Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. November 2009

Allerheiligen – Erntetag der Kirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Verehrung der Heiligen Versammelte!

Der heutige Tag ist ein Erntetag. Die Kirche fährt ihre Ernte ein, die Ernte derer, die es geschafft haben, die das Ziel erreicht haben, die vollendet sind. Die Kirche, die so viel Leid trägt um ihre Kinder, um ihre irrenden und ihre treulosen Kinder, die Kirche freut sich heute der Kinder, die den Weg ins Vaterhaus gefunden haben, die die Stätte in Besitz genommen haben, die der Herr ihnen bereitet hat. Jahrhundert um Jahrhundert, zweitausend Jahr lang hat sie Menschen aus dieser Erde in die himmlische Herrlichkeit geführt. Ihr Religionsfeinde, ihr Kirchenfeinde, ihr seht immer nur die Flecken auf dem Antlitz der Kirche, ihr seht nicht ihren Glanz! Was wißt ihr von ihrer mühevollen Erziehungsarbeit, von dem Trost, den sie den Mühseligen und Beladenen gespendet, von der Weisung und von dem Rat, den sie den Menschen gegeben hat? Was wißt ihr davon? Zweitausend Jahr ist ein Strom von Segen von ihr ausgegangen und hat die Menschen heimgeleitet, heim ins Vaterhaus.

Wir ehren heute die Heiligen, am Tage, da wir die Königin, die die Kirche ist, feiern. Sie hält Heerschau über ihre Getreuen. Aus allen Ständen und Berufen sind sie gekommen, Kaiser und Könige – Heinrich, Ludwig, Fürstinnen – Elisabeth und Hedwig. Aber auch einfache Menschen, Soldaten wir Georg und Sebastian, wie der Schuhmacher Crispin und wie die Dienstmagd Notburga und die heilige Christina, Bauern und Hirten wie Wendelin. Aus allen Ständen sind sie, aus jeder Höhe und Tiefe des irdischen Lebens sind Heilige emporgewachsen ins Reich der Vollendung. Da sind die Männer und Frauen, die mit ihrem Blut für Christus Zeugnis abgelegt haben, die heiligen Martyrer. Sie verachteten den Tod, weil sie der Auferstandene berührt hatte. Es siegte in ihnen, der in ihnen lebte. Da sind die Bekenner, deren Leben, Leiden und Lieben für Christus gezeugt hat. Sie haben bewiesen wie mächtig die Gnade Gottes ist, denn es gibt keine Tugend, die nicht von Gott gestiftet wäre. Zwei Gottesbeweise werden immer die besten bleiben: wenn die Christen nach ihrem Glauben leben, und wenn sie für ihren Glauben sterben. Da sind heilige Frauen, denn das Heerlager Christi ist nicht in Geschlechter geschieden. Es gibt nur eine einzige Armee, und wenn Gott sich einem Volke gnädig erweisen will, dann schenkt er ihm heilige Frauen. In den deutschen Domen, da stehen sie: Uta in Naumburg, Kaiserin Kunigunde, Elisabeth von Thüringen. Und da ist die Schar der Jungfrauen. Die Jungfräulichkeit ist das süße und gewaltige Lied, das den Himmel und die Erde erfreut. Die heiligen Jungfrauen dürfen mit Jeanne d’ Arc, der Jungfrau von Orleans, sprechen: „Nicht ohne meine Fahne darf ich kommen. Von meinem Meister ward sie mir anvertraut; vor seinem Throne muss ich sie niederlegen. Ich darf sie zeigen, denn ich trug sie treu.“ Unter den Heiligen sind manche, die uns besonders nahestehen: unsere Namenspatrone, die Patrone unserer Heimat, unserer Kirche, unseres Ortes. Auch die Heiligen, die uns den Glauben gebracht haben: Bonifatius, Canisius. Und was soll ich sagen von den 14 Nothelfern, die wir jeden Tag anrufen sollten, von Georg angefangen über Blasius bis hin zu Katharina, Barbara. Die Heiligen sind die Helden im Reiche Gottes. Die Heiligengeschichte ist das Heldenlied der Kirche.

