Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
30. Mai 2019

Die christologische und soteriologische Bedeutung der Himmelfahrt Jesu Christi

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur feierlichen Begehung des Festes der Himmelfahrt des Herrn Versammelte!

Das Bekenntnis zur Himmelfahrt Jesu und zu seinem herrscherlichen Sitzen zur Rechten Gottes gehört von Anfang an zum Grundbestand des christlichen Glaubensbekenntnisses. In Verbindung mit dem Bekenntnis zur Auferstehung Christi drückt sich darin der Glaube an das endgültige Aufgenommensein und Aufgehobensein des menschgewordenen Gottessohnes in die Lebensfülle und Machtfülle des Vaters aus. Der Weg der gehorsamen Selbstentäußerung des Sohnes zum Heil der Menschen kommt in der Himmelfahrt zum Ziele. Die Himmelfahrt Jesu wird im Neuen Testament im Evangelium des Lukas und in der Apostelgeschichte als sichtbarer Vorgang erzählt und im kanonischen Schluss des Markusevangeliums kurz erwähnt. Es wird nicht nur das Entschwinden Jesu vor den Augen der Jünger berichtet, sondern auch das sichtbar nicht wahrnehmbare Ziel des Geschehens, nämlich die Aufnahme in den Himmel. Was wir heute feiern, ist die letzte Himmelfahrt des Herrn. Die erste Himmelfahrt geschieht im Zusammenhang mit der Auferstehung. Der dem Tod entrissene Jesus wird in verklärter Gestalt unmittelbar in Zusammenhang mit der Auferstehung in die Herrlichkeit des Vaters aufgenommen. Die erste Himmelfahrt des Herrn geschah mit seiner Auferstehung. Es ist ein Missverständnis, die von Lukas berichtete Himmelfahrt, von der wir in der Lesung gehört haben, auf den Morgen des Montags nach Ostern zu verlegen. Was Lukas berichtet, ist als Abschiedsszene gestaltet. Jesus segnet seine Jünger; diese fallen huldigend vor ihm nieder. Diese Himmelfahrt ist die letzte. Sie ist der Abschluss der vierzigtägigen Zwischenzeit, in welcher der Auferstandene seinen Jüngern sich als lebend erweist und sie unterrichtet. Die älteste Kirche kennt kein eigenes Fest der Himmelfahrt Jesu. Sie beging Tod, Auferstehung und Erhöhung Jesu als Einheit, in ein und derselben Feier. Die Zusammengehörigkeit von Auferstehung und Himmelfahrt ist offenkundig im Neuen Testament. Bei Paulus und im Matthäusevangelium sind deutlich Auferstehung und Erhöhung identisch genommen. So wird die Auferstehung zugleich die Erhöhung, aufgrund der Erscheinungen des Herrn bezeugt. Manche Theologen meinen, Jesus habe sich nach seiner Auferstehung vierzig Tage auf der Erde aufgehalten. Das schreibt zum Beispiel der Theologe Josef Ratzinger, das schreibt auch der Theologe Michael Schmaus. „Wir wissen nicht“, schreibt Schmaus, „wo auf Erden sich Jesus während der vierzig Tage aufgehalten hat.“ Dazu ist zu sagen: Er hat sich während der vierzig Tage nirgendwo auf Erden aufgehalten. Er weilte im Himmel, in der Herrlichkeit des Vaters. Und vom Himmel ist er jeweils niedergestiegen, um sich den Jüngern zu offenbaren. Bei jeder Erscheinung vor den auserwählten Zeugen trat Jesus aus der himmlischen Seinsweise hervor und kehrte in sie zurück. Denken Sie an die Emmausjünger. Er entschwand vor ihren Blicken; er ist in den Himmel zurückgekehrt. Der biblische Befund ist eindeutig. Es gibt weder bei Lukas noch überhaupt im Neuen Testament einen Zwischenzustand, in dem Christus zwar auferweckt, aber noch nicht aufgefahren wäre. Christus erscheint nach Ostern schon immer vom Himmel her. Es gibt so viele Himmelfahrten wie Erscheinungen Jesu. Jedes Mal, wenn er sich den Seinen gezeigt hatte, kehrte er in den Himmel zurück. Das muss so sein. Warum? Der Auferstandene passt nicht mehr in diese Welt. Er hat einen Zustand seiner menschlichen Natur angenommen, welcher der himmlischen Seinsweise entspricht. Er ist imstande, sich auf Erden zu zeigen, aber eben nur zu dem bestimmten Zweck, sein Heilswerk bei seinen Jüngern zum Abschluss zu bringen. Was wir heute feiern, ist die letzte Himmelfahrt des auferstandenen Herrn am Ende der vierzig Tage. Das ist es, was Lukas in seinen beiden Werken (in dem Evangelium und in der Apostelgeschichte) bezeugt. Auch bei Markus ist jene Himmelfahrt berichtet, die im Anschluss an die letzte Erscheinung erfolgt ist. Sie hat sich den Jüngern begreiflicher Weise besonders eingeprägt, einmal deswegen, weil sie die letzte war, dann aber auch, weil bei früheren Erscheinungen der Herr sich einfach ihnen entzogen hat; er ward nicht mehr gesehen. Bei der letzten zeigt er durch das Auffahren in die Höhe, dass er jetzt in die himmlische Herrlichkeit des Vaters zurückkehrt, dass er in die Welt Gottes geht. Jesus hätte auch nach „unten“ fahren können, aber er hat sich der Auffassung der Menschen seiner Zeit angepasst, wonach „oben“ das Helle, das Lichte, das Himmelische ist. Deswegen ist er in die Höhe emporgefahren. Außerdem war die letzte Himmelfahrt gekennzeichnet durch die nur hier berichtete Gegenwart von himmlischen Zeugen. Sie verheißen den Jüngern die sichtbare Wiederkunft des Herrn, so sichtbar, wie sie jetzt das Auffahren in die Höhe erlebt haben.

