger beobachten, wie er bei jungen Menschen verständlich ist. Sie haschen nach den Genüssen der Erde, vom Essen bis zur geschlechtlichen Betätigung, von Kaffeefahrten bis zu Seereisen. Der evangelische Theologe Niemöller heiratete mit 84 Jahren noch einmal. Ein langes Leben macht den Menschen nicht immer besser, macht seine Schuld oft nur noch größer. Das Alter kann verhärten und versteinern. Manche alte Menschen verzehren sich in Ressentiments. Ich erlebte einen Nachbarn, der sich nicht genugtun konnte in der Anklage und Verwünschung seiner Mitmenschen. Ich erinnere mich an eine Äußerung von ihm. „Es müsste eine Zeit kommen“, so sagte er, „wo die Leute vor Hunger die Kitte aus den Fensterrahmen fressen.“ Der Verfasser des Buches von der „Nachfolge Christi“ schreibt deshalb warnend: „Wenn es für dich so schrecklich ist, jetzt zu sterben, so ist es vielleicht noch gefährlicher, länger zu leben.“ So mancher Künstler und Gelehrte überlebte seinen eigenen Ruhm. Rossini, der italienische Komponist, erreichte ein Alter von 76 Jahren. Er hat der Musikwelt zahlreiche gelungene Opern geschenkt, aber bereits mit 37 Jahren schrieb er sein letztes Bühnenwerk „Wilhelm Tell“ – danach kam nichts mehr. Er enttäuschte seine Verehrer, die noch vieles von ihm erwartet hatten. Albert Einstein legte in jungen Jahren Arbeiten vor, von denen einige die Grundlagen der Physik revolutionierten. In späterer Zeit ließ seine Schaffenskraft nach. Seine Entdeckungen wurden von anderen Gelehrten überholt. Er selbst hatte sich einem bequemen Leben ergeben. Viele sterben zu spät, sagt Nietzsche, und nicht wenige sprechen es ihm nach. Doch diese Meinungen und Urteile sind fehlbare Ansichten von Menschen. Sie können nicht den Anspruch erheben, allgemeingültig zu sein. Sie sehen – und dass ist das Gefährlichste – vor allem ab von der Religion, von Gott, dem Herrn des Lebens und des Todes. Für ihn gibt es kein „zu spät“, seine Verfügung kommt stets zur rechten Zeit.

Man kann berechtigterweise der Ansicht sein, dass es wünschenswert gewesen wäre, wenn manche Menschen länger gelebt hätten. Selbst Nietzsche kennt einige, die nach seiner Ansicht zu früh gestorben sind, denen er also ein längeres Leben gegönnt hätte. Er billigt immerhin Christus zu, dass er ein längeres Leben verdient hätte. „Wahrlich, zu früh starb jener Hebräer, den die Prediger des langsamen Todes ehren, und vielen ward es seitdem zum Verhängnis, dass er zu früh starb.“ „Er starb zu früh“, sagt Nietzsche, „er selber hätte seine Lehre widerrufen, wenn er in mein Alter gekommen wäre.“ Wenn wir einmal von der Hybris absehen, mit der Nietzsche hier von Christus spricht, können wir doch manchmal und vielleicht vielmal Menschen vorweisen, von denen wir meinen, sie seien zu früh gestorben. Wir gläubigen Christen gedenken im Zusammenhang mit der Geburt Jesu Christi der Unschuldigen Kinder, die der König Herodes in Bethlehem und der Umgebung töten ließ, weil er mit ihnen seinen gefürchteten Rivalen aus dem Wege schaffen wollte. Wir meinen, die Kinder seien zu früh gestorben. Doch die Heilige Schrift sieht ihren Tod als Verherrlichung Gottes. „Aus dem Munde von Kindern und Säuglingen, o Gott, bereitest du dir Lob, deinen Feindes zum Trotz.“ Und die Liturgie sagt von ihnen: „Diese sind es, als Erstlinge erkauft von den Menschen, Gott und dem Lamme.“ Und der heilige Augustinus ruft gar aus: „O glückliche Kinder, eben geboren, niemals versucht, noch nicht zum Kampfe fähig und doch schon gekrönt.“ Wir kennen aus der Geschichte so manche Personen, deren kurzes Leben wir bedauern, von denen wir ehrlich meinen, sie seien zu früh gestorben. Die heilige Jeanne d’Arc, die Jungfrau von Orléans, der immerhin Schiller ein Drama gewidmet hat, wurde mit 19 Jahren verbrannt. Ihre Rehabilitation erfolgte wenig später und zeigte das Unrecht auf, das man ihr angetan hatte. Alarich, der König der Westgoten, einer der bedeutendsten germanischen Führer der Völkerwanderungszeit, starb mit 40 Jahren und wurde im Flussbett des Busento bei Cosenza (Italien) begraben. August von Platen hat ihm ein dichterisches Denkmal gesetzt: „Allzu früh und fern der Heimat mussten hier sie ihn begraben, während noch die Jugendlocken seine Schultern blond umgaben.“ Don Juan d’Austria, der uneheliche Sohn Kaiser Karls V., der Sieger der Seeschlacht von Lepanto, ein großer Feldherr und Staatsmann, erreichte nur ein Alter von 31 Jahren. Der einzige Sohn Napoleons, der Herzog von Reichstadt, starb mit 21 Jahren an Lungentuberkulose. Denken wir an die große Zahl genialer Komponisten, deren Lebenszeit kurz bemessen war. Mozart, ein Fürst im Reich der Musik, erreichte nur ein Alter von 35 Jahren. Franz Schubert, der große Komponist von Liedern und Symphonien, starb mit 31 Jahren. Mendelssohn Bartholdy wurde nur 38 Jahre alt. Und Karl Maria von Weber, der große Initiator der Romantik in der Musik, starb mit 40 Jahren ebenfalls an Lungentuberkulose. Wenn wir ihr Leben, ihr Werk und ihre Persönlichkeit betrachten, kommt uns der Gedanke: Warum mussten sie so früh sterben? Wie hätten sie, wenn sie länger gelebt hätten, die Menschheit bereichern können mit ihrer Kunst. Nicht wenige, sondern viele so meinen wir, sterben zu früh. Denken wir an die zahllosen Männer, die im Krieg den Tod gefunden haben. Millionen Menschen haben ihr Leben verloren, Millionen Soldaten, für die meisten war es noch nicht einmal die Mitte der durchschrittenen Lebenserwartung, die sie erreicht haben. Sind sie nicht alle zu früh gestorben? Selbst Menschen, die ein hohes Alter erreicht haben, waren noch nicht lebenssatt, als sie aus dieser Welt abtreten mussten, wollten vielmehr noch länger leben und wirken. Michelangelo wurde 89 Jahre alt. Er beklagte am Ende seines Lebens sein Los: „Sterben zu müssen in dem Zeitpunkt, wo ich anfange, in meiner Kunst die ersten Worte zu stammeln.“ Von nicht wenigen Menschen meinen wir, sie seien zu früh gestorben. Aber der christliche Glaube schreibt andere Kommentare zum frühen Tod. Gott bestimmt die Dauer der irdischen Wanderschaft eines jeden Menschen, ob lang oder kurz. Im Buche Hiob heißt es: „Du hast dem Menschen eine Zeit gesetzt, die er nicht überschreitet.“ Gott setzt die Dauer des Lebens in seiner Weisheit, Allmacht und Güte fest. Seine Vorsehung waltet über einem langen Leben ebenso wie über einem kurzen. Der große Gelehrte Joseph Görres schrieb an seine Tochter angesichts des Todes eines ihrer Kinder: „Muss es gestorben sein, dann ist das Sterben in der Kindheit noch das Beste.“ Es ist ein Geschenk Gottes, jung und rein sterben zu dürfen. Das sagt uns zwar nicht der Verstand, aber der Glaube überzeugt uns davon.