Dieses Lied singen wir nicht nur von den Heiligen, deren Vollendung wir mit Gewißheit kennen. Nein, auch die Ungezählten, die das ewige Ziel erreicht haben, sind davon erfaßt. Auch die Kirche hat ihre unbekannten Soldaten. Und gerade diesen gilt das Fest. Heldenverehrung entspricht einem tiefen Bedürfnis des menschlichen Herzens, und die Heiligenverehrung ist die Brücke, die von den Kämpfern zu den Siegern führt.

Andersgläubige machen uns den Vorwurf, wir Katholiken betrieben mit dem Heiligenkult eine Art Götzendienst, wir schmälerten die Ehre Gottes, indem wir so viele Heilige verehren. Ein solcher Vorwurf kann nur von dem erhoben werden, der nicht weiß, was Heiligenverehrung ist. Heiligenverehrung im Sinne der Kirche bedeutet keine Schmälerung der Ehre Gottes, sondern die Mehrung seiner Ehre. Wir verehren die Heiligen, weil Gott herrlich ist in seinen Heiligen. Die Heiligen sind das, was sie geworden sind, durch Gottes Macht und Gnade geworden. Die Heiligen sind Herolde der erbarmenden Gnade und Vaterliebe Gottes. Die Heiligen verehren heißt die Güte des Vaters preisen, das Erlösungswerk Christi loben, das Gnadenwirken des Heiligen Geistes in den Seelen verherrlichen. Heiligenverehrung ist ihrem tiefsten Wesen nach Gottesverehrung.

Wir verehren die Heiligen als unsere Fürsprecher. Wir rufen sie an. Schon in den Katakomben finden wir die Anrufung der Heiligen. Sie bitten für uns bei Gott, unserem Herrn. Diese Anrufung ist möglich, weil alle in der Gnade Gottes Stehenden durch diese Gnade zu einer Gemeinschaft verbunden sind. Der eine kann für den anderen eintreten. Diese Verbundenheit im Gnadenleben gestattet uns, nein, ruft uns auf, füreinander einzustehen, füreinander zu beten. Wir sind und bleiben eins in Christus. Darum ist unser Gebet für die Verstorbenen wirksam, und darum wird auch das Gebet der Heiligen für uns wirksam sein, sie, die viel besser beten können als wir. Das ist eine übernatürliche Gebets- und Gnadengemeinschaft, eine übernatürliche Lebens- und Hilfsgemeinschaft. Das Allerheiligenfest ist das eigentliche Gemeinschaftsfest der Kirche. Und der Allerseelentag gehört dazu, denn die Abgeschiedenen sind mit uns in dieser Gemeinschaft vereint.

Freilich, noch wichtiger als die Fürbitte der Heiligen, als die Anrufung der Heiligen ist die Nachahmung der Heiligen. Sie sind uns Vorbilder und Vorkämpfer. Das Wesen der Heiligkeit besteht ja nicht in außergewöhnlichen Zuständen, Erscheinungen und Handlungen. Die Heiligen waren keine anderen Menschen als wir. Durch das Zusammenwirken von Gnade und eigenem Bemühen sind sie heilig geworden. Es gibt keine Tugend, die nicht durch harten Kampf erworben würde, und es gibt erst recht keine Vollendung in der Heiligkeit ohne Mühe und Kampf. Die Heiligen mußten genauso gegen den  Satan kämpfen, die Begierlichkeit überwinden und die Sinnlichkeit niederzwingen wie wir. Den Heiligen hat es noch nicht gegeben, dem Schmerz nicht weh- und Lust nicht wohlgetan hätte.

Vor wenigen Wochen hat der Heilige Vater den Belgier Damian de Veuster heiliggesprochen. Damian de Veuster war ein Dickkopf. Er hatte einen schwierigen Charakter. Er war kantig, schlampig und nachlässig, ungehobelt. Das alles hat sein eigener Bischof bei der Feier zur Heiligsprechung uns gesagt. Aber er war auch heilig. Warum? Weil seine Fehler im Feuer der Liebe verzehrt wurden. Die Liebe läuterte und reinigte alles in ihm.

