Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
10. Juni 2018

Heiligstes Herz Jesu

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Freitag hat die Kirche das Fest des heiligsten Herzens Jesu gefeiert. Der ganze Juni, manchmal auch der Juli gelten als Herz-Jesu-Monate. Die Herz-Jesu-Verehrung wird nicht von allen verstanden. Mir sagte einmal ein Priester: „Ich bin kein Herz-Jesu-Onkel.“ Ein Politiker der FDP verspottete den Kölner Sender als Herz-Jesu-Sender, weil er auch kirchliche Sendungen bringt. Wie wir an diesen Beispielen sehen, besteht viel Unverständnis über die Herz-Jesu-Verehrung. Es ist ein Dogma katholischen Glaubens: Christus muss in der menschlichen Natur wegen ihrer Verbindung mit dem LOGOS, der zweiten Person in Gott, angebetet werden. Ich wiederhole noch einmal diesen fundamentalen Satz der Herz-Jesu-Verehrung: Christus muss auch in der menschlichen Natur wegen ihrer Verbindung mit dem LOGOS angebetet werden. So will es das andere Dogma von der hypostatischen Union. Fürchten Sie sich nicht vor diesem Wortungetüm, es ist harmloser als es scheint. Hypostatische Union besagt: Christus ist eine, und zwar eine göttliche Person, aber er hat zwei Naturen: eine göttliche und eine menschliche. Hypostatische Union ist also die Einheit einer Person in zwei Naturen. Und diese hypostatische Union ist die Grundlage der Herz-Jesu-Verehrung. Die hypostatische Union, also die Verbindung von Gottheit und Menschheit, begann im Augenblick der Empfängnis vom Heiligen Geist. Der ewige LOGOS blieb, was er war, aber er nahm auf, was er nicht hatte, nämlich die menschliche Natur. Beide Naturen bestehen unverändert und unvermischt fort. In der unversehrten und vollkommenen Natur eines wahren Menschen ist der wahre Gott gegeben, vollkommen in dem Seinigen (in seiner Gottheit) und vollkommen in dem Unsrigen (in der Menschheit). Die Anbetung ist die höchste Verehrung die Gott, und nur Gott allein, aufgrund seiner ewigen absoluten Vollkommenheiten, besonders seiner Aseität und Heiligkeit geleistet wird. Mit ein und derselben Anbetung wird die Gottheit und zugleich die mit ihr hypostatisch verbundene Menschheit verehrt. Die Menschheit Christi wird in und mit dem LOGOS angebet, der LOGOS an sich und wegen seiner selbst, die Menschheit in sich aber wegen des LOGOS. Der theologische Grund der Anbetung liegt in der Einheit der Person.

Wenn wir vom Herzen Jesu sprechen, denken wir immer daran, es ist das Herz der göttlichen Person Jesus Christus. Gegenstand der Herz-Jesu-Verehrung ist das Herz des Herrn als Symbol seiner gottmenschlichen Liebe oder seine Liebe unter dem Symbol des Herzens. Die großen Geheimnisse Jesu, seine Handlungen, seine Tätigkeiten, seine Opferhingabe, die großen Geheimnisse des Lebens, Leidens und Sterbens Jesu wurzeln ja im Herzen. Das Herz ist nun einmal die Mitte, das Aktzentrum des Menschen. Dieses Herz ist gleichsam der physische Resonanzboden der Taten und der Leiden des Erlösers. Es ist auch der psychologische Brunnquell aller heiligen Affekte der Gottes- und der Menschenliebe Jesu. Es ist schließlich der kurze symbolische Ausdruck für alles, was Jesus in seiner Erlösertätigkeit gewollt und gewirkt hat. Aber noch einmal: Alle Verehrung, die dem Herzen Jesu erwiesen wird, gilt der Person des Herrn.

