Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. Januar 2011

Epiphanie – Legende oder Geschichte?

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Im Mittelpunkt der Volksfrömmigkeit steht am Feste der Erscheinung des Herrn das Erscheinen der Weisen aus dem Morgenlande. Der Unglaube ist schnell fertig mit dieser Geschichte: eine Legende, eine fromme Legende, erfunden, um dem Heiland eine Ehrung zu erwiesen. Meine lieben Freunde, die Begebenhit, die im Mittelpunkt des Festes der Erscheinung des Herrn steht, ist keine Legende. Wir wollen heute in aller Redlichkeit die Geschichtlichkeit dieser Begebenheit zu erweisen versuchen. Zu diesem Zweck wollen wir uns Fragen stellen, Fragen, die wir beantworten.

Wann geschah der Besuch der Weisen? Das Evangelium gibt die Antwort: in der Zeit des Königs Herodes. Herodes regierte von 37 bis 4 v. Chr. Von 37 bis 4 v. Chr. Dass Christus, unser Heiland, geboren ist, bevor die Zeitrechnung, nach der wir uns richten, einsetzt, das hängt mit einem Fehler zusammen, mit einem Rechenfehler. Die Berechnung der Geburt Jesu ist falsch erfolgt, und seitdem haben wir einen in dieser Hinsicht irrigen Kalender. Jesus wurde geboren in der Zeit, als König Herodes regierte, von 37 bis 4 v. Chr. Er hieß Herodes der Große, und wir werden gleich sehen, warum. Wann geschah der Besuch der Weisen? Er ist noch genauer einzugrenzen. Wie alt war denn der Knabe, als die Weisen zu ihm kamen? Diese Berechnung können wir nur vornehmen, wenn wir uns an den Kindermord in Bethlehem halten. Denn Herodes ließ alle Kinder von 2 Jahren abwärts töten, von 2 Jahren abwärts. Er nahm an, dass bei den Kindern, die er umbringen ließ, auch der Nebenbuhler, der Rivale dabei war. Jesus mußte also entweder einige Monate oder anderthalb Jahre alt sein, als die Weisen zu ihm kamen. Herodes setzte voraus, dass das Erscheinen des Sterns mit der Geburt des Kinder zusammenfiel, und das erfuhr er nun von den Weisen, dass darüber etwa anderthalb Jahre oder einige Monate vergangen waren. Um sicher zu gehen, dass er den Rivalen töten konnte, hat Herodes die Zahl wahrscheinlich etwas höher angesetzt: 2 Jahre und darunter.

Wo befand sich bei dem Besuch der Weisen das Kind? Die Weisen, so steht im Evangelium, kamen nicht zur Krippe, sondern in ein Haus. Jesus war umgezogen. Die Krippe war ja nur eine Notunterkunft, und jetzt befindet er sich, wie zweimal gesagt wird, in einem Hause. Die heilige Familie hat also ein ordentliches Quartier erhalten, vielleicht bei Verwandten des Joseph, der ja seine Verwandtschaft dort hatte. Wir stellen die Figuren der heiligen Könige an die Krippe. Warum? Weil sie zur Krippe gehören wie die Hirten. Sie sind zwar nicht zur Krippe gekommen, aber sie gehören zur Krippe. Während nämlich die Hirten das Volk Israel repräsentieren, sind die Weisen die Vertreter der Heidenwelt. Und Juden wir Heiden gehören als das Gefolge zu unserem Heiland Jesus Christus. „Kommt, laßt uns nach Bethlehem gehen und sehen, was da geschehen ist“, sagen die Hirten. „Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten“, sagen die Weisen.

Das Kind ist aber immer noch in Bethlehem. Bethlehem ist ein besonderer Ort. Es ist der Geburtsort und der Heimatort des Königs David, und Jesus ist ja ein Abkömmling Davids durch seinen Pflegevater Joseph. Deswegen ist es geziemend gewesen, dass er in Bethlehem geboren wurde. Es handelt sich um das Bethlehem im Stamme Juda. Es gibt nämlich in Palästina zwei Bethlehem. Es gibt noch ein anderes im Stamme Zabulon. Nein, es wird ausdrücklich gesagt: „Bethlehem im Stamme Juda.“ Dort, woher David stammt, da soll auch der Davidssohn, der Messias, geboren werden.

