Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. März 2006

Die rechte Frömmigkeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir haben die Wunder Gottes in seiner Schöpfung und in seiner Erlösung uns vor Augen geführt. Es bleibt uns übrig, das christliche Leben aus diesen Geheimnissen und diesen Kräften uns ebenfalls vor Augen zu stellen. Wir wissen jetzt, wer Gott ist und was er von uns fordert. Man nennt diese Haltung, die Gott den Willen tun will, Frömmigkeit. Frömmigkeit ist die Gesamthaltung gegenüber Gott. In einem engeren Sinne umfasst sie nur die unmittelbar auf Gott gerichteten Akte, aber in einem weiteren Sinne schließt sie drei Einstellungen und Haltungen ein, nämlich die rechte Haltung gegenüber Gott, die rechte Haltung gegenüber den Menschen und der Umwelt und die rechte Haltung gegenüber sich selbst.

Aus diesem Zusammenhang können wir erkennen, meine lieben Freunde, wie wichtig, nein, wie entscheidend es ist, dass man das rechte Bild, die rechte Vorstellung von Gott hat. Es genügt eben nicht, irgendein Gottesbild oder irgendeine Ansicht zu haben, wie mir einmal eine persische Ärztin sagte: Hauptsache, dass man irgendwie an Gott glaubt. Nein, das reicht nicht. Wir müssen das rechte Gottesbild haben; wir müssen die rechte Gottesvorstellung besitzen, und deswegen hat uns ja Gott sein Bild, sein Wesen geoffenbart.

Das rechte Gottesbild lässt sich in drei Aussagen zusammenfassen, nämlich erstens: Gott, unser Schöpfer und wir seine Geschöpfe. Gott hat alles aus nichts hervorgebracht und bringt immer noch alles hervor, erhält auch alles im Leben, wenn auch durch Zwischenursachen, die aber ebenfalls von ihm abhängen. Wir sind total von Gott abhängig. Und so besteht ein unendlicher Abstand zwischen Gott und seinen Geschöpfen, ein unendlicher Abstand! Dieser Abstand ist die Wurzel unseres Verhältnisses gegenüber Gott. Wir sind in jeder Beziehung von Gott abhängig, und deswegen gilt das Wort: „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine fremden Götter neben mir haben!“

Die zweite Aussage, die sich auf Gott bezieht, besteht in den Sätzen: Gott ist unser Gläubiger, wir sind seine Schuldner. Mit der Erbsünde behaftet, durch persönliche Sünden gezeichnet, stehen wir vor Gott. Er ist unser Gläubiger, denn wir haben Schuld auf uns geladen. Und so kommt zu dem unendlichen Abstand, den wir vom Schöpfer haben, hinzu der neue Abstand als Sünder. Der allheilige Gott, dem die Engel ihr Sanctus singen, ist von uns, die wir in der Erbsünde geboren sind und persönlich gesündigt haben, unendlich verschieden.

Die dritte Aussage aber ist tröstlicher Art, nämlich Gott ist unser Vater, und wir sind seine Kinder. Gott hat gewissermaßen über den Abgrund, der zwischen ihm und uns besteht, eine Brücke  geschlagen, und das ist seine erlösende und begnadigende Liebe. Er hat uns aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen. Er hat uns zu Hausgenossen, ja zu seinen Kindern gemacht. Aus diesen Wirklichkeiten müssen wir leben. Aus dieser dreifachen Wirklichkeit müssen wir unser Handeln bestimmen, und wir müssen Gott ob dieser Offenbarung Antwort geben, und diese Antwort ist eine dreifache. Wir müssen ihm nämlich Gottesfurcht, Gottesliebe und Gottesdienst beweisen.

