Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
24. Juli 2005

Die Gottheit Jesu

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Es war in der Gegend von Cäsarea Philippi, also im Norden von Palästina, als der Herr seine Jünger fragte: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ Da kamen die verschiedensten Antworten, wie sie eben die Jünger von den Leuten gehört hatten: Die einen halten ihn für Elias, die anderen für Jeremias, wieder andere für einen anderen Propheten. Dann aber sprach der Herr zu seinen Jüngern: „Für wen aber haltet ihr mich?“ Da trat Petrus hervor und antwortete: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Auch für uns, meine Freunde, ist die entscheidende Frage: Für wen halten wir Christus? Wer ist Christus? Ist er ein bloßer Mensch, dann mag seine Verkündigung interessant sein. Wir können uns, was uns gefällt, auswählen; aber sie ist nicht verbindlich. Ist aber Jesus Gott, dann ist seine Verkündigung Wahrheit, gilt für alle Menschen, seine Gebote sind für alle verbindlich, und niemand kann sich der Macht seiner Majestät entziehen. Es kommt alles auf die Frage an: Was haltet ihr von Christus?

 Wir haben am vergangenen Sonntag die Menschheit Jesu bedacht, und sie ist wichtig, denn die Kirchenväter hören nicht auf zu betonen: Wenn er die Menschheit nicht angenommen hätte, wären wir nicht erlöst. Indem er eine Menschennatur sich zueignete, hat er in dieser Natur die Erlösung bewirkt. Freilich nur deswegen, weil diese Natur mit dem Sohne Gottes in hypostatischer Union verbunden war.

Jesus hat sich aber nicht nur als Mensch bekannt, sondern auch als Gott. Er hat in seinen Worten und in seinen Werken ein Bekenntnis zu seiner Gottheit abgelegt. Er hatte das Zeugnis der Propheten, er hatte auch das Zeugnis des Johannes des Täufers, aber über diese Zeugnisse hinaus ist entscheidend sein eigenes Zeugnis. Das letzte, entscheidende Verständnis von Jesus kann nur er selbst uns vermitteln. Er tut es zuerst in seinen Worten. Er nennt Gott seinen Vater. Schon der zwölfjährige Knabe Jesus sagte: „Wußtet ihr nicht, dass ich im Hause meines Vaters sein muss?“ Immer wieder hören wir aus seinem Munde das Wort „mein Vater“. „Mein Vater wirkt bis zu dieser Stunde, und auch ich wirke.“ „Mein Vater, wenn es möglich ist, laß diesen Kelch vorübergehen.“ „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen.“ „Vater“, das ist sein letztes Gebet, „in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Nun hat er auch uns gelehrt, Gott als den Vater anzubeten. „Vater unser“ beten wir ja. Aber er macht einen Unterschied; er spricht von seinem Vater und unserem Vater, und das war der Grund, weswegen er verurteilt wurde. Die Gegner haben sehr gut begriffen, dass er sich nicht in einem Allgemeinbegriff zusammenfasst, wenn er von seinem Vater spricht, sondern dass er ein einzigartiges, unüberholbares und unübertreffliches Verhältnis zum himmlischen Vater hat. Deshalb trachteten sie ihm nach seinem Leben, so heißt es in der Heiligen Schrift, „weil er Gott seinen Vater nannte und sich so Gott gleichstellte“.

Er nennt sich eins mit dem Vater. „Ich und der Vater sind eins.“ „Wer mich sieht, sieht den Vater.“ „Alles, was der Vater tut, das tut auf gleiche Weise der Sohn.“ „So wie der Vater die Toten lebendig macht, so macht es auch der Sohn.“ Er schreibt sich göttliches Wissen zu. „Niemand kennt den Vater als der Sohn, und niemand kennt den Sohn als der Vater.“ Er hat göttliche Macht. Er vergibt Sünden. Er ist der Herr über den Sabbat. Er ist der ewige, lebendige Gott. „Ehe Abraham ward, bin ich!“ Abraham ist geworden, er ist ungeworden, er war immer. Es hat nie, meine lieben Freunde, Menschenworte gegeben, die es an Würde und Machtgefühl aufnehmen könnten mit den Worten und Gesten, in denen das göttliche Selbstbewusstsein Jesu aufblitzt.