Wer ist der König Herodes? Herodes war kein Jude und herrschte trotzdem über das Judenvolk. Er war Edomiter. Die Edomiter waren ein Volk, das mit den Juden zwar verwandt war, aber das in grimmiger Feindschaft zu den Juden lebte. Die Edomiter hatten sich im Jahre 587 an der Zerstörung Jerusalems beteiligt. Seitdem herrschte eine unauslöschliche Feindschaft zwischen Juden und Edomitern. Und daher kam Herodes. Wieso? Weil die Römer ihn einsetzten. Die Römer haben ihn zum König gemacht; sie haben ihm die Herrschaft übertragen. Er war ihnen hörig. Er war ein begabter Mann, ein hochbegabter. Er war ein tüchtiger Regent. Er hat seinem Volke 30 Jahre Frieden geschenkt. Die Wirtschaft blühte auf unter ihm. Er hat einen Tempel bauen lassen, einen wunderbaren Tempel. Und trotzdem war er ein Bösewicht. Flavius Josephus, dieser jüdische Geschichtsschreiber, berichtet von ihm: Er war ein Mann, der ohne Unterschied mit gleicher Grausamkeit gegen alle wütete, im Zorn kein Maß kannte und sich über Recht und Gerechtigkeit erhaben dünkte. Herodes war ein Wüstling. Er hatte zehn Frauen, und von diesen zehn Frauen  zehn Söhne und fünf Töchter. Einige von ihnen ließ er umbringen. Dieser Herodes ist nicht zu verwechseln mit dem Herodes, den Jesus als Mann erlebte, dem er gegenübergestellt wurde von Pilatus. Dieser zweite Herodes ist Herodes Antipas, ein Sohn des ersten Herodes. Also am Beginn des Lebens Jesu steht ein Herodes, Herodes der Große, am Ende steht ein Herodes, Herodes Antipas.

Aber die wichtigste Frage, die uns interessiert: Wer sind denn die Ankömmlinge? Sie kommen aus dem Osten, aus dem Morgenlande. Das ist natürlich ein ziemlich unbestimmter Begriff. Die meisten Annahmen gehen dahin, dass sie aus dem Gebiet kommen, das wir heute als Irak oder Iran bezeichnen. Sie stammen aus einer Gegend, die weit abgelegen war von Jerusalem, und sie waren gebildete Männer – magoi heißen sie im griechischen Text. Magoi waren Gelehrte, die sich mit Astronomie und Astrologie befaßten. Sie besaßen Kenntnisse über die Sternenbewegungen, waren Mathematiker und konnten Sonnenfinsternisse und Mondfinsternisse im voraus berechnen. Sie waren also in der Sternenkunde bewanderte Männer. Wie kommen sie dazu, ins Judenland zu ziehen? Weil die Juden eine sehr umfangreiche und erfolgreiche Propaganda betrieben. Die Juden hatten ja ihre Diaspora in Babylonien, in Persien. Und von dieser Diaspora aus, von dieser Zerstreuung aus, suchten sie Anhänger für ihre Religion zu gewinnen, mit Erfolg. Vor allem verbreitete sich ihre Messiaserwartung, ihre Hoffnung auf einen Retterkönig. Und die Menschen aus den fernen Gegenden nahmen diese Erwartung an. Und so müssen wir auch vermuten, dass die Weisen aus dem Morgenlande von dieser Erwartung gehört hatten und dass sie sie teilten. Das wurde ihnen jetzt zur Gewißheit, als sie einen Stern am Firmament erblickten, der neu war, einen Stern, der ihnen sagte: Der erwartete König der Juden ist erschienen.

Der Sternenglaube war im alten Orient weit verbreitet. Die Menschen waren überzeugt, dass die Geschicke der Menschen durch die Sterne gelenkt werden. Solche Leute gibt es heute noch, die überzeugt sind, dass die Sterne Einfluss auf das Leben der Menschen ausüben. Wir teilen diesen Sternenglauben nicht, denn nicht die Sterne lenken das Schicksal, sondern der Schöpfer der Sterne lenkt das Schicksal. Aber wie es auch sein mag, diese Weisen aus dem Morgenlande stellten einen Zusammenhang her zwischen den Bewegungen der Sterne und dem Schicksal der Menschen.

