Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
27. Januar 2019

Die Existenz der Engel

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Weihnachtszeit, die hinter uns liegt, ist in besonderer Weise die Zeit der Engel. Ihre Aktivität reicht von Nazareth über Bethlehem bis nach Ägypten. Aber auch die späteren Phasen des Kirchenjahres nehmen immer wieder Bezug auf die Engel. Sie sind aus der Heilsgeschichte nicht wegzudenken. Die heutige heilige Messe, im Introitus, beginnt mit der Aufforderung: „Gott betet an, ihr Engel.“ Gott hat Engel geschaffen. Wir bekennen im Glaubensbekenntnis: Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Wesen. Die Erschaffung der Engel ging sogar der Erschaffung der Menschen voraus. Im Alten Testament ist häufig von Boten und Gesandten Gottes, von Geistern und Wächtern die Rede. Sie werden von Gott zu den Menschen gesandt, auf dass sie an seiner Heilsgeschichte mit bauen. Als Gott die Menschen aus dem Paradies vertrieben hatte, stellte er im Osten des Gartens die Cherubim auf und das zuckende Flammenschwert. Es sollte den Menschen den Zugang zum Baum des Lebens versperren. Ein Engel des Herrn rief vom Himmel her dem Abraham zu, seinen Sohn nicht zu opfern: „Halt ein!“ Jakob sah im Traume Engel auf der Himmelsleiter auf- und niedersteigen. Ein Engel führte das von Gott über David verhängte Strafgericht aus – mit der Volkszählung hatte er sich gegen Gott vergangen. Als Gott ihm befahl, dem Unheil Einhalt zu gebieten, zog der Engel sofort seine Hand zurück. Engel vermitteln kraft göttlicher Beorderung Botschaften an den Propheten Elias. Ein Engel des Herrn vernichtete das Heer des Assyrerkönigs Sennacherib. Der Engel Raphael war der Begleiter des jungen Tobias. Engel beteiligten sich am Freiheitskampf der Makkabäer. Isaias schaute die Seraphim im Himmel und hörte ihren Lobgesang: „Heilig, heilig, heilig Herr der Herrscharen, die ganze Welt ist voll deiner Herrlichkeit.“ Im Buche Daniel werden Namen von Engeln genannt: einer heißt Gabriel, ein anderer Michael.

Auch im Neuen Testament bauen die Engel an der Herrschaft Gottes, an dem Werden des Gottesreiches. Der Engel Gabriel sagt die Geburt und die Lebensaufgabe Johannes des Täufers voraus. Der gleiche Engel bringt Maria die Botschaft, dass sie die Muttergottes werden solle. Ein Engel beruhigt Josef, als er erfährt, dass Maria guter Hoffnung ist. Ein Engel verkündet den Hirten auf dem Felde zu Bethlehem die Geburt des Messias. Eine große Schar von Engeln preist Gott ob seiner Huld HeerHauf den Fluren von Bethlehem. Engel dienten Christus, als er nach seiner 40-tägigen Fastenzeit hungerte, d.h. sie besorgten ihm zu essen. Als Jesus am Ölberg in Todesangst war, sandte ihm der Vater einen Engel und stärkte ihn. Als die Frauen am Ostermorgen an das Grab kamen und es leer fanden und darüber ganz bestürzt waren, da standen Engel vor ihnen und verkündeten ihnen die Auferstehung des Herrn. Engel erschienen den Aposteln bei dem endgültigen Abschied Jesu von der Erde. „Ihr Männer von Galiläa“, sprachen sie jene an, „dieser Jesus, den ihr habt aufsteigen sehen, wird so wiederkommen.“ Ein Engel öffnete die Türen des Gefängnisses, in dem die Apostel eingesperrt waren. Ein Engel befreite Petrus aus dem Kerker. Die Apokalypse des Johannes ist voll vom Lobpreis der Engel. Johannes vernahm rings um den Thron die Stimme vieler Engel. Ihre Zahl ging in die Tausende und Abertausende, und sie sangen mit lauter Stimme: „Das Lamm, das geschlachtet ward, ist würdig, Macht und Herrlichkeit und Ehre zu erlangen.“ Johannes sah in seiner Vision Michael und seine Engel mit dem Drachen, mit der bösen Schlange, mit dem Satan ringen; er wurde hinabgestoßen in den Abgrund der Hölle.