Die Himmelfahrt Christi, meine lieben Freunde, ist kein entbehrliches Detail der Geschichte Jesu. Sie ist der unerlässliche Abschluss seines irdischen Lebens. Die Verkündigung der Himmelfahrt Jesu gehört unaufgebbar in die Heilsbotschaft hinein. Sie versichert uns der endgültigen Aufnahme des gekreuzigten Nazareners durch Gott. Gott hat ihn nicht nur vom Tode erweckt, er hat ihn auch in die himmlische Herrlichkeit erhoben. Wo wäre der Auferstandene sonst geblieben, wenn er nicht in den Himmel eingegangen wäre? Phantasten behaupten, er wäre nach Indien gegangen und hätte dort geheiratet. Wie könnte er weiterwirken und die Seinen mit seiner Macht und Liebe begleiten, wenn er nicht zur Rechten des Vaters thronte? Die Auferstehung allein genügt nicht, um Jesu Stellung im Heilswerk Gottes auszudrücken. Sein lebendiges Weiterwirken setzt die Einsetzung zum Herrn und Messias in der Herrlichkeit des Vaters voraus. Die Auffahrt Jesu in den Himmel zu bezeugen, ist daher ein notwendiges Requisit für einen Apostel. Als eine Nachwahl stattfindet für den ausgeschiedenen Judas, da sagt der Apostel Petrus: „Einer von den Männern, die mit uns zusammen waren während der ganzen Zeit, da der Herr bei und ein- und ausging, von der Taufe des Johannes an bis auf den Tag, da er von uns hinweggenommen wurde, muss mit uns Zeuge seiner Auferstehung werden.“