Was war das für ein Stern? Die Astronomen, also die seriösen Sternenforscher, haben sich bemüht, eine Antwort darauf zu finden. Schon zur Zeit des Origenes, also im 3. Jahrhundert, nahm man an, es sei ein Komet gewesen, ein Komet, also ein Schweifstern, der am Horizont aufgegangen sei. Seit Kepler, dem großen Astronomen, wird angenommen, dass es die Konjunktion, also das Zusammentreffen der beiden Planeten Saturn und Jupiter war, die Konjunktion von Saturn und Jupiter. Das ist aber nicht die Meinung Keplers gewesen. Kepler war vielmehr überzeugt davon, dass es ein Wunderstern war, dass die Konjunktion nur auf den Wunderstern hingewiesen hat. Wir wissen es nicht. Wir wissen nicht, was für ein Stern es war. Der Stern ist ihnen jedenfalls zweimal erschienen, das erste mal in der Heimat, das zweite mal in Jerusalem. Er ist ihnen also nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, die ganze Zeit vorangezogen, nein, das war nicht nötig, denn sie wußten: Den Judenkönig, den muss man in Jerusalem suchen, in der Hauptstadt der Juden. Da brauchten sie nicht geführt zu werden. Dann aber, als sie in Jerusalem waren, da zeigte sich noch einmal der Stern, und er zog von Norden nach Süden im Unterschied zu der sonstigen Sternenbewegung, die von Osten nach Westen geht. Er zog von Norden nach Süden. Warum? Weil Bethlehem südlich von Jerusalem liegt, acht Kilometer südlich von Jerusalem.

Was bewirkte die Ankunft der Weisen? Die Weisen erkundigten sich in Jerusalem: Wo ist denn der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen. Sie fragen also die Leute auf der Straße. Und das Gerücht von ihrer Ankunft kam natürlich auch in den Königspalast. Herodes hatte einen guten Nachrichtendienst, und der meldete ihm, dass nach der Meinung der Neuankömmlinge ein König der Juden geboren worden sei. Da geriet er in Schrecken. Er dachte natürlich sofort: Das ist ein Nebenbuhler. Er will ihn vom Throne stoßen. Und nicht nur er geriet in Schrecken, auch ganz Jerusalem. Aber warum? Die Bewohner von Jerusalem wußten, wenn Herodes erschrickt, dann stehen schlimme Dinge bevor. Sie fürchteten seine Gewalttaten. Bei seinem eigenen Volke bewirkte die Ankunft des Messias Schrecken. Jesus ist, das sieht man an dieser Erzählung, der von Anfang an von seinem Volke abgelehnte Messias. Die Weisen kommen aus einem fremden Land und suchen den Messias, die Juden im eigenen Land erkennen ihn nicht. Die Weisen finden das Kind, die Juden verleugnen es. Die Weisen kommen als Fremdlinge und huldigen einem Kinde, die Juden heften den Bürger, der Wunder auf Wunder gewirkt hat, ans Kreuz. Die Weisen beten in den kleinen Glieder Gott an, die Juden schonen den Mann nicht, der große Taten vollbracht hatte. Das alles kündigt sich jetzt schon an.

