Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
24. Februar 2019

Von Menschen erfundene Erlösungsreligionen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Sonntag habe ich versucht, die philosophischen Erlösungslehren, die Menschen erfunden haben, vorzustellen. Heute will ich versuchen, die Erlösungsreligionen, die Menschen erfunden haben, Ihnen vor Augen zu führen. Vielleicht fragen Sie: Ja, warum behelligen Sie uns mit diesen absurden Dingen? Ich will es Ihnen sagen: Ich gehe gern in das Neubaugebiet in Budenheim. Es sind schöne, wunderbare Häuser entstanden, mit viel Glas. Man kann hineinschauen; die meisten Häuser haben keine Vorhänge. Ich habe noch in keinem dieser Häuser ein Kreuz gesehen, aber vor einem Hause steht eine Statue von Buddha. Viele Religionen sind überzeugt, dass Menschen nicht imstande sind, aus eigener Anstrengung heraus die Erlösung zu erlangen. Sie haben Gestalten geschaffen, von denen diese Heilstat er-hofft wird und die deswegen religiös verehrt werden, zum Teil dadurch, dass ihnen übermenschliche Fähigkeiten zugesprochen werden, zum Teil dadurch, dass sie den Rang von göttlichen Wesen erhalten. In den Erlösungsreligionen ist der Erlöser in der Regel eine mythische Gestalt: ein Tier, ein Mensch, ein Gott, Gott in menschlicher Gestalt. Der ägyptische Gott Osiris ertrinkt – nach dem Mythos – im Nil. Seine Schwester und Gattin Isis macht ihn wieder lebendig. Und so wird er zum Herrscher im Totenreich. Osiris hat die Lebenskraft, die den Tod überwindet, ja, er ist die Lebenskraft selbst. Die Sünde wird abgelegt durch Teilnahme am Schicksal des Osiris. Wenn diese Teilnahme gelingt, dann ist der Mensch erlöst. Attis war ein Gott in Phrygien. Dieser Gott hat sich selbst entmannt und starb daran; aber er wurde auferweckt. Und wenn die Anhänger dieser Religion das Taurobolium feierten, dann wurden sie seiner Macht und Lebenskraft teilhaftig. Taurobolium ist das Schlachten eines Stieres, der auf Bohlen gelegt wurde, und darunter befand sich der Myste, also der Anhänger dieser Religion, und ließ sich von dem Blut des Stieres beträufeln. Die Kraft dieses Kultes sollte dem Menschen zugutekommen, und er sollte wie Attis zum neuen Leben erstehen. Der iranische Gott Mithras galt als ein mit der Sonne verbundener Erlösergott. Er wurde als Lebensspender angerufen. Im Mittelpunkt des Kultes stand auch hier die Tötung eines Stieres. Sie sollte der Förderung des Lebens und der Erlösung dienen. Die Anhänger dieses Kultes wussten sich dank des Sieges des Lichtgottes Mithras über die Mächte der Finsternis als die Erlösten. Die Mithrasreligion hat eine ungeheure Ausdehnung gehabt. Wir kennen 135 ausgegrabene Mithrastempel im Römischen Reiche; auch in Mainz bestand ein solcher Mithrastempel, im Jahre 120 n. Chr. erbaut. Adonis war ein von den Griechen verehrter, aus Phönizien übernommener jugendlicher Gott. Er wurde gezeugt durch einen Inzest (Blutschande) von Vater und Tochter. Der eifersüchtige Ares tötete ihn während einer Jagd. Sein Tod versetzte die ganze Natur in Trauer. Aphrodite klagte um ihren Jugendgeliebten. Aber der tote Hirtenjüngling stand vom Tode auf – nach dem Mythos –, und wer sich mit ihm verbindet, erlangt die Erlösung. Asklepios war nach dem Mythos ein Heros, der zum Arzt ausgebildet wurde. Zeus tötete ihn, weil er einen Toten zum Leben erweckt hatte. Aber er wurde wiedergeboren und als göttlicher Heiler im ganzen Römischen Reiche verehrt. Die Schlange, die Äskulapschlange, ist Begleiterin, Helferin und Markenzeichen des Gottes; sie vermittelt Heilung und Rettung. Wer sich also dieser Schlange und damit dem Gott übergibt, der wird erlöst – so der Mythos. In Babylon war Marduk der oberste Gott. Er hat die Züge einer Vegetationsgottheit und einer Sonnengottheit. Nach dem Mythos wird Marduk gefangengenommen, er wird in der Finsternis festgehalten und getötet. Aber er wird zum Leben erweckt. Als ein Gott, der Tote lebendig macht, erscheint Marduk zunächst als Vegetationsgottheit und dann als Kranke heilender Gott. Er wurde als Erlöser aus Not und Tod verehrt. Auch hier wurde ein weißer Stier in einer Grube geopfert; er bedeutete den Gott Marduk.