Er lässt sich auch göttliche Ehre erweisen. Petrus sinkt nach dem wunderbaren Fischfang nieder, und der Blindgeborene wirft sich auf die Knie; Thomas ruft aus: „Mein Herr und mein Gott!“ Der Heiland lässt diese Anbetung zu. Als Paulus und Barnabas einmal nach Lystra kamen, da meinten die Bewohner, es seien Götter erschienen, und sie wollten ihnen Stiere zum Opfer darbringen. Da zerrissen Paulus und Barnabas ihre Kleider, stürmten in die Menge und sagten: Was tut ihr denn da? Ihr seid ja verrückt geworden. Wir sind doch Menschen wie ihr. Niemals hätte Jesus zugelassen, dass ihm anbetende Ehre erwiesen wird, wenn er nicht der wahre Sohn Gottes wäre. Ich freue mich, dass man für den Weltjugendtag in Köln das Leitwort gewählt hat: „Wir sind gekommen, ihn anzubeten.“ Darin ist ja tatsächlich unser Glaube an Jesus als den wahren Sohn Gottes ausgedrückt. Wir sind gekommen, ihn anzubeten. Wir wollen hoffen, dass alle, die dahin kommen, ihn auch tatsächlich anbeten. Schließlich hat Jesus noch einmal ein feierliches Bekenntnis zu seiner Gottessohnschaft abgelegt. Am Abend seines Lebens fragte ihn der Hohepriester: „Ich beschwöre dich beim lebendigen Gott, dass du uns sagest: Bist du der Sohn Gottes?“ Da kam die klare Antwort: „Ja, ich bin es! Und ihr werdet den Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommen und zur Rechten Gottes sitzen sehen.“ Und er besiegelt dieses Zeugnis mit dem Tode.

Die Worte Jesu bezeugen seine Würde als der leibhaftige Sohn Gottes. Wir sind Adoptivkinder Gottes, aber er ist der natürliche Sohn Gottes. Das ist der wesentliche Unterschied. Und einmal sagt der Herr zu den Juden: „Die Werke – die Werke, – die ich im Namen meines Vaters vollbringe, geben Zeugnis von mir.“ Er weiß, dass sie seinen Worten manchmal nicht recht glauben wollen, deswegen weist er auf die Werke. „Wenn ich die Werke meines Vaters tue, so braucht ihr mir nicht zu glauben. Wenn ich sie aber tue, und ihr wollt mir nicht glauben, so glaubt doch den Werken, damit ihr einseht, dass der Vater in mir ist und ich im Vater bin.“

Die Werke Jesu haben eine vielfache Gestalt. An erster Stelle sein heiliges Leben. Wenn wir die Worte und die Taten Jesu nachprüfen, wir finden keine einzige Handlung, die Gottes unwürdig wäre. Selbst der Unglaube gibt zu, hier steht eine Persönlichkeit, die himmelhoch erhaben ist über alle Menschen, ohne Fehl und Makel. Wenn wirklich einmal Gott in Menschengestalt auf die Erde kam, dann musste er so leben, dann konnte er nur so leben, wie Jesus gelebt hat. Der Hauptmann unter dem Kreuz hat es ausgesprochen: „Wahrhaftig, dieser Mann war Gottes Sohn!“ Das zweite Siegel unter seine Worte sind seine Weissagungen. Der Herr besitzt die Kenntnis der Herzen; er weiß die Gedanken, und er liest in den Herzen der Menschen wie in einem offenen Buch. Er sagt dem Nathanael: „Ich habe dich gesehen, als du unter dem Feigenbaum warst.“ Er sagt der Samariterin, was sie alles angestellt hat mit ihren Männern. Er weiß den Verrat des Judas voraus. Er weiß die Verleugnung des Petrus voraus. Er sagt sein eigenes Leiden vorher. Alles erfüllt sich. Etwas vorhersagen, bevor dieses Ereignis eingetreten ist, und dann dieses Ereignis so geschehen lassen, wie es vorhergesagt wurde, das ist Gottes Werk. Das dritte Siegel unter die Worte Jesu sind seine Wunder. Wunder sind Zeichen außerordentlichen göttlichen Wirkens, so ungewöhnlich, dass sie Menschen nicht vollbringen können, wenn Gott nicht in ihnen wirkt. Meine lieben Freunde, wenn wir überhaupt etwas Sicheres über Jesus und das Leben Jesu wissen können, dann ist es die Tatsache, dass er wunderbare Kräfte besaß, die er in den Dienst seines Heilandswirkens gestellt hat. Seine Wunder sind so eng mit seinem apostolischen Wirken verbunden, dass wir das eine ohne das andere gar nicht denken können. Er hat Kranke geheilt, Lahme, Taube, Stumme, Aussätzige, Kranke aller Art. Er heilt ohne Untersuchung und ohne Arznei. Er heilt ohne lange Kuren und ohne Entgelt. Er heilt in einem Worte und in einem Augenblick. Der Kranke braucht gar nicht einmal in seiner Nähe zu sein; es gibt Fernheilungen. Das ist nicht Vollmacht, das ist Allmacht.

