Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. November 2017

Die Verehrung der Heiligen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zum Fest AllerheiligenVersammelte!

Wir begehen heute das große Fest Allerheiligen. An den übrigen Tagen des Jahres wird jener oder dieser Heilige verehrt, heute verehren wir den gesamten Heiligenhimmel in einem Zuge. Die Verehrung der Heiligen ist ein unaufgebbarer Bestandteil des katholischen Glaubens. Das Konzil von Trient stellte fest gegen die Neuerer des 16. Jahrhunderts: „Es ist gut und nutzbringend, die Heiligen, die im Himmel mit Christus herrschen, um ihre Fürsprache anzurufen, um von Gott durch seinen Sohn Jesus Christus, der allein unser Erlöser und Retter ist, Wohltaten zu erlangen.“ Diese Aussage ist ein Dogma des katholischen Glaubens. Der Protestantismus lehnt seit Luther die Heiligenverehrung heftig ab. Als 1524 der Bischof Benno von Meißen heiliggesprochen wurde, da ließ Luther eine Schrift ausgehen mit dem Titel: „Wider dem neuen Abgott und alten Teufel, der zu Meißen soll erhoben werden.“ Mit Abgötterei ist die Götzenverehrung, der Götzendienst gemeint. Was Luther uns also vorwirft, ist Götzendienst; der Mann, den man gestern von seiten des Staates geehrt hat. „Die leugnen, dass die Heiligen anzurufen sind, oder die behaupten, dass die Anrufung der Heiligen Abgötterei sei, die denken gottlos“, sagt das Konzil von Trient. Es ist nützlich, es ist heilsam, die Heiligen anzurufen. Wir wissen dies sehr genau zu unterscheiden von der Anbetung Gottes. Die Verehrung der Heiligen ist wesentlich verschieden von der Anbetung Gottes. Die Verehrung und Anrufung der Heiligen ist nämlich kein notwendiges Heilmittel, wie die Fürbitte Christi notwendig für unser Heil ist, sie ist ein förderliches Element der katholischen Frömmigkeit. Die Verehrung der Heiligen ist wesentlich verschieden von der Anbetung Gottes. Anbetung ist nämlich jener religiöse Kultakt, durch den das vernunftbegabte Geschöpf Gottes Oberherrlichkeit und die eigene vollständige Abhängigkeit von ihm erkennt. Sie gebührt nur Gott, dem einen und dreieinen, der Person Jesu Christi als dem menschgewordenen Gottessohn und allem, was durch die hypostatische Union zum substantiellen Besitz des LOGOS gehört, also auch seine heilige Menschheit, weil mit Gott verbunden, sein heiliges Herz, sein heiliges Blut, das heiligste Altarsakrament, weil da wahrhaft, wirklich und wesentlich gegenwärtig ist, der unser Gott und Heiland ist. Ich habe Ihnen schon wiederholt Namen vorgeführt und gezeigt, wie viele protestantische Theologen die Gottheit Christi leugnen. Wer die Gottheit Christi leugnet, der muss uns Götzendienst vorwerfen, weil wir einen Menschen anbeten. Irreführend ist die Vorstellung, es handele sich bei der Heiligenverehrung um eine Art Instanzenweg. Wir müssen nicht zu Gott den Weg über die Heiligen nehmen, aber wir dürfen sie um ihre Fürbitte anrufen. Es geht auch nicht um eine indirekte Beeinflussung Gottes, denn die Heiligen wollen nichts anderes, als was Gott will. Es handelt sich auch nicht um eine Umstimmung des strengen Richters Christus durch die Milde Mariens und der übrigen Heiligen. Gott braucht nicht umgestimmt zu werden, und er lässt sich nicht umstimmen. Die Heiligenverehrung zielt auf Gott selbst, der die Heiligen und sich in ihnen ehrt. Die den Heiligen geltende Verehrung steht nicht isoliert und konkurrierend neben der Gott zustehenden Anbetung, sondern kommt letztlich Gott selbst zu. Gott ist wunderbar in seinen Heiligen. Die Heiligenverehrung ist keine Beeinträchtigung der Gottesverehrung, vielmehr eine Blüte derselben. Durch sie wird die Verherrlichung des dreieinigen Gottes gemehrt. Denn die Heiligkeit, deretwegen die Heiligen geehrt werden, ist eine Gabe Gottes, eine Frucht der Erlösung, somit ein steter Lobpreis Gottes. Das Mittleramt Christi, seine heilskonstitutive Fürbitte als Hoherpriester wird durch die Fürbitte der Heiligen nicht eingeschränkt, im Gegenteil, es erweist sich gerade als Prinzip ihrer Solidarität. Die Anrufung der Heiligen verherrlicht das Erlösungswerk Christi und zeigt es dadurch im hellsten Licht; sie weckt die Ehrfurcht vor Gott. Im Bewusstsein seiner Sündhaftigkeit tritt der Mensch mit dem Beistand der Vollendeten vor Gott und bedient sich ihrer Fürbitte. Da kann man fragen: Woher wissen denn die Heiligen um unsere Anliegen? Sie wissen sie aus Gott, weil sie von Gott erfüllt oder durchleuchtet sind, weil Gott ihnen das Wissen mitteilt; deswegen wissen sie, wenn wir sie anrufen und worum wir sie bitten.