Die Schrift bezeugt die Engel als wirkliche, personale Wesen. Die Art und Weise, wie die Schrift von ihnen spricht, macht ihre Erhabenheit über jedes menschliche Maß anschaulich. Die Engel sind geheimnisvolle, gewaltige, alles Menschenmaß hinter sich lassende, mächtige, ja Furcht und Schrecken verbreitende Wesen. Der erste Eindruck, den die Erscheinung eines Engels auf die Menschen macht, ist die Furcht. An vielen Stellen heißt es in der Heiligen Schrift, wenn ein Engel erschien: Fürchte dich nicht. „Fürchte dich nicht“, so spricht der Engel zu Maria. So spricht er zu den Hirten auf den Fluren Bethlehems: „Fürchtet euch nicht.“ Und so sagt er den Frauen am Ostermorgen: „Fürchtet euch nicht.“ Der erste Eindruck, den die Engel machen, ist eben der Schrecken. In den Schilderungen, welche die Schrift von den Engeln gibt, ist angedeutet, dass sie mehr sind als Menschen, ja mehr als Menschen begreifen können. Sie erscheinen hier ganz als Macht, Glut und Lichtherrlichkeit. Insbesondere ist den Engeln ein kriegerischer Zug zu Eigen, ein kämpferischer Zug. Der Engel, der Josue vor Jericho erschien, sagte, dass er der Anführer des Heeres des Herrn sei. Der Engel, der Daniel erschien, erklärte ihm, dass sich ihm der Engelfürst des Perserreiches widersetzt habe, und da sei ihm Michael zu Hilfe gekommen. Vielleicht haben Sie einmal, meine lieben Freunde, Bücher von dem sehr lesenswerten Schriftsteller Peter Bamm gelesen. Peter Bamm war den ganzen Zweiten Weltkrieg als Militärarzt eingesetzt, vor allem an der Ostfront. In einem seiner Bücher schreibt er: „Der Kriegsgott entfesselt nicht nur die Dämonen, er macht auch die Engel mobil. Die Dämonen lärmen, die Engel verrichten still ihr Werk.“ So schreibt Peter Bamm. Die Engel werden auch im Neuen Testament als machtvolle, dem Menschen weit überlegene kämpferische Wesen geschildert. Als Jesus auf dem Ölberg gefangengenommen wurde, schlug einer seiner Jünger mit dem Schwerte drein. Jesus verwies es ihm: „Meinst du, dass ich nicht meinen Vater bitten könnte, und er würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen (72 000 Mann) Engel zur Seite stellen?“

Wenn die Engel in Menschengestalt erscheinen, ist ihnen doch immer etwas Übermenschliches zu Eigen. Sie haben ein blitzflammendes Antlitz, ihre Gewänder sind leuchtend weiß wie die Sonne. Bezeichnend ist, dass sie immer als Männer erscheinen. Der Erzengel Raphael nahm, als er den Tobias begleitete, die Gestalt des vornehmen Juden Azarias an. Am Grabe Jesu erschienen die Engel in Gestalt von Jünglingen. Bei der Himmelfahrt des Herrn waren Engel in Gestalt von Männern zugegen. Damit wird wohl – so können wir vermuten – ihre Kraft versinnbildet und zugleich der Öffentlichkeitscharakter ihres Auftretens. Auf die Macht der Engel verweisen auch Bezeichnungen wie Herrschaften, Throne, Mächte. Die Engel sind nicht, auch wenn sie als Männer auftreten, geschlechtlich bestimmt. Jesus tritt den Sadduzäern entgegen, als sie ihn wegen der Lebensweise der Auferstandenen in die Enge treiben wollen. Auch wenn eine Frau nacheinander sieben Männer gehabt hat, wird nach der Auferstehung kein Streit darüber entbrennen, wem sie gehören soll. Jesus sagt: „Wenn sie von den Toten auferstehen, werden sie weder heiraten noch verheiratet werden, sondern sie werden sein wie die Engel im Himmel.“ Den Engeln eignet keine geschlechtliche Bestimmtheit. Sie sind über eine geschlechtliche Prägung erhaben.