Wie geht Herodes vor? Schlau. Er war listig; er war ein kluger Mann. Zunächst will er den Geburtsort des Messias in Erfahrung bringen. Zu diesem Zweck beruft er die Schriftgelehrten, die die Bibel kennen, und die geben ihm Auskunft. Wo wird der Messias geboren? In Bethlehem. So steht es beim Propheten Michäas: „Du, Bethlehem, bist die kleinste unter den Fürstenstädten Judas. Aber aus dir wird hervorgehen, der sein Volk Israel regieren soll.“ Jetzt weiß er, wo der Messias geboren wird: in Bethlehem. Der Geburtsort steht fest. Aber jetzt muss er auch noch den Zeitpunkt der Geburt erfahren, und er erkundigte sich, so steht es im Evangelium, „genau“, wann der Stern erschienen war, weil er sich sagt: Das Erscheinen das Sternes und die Geburt des Messias fallen zusammen. Und da kam er eben auf diese Berechnung von etwa zwei Jahren. Alles, was darunter war, das mußte in die Zeit fallen, in der der Messias geboren wurde. Er sagt den Weisen, wo die Geburtsstätte ist, er schickt sie aus als Kundschafter. Sie sollen sich genau erkundigen, wo in Bethlehem, das ein ziemlich großes Dorf war, der Messias zu finden ist. Und sie werden noch bestätigt durch den Stern. Jetzt erscheint der Stern zum zweitenmal. Er zieht vor ihnen her und weist sie auf das Haus hin, in dem das Kind mit seiner Mutter weilte. Weil sie der Führung Gottes im Stern gehorsam waren, finden sie, was sie suchen. Sie betreten das Haus, sie finden das Kind mit seiner Mutter. Sie sind am Ziel. Und sie verhalten sich, wie man sich einem großen König gegenüber verhalten muss. Sie leisten die Proskynese, d.h. sie fallen nieder. Sie lassen es nicht beim Staunen bewenden, sondern sie fassen Glauben. Sie sind überzeugt, dass die Ankündigung, die der Stern gemacht hat, in Erfüllung gegangen ist. Das Kind ist der verheißene Messias, ist der Retterkönig. Und einen König ehrt man durch Proskynese, durch kniefällige Anerkennung.

Die Weisen sind nicht mit leeren Händen gekommen. Sie wissen, was sich bei einem Besuch gebührt. Sie kommen mit Geschenken; nicht billigen Geschenken, sondern mit kostbaren Gaben. Man darf nur das verschenken, was man am liebsten selbst behalten wollte, und das hatten die Weisen begriffen.

Nachdem sie das Kind und seine Mutter gefunden haben, brechen sie wieder auf und kehren in ihre Heimat zurück. Sie weigern sich, zu Herodes zurückzukehren. Sie weigern sich, ihm Meldung zu machen, wo sie das Kind gefunden haben. Warum? Vermutlich waren sie inzwischen unterrichtet worden, was für ein grausamer Kerl der Herodes ist. Sie waren über seine Schreckensherrschaft aufgeklärt worden, und sie lehnten es ab, sich zu Komplizen seiner bösen Absicht zu machen. Deswegen nehmen sie nicht den Weg über Jerusalem, sondern schlagen eine andere Route ein.

Wir wissen nicht mehr von ihnen. Aber wir dürfen vermuten, dass sie über ihre Erlebnisse nicht geschwiegen haben, über den Wunderstern, der ihnen erschienen ist, der sie auf die Geburt des Retterkönigs aufmerksam gemacht hat, über die Führung des Sternes, der sie zu dem Haus geführt hat, wo das Kind war, über das Kind, das sie mit seiner Mutter gesehen hatten. Wir dürfen vermuten, dass sie die ersten Sendboten des Messias im Orient waren. Spuren haben sie nicht hinterlassen. In Köln werden ihre Reliquien verehrt. Diese Reliquien hat Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln, im Jahre 1164 aus Mailand nach Köln überführen lassen. Nach Mailand waren sie im 5. Jahrhundert aus Konstantinopel gekommen. Ihr Echtheit, und das muss ich jetzt als Geschichtskundiger sagen, ihre Echtheit ist nicht gesichert.

Was uns hier im Evangelium berichtet wird, ist keine fromme Legende, sondern Geschichte, aber Geschichte, in der Gott eingegriffen hat: Erscheinung des Herrn, Epiphanie, Sichtbarwerden der Herrlichkeit Gottes. Die Geburt des Messias wurde den Hirten durch Engel verkündet, den Weisen wurde sie durch einen Stern geoffenbart. Die Führung Gottes versteht es, sich den Gegebenheiten der Menschen anzupassen. Die Hirten repräsentieren das Volk Israel, die Weisen sind die Vertreter der Heiden. Juden wir Heiden werden zu dem Messiaskönig geführt. Christ, der Retter, ist da! Jetzt gilt es, an ihn zu glauben, vor ihm niederzufallen, ihn  anzubeten, ihm das Leben als wohlgefällige Opfergabe darzubringen. Schließen wir uns, meine lieben Freunde, diesen frommen Männern an! Weihen wir ihn unser Leben! Größeres, Erhabeneres können wir nicht tun.

Amen.

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