Es ist mir bekannt, meine lieben Freunde, und ich muss es Euch leider sagen, es ist mir bekannt, dass es in der Gegenwart so genannte katholische Theologen gibt, welche die Wunder Jesu leugnen. Ich erinnere an einen Mann namens Alfons Weiser. Er hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Was die Bibel Wunder nennt“. Nach Weiser hat Jesus niemals den Gelähmten, der auf der Bahre zu ihm gebracht wurde, geheilt, sondern die Erzählung will lediglich kundtun, „dass Gott durch Jesu Wirken sich mehr als jemals sonst der leiblichen Gebrechen angenommen und den Menschen von der Wurzel her Heil ermöglicht hat“. Meine lieben Freunde, jeder normale Mensch wird sich fragen, wie eine Nichtheilung bzw. eine erfundene Geschichte von einer Heilung die Zuwendung Gottes zu den Kranken demonstrieren soll. Das ist doch ohne tatsächliche Heilung eine Fiktion. Wenn Lukas in seinem Evangelium berichtet, Jesus habe das Ohr des Knechtes des Hohenpriesters geheilt, dann ist das für Weiser selbstverständlich eine Legende, mit der Lukas den Friedens- und Heilswillen Jesu in ein Geschehen umgesetzt hat. Aber der Friedens- und Heilswille Jesu ist eine bloße Fiktion, wenn er sich nicht in Taten umgesetzt hat. Hier werden also die Heilungswunder Jesu radikal geleugnet. Und das ist ein Buch für unsere Schüler, das ist ein Religionsbuch! Ich frage die Bischöfe, wie lange sie das noch dulden wollen, oder muss ich auch fragen: Wie steht es um ihren Glauben, wenn sie so etwas dulden? Der verstorbene gläubige Theologe Schamoni hat zu dem Buche von Weiser geschrieben: „Dieses Arbeitsbuch für den Religionsunterricht dürfte wie kein zweites den Glauben der Schüler abtreiben.“

Jesus hat auch Naturwunder gewirkt. Er hat das Wasser in Wein verwandelt; er hat Tausende mit wenigen Broten und Fischen gespeist, so dass alle satt wurden; er ist über das Meer gewandelt; er hat dem Sturm und dem Seebeben geboten: „Schweige! Verstumme!“ Und der Sturm legte sich, und das Seebeben hörte auf. Da haben die Jünger gesagt: „Was ist denn das für einer, dass ihm sogar der Wind und die Wellen gehorchen?“ Sie haben gespürt, das ist nicht ein Prophet, das ist nicht ein Gesetzeslehrer, das ist der auf Erden erschienene Gott. Was ist denn das für einer, dass ihm sogar der Wind und die Wellen gehorchen? Jesus hat Tote erweckt. Das Töchterchen des Jairus hat er bei der Hand genommen und ihm gesagt: „Mädchen, steh auf!“ Und das Mädchen ist aufgestanden. Er hat die Bahre angerührt, auf der der Sohn der Witwe von Naim lag, und ihm befohlen: „Jüngling, ich sage dir, steh auf!“ Und er stand auf. Er hat den Lazarus aus dem Grabe kommen lassen: „Lazarus, komm heraus!“ Und er ist herausgekommen. Nicht Vollmacht, sondern Allmacht ist hier. Die Wunder Jesu sind von solcher Art, dass sie seine göttliche Majestät bezeugen. Vor allem aber das Wunder seiner Auferstehung. Denn mit diesem Wunder hat Gott selbst das Siegel unter das Leben und Wirken Jesu gesetzt. Gott hat ihn deswegen aus dem Grabe geholt, weil er sein Ja zu dem Anspruch und zu den Taten Jesu sprechen wollte. Wir haben in der Auferstehung Jesu ein absolut sicheres Siegel für die Wahrheit: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe.“