Es ist die private und die öffentliche Verehrung der Heiligen zu unterscheiden. Für die Diener Gottes, die im Dienste Gottes und im Ruf der Heiligkeit gestorben sind, kommt vor der Seligsprechung nur eine private Verehrung in Frage. Die öffentliche Verehrung kann nur mit Billigung des Apostolischen Stuhles stattfinden. Sie geschieht durch Seligsprechung und Heiligsprechung. Seligsprechung hat nur eine begrenzte päpstliche Kultgenehmigung zum Gegenstand. Wer seliggesprochen ist, der darf an bestimmten Orten, in bestimmter Weise verehrt werden, aber nicht allgemein und öffentlich wie die Heiligen. Heiligsprechung ist die Aufnahme der Verstorbenen in das Verzeichnis der Heiligen, Kanon genannt – deswegen spricht man von Kanonisation. Heiligsprechung ist das feierliche Urteil des Papstes – und nur des Papstes – über das geglückte Leben von Dienern und Dienerinnen Gottes, die dem Vorbild Christi besonders gefolgt sind und durch Vergießen ihres Blutes oder durch ihr heroisches Tugendleben ein hervorragendes Beispiel und Zeugnis für das Himmelreich abgelegt haben. Indem die Kirche durch Heiligsprechung einigen Gläubigen amtlich bestätigt, dass sie Tugenden heldenhaft geübt haben, dass sie Treue zur Gnade bewiesen haben, erkennt sie zugleich die Macht des Geistes der Heiligkeit, denn die Heiligen sind, was sie sind, durch die Kraft des Heiligen Geist geworden, der sie freilich zugestimmt und der sie gefolgt sind. Diese amtliche Gewissheit rechtfertigt die öffentliche Verehrung der Heiligen. Die Kirche bürgt dafür, dass die, die wir hier verehren, tatsächlich angekommen sind bei Gott. Kanonisierte Heilige sind die schöpferischen Vorbilder der einer bestimmten Periode aufgegebenen Heiligkeit. Durch den Stil ihres heiligen Lebens, durch ihr konkretes Vorbild schaffen sie eine Möglichkeit für uns, ihnen zu folgen. Die Vorbildlichkeit der Heiligen besteht in der als gnadenhaft und nachahmenswert anerkannten Qualität eines vollendeten, eines endgültig geglückten Lebens.