Die Übungen der Herz-Jesu-Verehrung sind mannigfaltig. Wir beten zum heiligsten Herzen Jesu. Ich vergesse nie, wie ich in den französischen Kirchen gelesen habe: Sacré coeur de Jésus, j`ai confiance en Vous – Göttliches Herz Jesu, ich habe Vertrauen zu dir. Wir versuchen, seine Liebe und unsere Liebe zu verbinden. Wir bemühen uns, seine Tugenden nachzuahmen. „Herz Jesu, reich an Tugenden, bilde mein Herz nach deinem Herzen.“ Wir können uns dem Herzen Jesu weihen, d.h. ihm sich übergeben, ihm sich widmen. Wir sollen auch Sühne leisten, versuchen, Sühne zu leisten für die Frevel und Beleidigungen, die ihm und Gott zugefügt werden. Spezielle Übungen der Herz-Jesu-Verehrung sind das Herz-Jesu-Fest und das Weihegebet, das wir ja am Freitag gebetet haben. Jeder erste Freitag im Monat ist in besonderer Weise dem Herzen Jesu geweiht, im Andenken an sein Leiden, das am ersten Karfreitag stattgefunden hat. Der fromme Brauch geht auf die französische heilige Nonne Margareta Maria Alacoque zurück. Ihr hat der Heiland besondere Gnaden versprochen für alle diejenigen, die den Herz-Jesu-Freitag getreulich halten. Gute Mütter führen ihre Kinder am Herz-Jesu-Freitag in die heilige Messe und leiten sie an, am Herz-Jesu-Freitag die heilige Kommunion zu empfangen. Eng mit der Herz-Jesu-Verehrung verbunden ist der Gedanke und die Übung der Sühne. Was ist Sühne? Sühne bedeutet eine Leistung, die Gott für die Sünden, die ihn beleidigen, seiner Ehre Abbruch tun und ihm Unrecht zufügen, Abbitte, Genugtuung und Ersatz bieten soll. Das Bewusstsein unserer eigenen Sündhaftigkeit legt uns die Sühne für uns selbst nahe. Aber im gebräuchlichen Sinne besagt Sühne vor allem stellvertretende Genugtuung für die Sünden der Menschen, für die gleichgültigen und lauen Christen, für die Lästerer und Unkeuschen, für die Ungläubigen und die Kirchenfeinde. Der eigentliche innere Zweck der Sühne ist ein doppelter: erstens: Ersatzleistung für die dem verklärten Heiland zugefügte Beleidigung und Verunehrung, zweitens: Tröstung, insofern als der Heiland in seinem Erdenleben des Trostes bedürftig war und diesen Trost, der ihm gespendet wurde, voraussah und annahm. Damit verbindet sich ein äußerer Zweck, nämlich die Versöhnung Gottes, die Abwendung oder Milderung von Strafen und die Erlangung von Gnaden. In diesem Sinne wird die Sühne auch für die armen Seelen dargebracht. Wie der himmlische Vater die stellvertretende Genugtuung durch das sühnende Blut seines Sohnes anerkennt, so nimmt er auch die sühnende Ersatzleistung von Seiten der mit Christus verbundenen Menschen an. Alle derartige Sühneleistung – das müssen wir freilich zugeben – die wir vollbringen, empfängt ihren Wert und ihre Wirksamkeit aus der Verbindung mit der stellvertretenden Genugtuung Christi. Aus uns selbst können wir nichts tun, aber mit ihm können wir viel tun. Die Sühneleistung ist eine Betätigung der Liebe und Verehrung Gottes, der Liebe zu den unsterblichen Seelen und zur Kirche. Sie ist eine Betätigung des allgemeinen Priestertums, daher Aufgabe des Einzelnen wie der Gemeinschaft. Sie entspringt der dankbaren Liebe zum beleidigten Gott und der Gerechtigkeit, welche die Gott zugefügten Verunehrungen wiedergutmacht und die verletzte Ordnung wiederherstellt. Als Formen der Sühne kommen vor allem in Betracht eigentliche Sühnegebete, die Gebete der heiligen Stunde, das Herz-Jesu-Fest, öffentliche Sühneandachten und Sühneprozessionen, Sühnemessen, Sühnekommunionen, persönlich sühnende Opfer- und Tugendakte, besonders das heroische Selbstopfer jener Gläubigen, die ihr ganzes Leben der sühnenden Verehrung Christi weihen, auch in Sühnegemeinschaften. Es gibt Sühneschwestern; sie wissen, was Sühne bedeutet. Besonders wertvoll ist das Sühneleiden und das sühnende Leidensapostolat als Leidensgemeinschaft mit Christus. Wir können es selbst üben, indem wir unsere Leiden, Schmerzen aufopfern: Ich will diese Leiden tragen, mein Jesus, in Verbindung mit deinem sühnenden Leiden, für meine Schuld und für die Schuld der Menschheit.