Nach Nietzsche soll man weder zu spät noch zu früh sterben, sondern rechtzeitig. Noch fremd klingt die Lehre: Stirb zur rechten Zeit! Wann ist die rechte Zeit? Die rechte Zeit zu sterben, ist der von Gott verfügte Zeitpunkt. Die Todesstunde eines jeden Menschen ist Gott bekannt, er sieht sie voraus. In diesem Sinne ist jede Todesstunde die nach Gottes Willen rechte Zeit. Nach Gottes Absicht soll jeder Mensch zu der Stunde, da er aus der Welt scheidet, innerlich und möglichst auch äußerlich gerüstet und vorbereitet sein. Der englische Kardinal Newman pflegte zu beten: „O Gott, lass mich sterben zu der Zeit und auf die Weise, die am meisten zu deiner Ehre ist und am besten zu meinem Heil.“ Lass mich sterben zu der Zeit und auf die Weise, die am meisten zu deiner Ehre ist und am besten zu meinem Heil. Ein besseres Gebet, glaube ich, kann man nicht sprechen. Wie erkennt man den rechten Zeitpunkt? Nun, wer das natürliche Auslaufen des menschlichen Lebens geschehen lässt, darf annehmen, dass es nach Gottes Willen die rechte Zeit ist. Wenn wir hören, dass eine tödliche Krankheit uns ergriffen hat, dann wissen wir auch: Das ist die Zeit, die Gott für meinen Heimgang bereitet und festgelegt hat. Der heilige Franz von Assisi fragte wenige Tage vor seinem Tod den Arzt, was er von seiner Krankheit halte. Der Arzt antwortete: „Vater, Eure Krankheit ist unheilbar.“ Auf diese Worte hin breitete Franz seine Arme aus und sprach mit großer Freude: „Sei mir willkommen, mein Bruder Tod.“ Schlaganfall, Herzversagen, Kreislaufstillstand sind nicht nur Warnzeichen, sondern kündigen nicht selten den bevorstehenden Tod an. Der früherer Bischof von Mainz, Albert Stohr, erlitt auf einer Firmreise den zweiten Herzinfarkt. Seine Begleitung rief nach einem Arzt. Der fromme Bischof erklärte: „Ich brauche keinen Arzt, ich brauche einen Priester.“ Er wusste, dass der Tod bevorstand. Es war die rechte Stunde. Wer durch ein Unglück oder einen Unfall das Leben verlor, von dem darf man annehmen und hoffen, dass Gottes Vorsehung auch über ihn gewacht hat und sein Tod in den Plan Gottes über seinem Leben aufgenommen worden ist. Gläubige Christen legen die Sterbestunde in Gottes Hand. „Herr, wann du willst, dann ist es Zeit, und wann du willst, bin ich bereit, heut und in alle Ewigkeit.“ Im Jahre 1918 hat ein frommes Mädchen in Riga auf die Todesstunde durch Erschießen der Bolschewisten gewartet. Und in dieser kurzen Zeit vor ihrem Sterben hat sie auf Papier aufgeschrieben, was sie empfand: „Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt die Zeit. Dein Plan ist fertig stets und liegt bereit. Ich preise dich für deine Liebesmacht, ich preis die Gnade, die mir Heil gebracht. Du weißt, woher der Wind so stürmisch weht, und du gebietest ihm, kommst nie zu spät. Drum wart ich still, dein Wort ist ohne Trug, du weißt den Weg für mich, das ist genug.“

Amen.

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