Der Anfang ist die Gottesfurcht. Ja, wir sollen Gott fürchten, nämlich wir sollen fürchten, daß wir ihn beleidigen, dass wir ihn kränken, dass wir ihn betrüben, wenn man so menschlich von Gott sprechen kann. Das deutsche Wort ist dafür sehr gut geeignet, nämlich Ehrfurcht. Es soll eine Furcht der Ehrfurcht sein. Wir sollen Gott also ehren und fürchten. So wie ein Diener seinen Herrn ehrt und fürchtet, wie ein Kind seinen Vater ehrt und fürchtet, so sollen wir Gott ehren und fürchten. In dieser Gottesfurcht sind drei weitere Haltungen verborgen, zunächst einmal die Demut. Wir wissen ja, dass wir aus uns viele Schwächen und Fehler haben, dass wir unsere Grenzen und Begrenzungen haben, dass wir auch selbstverständlich Anlagen und gute Werke besitzen. Aber dafür gilt das Wort: „Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin.“ „Was hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ Also in der heiligen Furcht muss Demut sein. Es muss natürlich auch Anbetung sein; denn wir stehen ja vor dem allheiligen Gott, vor seiner Größe und Autorität, und ihr geziemt Anbetung. Das heißt, wir müssen den Verstand beugen vor seiner Offenbarung. Wir müssen das Herz in verehrender Anbetung vor Gott beugen, und wir müssen in Ergebung den eigenen Willen vor Gottes Allmacht beugen. Und schließlich gehört zur Ehrfurcht auch die Sühne. Wir erkennen ja in aller Ehrlichkeit unsere Schuld und empfinden die Größe Gottes, die wir beleidigt haben, schmerzlich. Wir müssen deswegen bereit sein zur Sühne in Gesinnung und Tat. Das also ist die erste Haltung, die wir Gott gegenüber beweisen müssen, die Furcht, die heilige Gottesfurcht. „Sie ist der Anfang der Weisheit“, so sagt die Heilige Schrift.

Die zweite Haltung ist die Gottesliebe. Gott will, dass wir ihn lieben. Und wir haben Anlaß dazu, denn wir müssen ihm dankbar sein. Wir müssen ihm danken für alle Gaben und Wohltaten. Wir müssen ihm danken für seine Vorsehung, die unser Leben geleitet hat. Wir müssen ihm danken für die Gnadenführung, die uns bewahrt oder errettet hat. Zur Dankbarkeit muss die Hoffnung kommen, denn die Liebe weiß ja, dass sie sich auf Gott verlassen kann. Sie hat Vertrauen auf seine Güte und hofft auf seine Gaben auch in der Zukunft. Und schließlich gehört zur Gottesliebe auch die Hingabe, also die Übergabe des eigenen Willens, des eigenen Herzens und des ganzen Lebens an Gott, Hingabe unseres Lebens in Opfer und Tat. Das ist also die zweite Haltung, die wir Gott gegenüber beweisen müssen, die Gottesliebe.

Und schließlich die dritte, der Gottesdienst. Der Gottesdienst. Unser ganzes Leben ist aufgerufen, Gott zu dienen. Dazu sind wir auf diese Erde gekommen, ihm zu dienen. Dieser Dienst ist zunächst ein Dienst an Gott selber. Der Gottesdienst im eigentlichen und strengen Sinne ist die erste Aufgabe, die wir gegenüber Gott haben. Wir verrichten den Gottesdienst im Gebet und im Opfer. Der Mensch muss anbeten, wenn er nicht seine Geschöpflichkeit verleugnen will. Der Mensch muss sich versammeln, um in gemeinsamer Verehrung Gott anzubeten. Und so ist eben ein Tag in der Woche herausgehoben als Tag der Anbetung, als Tag des unmittelbaren Gottesdienstes. Lassen Sie sich, meine lieben Freunde, nicht irremachen durch die Menschen, die sagen: Man kann auch ein guter Mensch sein, wenn man nicht in die Kirche geht. Gewiß: Nicht alle, die oft in die Kirche gehen, sind heilig, aber noch weniger sind es diejenigen, die überhaupt nicht hineingehen.

Zu dem unmittelbaren Gottesdienst muss dann der mittelbare Gottesdienst kommen, nämlich der Dienst an den Menschen. Gott will, dass wir uns seiner Geschöpfe annehmen. Er will, dass wir unsere Pflichten gegenüber den Mitmenschen erfüllen im Dienst und in brüderlicher Liebe. Es gibt keinen sichereren Aufstieg zu Gott und zur Gottesliebe als die Liebe zu den Mitmenschen. Auch im Geringsten unserer Mitmenschen achten oder verachten wir Christus. Mancher Mensch, meine lieben Freunde, hat durch das, was er an Menschen erleben musste, den Glauben an Gott verloren. Aber mancher hat auch durch das, was er an Menschen erleben durfte, den Glauben an Gott wiedergefunden. Und so sollten wir unser Leben einrichten, dass die Menschen durch uns und durch unser Tun nicht an Gott irrewerden, sondern dass sie durch uns den Weg zu Gott finden.