Und so hat denn die Kirche immer an der Gottheit Jesu festgehalten. Die Apostel haben sie bekannt. Sie konnten, wie sie sagen, nicht davon schweigen, was sie gesehen und gehört hatten. Der heilige Petrus beschreibt das Wunder vom Tabor: „Wir waren Augenzeugen seiner Größe. Er empfing vom Vater Ehre und Herrlichkeit, als die Stimme auf ihn herabkam: Dieser ist mein geliebter Sohn.“ Er gibt in Rom sein Leben hin für seinen Gott und Heiland. Der heilige Johannes beginnt sein Evangelium mit den ergreifenden Worten: „Im Anfang war das Wort (das ist also der Sohn Gottes), und das Wort war bei Gott (war also göttlichen Wesens), und das Wort war Gott.“ „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit.“ Das ganze Evangelium des Johannes ist ein einziges Bekenntnis zur Gottheit Jesu. Und der heilige Paulus preist Jesus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Er nennt ihn den Abglanz der Herrlichkeit Gottes und das Ebenbild seines Wesens. In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit. Die junge Kirche hat dieses Bekenntnis aufgenommen und weitergetragen. Im Bekenntnis von Nizäa im Jahre 325 hat sie ausdrücklich formuliert, was wir jeden Sonntag noch in der heiligen Messe beten: „Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn. Er ist aus dem Vater geboren vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott. Nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater. Durch ihn ist alles geschaffen.“

Meine lieben Freunde, in Tübingen lehrt ein Theologe, dessen Ruhm in alle Welt gedrungen ist. Seine Bücher sind in zahllose Sprachen übersetzt und verbreitet. Er hat mit seinen Büchern Hunderttausende, wenn nicht Millionen verdient. Aber dieser Theologe glaubt nicht an Jesus als den Sohn Gottes. Er hat seinen Ruhm dadurch erworben, dass er das Bekenntnis der Kirche aufgegeben hat. Sie wissen, wer dieser Theologe ist; er heißt Hans Küng. Zahllose Preise hat man ihm gegeben, Ehrungen über alles Maß. Der Kardinal Lehmann nahm ein Abendessen ein im vorigen Jahre mit ihm. Und trotzdem ist und bleibt er vom katholischen Glauben abgefallen. In seinem Buche „Christ sein“ nennt er Jesus den „Sachwalter Gottes“. Ja, meine lieben Freunde, Sachwalter hat Jesus viele gehabt, aber Jesus ist nicht bloß der Sachwalter Gottes, er ist der Sohn Gottes, er ist der metaphysische Sohn Gottes! Dass Jesus, der Zimmermann von Nazareth, sich Gott gleichstelle, warfen ihm seine Feinde vor, und er ließ diesen Vorwurf auf sich ruhen. Es war der gerechteste, der ihm je gemacht wurde.

Wir, meine lieben Freunde, halten uns an Jesus, an seine Worte, an seine Taten. Wir halten uns an das Glaubensbekenntnis der Kirche und rufen: Jesus, du wahrer Gott, erbarme dich unser! Jesus, du starker Gott, erbarme dich unser! Herz Jesu, in dem die ganze Fülle der Gottheit wohnt, erbarme dich unser!

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