Meine lieben Freunde, das sind Beispiele von Mythen, wie sie die Menschen erfunden haben, um zur Erlösung zu gelangen. Es handelt sich dabei um symbolische Darstellungen des Sterbens und Wiedererstehens in der Natur. Sie bilden also ab den Kreislauf von Frühling, Sommer, Herbst und Winter. In der mythischen Erlösergestalt wird der Zusammenhang des Menschen mit dem Leben der Natur angedeutet und symbolisiert. Die Erlösung wird gewonnen durch Teilnahme am Leben und Sterben der vorgestellten Gottheit, also durch Hingabe an den Rhythmus der Natur. Sie bedeutet Aufgehen im Leben der Natur und Vernichtung des personalen Selbst. Sie erkennen sofort: Der Unterschied zwischen den Erlösungsvorstellungen der Mysterienkulte und der Lehre des Christentums ist grundlegend und wesentlich. Bei den Mysterienkulten handelt es sich um erdachte Gestalten. Im Christentum haben wir eine geschichtliche Erscheinung: den Jesus von Nazareth. Die mythischen Erlösergestalten stammen von der Erde. Sie sind von den Menschen erfunden, sie sind Gebilde des menschlichen Herzens, das nach Erlösung sich sehnt. Christus hingegen kommt von „oben“. In ihm hat sich Gott vom Himmel zur Erde geneigt. In den Mysterienkulten verliert sich der Mensch selbst. Durch die Erlösung in Christus gewinnt der Mensch seine eigene Erfüllung.

Besonderes gilt für die Religionen Asiens. In der indischen Religion handelt es sich nicht um die Erlösung von der Sünde, sondern um die Erlösung von der Wiedergeburt, von der Sinnlosigkeit eines ewig in ähnlichen Formen wiederkehrenden Lebens. Nicht Gott erlöst, sondern der Mensch erlöst sich selbst. Wodurch? Durch Erkenntnis, durch das Wissen, wie man zur Erlösung kommt. Im Buddhismus wird Erlösung verstanden als die Notwendigkeit, von den Übeln des Lebens befreit zu werden, also vom Willen, vom Begehren, von der Tat. Die Erlösung geschieht durch Wissen und Askese. Erlösung wird mit dem Erreichen des Nirwana erlangt, d.h. durch das Ausscheiden aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Die Lehre Buddhas basiert von Hause aus auf Selbsterlösung. Im Grunde ist der Buddhismus eine atheistische Religion, oder besser gesagt ein atheistisches System, denn eine Religion ohne Gott ist ein Widerspruch in sich. Wir befreien uns nach ihm vom Bösen nicht durch das Gute, das von Gott kommt, wir befreien uns dadurch, dass wir zu der Welt, die böse ist, auf Distanz gehen. Die Fülle eines solchen Abschiednehmens ist nicht die Einheit mit Gott, sondern das Nirwana, also der Zustand völliger Indifferenz gegenüber der Welt, mit einem Wort: Die Tötung des Verlangens nach Dasein ist der Weg zur Erlösung. Nach dem Brahmanismus wird die Erlösung gewonnen, wenn das Einzel-Ich mit dem Urgrund des Alls zusammenfällt. Das Einswerden mit dem Brahman – das ist der Urgrund des Alls – bringt die Erlösung. Dann besteht kein Begehren mehr nach Besitz und Kindern. In China ist es der Konfuzianismus, der als Erlösungsreligion vorgeführt wird. Erlösung kommt aus der Befreiung von der würdelosen Barbarei gesellschaftlicher Unkultur durch bürgerliche, gesellschaftliche und staatliche Sitte. Die Erlösung erfolgt durch Zucht und Ordnung im bürgerlichen und gesellschaftlichen Leben und sie führt in das Reich der großen Gleichheit. Im japanischen Kulturkreis ist der Shintoismus verbreitet. Der Shintoismus ist durch die Verehrung der Natur, der Ahnen und der den Clanen gemeinsamen Clangottheiten gekennzeichnet. Einzelne besonders eindrucksvolle Naturerscheinungen wie Gewitter, Regen werden als Wohnsitz bestimmter Götter angesehen. Die Ahnen werden als allzeit existent und in ihren Gemeinschaften (Familien) weiterlebend verstanden. Natur, Ahnen und Götter kommt der numinose Charakter der Kami zu, d.h. positiv stimulierenden schöpferischen Energien des Lebens. Die Kami kann man beschwichtigen durch Tabuisierung von Gefahrenzonen, durch Einschreinung – Schreine sind die Tempel der Shintoisten – der Naturmächte, durch Darbringung von Opfergaben und das Feiern des Zusammenhalts der Gemeinschaft der Menschen.