Die dritte Funktion des Gottesdienstes ist der Dienst an der persönlichen Lebensaufgabe. Jeder von uns hat nach Gottes Plan und Gottes Willen eine solche Lebensaufgabe. Er soll seine Persönlichkeit entfalten; er soll seine Anlagen entwickeln; er soll seine Berufsaufgabe erfüllen. Alle Frömmigkeit, die sich nicht mit dem rechtmäßigen Beruf  eines Menschen vereinbaren lässt, ist falsch. Diejenigen, die gottwärts gerichtet sind, müssen auch zeitwärts gerichtet sein. In der vergangenen Woche, meine lieben Freunde, wurde in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Dame vorgestellt, von der ich annehmen möchte, dass sie das, was ich hier sagte, in ihrem Leben erfüllt. Es handelt sich um die englische Erziehungsministerin Ruth Kelly. Sie hat gute Schulen besucht, ein Studium absolviert, war dann Journalistin beim „Guardian“, dieser großen Zeitung in England, und weiter bei der Bank von England tätig. In dieser Zeit besuchte sie jeden Tag vor ihrer Arbeit die heilige Messe. Im Jahre 1997 wurde sie mit 27 Jahren ins Parlament gewählt, in der Labour-Party, und im Jahre 2004 machte sie Tony Blair zur Erziehungsministerin. Ruth Kelly hat dieses Amt, dieses schwere Amt, weil nämlich der Ministerpräsident eine neue Regelung des Schulwesens durchsetzen will, sie hat dieses Amt mit großem Eifer und mit wirklicher Kompetenz ausgefüllt und in dieser selben Zeit 4 Kinder geboren. Sie hat erklärt, ich zitiere jetzt wörtlich: „Kabinett oder nicht, sie werde abends keine Akten mit nach Hausse nehmen, damit die Familie etwas von ihr habe, und sie werde die Kinder auch immer noch selbst zu Bett bringen.“ Also diese Frau, die zwei Vollzeitbeschäftigungen auf sich genommen hat, ist außerdem eine liebende Mutter von 4 Kindern; seit 1997 hat sie 4 Kinder geboren. Sie gehört dem Opus Dei an, also jener Laienorganisation, die man ja gern verdächtigt, die in Wirklichkeit aber nichts anderes tut, als die ihr Angehörigen fromm zu machen, und Frau Kelly ist fromm.

Das ist also unsere Aufgabe, Gottesfurcht, Gottesliebe und Gottesdienst in uns zu tragen bzw. zu verrichten. Freilich gibt es hierbei auch Irrwege. Wir alle wissen, dass es den Götzendienst gibt. Wir haben zumindest aus der Vergangenheit gehört, dass Menschen einen Stein oder ein Geschöpf, z. B. die Sonne, oder ein Tier, Krokodile, anbeten, göttlich verehren. Wir können nur lächeln über solche Vorstellungen, aber die Verehrer sind oft mit großer Inbrunst dabei. In Indien gibt es einen Ort, wo heilige Ratten verehrt werden und eifrig gefüttert werden. Das sind Verirrungen. Aber sie zeigen, dass im Menschen unausrottbar das Bedürfnis besteht, zu verehren. In unseren Breiten gibt es subtilere Formen des Götzendienstes. Es gibt viele, die nur sich selber anbeten, die nur für sich besorgt sind um ihr Wohlergehen, um ihren Genuß und so gewissermaßen einen Altar in ihrem Herzen errichten, auf dem das eigene Ich steht. Vor einiger Zeit – ich nenne den Namen nicht, obwohl ich ihn weiß – las ich eine Todesanzeige von einer berühmten Künstlern. Ihr Mann war gestorben. In der Todesanzeige sprach sie von ihrem „angebeteten Mann“. Das kann man eigentlich nicht sagen. Anbeten darf man weder eine Frau noch einen Mann.