Die Nachfolgung der Heiligen besteht nicht in der Nachahmung des äußeren Lebens. Das ist ausgeschlossen. Die Umstände des Lebens und die Zeitverhältnisse waren ganz andere. Wenn man heute so leben wollte wir der heilige Franz von Assisi, dann würde man wegen Landstreicherei eingesperrt oder ins Irrenhaus gebracht werden. Nein, die Überspanntheiten, die wir bei Heiligen beobachten können, haben einen doppelten Grund: Sie wollten einmal ihre Sinnlichkeit besiegen, und sie wollten zum anderen ihren Zeitgenossen das Beispiel des Triumphes der Seele über den Leib vorzeigen, die Sinnlichkeit besiegen und die Seele über den Leib triumphieren lassen, den Vorrang der Seele vor dem Leibe lehren. Deswegen haben sie die Körperpflege vernachlässigt und ihre Gesundheit geschädigt, in der besten Absicht, aus Gottesliebe. Aber das ist nicht das, was wir nachahmen sollen. Was wir nachahmen sollen, ist ihre hingebende Gottesliebe, ihren heldenmütigen Willen, nach bestem Wissen und Können Gott zu dienen. Die Liebe war die Kraft, in der sie sich selbst besiegt haben, alles Gottwidrige überwunden haben. Wie sie in dieser Kraft gearbeitet, gekämpft und gelitten haben, das sollen wir nachahmen. Denn das ist das Geheimnis ihrer Heiligkeit: Mitten in der Welt waren sie nicht von der Welt. Die übernatürliche Lebensauffassung war es, die all ihrem Arbeiten, Kämpfen und Leiden einen Ewigkeitswert gegeben hat.

Manche Gegner des Christentums machen uns den Vorwurf, dass wir mit unserer übernatürlichen Lebensauffassung das Leben verneinen, dass die Kirche, die Religion, das Christentum lebensfremd, ja lebensfeindlich seien, weil wir eben immer wieder auf das Jenseits und auf den Tod hingewiesen werden. Diese Menschen folgen dem atheistischen Philosophen Feuerbach, der den schönen Spruch geschrieben hat: „Sind wir für den Himmel geboren, dann wind wir für die Erde verloren.“ Meine lieben Freunde, das ist ein großer Irrtum; denn gerade das Leben der Heiligen beweist, dass es darauf ankommt, das ewige Glück im Jenseits durch die diesseitige Lebenserfüllung zu erwerben. Dieses Glück können wir nur dadurch erreichen, dass wir es auf Erden verdienen, dass wir unsere Diesseitsaufgaben, die uns nach dem Willen Gottes zugewiesen sind, in heiliger Treue, Hingabe und Opferbereitschaft erfüllen. Gewiß glauben wir, dass ein guter Tod für uns von ausschlaggebender Bedeutung ist. Aber wir wissen auch, dass ein guter Tod nur die Frucht eines guten Lebens ist. In Gott hinein sterben ist genauso leicht oder so schwer wie in Gott hinein zu leben. Wer in Gott hinein lebt, wird auch die Kraft finden, in Gott hinein zu sterben.

Deswegen fassen wir unser Leben so auf, wie es die Heiligen aufgefaßt haben, nämlich: Machen wir unser Leben zu einem einzigen großen Gottesdienst! Erkennen wir in der Pflicht, die uns auferlegt ist, den Willen Gottes, und suchen wir durch Treue im Kleinen alles auf Gott zu beziehen! Folgen wir ihrer Lebensweisheit, ihrem Glücksrezept! Und was war dieses Glücksrezept? Es ist uns soeben im Evangelium des heutigen Tages vorgetragen worden. Sie waren arm im Geiste, und deswegen besitzen sie jetzt das Reich Gottes. Sie waren friedfertig, und deswegen fanden sie heim zum ewigen Frieden. Sie waren barmherzig, und deswegen haben sie Barmherzigkeit erlangt. Sie waren reinen Herzens, und deswegen dürfen sie jetzt Gott schauen. Sie haben gelitten und gekämpft, geduldet und getragen, und deswegen haben sie den verheißenen Lohn gefunden. Sie rufen uns zu: Diesen Weg müßt auch ihr gehen. Ist es auch kein leichter Weg, fordert er auch Entsagung und Überwindung, es ist der einzige Weg, der sicher, todsicher zur letzten Erfüllung des Menschenlebens führt. „Freut euch und frohlocket, denn euer Lohn ist groß im Himmel.“

Amen.

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