Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
17. März 2019

Christus, der wesensgleiche Sohn des himmlischen Vaters

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wenn man fragt: Welches ist denn das Wesen des Christentums?, dann gibt es darauf nur eine einzige Antwort: Das Wesen des Christentums ist Jesus Christus. In ihm ist Gott selbst in die menschliche Geschichte eingetreten. In ihm hat sich Gott zur Menschheit geneigt, um sie zu sich emporzuziehen. Was sonst noch als wesentlicher Bestandteil des Christentums bezeichnet werden muss: seine Lehre, seine sittlichen Forderungen, die Sakramente, der Gottesdienst, das ist christlich, insofern und weil es Auswirkung und Vergegenwärtigung der Person Christi ist. Die Lehre ist Ausdeutung seiner selbst. Die Gottesverehrung ist Teilnahme an der Verehrung, die er dem Vater darbringt. Die Sittlichkeit ist Christusnachfolge. Was immer in der Kirche geglaubt, gelehrt, gefordert, getan, gebeten, gelitten wird, das trägt das Zeichen Christi. Christ sein bedeutet so viel, wie mit Christus in Gemeinschaft stehen. Mit dem Christentum verhält es sich also anders als mit der Anhängerschaft an irgendeinen Religionsstifter. Buddhist ist, wer der Weg Buddhas geht. Muslim ist, wer den Weisungen Mohammeds folgt. Christ aber ist nur, wer sich Christus überantwortet, wer am Leben und Sterben Christi Anteil bekommt. Das ist das Geheimnis des Christen, dass er eins ist mit Christus. Diese Einswerdung geschieht in der Taufe. Da wird sie begründet, da wächst der Mensch gewissermaßen mit Christus zusammen, da wird er von Christus durchherrscht. Die Bindung an Christus ist unzerstörbar. Was immer der Mensch tun mag, was immer er lassen mag, und wenn er die Daseinsweise der Hölle wählte, von seiner Christusverbundenheit kommt er nicht los.

Zu Christus führen viele Wege, aber nur der Weg des Glaubens führt in sein inneres Geheimnis. Christus ist die Erscheinung Gottes in der Welt, aber die Erscheinung in Verhüllung. Er war seiner menschlichen Natur nach sichtbar, aber die göttliche Würde und Natur, die Verbundenheit des Menschen mit dem Sohne Gottes war für das irdische Auge verborgen. Doch war die Gottesherrlichkeit nicht so verhüllt, dass das Auge gar keinen Schimmer von ihr hätte wahrnehmen können. Hin und wieder wetterleuchtete die Macht und die Heiligkeit Gottes auf dem Antlitz des Herrn in seinen Worten und in seinen Taten. „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen“, sagt Johannes. Von seiner Gottesherrlichkeit war so viel zu sehen, dass der Gutwillige zu ihm finden konnte. Sie war auch so verhüllt, dass der Böswillige ihn übersehen konnte. Auch schon die geschichtliche Forschung über Jesus muss in einer bestimmten Haltung geschehen. Man kann nicht davon absehen, dass die Möglichkeit besteht, dass in Christus Gott sein Antlitz uns zuwendet. Auch wo die bloße Möglichkeit besteht, dass sich Gott an den Menschen wendet, ist ehrwürdiges Hinhören die allein sachgemäße Haltung. Denn Gott ist ja nicht ein naturwissenschaftliches Gesetz oder eine geschichtliche Tatsache oder ein philosophischer Grundsatz, sondern Gott ist der Herr; mit ihm muss man rechnen. Jede wissenschaftliche Forschung muss sich nach ihren Gegenstand richten. Ein Vorgehen, das mit der Existenz Gottes nicht rechnet, ist unwissenschaftlich. Da wird ein wesentlicher Teil der Wirklichkeit unterschlagen.