Die Engel sind auch frei von der Gebundenheit und Schwere des Stoffes; sie sind ja Geister. Sie erscheinen freilich – und nur so können sie ja gesehen werden – in leiblichen Gestalten, aber es ist Glaubenssatz, dass sie ihrem Wesen nach Geister sind. Wegen ihres unstofflichen Wesens sind sie nicht an Raum und Zeit gebunden. Freilich sind sie raumhaft und zeithaft, d.h. sie sind bloß an einem bestimmten Ort gegenwärtig, nicht überall, aber ganz am ganzen Ort. Wie groß das Gegenwartsgebiet, das Wirkgebiet, der Wirkbereich eines Engels ist, das wissen wir nicht. Die Engel können sich von einem Ort zu einem anderen mit unvorstellbarer Geschwindigkeit bewegen. Das wird angedeutet, wenn sie abgebildet werden mit Flügeln. Engel haben natürlich keine Flügel, aber sie besitzen die Fähigkeit, Räume zu durchmessen. Über die Zeit sind sie erhaben. Ihr Wesensbestand duldet keine Veränderung. Das Erkennen der Engel ist wegen ihrer höheren Geistigkeit und wegen ihrer weit gespannten Sicht ein tief eindringendes. Ihre Erkenntnis wird beim Propheten Ezechiel durch vier, nach allen Seiten gewendete Gesichter ausgedrückt. Die Apokalypse bezeugt ihr durchdringendes Erkennen, wenn sie sagt, dass die Engel über und über mit Augen bedeckt sind. Sie sehen mit ihrem ganzen Wesen. Wenn Christus sagt, dass der Tag des Gerichtes auch den Engeln nicht bekannt ist, so hat er damit zwar eine Grenze ihres Wissens angedeutet, aber auch gleichzeitig den umfassenden Charakter ihres Wissens ausgesagt. Dem umfassenden Wissen der Engel entspricht ein freier machtvoller Wille. Wegen ihrer durchdringenden Verstandesschärfe und ihrer großen Willenskraft fassen sie ihre Entschlüsse ohne Schwanken und langes Überlegen, und sie nehmen sie nie zurück. Die Engel können auf körperliche Dinge einwirken. Als die Frauen zum Grabe kamen, kam ein Engel herab, wälzte den Stein vom Eingang des Grabes weg und setzte sich darauf. Die Gewalt und Macht der Engel ist freilich keine göttliche. Sie besitzen keine Wirkmacht neben Gott, und alle ihre Kraft kommt von Gott. Sie sind Geschöpfe, als solche in ihrem ganzen Sein und Tun von Gott abhängig und von ihm getragen. Sie können nur tun, was ihnen der göttliche Wille gebietet. Gott ist auch ihr Herr, sie sind seine Geschöpfe. Die Engel haben keinen selbständigen Wirkkreis neben Gott, sie sind nur Vollstrecker seines Willens. Christus steht über ihnen. Die Engel sind Diener und Werkzeuge Gottes, wie auch Wind, Feuer und Blitz Werkzeuge Gottes sind. Christus hingegen ist König und Herrscher.

Wir besitzen, meine lieben Freunde, kein Organ, mit dem wir Geister wie die Engel mit unseren Sinnen berühren können. Ihr Kommen und Gehen, ihr Wirken und Helfen sind der sinnenhaften Erfahrung entzogen. Wie können wir aber dann mit ihnen in Verbindung treten? Wie wissen sie, dass wir ihre Hilfe benötigen? Sie wissen es durch unsere Gebete. Gott lässt sie unsere Gebete erkennen und weiß, dass sie darauf mit ihrer Hilfe reagieren. Wenn ein Mensch in der Gemeinschaft und der Gesellschaft der Engel lebt, dann macht er auch Erfahrungen mit den Engeln. Meine lieben Freunde, ich habe schon oft in meinem Leben gemeint: Ich schaffe es nicht, ich kann es nicht, ich bringe es nicht zustande. Und dann habe ich die Engel angerufen, und dann ist es gegangen! In der Zeit nach dem Kriege beuteten die Russen in der Ostzone – wo ich ja fünf Jahre war – das Uran aus für die Atombombe, im sächsischen Erzgebirge. Dieser Abbaubereich war streng abgeschirmt. Man durfte nur mit einem besonderen Passierschein hinein. Aber ich hatte einen priesterlichen Freund, der fuhr jedes Weihnachten in diesen Sperrbereich, um den zerstreuten Christen Gottesdienst zu halten. Ich fragte: „Ja, wie kommst du denn da hinein? Hast du einen Passierschein?“ „Nein“, sagte er, „aber ich fahre mit den Engeln.“ Die Darstellung der Engel in der Kunst ist oft versucht worden, aber sie ist natürlich problematisch. Das Unanschauliche kann nicht leicht anschaulich dargestellt werden. Immerhin hält die Kunst die Erinnerung daran wach, dass die Engel teilnehmen am Kult der Kirche, am Messopfer. Es ist das Glück des Christen, von den Engeln zu wissen und ihre Natur zu erkennen. Wir sind nicht allein im Leben und im Sterben. Unsichtbare, wohlwollend gesinnte Geister umgeben uns, sind zum Dienst an uns bereit. Sie sind treu und zuverlässig. Gott hat seinen Engeln befohlen, uns zu behüten auf allen unseren Pfaden. Sie sollen uns auf ihren Händen tragen, damit unser Fuß nicht an einen Stein stoße.  „O Gott, wie herrlich ist auf der ganzen Erde dein Name, auch in den Engeln.“

Amen.

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