Heilige hat es zu allen Zeiten in der Kirche gegeben, gibt es auch heute. Aus der unmessbaren Zahl der anonymen Heiligen, also der Gerechtfertigten – jeder, der in der heiligmachenden Gnade ist, ist ja ein Heiliger, wenn auch nicht im kanonisierten Sinne –, heben sich jene hervor, die von der Kirche als solche feierlich anerkannt sind. Die Heiligenverehrung gibt es schon im Alten Bunde. Da wurde besonders begnadeten Personen Verehrung erwiesen; man denke an die Propheten Elias und Elisäus. Die Engelverehrung wird in der Schrift gebilligt, und das lässt den Schluss zu, dass auch die seligen Menschen verehrt werden dürfen, die in ihrer Vollendung mit den Engeln auf gleicher Stufe stehen. Gott selbst ehrt seine Heiligen, und die Apostel und Christus reden mit Verehrung von den Vorvätern wie Moses, Abraham, von den Patriarchen, von Noe. In der Tradition hat die Heiligenverehrung begonnen mit der Verehrung der Martyrer. Schon im 2. Jahrhundert ist sie für uns greifbar. Im Mittelalter kam die Anrufung bestimmter Heiliger in bestimmten Anliegen in Übung. Sie hat ihren theologischen Grund in der Fortdauer der besonderen Liebe der Heiligen zu bestimmten Personen, bestimmten Orten, bestimmten Berufen. Die Heiligenverehrung äußert sich in den Heiligenfesten, in Kirchen, Kapellen, Altären, die ihren Namen tragen, in Gebeten und Gesängen zu Ehren der Heiligen, in der Verehrung ihrer Reliquien und Bilder. Heiligenfeste sind Manifestationen der liturgischen Heiligenverehrung. Messe und Stundengebet sind an diesem Tage dem Gedächtnis der Heiligen gewidmet. „Die Feste der Heiligen künden die Wunder Christi in seinen Dienern“, sagt das Zweite Vatikanische Konzil – die Feste der Heiligen künden die Wunder Christi in seinen Dienern. Termin für die Heiligenfeste sind, wenn es möglich ist, die Todestage, denn die Todestage sind ihre Geburtstage für den Himmel. Besondere Bedeutung und Wirklichkeitsnähe gewinnt die Heiligenverehrung durch ihre Bestellung und Anrufung als Patrone. Patron ist ein Schutzheiliger, ein Heiliger, der aufgrund des Glaubenssatzes von der Gemeinschaft der Heiligen als Schützer von Kirchen, Personen, Ständen, Berufen, Städten, Ländern, Diözesen oder auch in bestimmten Anliegen, Lebenslagen und Krankheiten angerufen und verehrt wird. Im Alten Testament erscheinen schon Michael und Gabriel (die Engel) als Schutzheilige von Ländern. In den ersten drei Jahrhunderten war die Erwählung von Patronen fast ausschließlich auf die heiligen Martyrer beschränkt, und zwar auf die Orte, wo sie gemartert worden waren. Später dehnte sich die Verehrung aus, und es wurden auch Nichtmartyrer, also Bekenner, zu Patronen gewählt als Schutzherrn für Kirchen, für Länder. Eine der ältesten und am weitesten verbreiteten Verehrungen – sogar bei den Mohammedanern – gilt dem Soldatenheiligen Georg. Der heilige Georg ist schon im 5. Jahrhundert vielfach als Kirchenpatron bezeugt. Dann wurde er vornehmlich Patron der Ritter. Über das Bürgertum wechselte er schließlich zur bäuerlichen Volksschicht, denn das griechische Wort Georg bedeutet Bauer; deswegen ist er auch der Patron der Bauern. Nach mittelalterlicher Ansicht war der Kirchenpatron Rechtssubjekt, an das die zahlreichen Schenkungen gingen. Man schenkte nicht dem Kloster an einem bestimmten Ort, man schenkte dem Heiligen, dem dieses Kloster unterstellt war. Seit dem 3. Jahrhundert werden Heilige als Namenspatrone erwählt. Man erwartet von ihnen Schutz und Fürsprache. Gewöhnlich legt man den Namen bei der Taufe fest. Die Kirche warnte wiederholt davor, den Kindern den Namen von Heiden zuzulegen. Der frühere Kodex des kanonischen Rechtes sah vor, dass, wenn die Eltern einen ungehörigen Namen gaben, der Priester einen christlichen Namen dazufügte und im Taufbuch vermerkte. Das steht im neuen Gesetzbuch nicht mehr. Sie kennen alle den amerikanischen Vorkämpfer gegen die Diskriminierung der Schwarzen: King. Dieser King trug den Namen Martin Luther. Also er wollte nicht den heiligen Martin zum Patron haben, sondern den Herrn, der gestern gefeiert wurde. Zu Standes- und Berufspatronen wählte man, besonders im Mittelalter, also in der Blütezeit der Zünfte und Gilden, solche Heilige, die im Leben wirklich oder vermeintlich einem bestimmten Stande oder Berufe angehört hatten. Der heilige Veit wurde in einem Kessel gesotten zu Tode gebracht. So hat man ihn zum Patron der Kesselschmiede ernannt. Der heilige Bernhard wurde wegen seiner Beredsamkeit und seiner emsigen Tätigkeit mit dem Bienenkorb dargestellt. Wie eine Biene hat er fleißig gearbeitet im Weinberg Gottes; er ist der Patron der Bienenzüchter. Von manchen Heiligen ergab sich die Wahl zum Patron aus volksetymologischen Beziehungen. Der heilige Valentin (Kiedrich) wurde gegen die Fallsucht (Epilepsie) angerufen. Warum? Wegen des Gleichklangs des Wortes Valentin mit fallender Krankheit. Die Päpste haben häufig universelle Patrone aufgestellt. Der heilige Josef ist der Patron der Kirche. Der heilige Aloisius ist der Patron der studierenden Jugend. Der heilige Kamillus für Kranke und Krankenpfleger. Der heilige Johannes Vianney ist der Patron der Pfarrer. Johannes Chrysostomos ist der Patron der Prediger, weil er selber – Chrysostomos heißt Goldmund – ein begnadeter Prediger war. Franz von Sales ist für die Presse zuständig, für die Journalisten – diese Problemgruppe, wie ich sie nenne. Theresia von Lisieux ist zuständig für die Weltmissionen. Die Leiden, die Liebe dieser Frau sind so enorm, so exzessiv, dass sie geeignet ist, die Mission zu befruchten. Christophorus ist der Patron der Autofahrer. Besonders beliebt sind die Nothelfer. Das ist eine Gruppe von Heiligen, gewöhnlich 14, und wer dazu zählt, ist nach Ort und Landschaft verschieden. Sie können in Bayern andere Nothelfer antreffen als bei uns. Wir haben ja eine Nothelferkappelle in Gonsenheim. Die Verehrung hat sich über das ganze deutsche Sprachgebiet ausgedehnt. Die Messbücher weisen eigene Formulare für die 14-Nothelfer-Messe auf. Ein eigenes Messformular wurde auch für die Kirche Vierzehnheiligen in Franken bewilligt. Vierzehnheiligen, da sind die 14 Nothelfer gemeint, ein großer und bedeutender Wallfahrtsort im nördlichen Bayern. Vielfach werden den Heiligen bestimmte Tiere, Pflanzen oder Gegenstände zur Kennzeichnung beigegeben; das sind die Heiligenattribute. Der heilige Judas Thaddäus wird dargestellt mit einer Keule; mit einer Keule wurde er erschlagen. Der heilige Simon wird dargestellt mit einer Säge; er wurde mit einer Säge zu Tode gebracht. In der römischen Grabeskunst erhält Petrus, der Apostel, aufgrund der Verleumdungsszene einen Hahn. Wir sind gewöhnt, ihn anders dargestellt zu sehen, nämlich mit dem Schlüssel und mit dem Bart. Der heilige Paulus wird mit dem Schwert abgebildet, denn durch das Schwert wurde er getötet. Der heilige Hieronymus erhält einen Totenkopf, weil er ein strenges, ein aszetisches Leben geführt hat. Der heilige Augustinus erhält ein Herz beigegeben; damit soll seine Unruhe zu Gott dargestellt werden.