Die Evangelien berichten sachgetreu die Worte und Werke Jesu. Sie verdienen Vertrauen; ihre Echtheit ist bewiesen, ihre Verfasser waren Augenzeugen. Sie legen mit großem, bis zur Hingabe des Lebens standhaltendem Ernst Zeugnis ab für Christus. Ihr Zeugnis ist gleichzeitig das Zeugnis der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft der Jünger hat darüber gewacht, dass nichts Unrechtes, nichts Falsches in das Leben und in das Werk Christi eingetragen wurde. In vollem Sinne erschöpft sich freilich und enthüllt sich die Wirklichkeit Christi nur dem Glauben. Der Glaube ist nämlich eine neue Sehkraft. Dem Glaubenden wird es geschenkt, Gott zu verstehen und zu begreifen. Der Heilige Geist bezeugt in den neutestamentlichen Schriften die Herrlichkeit Gottes durch menschliche Worte und schließt die Gläubigen mit Christus zu einer Einheit zusammen. Gott hat uns das gläubige Ja zu Christus nicht leicht gemacht. Er ist arm, machtlos, er führt lebenslang einen aussichtslosen Kampf gegen Unverstand und Hass, schließlich unterliegt er in einem schimpflichen Tode. Wer im Glauben zu Christus kommen will, der muss darauf verzichten, das menschliche Denken zum Maßstab und zur Norm des Verstehens zu machen. Paulus gibt zwei Gruppen von Menschen an, die an Christus Ärgernis nehmen: die Juden und die Heiden. Die Juden können sich nicht vorstellen, dass Gott eingeht in die Nichtigkeit des Kreuzes. Die Heiden können nicht verstehen, dass Gott, der alles Stoffliche unendlich überragt, in Menschengestalt erscheint.

Der Irrtum an Christus tritt in drei Formen auf. Erstens: wenn man in Christus das Göttliche leugnet, zweitens: wenn man in Christus das Menschliche verkürzt, und schließlich: wenn man die Einheit von Göttlichem und Menschlichem in Christus zerreißt. Schon frühzeitig traten Männer, Lehrer auf, die Ebioniten, die Jesus zwar als Messias gelten ließen, aber ihm die Gottheit absprachen. In der Jordantaufe ist Jesus nach ihnen zum Messias geweiht worden. Diese Lehre wurde zu großer Macht, als Arius sich zu ihr bekannte, ein Priester aus Alexandrien. Nach ihm ist Jesus ein bloßer Mensch, der durch die Barmherzigkeit Gottes und durch seine Bewährung verdient hat, Sohn Gottes genannt zu werden. Es gab eine Zeit, in der er nicht existierte, er ist geworden, er ist ein Geschöpf des Vaters. Das ist die Lehre des Arianismus. Sie wurde durch das Konzil von Nicäa im Jahre 325 abgewiesen. Dort wurde das Glaubensbekenntnis aufgestellt, das wir in jeder heiligen Messe am Sonntag beten: „... eines Wesens mit dem Vater.“

Das Verhältnis des LOGOS zum Vater war geklärt auf dem Konzil von Nicäa, aber noch nicht das Verhältnis des LOGOS zu dem Menschen Jesus. Dann trat Nestorius auf, ein Konstantinopolitaner. Nach ihm wird Christus Gott benannt, weil er sich durch sein Leben und Wirken und Sterben würdig erwiesen hat, an der göttlichen Ehre des LOGOS teilzunehmen. Der LOGOS (die zweite Person Gottes) habe in dem Menschen Jesus wie in einem Tempel gewohnt. Nestorius hat die Einheit Christi zerrissen. Er hat Christus in zwei Personen geteilt: eine menschliche und eine göttliche. Diese Irrlehre, diese Nestorianische Kirche bewies eine erstaunliche Lebenskraft. Sie breitete sich aus nach Innerasien, nach China, in die Mongolei. Im 14. Jahrhundert gab es in Innerasien zehn Metropolitansitze der Nestorianischen Kirche. Heute gibt es noch Reste der Nestorianer im Irak, im Iran, in Syrien. Der zweite Irrtum lässt das Menschliche in Christus verschlungen werden vom Göttlichen. Das ist die Lehre des Monophysitismus, dessen bedeutendster Vertreter Eutyches, ein Mönch, war. Nach ihm ist Christus aus zwei Naturen entstanden, aber nach der Vereinigung existiert Christus nur noch in einer Natur: in der göttlichen. Die menschliche Natur ist in die göttliche verwandelt worden. Diese monophysitische Lehre wurde auf dem Konzil von Chalcedon 451 zurückgewiesen. Heute noch gibt es viele Monophysiten in Ägypten, in Armenien, in Äthiopien; das sind monophysitische Kirchen.

