Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
22. Juli 2018

Die Wirkung des Messopfers

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Gabengebet der heutigen heiligen Messe lesen wir: „Sooft man das Gedächtnis dieses Opfers feiert, wird das Werk unserer Erlösung vollzogen.“ Ich wiederhole: Sooft man das Gedächtnis dieses Opfers feiert, wird das Werk unserer Erlösung vollzogen. Die Messe ist also nicht eine bloße Gedächtnisfeier des Opfertodes Christi, sie ist dessen wahre und wunderbare, wenngleich unblutige und geheimnisvolle Erneuerung, Darstellung, Wiederherstellung, Repräsentation. Wenn das Messopfer das Kreuzesopfer vergegenwärtigt, und wir auf diese Weise uns in Verbindung bringen mit dem Opfer Christi am Kreuz, wird dadurch das Heil in uns gewirkt, welches das Kreuzesopfer für uns erworben hat. Das Erlösungswerk Christi diente der Verherrlichung Gottes in einer zweifachen Weise: in einer mehr gegenständlichen und in einer mehr subjektiven Weise. Der Kreuzestod Christi bedeutet eine von Gott selbst vorgenommene Darstellung und Verwirklichung der göttlichen Herrlichkeit. Angesichts des vom Vater in den Tod hingegebenen Gottessohnes können und müssen wir sagen: So ist Gott. So ist er, dass er dies wirkt, was hier geschieht. In diesem Geschehen wird er uns sichtbar als der Gnädige und Barmherzige, als der Heilige und Gerechte. Dadurch, dass Gott seinen eigenen Sohn in den Tod hineingab, offenbarte er sich als die gerechte und heilige Liebe. Dadurch, dass er ihn in das Grauen und in die Schande dieses Todes hineinstieß, offenbarte er sich als den gnädigen Richter über die Sünde. Die göttliche Selbstdarstellung erfolgt in der Weise, dass der menschgewordene Sohn Gottes dessen Liebe, Heiligkeit und Gerechtigkeit selbst in sein Herz aufnahm und in seinem Leben und Sterben vollzog. Das geschah in der Hingabe an den Willen des Vaters, im Lob und Preise Gottes, im Gehorsam gegen den Auftrag des Vaters. Durch seine Liebe und seinen Gehorsam hat Christus die Selbstherrlichkeit und den Ungehorsam des sündigen Menschen überwunden. Durch seinen Tod hat er die Menschen mit Gott versöhnt. Er hat die Sünden gesühnt, indem er den Fluch (den Fluch der Sünde) in vorbehaltloser Hingabe auf sich nahm und so von innen her aufarbeitete und überwand. In seiner Liebe und in seinem Gehorsam hat er den ewigen Heilswillen des gerechten und gnädigen Gottes vollstreckt.

Die Messfeier ist also eine Verkündigung des Todes Jesu. Dieser aber ist an sich und in seinen Wirkungen der höchste Anbetungsakt, der Gott gezollt werden kann, weil er die rückhaltlose Anerkennung seiner Majestät ist. Was vom Kreuzesopfer gibt, das gilt auch vom Messopfer. Es ist Anbetung und Lob, Danksagung und Sühne. Das Messopfer ist zuerst verleiblichte Anbetung. Was da in der Eucharistie geschieht, ist Teilnahme an dem Heiligruf, in dem die Engel und Heiligen des Himmels ihre Hingabe an Gott ausströmen. Im eucharistischen Opfer tritt die Kirche durch Christus und mit Christus vor das Antlitz des Vaters und huldigt ihm als dem Herrn des Himmels und der Erde. Achten Sie auf das Gebet nach der Wandlung. Da heißt es: „…dass durch Christus dem Vater im Heiligen Geist alle Ehre und Verherrlichung dargebracht werde.“ Die Anbetung wirkt sich aus im Rühmen und Preisen Gottes und im Dank für die Teilnahme, die er uns an seiner Herrlichkeit gewährt. Das Messopfer ist verleiblichtes Loben und Danken. Die Danksagung geschieht für das Werk der Erlösung und der Schöpfung. Die Wirkung eines Lob- und Dankopfers erreicht das Messopfer objektiv durch sich selbst, weil es die heiligste und gottgefälligste Gabe ist, die Gott dargebracht werden kann, nämlich sein eingeborener Sohn. Als Opfer der Kirche verbindet sich mit ihr noch der sekundäre Lobpreis und Dank der opfernden Gläubigen. Also die Danksagung geschieht durch die Opferdarbringung selbst, deswegen Eucharistie – Danksagung. Aber was im Opfervorgang geschieht, wird in einer Folge von wirksamen Gebeten in das gläubige Bewusstsein aufgenommen und vor dem Vater im Himmel ausgesprochen.