Die menschlichen Versuche, Erlösung zu erlangen, sind nicht verächtlich zu behandeln. Ihre Lehren und Vorschriften lassen nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen, die alle Menschen erleuchtet. Es gibt in allen Religionen Spuren, Samen des Wahren. Die Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in den fremden Religionen wahr und echt ist. Manche Züge der heidnischen Gottesverehrung wurden von den Christen sogar als sympathisch und erbaulich erfunden. Diese fremden, diese irrigen Religionen haben Bedeutung für die Erlösung durch Gott im Christentum und durch seinen Heiland Jesus Christus. Die philosophischen Systeme und die von Menschen erfundenen Religionen zeigen uns das Erlösungsbedürfnis und die Erlösungsnotwendigkeit und die Erlösungssehnsucht der Menschen. Sie weisen das Sich-begnügen mit dem gegenwärtigen Zustand der Welt und des Menschen ab. Aber eine echte Fremderlösung liegt natürlich in ihnen nicht vor. Denn die Erlöser, die von diesen Religionen angenommen werden, kommen nicht von „oben“, sondern von „unten“. Sie sind Schöpfungen der menschlichen Sehnsucht nach Erlösung. Insofern liegt auch hier der Versuch der Selbsterlösung vor. Die philosophischen Systeme und die Erlösungsreligionen, welche die Menschen geschaffen haben, lassen auf ihre Weise die Unzulänglichkeit, ja die Unmöglichkeit erkennen, durch menschliche Anstrengung Erlösung zu finden. Sie verweisen insofern auf die Notwendigkeit, das Heil vom transzendenten Gott zu erwarten. Gerade ihr Ungenügen, ihr Versagen vor der entscheidenden Aufgabe, nämlich die Gottesferne des Menschen zu überwinden, richtet den Blick ihrer Verehrer auf ein unendlich mächtiges und gütiges Wesen, das dieser Aufgabe Genüge leisten kann. Nicht das Blut von Böcken und Stieren, schreibt der Brief an die Hebräer, sondern das Blut Christi errettet die Menschen, bringt ihnen Erlösung. Wer die von Erlösung sprechenden philosophischen und religiösen Systeme recht versteht, wird von ihnen zu dem einzigen und wahren Erlöser, Jesus Christus, geführt. Nachdem alle Stufen durchschritten sind, nachdem alle Formen des Irrtums erschöpft sind, ohne das religiöse Bedürfnis wahrhaft befriedigen zu können, musste notwendig das Verlangen nach höherer Wahrheit in den Menschen aufstehen. Was die Religionen versprechen, aber zu geben nicht imstande sind, das erfüllt das Christentum. Unser Heiland Jesus Christus ist die von Gott gewollte Erfüllung des Erlösungsbedürfnisses und des Erlösungsverlangens der Menschheit. Für alle diese Völker ist Christus in die Welt gekommen. Für sie alle hat er sein Erlösungsopfer dargebracht. Von ihm sagt Johannes der Täufer: „Seht, das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt.“ Von ihm künden die Engel zu Bethlehem: „Euch ist heute der Heiland geboren, der Erlöser, der Retter.“ Ihm bezeugen die Samariter in Sichar: „Wir haben selber gehört und wissen, dass dieser wahrhaftig der Heiland der Welt ist.“

Amen.

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