Wir bekennen unsere Kirche als die heilige katholische Kirche. Sie besitzt die Gaben, zur Heiligkeit zu führen. Christus setzt in ihr sein erlöserisches Wirken fort und führt dadurch die Menschen zur Heiligkeit. Die Heiligkeit der Kirche zeigt sich auch in ihren heiligen Gliedern. Sie bezeugen die eschatologische Sieghaftigkeit der Gnade in historischen Persönlichkeiten. Die Heiligen besitzen eine besondere Strahlungskraft. Sie wirken normbildend, man kann sich nach ihnen richten. Die Beziehung zu bestimmten Heiligen dient als Beispiel, die eigene Berufung anzunehmen und sie in der konkreten Lage schöpferisch umzusetzen. Es ist zutiefst menschlich und christlich, die Heiligen anzurufen, auf dass sie bei Gott für uns eintreten. Sie lieben uns, und es liegt ihnen an uns. Sie sind also geeignet, von uns gebeten zu werden. Die Theologin Gabriele Miller behauptet im Lexikon für Theologie und Kirche, dass man sich an die Heiligen um ihre Fürbitte wendet, sei heute kaum noch ein Thema – sei heute kaum noch eine Thema. Das mag für die randständigen, für die nach Wittenberg pilgernden katholischen Christen gelten, für das gläubige katholische Volk gilt das nicht. Dieses wendet sich nach wie vor vertrauensvoll an die Vollendeten des Himmels, fleht um ihre Fürbitte, sucht ihr Beispiel nachzuahmen. Auch dank ihrer Hilfe, meine lieben Freunde, auch dank ihrer Hilfe hoffen wir, zur ewigen Seligkeit zu gelangen.

Amen.

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