Christus hat seinem Kreuzesopfer Sühnewert beigelegt. Besonders deutlich beim Blut, er kennzeichnete es als für die Vergebung der Sünden zu vergießendes. Wie das Kreuzesopfer ist auch dessen Repräsentation ein Sühnopfer. Die Messe ist ein Sühnopfer, weil das Kreuzesopfer in ihr lebendig ist. Die Anbetung des sündigen Menschen wird zur Sühne, also zur Wiedergutmachung, zur Ersatzleistung, für die Sünden angesichts der eigenen Unzulänglichkeit und Sündhaftigkeit. So bittet die Kirche um die Verzeihung der Sünden und um die Kräftigung des göttlichen Lebens in uns. Tatsächlich hat das eucharistische Opfer die Kraft, die Sünde zu überwinden. Aber es tilgt nicht, wie Luther meinte, die Sünde unmittelbar, sondern erwirkt die Gnade der Bekehrung und vermehrt die Liebe. Ich wiederhole diesen wichtigen Satz: Es erwirkt die Gnade der Bekehrung und vermehrt die Liebe. Die Vertilgung der Sünden gehört in das Bußsakrament, nicht in die Opferfeier. So überwindet das eucharistische Opfersakrament immer wieder von Neuem die auch im Getauften verbleibende und sich regende Unvollkommenheit und Sündhaftigkeit. Durch das eucharistische Opfer wird die Kirche immer stärker in das Herrlichkeitsleben Gottes hineingezogen. In der Hingabe an den Vater, die die Kirche im eucharistischen Opfer vollzieht, geht die Selbstsucht und die Selbstherrlichkeit des Menschen immer wieder unter, wird die Heiligkeit und die Liebe stets neu gewirkt und gefestigt. Weil jede Generation in der Kirche von der Sünde bedroht ist, bedarf es immer wieder der Reinigung und Entsündigung, der Heiligung und Vervollkommnung durch das eucharistische Opfer.

Die eucharistische Opferhandlung ist schließlich eine an den Vater gerichtete Bitte um das Heil. Es wird für alle mit Christus durch die Taufe Verbundenen, für die Glieder des Leibes Christi, ja für alle Menschen, sogar für die Verklärung des Weltalls dargebracht. Die in der Welt verborgener Weise gegenwärtige Herrlichkeit Christi soll einmal in unverhülltem Glanz hervortreten; und das erbitten wir im Messopfer. In besonderer Weise wird es dargebracht für die Verstorbenen. Das eucharistische Opfer ist eine von der Kirche Gott dargebrachte Bitte, er möge um des Leidens und Sterbens Christi willen – das in der Eucharistie vergegenwärtigt wird – den Verstorbenen gnädig sein, sie von allen Mängeln befreien und zur Teilnahme an seiner unverhüllten Herrlichkeit führen. Wir opfern den für unsere Sünden geschlachteten Christus und dadurch versöhnen wir den barmherzigen Gott mit ihnen und uns.