Die Himmelfahrt Christi hat eine doppelte Bedeutung: eine christologische und eine soteriologische. Die christologische Bedeutung bezieht sich auf ihn selbst, die soteriologische bezieht sich auf die Menschheit. Also erstens die christologische Bedeutung der Himmelfahrt Christi: Die Himmelfahrt erscheint a) als Inthronisationsvorgang. In der Himmelfahrt erfüllt sich die Weissagung des 2. Psalms: „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt.“ Und wiederum ein anderes Wort: „Ich werde ihm Vater und er wird mir Sohn sein.“ Jetzt erlebt der Christ das Vater-Sohn-Verhältnis Gottes und Christi, indem der Vater seinen Sohn in seine Lichtherrlichkeit aufnimmt. b) Die Himmelfahrt wird dargestellt als Namensverleihung. Der Apostel Paulus bezeugt die Erhöhung Christi in seinem Brief an die Philipper: „Gott hat ihn hochgestellt und ihm einen Namen verliehen, der über alle Namen ist, auf dass in seinem Namen jedes Knie sich beuge, der Himmlischen, der Irdischen und der Unterirdischen.“ c) Die Himmelfahrt Christi wird ausgesagt als Verleihung von Herrlichkeit – griechisch doxa. Die Herrlichkeit ist die Erscheinungsform Gottes. Paulus sieht die Herrlichkeit Gottes jetzt in Jesus. „Er ist verherrlicht, und wir sollen mit ihm verherrlicht werden“, so schreibt er an die Gemeinde in Rom. Und der Apostel Petrus bezeugt dasselbe, dass Gott ihn nicht nur von den Toten erweckt, sondern ihm auch seine Herrlichkeit gegeben hat. „Ihm ist die Herrlichkeit, der Glanz Gottes verliehen“, schreibt Petrus in seinem 1. Brief. d) Jesus ist jetzt als der Machtvolle erwiesen. So bemerkt Paulus in seinem Römerbrief: „Seit der Auferstehung von den Toten ist er dem Heiligen Geiste nach als Gottessohn eingesetzt in Macht.“ Der Auferstandene und Erhöhte kann sagen: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden.“ e) Die Erhöhung ist Einsetzung Jesu zum Kyrios und Christus. Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht. Das ist nicht so zu verstehen, als ob er vorher nicht Herr und Messias gewesen wäre, sondern so, dass jetzt offenbar wurde, was er immer war, was vorher allerdings verborgen war. Jetzt muss jede Zunge zur Ehre des Vatergottes das Bekenntnis ablegen: Jesus Christus ist der Herr. f) Jesu Erhöhung wird schließlich beschrieben als Sitzen zur Rechten Gottes. „Er ließ sich zur Rechten Gottes nieder“, schreibt Markus. Paulus bezeugt in seinem Schreiben an die Gemeinde in Rom dasselbe: „Christus Jesus sitzt zur Rechten Gottes und tritt für uns ein.“ Im Schreiben an die Kolosser fordert er die Christen auf, zu suchen, was oben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Das, meine lieben Freunde, ist die christologische Bedeutung der Aufnahme Jesu in den Himmel.

Jetzt, zweitens, die soteriologische Bedeutung, also die Bedeutung für unser Heil, was hat sie für uns zu bedeuten, die Himmelfahrt Christi. Nun, zwei wesentliche Dinge: a) Nur indem Himmelfahrt geschieht, kann der Geist kommen und Kirche entstehen. An einem großen Festtage stand Jesus im Tempel zu Jerusalem und rief laut: „Wenn einer dürstet, komme er zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, aus dem werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Das ist ein sehr mysteriöses Wort, aber der Apostel Johannes erklärt es: „Das redete er von dem Geiste, den die empfangen sollten, die an ihn glauben würden. Denn noch gab es keinen Heiligen Geist, weil Jesus noch nicht verherrlicht war.“ Die Geistsendung muss also einen Vorläufer haben, und das ist die Verherrlichung. Die Erhöhung ist unerlässlich, ja, Voraussetzung für die Sendung des Geistes, denn er geht hervor aus der verklärten Natur Christi. Erst muss die Verklärung erfolgen, ehe der Geist gesandt werden kann. In seiner Abschiedsrede kündigt Jesus sein Fortgehen in Leid und Tod und Auferstehung an und fügt hinzu: „Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen.“ Nach der Auferstehung löste Jesus sein Wort ein und verlieh seinen Jüngern den Geist. Er hauchte sie an: „Empfanget Heiligen Geist.“ Paulus verweist auf den Psalm 68, da ist von der Weissagung Gottes vom Aufstieg Jesu über alle Himmel die Rede und dass er den Menschen Geschenke gemacht hat. „Die Geschenke“, sagt Paulus, „das ist die Ausrüstung mit dem Heiligen Geist.“ In seiner Predigt in Jerusalem erklärt Petrus seinen Zuhörern den Zusammenhang zwischen Auferstehung und Erhöhung einerseits und der Geistsendung andererseits: „Erhöht durch Gottes Rechte, empfing Jesus vom Vater die Verheißung des Heiligen Geistes, und diesen hat er ausgegossen“ – sichtbar und hörbar am ersten Pfingstfest der jungen Kirche.