Wir sollen und wollen Christus, unserem Gott, dienen ohne Berechnung, ohne Erwartung von Wiedervergeltung. Aber wir können und wollen ihn nicht hindern, uns mit seinen Gaben zu beschenken. Die heilige Margareta Maria Alacoque empfing eine Anzahl von Verheißungen Jesu für die Verehrer seines Herzens. Erstens: Ich werde ihnen alle ihrem Stande notwendigen Gnaden geben. Zweitens: Ich werde ihren Familien den Frieden geben. Drittens: Ich werde sie in ihrem Leid trösten. Viertens: Ich werde ihnen im Leben und im Tode eine Zuflucht sein. Fünftens: Ich werde allen ihren Unternehmen meinen Segen spenden. Sechstens: Die Sünder werden in meinem Herzen eine unerschöpfliche Quelle des Erbarmens finden. Siebtens: Die lauen Seelen werden eifrig werden. Achtens: Die eifrigen Seelen werden rasch zu einer hohen Stufe der Vollkommenheit aufsteigen. Neuntens: Ich werde die Häuser segnen, in denen das Bild meines Herzens aufgestellt und verehrt wird. Zehntens: Ich werde den Priestern die Macht geben, auch verhärtete Herzen zu beugen. Elftens: Die Namen derer, die diese Andacht verbreiten, sollen in meinem Herzen eingeschrieben sein und nie daraus gelöscht werden. Zwölftens: Ich werde meinen Gnadengaben kein Maß und keine Grenzen setzen für alle, die sie in meinem Herzen suchen.

Die Herz-Jesu-Verehrung, meine lieben Freunde, hat ihre Geschichte. Hauptsächlich dank der Kreuzzüge und der Christusmystik des heiligen Bernhard von Clairvaux kam die Anbetung der Wunden Christi auf. Sie war eine gewisse Vorläuferin der Verehrung des Herzens Jesu. Ich will es mir nicht versagen, das Lied zu zitieren, das man in meiner Heimat singt: „Herr, ich küsse deine Füße, deiner heiligen Hände Mal. Hast die Wunden ja empfunden, auch für meiner Sünden Zahl! Voller Treue und mit Reue über meine Missetat küss ich heute jene Seite, die man dir geöffnet hat. Und in Demut und mit Wehmut sei dein heiliges Haupt geküsst, das verhöhnet, dorngekrönet voller Blut und Wunden ist.“ Von da an entwickelte sich die Herz-Jesu-Verehrung in den mystischen Seelen: Tauler, Seuse und wie sie alle heißen, diese Mystiker, und hat ihren Gipfel erreicht in den Christusvisionen der heiligen Margareta Maria Alacoque im 17. Jahrhundert. Auf sie geht das Herz-Jesu-Fest zurück, auf sie geht der Herz-Jesu-Freitag zurück. Freilich hat sie diese Weisungen vom Herrn, vom dornengekrönten Herrn empfangen. Im Leben Jesu, meine lieben Freunde, des eingeborenen Sohnes Gottes, gibt es keinen Zufall. Vielmehr waltet über ihm die weise Vorsehung des himmlischen Vaters. Und so wollte Gott, dass sein Eingeborener am Kreuze von des Soldaten Lanze durchbohrt wurde, damit sein geöffnetes Herz Ströme des Erbarmens und der Gnade auf uns ergieße. Dieses Herz, in dem die Glut der Liebe nie erlischt, sollte den Frommen eine Stätte der Ruhe, den Büßenden eine rettende Zuflucht sein. Wenn irgendwo, so ist hier die Heimat der Menschen, der Ort, wo sie Ruhe finden für ihre Seelen. Nur durch sein Herz kann man Christus und seine Lehren verstehen. Denn das Herz ist das Symbol und das Organ der Liebe. In der Herz-Jesu-Litanei findet sich die Anrufung: „Heiligstes Herz Jesu, du Feuerherd der Liebe, erbarme dich unser.“ Der hat die größte Liebe, der ohne Grund liebt, der zuerst liebt, der mit voller Liebe liebt, der bis zum Tode liebt; das ist die Liebe unseres Heilandes. Einst erschien dem Kaiser Konstantin bei der Schlacht an der Milvischen Brücke das Kreuz als Unterpfand des Glaubens und als Zeichen des Sieges. Heute steht ein anderes Zeichen vor unseren Augen, ein Zeichen der Hoffnung, ein glückverheißendes, ganz göttliches Zeichen: das heiligste Herz Jesu, von Flammen umgeben, mit Dornen verziert. Dort hinein, meine lieben Freunde, müssen wir unsere Hoffnung versenken. Dort müssen wir unser Heil erflehen. Dort müssen wir unsere Hilfe erbitten.

Amen.

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