Das Messopfer ist nicht nur das objektive Selbstopfer Christi, es ist auch ein subjektives Mitopfern des Priesters und der Gläubigen. Das Opfer Christi ist zugleich das Opfer der Kirche. Christi Opfer ist objektiv und stets wirksam, aber es kann nur in wahrhaft fruchtbringender Weise wirksam sein, wenn die Gläubigen sich an die Opfergesinnung und an die Opfertätigkeit ihres Hauptes und Hohenpriesters anschließen; und das soll nach allen vier Seiten geschehen: in Lob, Dank, Sühne, Bitte. Das Sich-Opfern ist von Anfang an ein in der Kirche betonter Gedanke. Am Kreuze opferte Christus allein, in der Messe aber soll der ganze mystische Leib Christi mit ihm sich Gott darbringen. Keine Gelegenheit und keine dringendere Einladung zum persönlichen Opfer gibt es als im Messopfer. Ich wiederhole: Es ist kein edleres, kein würdigeres Sühnopfer für unsere Sünden als sich selbst, ganz und unbedingt mit dem Opfer des Leibes Christi in der Messe und in der Kommunion hinzugeben.

Der Wert des Messopfers ist unendlich, weil er identisch ist mit dem Kreuzesopfer. Die Unendlichkeit ergibt sich aus der Würde der Opfergabe und des primären Opferpriesters, nämlich Christus. Opfergabe und Opferpriester ist der vom Himmel herabgestiegene Sohn Gottes, der aus der Jungfrau Maria eine menschliche Natur angenommen hat. Deswegen ist das Genügen des Messopfers unendlich. Es wird auch durch noch so viele Gläubige nicht erschöpft. Der Wert des einzelnen Messopfers wird durch die Zahl der subjektiven Teilnehmer nicht berührt; er ist in sich unendlich. Die Wirkungen freilich, die sich auf den Menschen beziehen, sind endlich, weil der Mensch das Unendliche nicht fassen kann. Diejenigen Wirkungen, die das Messopfer objektiv für die Menschen hervorbringt, heißen Früchte des Messopfers. Man unterscheidet eine vierfache Opferfrucht. Erstens: Die Opferfrucht des zelebrierenden Priesters; sie ist eine ganz besondere. Er dient dem himmlischen Hohenpriester als stellvertretendes Organ, als Werkzeug kraft seiner Ausrüstung und Bestellung durch die Weihe. Dafür gebührt ihm aufgrund seines Dienstes eine ganz besondere Messfrucht. Auch deswegen verlangt die Kirche von den Priestern die tägliche Feier des Messopfers. Ich habe nie begriffen, wie Priester das Messopfer unterlassen können, weil keine Gemeinde da ist oder weil sie sich etwas anderes vornehmen. Zweitens: Die Opferfrucht der Gläubigen, die der Messe beiwohnen, ist eine besondere im Gegensatz zu den Früchten, die allen Gläubigen zukommen. Die besondere Frucht der Messteilnehmer entspricht ihrer besonderen inneren und äußeren Teilnahme am Messopfer. Jeder, der die Messe in entsprechender Gesinnung mitfeiert, geht beschenkt und bereichert nach Hause. Drittens: Die Opferfrucht der Gesamtheit der Gläubigen ist eine allgemeine, universale. An ihr partizipieren kraft der Gemeinschaft der Heiligen alle Gläubigen der Kirche. Jedes Messopfer ist ja ein Opfer der Gesamtkirche. Und auch wenn der Priester allein oder mit wenigen Gläubigen die Messe feiert, es ist ein Opfer der Gesamtkirche, weil es das Opfer Christi ist, des für die Menschheit von Gott bestellten Mittlers. Deshalb darf diese Frucht sogar auf die ganze Welt ausgedehnt oder doch für sie erhofft werden. Es ist ein uralter Brauch der Kirche, für alle Menschen zu beten. Die Erde, meine lieben Freunde, die Erde dürstet nach der Feier des Messopfers. Die Kirche, die Menschheit bedarf ihrer. Viertens: Diejenigen, für