Eine weitverbreitete Form des Götzendienstes ist in den letzten Jahrzehnten eingerissen, nämlich die Menschen machen sich kein gegossenes oder geschnitztes Bild mehr, sie machen sich ein gedachtes Bild von Gott. Sie schaffen sich Gott nach ihren eigenen Vorstellungen. Das ist ein Gott, der allem durch die Finger sieht, ein Gott, der nur verzeiht und nur bereitsteht, zu helfen, kein Gott der Gerechtigkeit und kein Gott des Gerichtes. Das ist auch Götzendienst. Und davon gilt das Wort der Heiligen Schrift: „Schafft die Götzen weg aus eurer Mitte!“ Wer immer, meine lieben Freunde, ein Geschöpf so verehrt, wie man nur Gott verehren darf, der treibt Götzendienst. Ich will Ihnen ein Erlebnis erzählen. In meiner Kindheit hat man uns in der Schule das Vaterland gewissermaßen als „Gott“ vorgestellt. Nichts gegen die Vaterlandsliebe. Vaterlandsliebe ist Pflicht, aber Vergottung des Vaterlandes geht zu weit. Wir haben damals in der Schule ein Lied lernen müssen, das ich heute noch auswendig kann. Dieses Lied lautete: „Deutschland, heiliges Wort, du voll Unendlichkeit. Über die Zeiten fort seist du gebenedeit. Heilig sind deine Höhn, heilig dein Wald, und der Kranz deiner stillen Seen bis an das grüne Meer.“ Sie spüren aus diesen Versen, wie man hier versucht hat, eine Art göttlicher Verehrung Deutschlands unter die Kinder zu bringen. Es hat Menschen gegeben, die so gelebt haben und so gestorben sind. Als der Generaloberst Jodl in Nürnberg gehenkt wurde, da war sein letztes Wort: „O du mein Deutschland!“

Andere Irrwege in der Verehrung Gottes sind der Aberglaube in seinen mannigfachen Formen. Aberglaube ist wirksam in der Wahrsagerei. In der Wahrsagerei wird göttliches Wissen bei nichtigen Geschöpfen gesucht: Sterndeuten, Kartenschlagen, Tischrücken, Traumdeuten. Aus diesen Geschehnissen versucht man in die Zukunft zu schauen. Man will also die Zukunft ergründen mit Mitteln, die dafür total ungeeignet sind. Selbstverständlich gibt es Zufallstreffer. Aber die Unzahl der Voraussagen, die sich nicht erfüllt haben, ist unvergleichlich viel größer. Es gibt auch die Zauberei, sie ist nicht ausgestorben. In der Zauberei überträgt man ein Stück der göttlichen Allmacht auf nichtige Dinge. Man überträgt ein Stück der göttlichen Allmacht auf nichtige Dinge. Man schreibt ihnen eine geheime Kraft zu, die sie nicht haben können. Etwa, wenn Menschen auf ein Amulett vertrauen, eine Autopuppe oder ein Zaubermittel, die sie vor Unglück bewahren sollen. Manche kennen Glückstage und Glückskräuter, und während sie Gottes spotten, fürchten sie ein schwarze Katze, und die Zahl „Drei“ jagt ihnen Besorgnis ein. Das ist ein trauriger Irrweg; aber er ist konsequent. Denn wie sagt der Dichter Emanuel Geibel: „Glaube, dem die Tür versagt, steigt als Aberglaub’ ins Fenster. Wenn die Götter ihr verjagt, kommen die Gespenster.“

Schlimmer als all das, was ich hier an Irrwegen vorgestellt habe, ist die religiöse Gleichgültigkeit. Das ist das Laster unserer Tage. Nicht manche, sondern viele Menschen interessieren sich für alles Mögliche, haben für alles Zeit außer für Gott. Er interessiert sie nicht. Gott gegenüber sind sie gleichgültig. Er, der der Herr und der Mittelpunkt von allem ist, der sie in den Händen trägt, ist für sie gewissermaßen eine Null und eine Nebensache. Die religiöse Gleichgültigkeit ist ein schweres Vergehen gegen Gottes Majestät. Und gewöhnlich ist es so, dass der religiös Gleichgültige allmählich zum völligen Abfall von Gott kommt. Erst kommt die Lauheit, dann der Zweifel, dann Widerspruch, dann Haß und Spott. „Das halbe Denken führt zum Teufel, das ganze Denken führt zu Gott, so heißt es bei dem deutschen Dichter Friedrich Wilhelm Weber. Nein, meine lieben Freunde, wir wollen die echte Frömmigkeit üben, wir wollen sie uns aneignen, wir wollen aus dem rechten Bilde Gottes, das uns Christus vermittelt hat, die Folgerungen ziehen, dass wir Gott ehren und fürchten müssen, dass wir ihn lieben und ihm dienen müssen, denn dazu sind wir auf Erden.

Amen.

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