b) Himmelfahrt ist Erschließung des himmlischen Weges für die christusgläubigen Menschen. In seiner Abschiedsrede hat sich Jesus eindeutig über diesen Zusammenhang ausgesprochen. „Im Hause meines Vaters“, sagt er, „sind viele Wohnungen. Ich gehe fort, euch eine Wohnstätte zu bereiten. Wenn ich euch eine Wohnstätte bereitet habe, werde ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.“ Der Auferstandene und Erhöhte hat durch seinen Eintritt in die Herrlichkeit des Vaters den Himmel als Stätte der Seligkeit für die Vollendeten geschaffen. Jawohl, das ist es. Er hat den Himmel, die Wohnstätte der Seligen durch seinen Eintritt in die Herrlichkeit für uns bereitet. Der Brief an die Hebräer spricht wiederholt von der Fürsorge des erhöhten Christus für die Seinen: „Wir haben nun einen großen Hohenpriester, der durch die Himmel hindurchgegangen ist, Jesus, den Sohn Gottes.“ Der königliche Sohn hat den himmlischen Thronsaal verlassen, um als Priester die Seinen in seine Heimat und zum Gnadenthron zu führen. Christus durchschreitet am Kreuz den Weltvorhang und überwindet alle Abstände zwischen der irdischen Lebenswelt und der himmlischen Wirklichkeit Gottes. Wir haben einen neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang. Gottes Nähe ist für alle Teilhaber Christi zugänglich geworden. Jesus ist als Vorläufer in das Innere des Vorhangs eingegangen, und er zieht uns nach. Das Fest der Himmelfahrt Christi, meine lieben Freunde, drückt die unwiderrufliche Errettung der Menschheit aus. Im erhöhten Christus hat sie Gott als den endgültigen Ort ihres Seins gefunden. Himmel als die Dimension des Einsseins von Gott und Mensch wurde erst durch die Himmelfahrt Christi und die dadurch geschehene Einbeziehung des Menschen in die Wesensweise Gottes begründet. In den Himmel kommen, heißt von jetzt an nichts anderes, als zu Jesus kommen, einswerden mit dem Menschen Jesus. Als Jesus zum Himmel fuhr, ließ er Jünger zurück, deren Denken und Wünschen in dem Wunder seiner Auferstehung wurzelte. Sie wussten sich dazu erwählt, an der Wende der Zeiten zu stehen. Sie wussten sich berufen, von den Kräften der Auferstehung und des ewigen Lebens Zeugnis abzulegen. Die Himmelfahrt Jesu war für die Jünger gewiss das Ende der irdischen Geschichte Jesu. Aber sie war noch mehr der Anfang eines neuen Lebens und Wirkens zur Rechten des Vaters. Sie war die feierliche Bestätigung und Erfüllung alles dessen, was schon im Auferstandenen offenbar geworden war, dass er, er allein der Herr, der König der Herrlichkeit ist, dass er der ist, in dem und durch den und aus dem alle Menschen ihr Sein, ihr Leben und ihr Schicksal haben. Jesu Himmelfahrt war für die Jünger der Anbruch eines neuen Tages, für den es keine Nacht gibt, und an dem es zu wirken gilt, bis der Herr wiederkommen wird. Im Bekenntnis zu dem Erhöhten, der einst wiederkommen wird, lag für sie denn auch das Kernstück des neuen Glaubens, der Quellgrund ihrer neuen Hoffnung und ihrer neuen Freude. „Mit großer Freude“, so schreibt Lukas, „kehrten sie nach Jerusalem zurück, und sie lobten und priesen Gott.“ In diesem Bekenntnis frohlockend fordern die Apostel: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach seinem großen Erbarmen uns wiedergeboren hat zu lebendiger Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Er sitzt zur Rechten Gottes, nachdem er den Tod verschlungen hat, damit wir Erben ewigen Lebens würden. Gott hat ihn erhöht und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, auf dass im Namen Jesu sich beugen alle Knie derer im Himmel, auf der Erde und unter der Erde und dass alle Zungen bekennen: Jesus Christus ist der Herr in der Herrlichkeit Gottes des Vaters.“

Amen.

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