welche die Messe appliziert, zugewendet wird, empfangen die Hauptfrucht. Es ist jene Frucht, über die der Priester als Diener Christi ein freies Verfügungsrecht empfängt, sodass er sie demjenigen oder denjenigen zuwenden kann, den oder die er in der Messintention vor Gott benennt. Die Applikation der heiligen Messe ist ein außerordentlich wichtiges Seelsorgsmittel und eine außerordentlich wichtige Hilfe für die, die in dieser Intention mit dem Segen des Messopfers, des Kreuzesopfers, beschenkt werden. Die Gläubigen dürfen an den Priester herantreten und ihn bitten, das Messopfer in einer bestimmten Meinung, Intention genannt, darzubringen. Es ist üblich, die an den Priester gerichtete Bitte, das Messopfer in einer bestimmten Absicht darzubringen, mit einer Opfergabe zu verbinden. Diese Opfergabe nennt man das Messstipendium, ein Geldopfer. Nur gegen Überforderung hat die Kirche festgelegt, dass es in unseren Breiten 5 Euro sein sollen. Der Priester übernimmt dabei die Verpflichtung, das Opfer in dieser Meinung zu feiern. Das Geld, das dabei anfällt, verwende ich ohne Abzug für gute Zwecke. Ich behalte nicht einen Cent von den Messstipendien. Wer nicht in der Lage ist, das Geldopfer darzubringen, für den feiert der Priester das Opfer dennoch auch ohne Messstipendium in dessen Meinung. Ich erkläre ausdrücklich: Ich appliziere viele Messen auch ohne Annahme eines Messstipendiums. Da muss ich noch ein Missverständnis klären, nämlich: dadurch dass dem Stipendiengeber eine spezielle Frucht des Messopfers zugewendet wird, wird den übrigen Messteilnehmern und Empfängern der Opferfrucht nichts entzogen. Der Reichtum der Gabe Gottes ist unendlich; endlich ist lediglich unsere Aufnahmefähigkeit. Sooft man das Gedächtnis dieses Opfers feiert, wird das Werk unserer Erlösung vollzogen. Dieser fundamentale Satz steht im Gabengebet der heutigen heiligen Messe. Wir sind keine Zeitgenossen Jesu, wir haben sein Opfer am Kreuze nicht miterlebt wie die Jünger, die Frauen aus Galiläa und seine Mutter, aber der Herr hat uns ein Denkmal seines Leidens hinterlassen: die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers in der heiligen Messe. Das Messopfer ist das Kreuzesopfer in sakramentaler Gestalt. Das Messopfer ist eine Epiphanie von Golgotha. Es wendet uns die Gnaden des Kreuzesopfers zu. Das Buch von der „Nachfolge Christi“, in dem ich täglich lese, beschreibt den Segen des Messopfers wie folgt: „Wenn der Priester das heilige Messopfer darbringt, ehrt er Gott, erfreut er die Engel, erbaut er die Kirche, hilft den Lebenden, verschafft den Verstorbenen Ruhe macht sich selbst aller Güter teilhaftig.“ So ist es. Es ist das größte Glück, meine lieben Freunde, es ist das größte Glück des katholischen Priesters, täglich das heilige Messopfer feiern zu dürfen; nichts darf ihm vorgezogen werden. Es ist aber auch ein unbeschreibliches Glück, das Messopfer mitfeiern zu können, mitopfern zu dürfen. Es gibt Gläubige, die täglich an der Feier des Messopfers teilnehmen. Sie wissen: Besser können sie den Tag nicht heiligen als dadurch, dass sie sich in die sakramentale Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers eingliedern. Mehr können sie den Menschen auf dieser Erde und im Reinigungszustand nicht schenken als die Frucht dieses heiligen Geschehens. Sooft man das Gedächtnis dieses Opfers feiert, wird das Werk unserer Erlösung vollzogen.

Amen.

 

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