Das 16. Jahrhundert brachte die Abwendung vom katholischen Glauben durch Luther, Calvin und Zwingli, aber ihre Anhänger verharrten nicht bei ihrer Meinung, sondern gingen weiter. Es entstanden die sog. Sozinianer. Das waren Menschen, welche die Lehre von der Wesenseinheit des Vaters und des Sohnes und von der Personhaftigkeit des Heiligen Geistes verwarfen. Sie nannten sich später Unitarier, hatten eine große Ausbreitung in Polen. Heute noch bestehen in Rumänien 125 Gemeinden der Sozinianer oder Unitarier. Ein Mann, den Sie vielleicht kennen, hat sich zu ihnen gewandt: Béla Bartók, der ungarische Komponist. In der Zeit der Aufklärung sind dieselben Kräfte wirksam wie bei den Irrlehrern der alten Zeit. Immer, wo das Menschliche letzte Norm und letzter Maßstab ist, muss es zu einer Entleerung des biblischen Christus kommen. Am radikalsten wurde er von bestimmten Protestanten vorgenommen. In Hamburg lebte und lehrte Hermann Samuel Reimarus. Er saß jeden Sonntag fromm in der evangelischen Kirche unter der Kanzel und hörte das Wort, aber er war ein grimmiger Feind des Christentums. Seine Schriften wurden von Lessing zum Teil veröffentlicht; die Fragmente eines Ungenannten, die er herausbrachte in Wolfenbüttel, stammen von Reimarus. Nach ihm ist Christus ein Betrüger und seine Jünger sind Betrüger. Sie haben alles erfunden, was von Jesus geschrieben steht.

Von solchen Ansichten wird die liberale Theologie im Protestantismus bis heute gespeist. Nach dieser liberalen Theologie schildern die Evangelien nicht den geschichtlichen Jesus, sondern einen von der schöpferischen Begeisterung seiner Anhänger hochstilisierten Christus. Die Aussagen über die Gottessohnschaft Christi werden als Entlehnungen aus den Mythen der Heiden ausgeben. Nicht Christus ist der Grund des Glaubens gewesen, sondern der Glaube hat Christus erschaffen, er ist also ein Phantasiegebilde. Nach den liberalen Vertretern der Religionsgeschichte wurden auf den Menschen Jesus die Bezeichnungen übertragen, die die Heiden hatten für ihre Götter: Heiland, Herr, Gott, Gottessohn. Meine lieben Freunde, die Herrscher- und Heldenverehrung der Antike geschah aus politischen, nicht aus religiösen, aus politischen Motiven. Sie sollte die Ehrfurcht und den Gehorsam vor der staatlichen Autorität stützen. Der Kaiserkult war eine höfische Form. Die Tempel waren keine Stätten der Anbetung des Kaisers; der Kaiser wurde nicht angebetet. Zu ihm wurde nicht gebetet, sondern man wollte ihn nur erhöhen, damit die Menschen ihm Gehorsam leisten. Das junge Christentum hat die Vergöttlichung von Helden und Herrschen von Anbeginn abgelehnt. Der Evangelist Lukas gibt in seiner Apostelgeschichte ein bezeichnendes Beispiel dafür. Der jüdische König Agrippa empfing eine Gesandtschaft aus Tyros und Sidon. Diese Gesandtschaft feierte ihn als Gott. Und da schreibt Lukas dazu: „Sogleich schlug ihn ein Engel des Herrn zur Vergeltung dafür, dass er sich erkühnt hatte, der Majestät des wahren Gottes die Ehre zu rauben.“ Die Christen sahen die Vergottung von Menschen als etwas Unmögliches an.

Meine lieben Freunde, wer den Weg des kirchlichen Glaubens in den ersten fünf Jahrhunderten nachvollzieht, der wird mit bewunderndem Staunen die Führung und Leitung durch den Geist Gottes erkennen. Das Beten, Hören, Nachdenken und das Entscheiden der Kirche und ihres Lehramtes haben das Richtige in jeder Denkbewegung erkannt, herausgespürt und aufgenommen und das Unrichtige abgewiesen und ausgeschieden. Es war wirklich der Geist Gottes, der sie geführt hat. In harten und langwierigen Kämpfen haben die rechtgläubigen Verehrer Christi den wahren Glauben erhalten und weitergegeben. Jesus, meine lieben Freunde, spricht nicht wie Mohammed und verkündet nicht religiös und sittliche Verhaltensregeln, an die sich alle, die Gott anbeten, halten müssen. Er ist auch nicht ein Weiser wie Sokrates, der frei den Tod annimmt im Namen der Wahrheit. Noch weniger ist er Buddha ähnlich, der alles Geschaffene verneint. Wenn Christus nur ein Weiser wäre wie Sokrates, wenn er nur ein angeblicher Prophet wäre wie Mohammed, oder wenn er nur ein vermeintlich Erleuchteter wäre wie Buddha, dann wäre er nicht der Christus, den wir kennen. Christus ist der auf Erden erschienene Gott. Der Glaube an die Gottheit Christi hat sich an ihm selbst entzündet; er ist übernommen, nicht erfunden. Er ist die Antwort auf die Selbstoffenbarung Gottes. Wir müssen sprechen, wie die Apostel gesprochen haben: „Wir haben geglaubt und erkannt, dass Du, o Herr, der Heilige Gottes bist.“

Amen.

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